Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T***** R*****, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Worthing-Smith Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wels, wegen 6.148,24 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. September 2018, GZ 12 Ra 42/18k-23, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. April 2018, GZ 7 Cga 35/17b-19, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 587,52 EUR (darin 97,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war von 18. 4. 2006 bis 1. 2. 2017 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Am 16. 1. 2017 vereinbarten die Parteien die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit 17. 3. 2017 und den Verbrauch des Resturlaubs bis zum letzten Arbeitstag. Zuvor wurde der Kläger aber am 1. 2. 2017 unbegründet entlassen.
Die Vorinstanzen gaben dem Begehren des Klägers auf Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen und die entsprechenden BMSVG-Beiträge, jeweils für die Zeit von 2. 2. 2017 bis 17. 3. 2017, statt. Den Standpunkt der Beklagten, dass der Kläger mit der von der Beklagten gezahlten Urlaubsersatzleistung bereits alles bekommen habe, was ihm zustehe, traten die Vorinstanzen nicht bei.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil zur Frage der Auslegung des § 29 AngG im Zusammenhang mit § 10 UrlG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung aufgefunden werden konnte.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die anstehenden Fragen können aufgrund der klaren Gesetzeslage und der bereits vorliegenden Rechtsprechung gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Ein Angestellter, der unberechtigt entlassen wurde, bekommt nach § 29 AngG als Kündigungsentschädigung das, was er ohne die unberechtigte Entlassung erhalten hätte. Er ist damit wirtschaftlich so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß – hier also durch die vereinbarte einvernehmliche Beendigung – beendet worden (vgl RIS-Justiz RS0028397; Pfeil in ZellKomm³ § 29 AngG Rz 20). Auf diese Grundsätze stützt sich auch die Revision der Beklagten. Ihre Ansicht, die (unberechtigte) Entlassung sei hier nicht schadenskausal, weil der Kläger ohne Entlassung infolge des vereinbarten Urlaubsverbrauchs keine Urlaubsersatzleistung erhalten hätte, sondern nur das laufende Entgelt bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses, das aber exakt der ausbezahlten Urlaubsersatzleistung entspreche, greift jedoch zu kurz.
Hätte das Arbeitsverhältnis, wie zunächst vereinbart, erst am 17. 3. 2017 geendet, hätte der Kläger seinen Resturlaub von 32 Urlaubstagen verbrauchen können und von 2. 2. 2017 bis 17. 3. 2017 Urlaubsentgelt gemäß § 6 UrlG (von der Beklagten als „laufendes Entgelt“ bezeichnet) erhalten. Infolge der unberechtigten Entlassung konnte der Kläger, weil das Arbeitsverhältnis von der Beklagten vor Verbrauch des Resturlaubs beendet wurde, seinen offenen Urlaub von 32 Urlaubstagen nicht mehr verbrauchen (vgl 9 ObA 93/89).
Bei der hier vorzunehmenden und auch von der Beklagten angestellten Differenzrechnung zwischen dem Entgelt, das der Kläger erhalten hätte, wenn das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch die vereinbarte einvernehmliche Auflösung geendet hätte, und jenem, das der Kläger nach der unberechtigten Entlassung tatsächlich bekommen hat, darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Kläger im ersten Fall das Urlaubsentgelt nach § 6 UrlG von 2. 2. 2017 bis 17. 3. 2017 zugestanden wäre. Die von der Beklagten bezahlte Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG kann darauf nicht angerechnet werden, weil diese ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Erfüllung des in der Vergangenheit liegenden, noch offenen, bisher nicht erfüllten Urlaubsanspruchs ist und auf einem anderen Rechtsgrund beruht als die Kündigungsentschädigung (RIS-Justiz RS0028685). Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass für die hier vorzunehmende Differenzrechnung anstelle des vereinbarten, aber infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchten Naturalurlaubs die Urlaubsersatzleistung als (Geld-)Surrogat zu treten hat, ist daher nicht zu beanstanden. Die Urlaubsersatzleistung ist aber nicht auch Ersatz für das Entgelt, das der Kläger ohne ungerechtfertigte Entlassung bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 17. 3. 2017 erhalten hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
Textnummer
E123851European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00125.18Z.1217.000Im RIS seit
30.01.2019Zuletzt aktualisiert am
17.04.2019