TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/23 99/20/0110

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.1999
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
WaffG 1986 §19 Abs2 impl;
WaffG 1996 §10;
WaffG 1996 §21;
WaffG 1996 §22 Abs1;
WaffG 1996 §23 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde der Mag. EH in Wien, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Jänner 1999, Zl. SD 749/98, betreffend Erweiterung der Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, also insoweit, als der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erweiterung des Berechtigungsumfanges ihrer Waffenbesitzkarte auf mehr als vier genehmigungspflichtige Schusswaffen abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügt seit 10. Oktober 1996 über eine Waffenbesitzkarte für zwei Faustfeuerwaffen. Am 28. Jänner 1998 beantragte sie, ihre Befugnis zum Besitz von genehmigungspflichtigen Schusswaffen auf eine Gesamtzahl von neun Waffen zu erhöhen und begründete dies mit aktiver "Sportschützentätigkeit mit genehmigungspflichtigen Waffen in neun Disziplinen".

Mit Bescheid vom 22. Juni 1998 wies die Bundespolizeidirektion Wien als Behörde erster Instanz den Antrag gemäß § 23 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab. Begründend führte diese Behörde aus, gemäß § 23 Abs. 2 leg. cit. sei die Anzahl der genehmigungspflichtigen Schusswaffen grundsätzlich mit nicht mehr als zwei festzusetzen. Eine Ausnahme könne nur erfolgen, wenn hiefür eine Rechtfertigung glaubhaft gemacht werde. Als Rechtfertigung gelte insbesondere die Ausübung der Jagd oder des Schießsports. Die Beschwerdeführerin habe eine solche Rechtfertigung nicht glaubhaft machen können. Sie habe keine "Ergebnisliste" und "keine Bestätigung über vereinsinterne, nationale oder internationale Schießbewerbe, Einladungen udgl. vorgelegt, woraus man Ihre Häufigkeit und Ernsthaftigkeit an der Ausübung des wettkampfmäßigen Schießsports erkennen hätte können".

Eine bloße Mitgliedschaft bei einem Schützenverein (die Beschwerdeführerin sei Mitglied des Sportvereines Wien, Sektion Schießen) sowie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin Inhaberin eines Schützenpasses sei, sei kein Nachweis dafür, ob und für wie viele Waffen aus schießsportlichen Gründen ein Bedarf bestehe. Dazu sei festzustellen, dass in der "offenen (open) Klasse" sämtliche Faustfeuerwaffen "ab dem Kal. 9 mm parabellum" mit allen möglichen Umbauten, in der "Standardklasse" nur original hergestellte Faustfeuerwaffen "ab dem Kal. 9 mm parabellum" verwendet würden. Als höchstmögliche Anzahl an Faustfeuerwaffen, um im "IPSC (International Practical Shooting Confederation = Weltverband, im österreichischen Schützenbund aufgenommen und vertreten)" sämtliche Disziplinen abdecken zu können, seien sechs Stück Faustfeuerwaffen entsprechend folgender Aufstellung erforderlich:

"1)

1 Wettbewerbspistole MAJOR-Kaliber für die offene Klasse

2)

1 Trainingspistole MAJOR oder MINOR-Kaliber für die OFFENE

KLASSE

3)

1 Wettbewerbspistole mit MAJOR-Kaliber (ab 10 mm)

STANDARD KLASSE

4)

1 Trainingspistole MAJOR oder MINOR-Kaliber für die STANDARD KLASSE

5)

1 Wettbewerbsrevolver für die OFFENE KLASSE

6)

