TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/16 W207 2190936-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2018
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Entscheidungsdatum

16.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W207 2190936-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1994, StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018, Zahl 1099804505-152035237 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 21.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 21.12.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, am 01.01.1994 in Afghanistan geboren zu sein, ledig zu sein, Dari als Muttersprache zu sprechen und der Volksgruppe der Hazara sowie dem moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe in Afghanistan vier Jahre die Grundschule besucht, sein letzter ausgeübte Beruf sei Soldat gewesen. Sein letzter Wohnsitz sei in Kabul gewesen, von dort aus habe er vor ca. zwei Monaten seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat angetreten. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, Afghanistan sei nicht mehr sicher, seit die Taliban an der Macht seien. Schiiten würden von den Taliban einfach getötet. Der Beschwerdeführer sei Soldat gewesen, als er erfahren habe, dass die Grenzen zu Europa offen seien, sei er ausgereist. Er fürchte sich vor den Taliban.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 09.01.2018 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:

"[...]

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Afghanistan

F: Aus welcher Provinz bzw. welcher Region Ihres Heimatstaates kommen Sie?

A: Aus der Provinz Maidan Wardak, Distrikt X, Ortschaft Y

F: Was ist Ihre Muttersprache?

A: Dari

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Dari, Paschtu und Urdu ein bisschen, ein bisschen Deutsch

F: Können Sie in diesen Sprachen lesen und schreiben?

A: Nur Dari lesen und schreiben

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Hazara

F: Welcher Religion gehören Sie an?

A: Muslim, Schiit

F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

A: Ja

F: Haben Sie im Verfahren bis dato, bei den bisherigen Befragungen, der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja

F: Wurde Ihnen die Niederschrift, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung mit Ihnen aufgenommen hat, rückübersetzt?

A: Ja

F: Haben Sie den Dolmetscher in der Einvernahme vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung gut verstanden?

A: Ja

F: Sind Sie heute psychisch und physisch in der Lage die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Ich bin ganz gesund

F: Nehmen Sie Medikamente?

A: Nein

F: Sind Sie in ärztlicher Behandlung oder Therapie?

A: Nein

F: Haben Sie Personaldokumente?

A: Nein

F: Hatten Sie jemals Identitätsdokumente?

A: Ich habe meine Dokumente mitgenommen, die Taliban haben aber kontrolliert und ich habe alles am Weg eingegraben

F: Haben Sie Identitätsdokumente, die Sie heute zur Vorlage bringen können?

A: Nein

F: Haben Sie Dokumente, die sich noch in Ihrem Heimatland befinden?

A: Nein

F: Haben Sie irgendwelche anderen Dokumente oder Beweismittel, die Sie vorlegen können (Tazkira, ...)?

A: 4 Fotos, Integrationspapiere, Bewerbungsschreiben, Werte- und Orientierungskurs, Deutschkurse, Behandlungsbestätigung

F: Nennen Sie Ihren heutigen Familienstand und den Familienstand, den Sie zum Zeitpunkt der Ausreise aus Ihrem Heimatland hatten.

A: Ledig

F: Haben Sie uneheliche Kinder?

A: Nein

F: Können Sie einen kurzen Lebenslauf bezüglich Ihrer Person schildern? z.B.: Wo sind Sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben Sie absolviert, welchen Beruf haben Sie ausgeübt etc. ?

A: Ich bin in Maidan Wardak geboren, bis in die 4. Klasse bin ich in dem Ort in die Schule gegangen, ich war in der Landwirtschaft beschäftigt. 1391 ging ich mit meiner Familie nach Kabul. Ich war ca. 3 oder 4 Monate arbeitslos, dann bin ich nach Z. (Wardak Maidan) zur Polizei gegangen. Dort habe ich ca. 2 Jahre gearbeitet (Juli 2015). Dann bin ich wieder nach Kabul zurückgegangen.

F: Wo war Ihr letzter Wohnort in Afghanistan und wie lange haben Sie dort gewohnt?

A: Kabul, XXXXX, XXXXX

F: Handelt es sich bei Ihrer oben angegebenen Wohnadresse um ein Haus oder eine Wohnung?

A: Eigentumshaus

F: Wem gehörte dieses Haus?

A: Dem älteren Bruder

F: Wer lebt derzeit an dieser Adresse?

A: Meine Mutter und mein Bruder

F: Wann genau haben Sie sich dazu entschlossen, dass Sie Ihr Heimatland verlassen?

A: 2 Monate nachdem ich nach Kabul gekommen bin (ca. September 2015)

F: Wann haben Sie Ihr Heimatland tatsächlich verlassen?

A: Das genaue Datum weiß ich nicht, vielleicht ein Monat nach meinem Entschluss

F: Wo haben Sie die letzte Nacht vor der Ausreise verbracht?

A: Zu Hause

F: Schildern Sie Ihre Ausreise aus dem Heimatstaat und den Reiseweg (Welche Provinzen und Reisemittel)?

A: Von Kabul mit dem Bus nach Nimruz, dann mit dem Schlepper illegal nach Pakistan und weiter in den Iran, teilweise mit dem Auto und zu Fuß, im Iran war ich ein Monat aufhältig, weiter in die Türkei, über die Grenze zu Fuß, sonst mit dem Auto. 20 Tage war ich in Istanbul, dann nach Izmir und von dort mit dem Schlauchboot nach Griechenland. Weiter über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich.

F: Sind Sie schlepperunterstützt nach Österreich gereist?

A: Nur bis Griechenland, dann alleine weiter

F: Wie war der Name des Schleppers?

A: Der Schlepper von der Türkei nach Griechenland hieß K.

F: Wer hat die Reise organisiert?

A: Ich selbst

F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt?

A: ca. 4.000,-- USD

F. Woher stammte das Geld für den Schlepper?

A: Von mir und meinem Bruder

F: Wie sind Sie in Österreich eingereist?

A: Illegal

F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?

A: Ca. 2 Jahre und 1 Monat

F: Haben Sie in einem anderen Land außer Österreich um Asyl angesucht?

A: Nein

F: Weshalb haben Sie nicht schon einen Asylantrag in einem der bereits sicheren Länder, durch die Sie gereist sind, gestellt?

A: Ich wollte in Österreich leben

F: Welches Land war das Ziel Ihrer Reise?

A: Österreich

F: Welche Familienangehörigen leben noch in Ihrem Herkunftsstaat (Name, Geburtsdatum, Wohnort, was arbeiten diese, Staatsangehörigkeit)?

A: Vater: verstorben

Mutter: F., über. 60 Jahre alt, Kabul, Hausfrau

2 Brüder: A., ca. 40-43 Jahre, Kabul, Süßigkeiten Verkäufer, H., ca. 38-39 Jahre, Kabul, Koch

3 Schwestern: R., ca. 31 Jahre, Hausfrau, Kabul, F., ca. 28-29 Jahre, Iran, Hausfrau, A., ca. 27 Jahre, Hausfrau, Seit ca. 1 Jahr in der Türkei, alle verheiratet

F: Wann und woran ist Ihr Vater verstorben?

A: ich war 3 Jahre alt, als mein Vater auf dem Weg von Z. von den Taliban getötet wurde

F: Haben Sie weitere Verwandte im Heimatland?

A: Nur die Kinder meiner Schwester und meiner Brüder

F: Wovon lebt die Familie im Heimatland?

A: alle arbeiten

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund?

A: Ein Haus in Kabul

F: Welche engeren Freunde leben noch in Ihrem Herkunftsstaat (Name, Geburtsdatum, Wohnort, was arbeiten diese, Staatsangehörigkeit)?

A: A., lebt in Bamiyan

F: Wie besteht der Kontakt zu den im Herkunftsstaat befindlichen Familienangehörigen und Freunden?

A: Über Internet, z.B. Viber

F: Wie oft haben Sie Kontakt mit diesen?

A: Einmal im Monat mit meiner Mutter oder meiner älteren Schwester

F: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit diesen?

A: Vor 2 Tagen

F: Wie wurde der Kontakt hergestellt?

A: Über IMO

F: Haben Sie eine Facebook-Account?

A: Ja

F: Haben Sie damit auch Kontakt nach Afghanistan?

A: Nein

F: Wann war Ihr letzter Arbeitstag?

A: Im Monat Juli 2015

F: Was haben Sie monatlich durchschnittlich mit dieser Arbeit verdient?

A: Ca. 11.500,-- Afghani mtl.

F: War das ein Betrag, von dem Sie gut leben konnten? Wie würden Sie das beschreiben? A: Ja

F: Haben Sie, abgesehen von dieser Arbeit, auch noch andere Berufe ausgeübt? Haben Sie eine berufliche Ausbildung?

A: Vor der Polizei habe ich als Bauarbeiter gearbeitet, als Maurer

F: Wie viel waren 11.500 Tausend Afghani in USD in 2015?