1 Wettbewerbsrevolver für die STANDARD KLASSE"

Die Beschwerdeführerin habe somit eine Rechtfertigung für die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte für neun Stück genehmigungspflichtiger Schusswaffen nicht glaubhaft machen können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in teilweiser Stattgebung der Berufung dahin ab, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 23 Abs. 2 WaffG die Erlaubnis zum Besitz von zwei weiteren, also insgesamt vier genehmigungspflichtigen Schusswaffen erteilt werde; das Mehrbegehren wies die belangte Behörde jedoch ab. Begründend führte sie aus, dass als Rechtfertigung für den Besitz einer größeren Anzahl genehmigungspflichtiger Schusswaffen die Ausübung des Schießsports gelte. Wer eine Erweiterung seiner Waffenbesitzkarte anstrebe, habe die dafür maßgebenden Rechtfertigungsgründe von sich aus (initiativ) darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Beschwerdeführerin, die seit Juli 1997 Mitglied des österreichischen Heeressportverbandes, Sektion Schießen, sei und einen Schützenpass des Sportschützenlandesverbandes Wien besitze, habe im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, sie würde eine aktive Sportschützentätigkeit mit genehmigungspflichtigen Schusswaffen in neun Disziplinen ausüben. Da die Beschwerdeführerin Mitglied eines Sportschützenvereines sei, habe sie zwar grundsätzlich eine Rechtfertigung für den Besitz einer höheren Anzahl als zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen glaubhaft gemacht. Die Glaubhaftmachung einer Rechtfertigung zum Besitz von mehr als zwei genehmigungspflichtigen Schusswaffen sei Voraussetzung dafür, dass die Behörde überhaupt befugt sei, eine diesbezügliche Ermessensentscheidung zu treffen. § 10 WaffG setze einer solchen Entscheidung insoferne eine Schranke, als private Rechte und Interessen nur insoweit berücksichtigt werden könnten, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren möglich sei. Bei Ausübung dieses Ermessens habe die Behörde nach sachlichen Kriterien vorzugehen. Die Beschwerdeführerin habe im erstinstanzlichen Verfahren eine Urkunde vorgelegt, wonach sie an einem Aufbaukurs in den Disziplinen "Sportpistole und Standardpistole" teilgenommen und diese Kurse bestanden habe. Da die Beschwerdeführerin somit aus schießsportlichen Gründen (nur) eine Rechtfertigung für den Besitz von zwei weiteren genehmigungspflichtigen Schusswaffen habe, sei dem Antrag insoweit stattzugeben, im Übrigen aber abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer fristgerecht erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 und 23 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (im Folgenden: WaffG) lauten - soweit entscheidungswesentlich - wie folgt:

"§ 21. (1) Die Behörde hat verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und für den Besitz einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe eine Rechtfertigung anführen können, auf Antrag eine Waffenbesitzkarte auszustellen. Die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und für den Besitz einer solchen Waffe eine Rechtfertigung anführen können, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sofern sie den Nachweis erbringen, dass der Besitz einer solchen Waffe für die Ausübung ihres Berufes erforderlich ist.

§ 22. (1) Eine Rechtfertigung im Sinne des § 21 Abs. 1 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er die genehmigungspflichtige Schusswaffe innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften zur Selbstverteidigung bereithalten will.

§ 23. ...

(2) Die Anzahl der genehmigungspflichtigen Schusswaffen, die der Berechtigte besitzen darf, ist grundsätzlich mit nicht mehr als zwei festzusetzen. Eine größere Anzahl darf - außer in den Fällen des Abs. 3 - nur erlaubt werden, sofern auch hierfür eine Rechtfertigung glaubhaft gemacht wird. Als solche Rechtfertigung

gilt insbesondere die Ausübung der Jagd oder des Schießsports. ... "

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage (457 Blg NR, 20. GP) zu § 21 WaffG heißt es, "das zusätzliche Erfordernis einer Rechtfertigung (i.S.d. § 22 Abs. 1) für den Besitz und Erwerb findet seine Begründung in der Richtlinie (Art. 5)."