A: ca. 200,-- USD

F: Haben Sie dieses gesamte Geld, diese 11.500 Tausend Afghani, immer zum Leben gebraucht oder konnten Sie etwas davon zur Seite legen?

A: Ich habe alles meiner Mutter gegeben, sie hat einen Teil davon verbraucht, einen Teil gespart

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A: Ich habe im Distrikt Z. gearbeitet. Wir waren an einem Ort stationiert, wo auf der anderen Seite ein kleiner Berg war, wir haben die Straßensicherheit übernommen, damit die Taliban die Autos nicht kontrollieren konnten, der Ort heißt X. Bis zum 4. Juli habe ich dort gearbeitet.

Am 3. oder 4. Juli haben eine große Menge von Taliban gegen uns gekämpft, viele Polizeistationen wurden von den Taliban erobert, die ganze Munition, die ich und wir gehabt haben, haben wir verschossen, als wir gemerkt haben, dass die Regierung nicht dagegen macht und wir keine Unterstützung bekommen haben, habe ich mich über das Gebirge in einen Ort, wo Hazara leben, geflüchtet. Bei diesem Angriff sind 60 Polizisten ums Leben gekommen.

Ich bin nach X gegangen, dass von der Regierung kontrolliert wird, von dort bin ich weiter nach Y geflüchtet, drei Tage war ich dort. Dann bin wieder nach Kabul und nie wieder zurückgegangen.

Der Freund von mir, der auf dem Foto ist, er und ein anderer Freund und ich sind zu Dritt geflüchtet. Mein Freund hat in Kabul gelebt. Ca. 2 Wochen nach dem Vorfall kam jemand in der Früh zu ihm und klopfte an die Tür, wie ich es gehört habe. Als er die Tür öffnete, wurde ein ganzes Magazin auf ihn abgefeuert, bis heute weiß niemand, wer ihn getötet hat.

Als mein Freund getötet wurde, habe ich Angst bekommen, dass ich auch eines Tages getötet werde.

Im dem Gebiet, in dem wir stationiert waren, haben auch viele Personen mit den Taliban zusammengearbeitet. Der Kommandant der Taliban, Q., hat uns bedroht, das er alle umbringe werde, weil er nicht die Straßen kontrollieren und die Autos aufhalten könne.

Da wir die Strecke täglich durchqueren mussten, weil die Versorgung sehr schlecht war, waren wir bekannt, auch alle Ladenbesitzer haben uns gekannt. Die Ladenbesitzer sind alle aus den Dörfern, die von den Taliban kontrolliert werden und arbeiten mit den Taliban zusammen. Da wir auch Hazara waren, hätten sie auch für die Taliban spionieren können, in welchen Auto Hazara sind und in welche Richtung sie unterwegs sind.

Als wir nach Kabul gekommen sind und mein Freund getötet wurde, habe ich Angst bekommen, dass auch ich getötet werde und ich gehe davon aus, dass es die Leute von Q. waren.

Das waren meine Fluchtgründe, sonst nichts.

F: Beantworten Sie die nachstehenden Fragen mit "ja" oder "nein". Sie haben später noch die Gelegenheit, sich ausführlich zu diesen Fragen zu äußern:

F: Sind Sie vorbestraft?

A: Nein

F: Waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert?

A: Nein

F: Hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Nein

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc.?

A: Nein

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein

F: Sind oder waren Familienangehörige Mitglieder einer politischen Partei?

A: Nein

F: Sind oder waren Freunde Mitglieder einer politischen Partei?

A: Nein

F: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme?

A: Ja

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.) ?

A: Nein

F: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Ja

F: Wurden Sie persönlich bedroht?

A: Ja

F: Wurden Ihre Familienangehörigen bedroht?

A: Nein

F: Schildern Sie Ihre Probleme aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses?

A: Ich konnte nicht öffentlich beten, da ich sonst Probleme bekommen hätte

F: Schildern Sie Ihre Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

A: Die Probleme mit der Tazkira, wo ich diskriminiert wurde. Ich war in der Reihe und wurde von den Personen anderer Volksgruppenzugehörigkeiten beschimpft und musste bis zum Schluss warten. Solche Fälle habe ich mehrmals erlebt.

F. Schildern Sie die bewaffneten Auseinandersetzungen?

A: Nur der eine Vorfall am 3. oder 4. Juli mit den Taliban

F. Schildern Sie die persönliche Bedrohung?

A: Wir wurden jeden Tag über den Funk bedroht, dass wir umgebracht werden. Eine persönliche Bedrohung gab es nicht.

F: Welche Funkgeräte haben sie gehabt?

A: Motorola, Nachgefragt: ich glaube ca. 10 Kanäle

F. Wie viele Personen waren dort stationiert?

A. 8 Personen

F: Möchten Sie von sich aus noch etwas zu Ihrem Fluchtgrund angeben?

A: Ich habe alles gesagt

F: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert?

A: Ja

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich fühle mich dort nicht sicher und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass ich dort umgebracht werde.

F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

A: Ja

Es wird rückübersetzt. ASt wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gibt ASt an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F: Was wurde aus Ihren 7 Kameraden, nachdem Sie über das Gebirge geflüchtet sind?

A: 1 Person mit dem Namen Y. wurde getötet, wir 3 sind über das Gebirge, D. wurde verletzt und 3 andere haben sich irgendwie abgesetzt, was mit ihnen passiert ist, weiß ich nicht. Nachgefragt, D. wurde von den Dorfbewohnern gerettet.

F: Wie sah Ihr Sozialleben in Afghanistan aus?

A: In meiner Freizeit habe ich mit meinen Freunden Karten gespielt, ich hatte ein gutes Sozialleben vor dieser Arbeit, danach nicht mehr so

F: In welchen anderen Provinzen Ihres Heimatstaates waren Sie schon in Ihrem Leben?

A: Ghazni,

F: Haben Sie Angehörige in Europa oder in einem anderen Land?

A: Nein

F: Haben Sie nahe Verwandte in Österreich? Wenn ja welche und wo wohnen diese? Wie gestaltet sich der Kontakt zu diesen?

A: Nein

F: Haben Sie Deutschkurse besucht bzw. positive Prüfungen abgelegt?

A: Ja, Bestätigungen liegen vor

F: Haben Sie in Österreich eine Schule besucht bzw. eine Ausbildung genossen? Wenn ja welche und wie lange?

A: Nein

F: Arbeiten Sie in Österreich bzw. haben Sie in der Vergangenheit in Österreich gearbeitet? A: Nein

F: Wie sehen Ihre sozialen Kontakte/Aktivitäten in Österreich aus?

A: Sehr, sehr viel besser, seit dem ich hier bin, fühle ich mich wie ein Mensch. Im Ort nehme ich an allen Festen teil (religiös oder nicht religiös). Es gibt Pensionisten die meine Hilfe benötigen, sie sind unsere Nachbarn, ich schaufle Schnee und bin immer in Bereitschaft ihnen zu helfen.

F: Sind Sie arbeitsfähig?

A: Ja

F: In welcher Sprache verständigen Sie sich in Österreich?

A: Deutsch, AW spricht sehr gut Deutsch

F: Wo wohnen Sie in Österreich? (Wenn möglich auf Deutsch)

A: In K., XXXXX

F: Wovon leben Sie in Österreich?

A: Ich lebe von der Grundversorgung

F: Was erwarten Sie sich in Österreich und wovon möchten Sie in Österreich leben?

A: Mein erster Wunsch ist, dass ich hier in Frieden leben kann. Ich will eine Ausbildung als Bauarbeiter machen und ich möchte alles was ich von diesem Land bekommen habe, mit meiner Arbeit ausgleichen

F: Haben Sie Privatbesitz in Österreich?

A: Nein

F: Sind Sie in einem Verein aktiv tätig? Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?

A: Nein

F: Sind Sie ein gläubiger Moslem?

A: Nicht so

F: Beten Sie jeden Tag?

A: Nein

F: Fasten Sie im Ramadan?

A: Nein

F: Haben Sie in Österreich eine Freundin oder Lebensgefährtin? Wenn ja wie heiß sie?

A: Nein

F: Sind Sie in Österreich in irgendeiner Art mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

A: Nein

F: Haben Sie mit der Polizei zu tun gehabt?

A: Nein

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

A: Ja, ich habe einen Zimmerkameraden gehabt, H., er hat Kinderpornos auf Facebook oder Instagram geteilt

F: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein

F: Gehen Sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach? Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?

A: Nein

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Ich habe alles gesagt was wichtig war

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern?

A: Ja

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Nein, ich habe alles gesagt was wichtig war

F: Wären Sie im Fall einer Rückkehrentscheidung an einer freiwilligen Rückkehr und Integrationsprojekten in Afghanistan interessiert?