Art. 5 der Waffen-Richtlinie des Rates vom 18. Juni 1991 (91/477/EWG) lautet diesbezüglich:

"Unbeschadet des Art. 3 gestatten die Mitgliedstaaten den Erwerb zum Besitz von Feuerwaffen der Kategorie B nur Personen, die dafür eine Rechtfertigung anführen können und außerdem

a) 18 Jahre alt sind, außer bei Vorliegen einer Sondergenehmigung für Jäger und Sportschützen,

b) sich selbst, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit aller Voraussicht nach nicht gefährden.

..."

Art. 3 sieht die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer waffenrechtlichen Regelungen strengere Vorschriften erlassen können, als in dieser Richtlinie vorgesehen.

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum § 22 WaffG heißt es, dass eine Rechtfertigung in den angeführten Beispielen jedenfalls anzunehmen sei. Es sei aber auch davon auszugehen, "dass in der Regel etwa die Mitgliedschaft in einem Sportschützenverein eine Rechtfertigung im Sinne dieser Regelung" (gemeint: für die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 21 Abs. 1 WaffG) "ist."

Für den vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob schon in der Mitgliedschaft bei einem Sportschützenverein eine Rechtfertigung im Sinne dieser Erläuterungen - bezieht man diese nur auf die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte als solcher und nicht auch auf die Rechtfertigung einer größeren Anzahl als zwei Schusswaffen - gesehen werden kann, weil die Beschwerdeführerin nach dem insoweit unangefochtenen Teil des in Beschwerde gezogenen Bescheides vier genehmigungspflichtige Schusswaffen (somit ohnehin mehr als die grundsätzliche Höchstzahl gemäß § 23 Abs. 2 erster Satz leg. cit.) besitzen darf. Die belangte Behörde geht aufgrund der von ihr vorgelegten Urkunden überdies davon aus, dass die Beschwerdeführerin den Schießsport - wenn auch nur mit einem Bedarf an Waffen für die Disziplinen Sportpistole und Standardpistole - tatsächlich ausübe.

Wesentlich für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist zunächst das Verständnis von § 23 Abs. 2 dritter Satz WaffG, wonach als Rechtfertigung für die Erweiterung der Waffenbesitzkarte für mehr als zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen "insbesondere die Ausübung der Jagd oder des Schießsports" gelte. Aus der Gleichsetzung dieser beiden Rechtfertigungsgründe lässt sich ableiten, dass für die Erweiterung des Berechtigungsumfanges grundsätzlich die Teilnahme an Wettkämpfen und Turnieren, wie die Behörde erster Instanz annahm, nicht Voraussetzung ist, weil dies einerseits bei der Ausübung der Jagd regelmäßig nicht vorauszusetzen ist und andererseits eine solche Einschränkung auf die wettkampfmäßige Verwendung der Waffen zu Zwecken des "Schießsports" vom Wortlaut dieser Bestimmung her nicht gedeckt wäre. Von der Ausübung einer bestimmten Sportart wird zwar erst bei Vorliegen einer gewissen Regelmäßigkeit nach Erlernung der erforderlichen Grundbegriffe gesprochen werden können, nicht jedoch erst bei Teilnahme an Wettkämpfen in der betreffenden Sportart. Da aber der Schießsport in der Regel bereits mit ein oder zwei Waffen ausgeübt werden kann, das Gesetz insbesondere für die Erweiterung des Berechtigungsumfanges der Waffenbesitzkarte "auch hierfür" eine zusätzliche Rechtfertigung voraussetzt, müssen die über die Anzahl von zwei genehmigungspflichtigen Schusswaffen hinausgehenden Waffen (jeweils) auch für die effektive Ausübung dieses Sportes benötigt werden, anderenfalls eine Rechtfertigung "hiefür" nicht vorliegen kann. Damit kann aber - anders als die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 23 Abs. 2 WaffG vorzugeben scheinen - nicht schon allein durch die Mitgliedschaft bei einem Schießsportverein die schießsportliche Verwendung dieser benötigten weiteren Waffen als glaubhaft gemacht angesehen werden. Selbst wenn die Mitgliedschaft bei einem Schießsportverein eine Rechtfertigung zur Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 21 Abs. 1 WaffG mit der grundsätzlich vorzunehmenden Beschränkung des Berechtigungsumfanges gemäß § 23 Abs. 2 erster Satz WaffG darstellen mag, so kann dies für die Ausübung des Schießsportes unter Verwendung einer größeren Anzahl von Waffen nicht gelten. Aus der Mitgliedschaft bei einem Sportschützenverein allein lassen sich noch keine ausreichenden Rückschlüsse auf die tatsächliche Ausübung dieses Sportes, insbesondere nicht hinsichtlich der Verwendung einer größeren Anzahl von Waffen in verschiedenen schießsportlichen Disziplinen ziehen. Nur dann, wenn auch die Verwendung der (benötigten) weiteren Waffen zur Ausübung spezieller Disziplinen des Schießsportes - in der Regel wird der Anfänger zunächst mit einer geliehenen Waffe und nach Erlernung der Grundbegriffe zur Ausübung des Schießsportes mit ein oder zwei eigenen Waffen das Auslangen finden - bescheinigt wird, kann der vom Gesetz für die Erweiterung des Berechtigungsumfanges der Waffenbesitzkarte gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz WaffG geforderte Rechtfertigungsgrund als gegeben angenommen werden.