A: Nein

F: Wen ja, dürfen Ihre Daten an die Organisation der Rückkehrhilfe weitergegeben werden? A:

V: Die Länderinformationsblätter zu Afghanistan liegen bei der ho. Behörde auf, diese behandeln die Lage in Afghanistan, unter anderem unter Einbeziehung der Sicherheitslage in ganz Afghanistan und auch Ihrer Herkunftsprovinz, der Versorgungslage, aktueller Vorfälle usw.

Sie haben das Recht diese Länderinformationsblätter bei der Behörde jetzt einzusehen, Stellung zu nehmen oder eine schriftliche Ausfertigung der Länderinformationsblätter zwecks Stellungnahme, Frist 1 Woche, zu verlangen.

AW verzichtet auf die Länderinformationsblätter und die damit verbundene Stellungnahme

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja

F: Es wird rückübersetzt. ASt wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?

A: keine Einwände, alles richtig und vollständig protokolliert

F: Hat der Dolmetscher das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

A: Ja

[...]"

Der Beschwerdeführer verzichtete in dieser Einvernahme am 09.01.2018 auf eine Einsichtnahme in die seitens der Behörde herangezogenen Berichte zur Situation in Afghanistan sowie auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans handle, welcher der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung sowie der Volksgruppe der Hazara angehöre. Die Identität des Beschwerdeführers könne hingegen nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zu Folge am 01.01.1994 in Afghanistan in der Provinz Wardak geboren. Der Beschwerdeführer verfüge über Angehörige in Kabul, wo er auch selbst zuletzt gelebt habe; seine Mutter, seine beiden Brüder und eine verheiratete Schwester würden in einem eigenen Haus in Kabul leben, der Beschwerdeführer könne daher Unterstützung von diesen in Kabul lebenden Verwandten bekommen. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig, er könne aufgrund seiner beruflichen Vorerfahrung für seinen Unterhalt grundsätzlich auch selbst sorgen. Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohenden Erkrankung.

Was die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates betrifft, so führte die belangte Behörde aus, wenngleich der Beschwerdeführer wegen der Taliban nicht in seine ursprüngliche Heimatprovinz Wardak zurückkehren könne, so könne er aber jedenfalls in die Provinz Kabul, wo dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe, zurückkehren, die der Beschwerdeführer über einen Flughafen erreichen könne, ohne einer Gefährdung ausgesetzt zu sein. Beim Beschwerdeführer handle es sich nicht um ein so genanntes "High Profile" Ziel. Der Beschwerdeführer, der als Hazara zwar zu einer ethnischen und als Schiite auch einer religiösen Minderheit angehöre, habe eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht ausreichend konkret ins Treffen geführt und sei eine solche auch nicht ersichtlich.

Ebensowenig sei in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Afghanistan landesweit eine Artikel 2, 3 EMRK entsprechende Notlage zu erwarten hätte. Zwar sei es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, in seine Heimatsprovinz Wardak zurückzukehren, jedoch sei es dem Beschwerdeführer möglich, speziell in Kabul, wo er bereits gelebt habe und wo Teile seiner Familie leben, Aufenthalt zu nehmen. Es seien keine Umstände amtsbekannt, dass speziell in der Stadt Kabul eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder dass eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich infrage gestellt wäre. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Kabul als arbeitsfähiger und gesunder Mann Fuß fassen könne, zumal ihm seine Berufserfahrung als Landwirt, Maurer und Polizist von Nutzen sein könne, um die grundlegendsten Bedürfnisse abdecken zu können. Zudem könne der Beschwerdeführer entsprechende Unterstützung, die notwendig sei, seine Grundbedürfnisse an Unterkunft, Verpflegung etc. zu decken, durch die zahlreichen in Afghanistan tätigen NGO's erwarten. Auch könne er finanzielle Rückkehrhilfe gemäß § 52a BFA-VG Startkapital in Anspruch nehmen und bestünde ein Netzwerk von Hilfsorganisationen für rückkehrende Menschen. Trotz der als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan sei eine Ansiedelung in Afghanistan, insbesondere in Kabul, im Hinblick auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage möglich, dem Beschwerdeführer sei aufgrund seiner individuellen Situation eine Aufenthaltnahme in der Hauptstadt Kabul zumutbar, zumal berufstätige Familienangehörige des Beschwerdeführers in einem eigenen Haus in Kabul leben würden und dem Beschwerdeführer Unterstützung zukommen lassen könnten. Kabul sei aus dem Ausland per Flug erreichbar, somit sei der Beschwerdeführer nicht gezwungen, Gebiete mit erhöhtem Gefahrenpotenzial zu durchqueren.

Der in Österreich strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer verfüge über keinen familiären Anknüpfungspunkt in Österreich. Der Lebensunterhalt in Österreich werde aus der Grundversorgung bestritten. Dem Beschwerdeführer seien vergleichsweise außergewöhnliche Integrationsbemühungen zugutezuhalten, was die vielen Referenzschreiben sowie seine Aktivitäten und seine in Österreich geschlossenen Freundschaften belegen würden. Der Beschwerdeführer spreche bereits auf hohem Niveau Deutsch (mindestens B2) und bemühe sich um einen Ausbildungsplatz. Der Beschwerdeführer sei jedoch illegal in das Bundesgebiet eingereist, wo er sich seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum - seit Dezember 2015 - aufhalte; der Beschwerdeführer habe sich seines unsicheren Aufenthaltes, der sich auf einen nicht begründeten Asylantrag stütze, von vornherein bewusst gewesen sein müssen. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergebe ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an einem Verlassen Österreichs gegenüber dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet.

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 28.02.2018, brachte der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 26.03.2018 fristgerecht Beschwerde ein, die dem Bundesverwaltungsgericht am 03.04.2018 vorgelegt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Er ist 1994 geboren; seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Provinz Wardak geboren und aufgewachsen, hat aber auch bereits in Kabul gelebt. Seine Mutter, seine beiden Brüder und eine verheiratete Schwester leben in Kabul, die Mutter und einer der Brüder bewohnen ein eigenes Haus, in dem auch der Beschwerdeführer gelebt hat, bevor er Afghanistan verlassen hat. Die beiden in Kabul lebenden Brüder des Beschwerdeführers arbeiten als Süßigkeitenverkäufer bzw. als Koch und bestreiten durch diese Tätigkeiten den Lebensunterhalt der Familie. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan vier Jahre eine Schule besucht. Er hat Berufserfahrung: er hat in Afghanistan in der Landwirtschaft und als Bauarbeiter bzw. als Maurer und in der Herkunftsprovinz Wardak als Polizist gearbeitet. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Der Beschwerdeführer leidet an keinen körperlichen und an keinen psychischen Erkrankungen. Er spricht Dari.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er ist nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet seit seiner Antragstellung am 21.12.2015 auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er hat bisher den Lebensunterhalt in Österreich im Rahmen der Grundversorgung bestritten, seit September 2018 steht er in einem Lehrverhältnis als Koch in einem Kurhotel und nimmt seither keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr in Anspruch. Der Beschwerdeführer verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache, dies auf B2-Niveau; er hat in Österreich diverse diesbezügliche Deutschkurse besucht und Prüfungen absolviert. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer bezogen auf den Raum Kabul keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch Taliban oder durch andere Personengruppen substantiiert vorgebracht hat.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

...

Angriffe in Kabul

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2018

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani- Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT- Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

Quellen:

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Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in Kabul,

https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-

bloodshed-in-kabul-9909494, Zugriff 30.1.2018

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BBC (29.1.2018): Kabul military base hit by explosions and gunfire,

http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374, Zugriff 29.1.2018

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BBC (21.1.2018): Kabul: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege,

http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517, Zugriff 29.1.2018

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DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on Kabul hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-kabul-hotel/a-

42238097, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near Kabul Military Academy Kills 11

Afghan Soldiers,

https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/kabul-attack-

afghanistan.html, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at Kabul Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,

-

Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in Kabul after ambulance bomb,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-

after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018

-

Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at Kabul hotel,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-

battle-at-kabul-hotel-idUSKBN 1F90W9, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at Kabul military

academy,

https://www.theguardian.com/world/2018/ian/29/explosions-kabul-military-

academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': Kabul reels from deadly ambulance

bombing,

https://www.theguardian.com/world/2018/ian/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-

attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018

-

The Guardian (27.1.2018): Kabul: bomb hidden in ambulance kills dozens,

https://www.theguardian.com/world/2018/ian/27/scores-of-people-wounded-and-several-

killed-in-kabul-blast, Zugriff 29.1.2018

-

The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,

https://www.theguardian.com/world/2018/ian/24/explosion-attack-save-the-children-office-

ialalabad-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC

20.12.2017) . Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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