Dies besagt allerdings noch nicht, dass die Behörde die Waffenbesitzkarte auch entsprechend erweitern muss, wenn man dem Standpunkt der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid folgt, § 23 Abs. 2 zweiter Satz WaffG räume ihr Ermessen selbst bei Vorliegen der umschriebenen Voraussetzungen ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 19 Abs. 2 WaffG 1986 - auch ohne ausdrücklichem Hinweis auf die Einräumung von Ermessen im Wortlaut dieser Bestimmung (vgl. etwa § 17 Abs. 1 zweiter Satz WaffG 1986 oder nunmehr § 21 Abs. 1 WaffG) - ständig judiziert, dass die Ausdehnung des Berechtigungsumfanges der Waffenbesitzkarte auf mehr als zwei Faustfeuerwaffen im Ermessen der Behörde stehe (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. September 1982, Zl. 82/01/0147 und vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0170). Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass durch die Änderung des Wortlautes von

"bei Vorliegen rücksichtswürdiger Umstände kann der Besitz einer größeren Anzahl von Faustfeuerwaffen erlaubt werden" (in § 19 Abs. 2 zweiter Satz WaffG 1986) auf "eine größere Anzahl darf nur erlaubt werden, sofern auch hierfür eine Rechtfertigung glaubhaft gemacht wird" (in § 23 Abs. 2 zweiter Satz WaffG)

der Behörde keine Ermessensübung (mehr) eingeräumt sein sollte (so auch Hauer-Keplinger, Waffengesetz 1996, S 136; vgl. ebenso Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, S 253 f). Eine derartige Intention des Gesetzgebers lässt sich den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 23 WaffG nicht entnehmen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das subjektive Recht auf ( zwingende ) Ausstellung einer Waffenbesitzkarte bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 21 erster Satz, 22 Abs. 1 WaffG hinsichtlich des Berechtigungsumfanges durch § 23 Abs. 1 erster Satz WaffG mit zwei genehmigungspflichtigen Schusswaffen begrenzt wird. Die darüber hinausgehende Anzahl steht hingegen im Ermessen der Behörde.

Bei einer Ermessensentscheidung handelt es sich allerdings - wie bei einer gebundenen Entscheidung - um einen Verwaltungsakt in Vollziehung eines Gesetzes, für den die Grundsätze einer rechtsstaatlichen Verwaltung in gleicher Weise zu gelten haben. Dazu gehört, dass auch bei Ermessensentscheidungen die Schlussfassung ebenso auf sorgfältig angestellten Überlegungen beruht, wie in den Fällen, in denen das Gesetz im Einzelnen vorschreibt, worauf die Behörde Bedacht zu nehmen hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. November 1966, Slg. Nr. 7022/A). Die von einer Behörde getroffene Ermessensentscheidung ist daher in einer Weise zu begründen, die es dem Verwaltungsgerichtshof ermöglicht zu prüfen, ob die Behörde das Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat. Diesem Gebot ist die belangte Behörde erkennbar nicht nachgekommen:

§ 10 WaffG bestimmt, dass bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen sind, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist. Ob diese Bestimmung eine Einschränkung der Erweiterung des Berechtigungsumfanges zum Besitz von Waffen auf solche Sportschützen zulässt, die an Wettkämpfen bzw. an entsprechenden Vorbereitungsübungen teilnehmen - wie dies die Behörde erster Instanz angenommen hatte - kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben (dahingehende Anhaltspunkte bestünden allenfalls in der Waffen-Richtlinie, die in einzelnen Fällen gerade für Wettkämpfe weniger strenge Bestimmungen als für den sonstigen Umgang mit Waffen intendiert (vgl. etwa Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie oder die Hinweise in den Allgemeinen Bestimmungen, wonach für Jagd- und Sportwettkämpfe aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes weniger strenge Vorschriften angezeigt erschienen)). Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zwar auf die Norm des § 10 WaffG Bezug genommen und ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, ihr stünde Ermessen zu, im Ergebnis jedoch die Abweisung der Berufung bloß damit begründet, die Beschwerdeführerin habe den Bedarf für die Ausübung des Schützensportes deshalb nur für zwei (weitere) genehmigungspflichtige Schusswaffen glaubhaft dargetan, weil sie "an je einem Aufbaukurs" in zwei Disziplinen teilgenommen habe. Die belangte Behörde hat somit in Wahrheit die Ausweitung des Berechtigungsumfanges nicht nach für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Ermessenskriterien begrenzt, sondern aufgrund nicht weiter nachvollziehbarer Erwägungen angenommen, der Rechtfertigungsgrund "Ausübung des Schützensports" liege angesichts der Kursteilnahme (gemeint wohl: nur) in zwei Disziplinen (nur) im Ausmaß für zwei weitere genehmigungspflichtige Schusswaffen vor. Sollte die belangte Behörde die allerdings nicht klar zum Ausdruck gebrachte Auffassung vertreten, es bedürfte für die Erweiterung des Berechtigungsumfanges zum Besitz von Waffen zunächst nur der Glaubhaftmachung der Mitgliedschaft bei einem Sportschützenverein, während dann die festzusetzende Anzahl nach dem nachgewiesenen Bedarf an Waffen entsprechend der Zahl der vorgelegten Kursbestätigungen über den Umgang mit Waffen vorzunehmen sei, so stünde ein solcher Rechtsstandpunkt mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Die belangte Behörde hat aber ihren Bescheid im Rahmen dieser Erwägungen schon deshalb mit einer Mangelhaftigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren die Einvernahme ihrer Person zum Umfang ihrer Sportausübung in den einzelnen Disziplinen des Schießsports angeboten hatte, worauf in der vorliegenden Beschwerde zutreffend hingewiesen wird. Im Übrigen hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit den Ermittlungsergebnissen, insbesondere nicht damit auseinander gesetzt, welche einzelnen Schießsportdisziplinen im Schießsportbereich bestehen, welche Waffen dafür jeweils erforderlich sind, ob und welche Voraussetzungen regelmäßig bei Schießsportvereinen, im Besonderen beim HSV, Sektion Schießen, für die Ausübung der einzelnen Sportschützendisziplinen bestehen, ob und welche Schießkurse für deren Ausübung allenfalls gefordert werden, welchem Schießsportniveau die Beschwerdeführerin entspricht; nicht unmaßgeblich ist auch die Klärung der Frage, ob und inwieweit ungeachtet der Legaldefinition des § 1 WaffG die für den Schießsport bestimmten Waffen auch dazu geeignet sind, den in § 1 Z 1 WaffG angeführten Zwecken zu dienen. Da die zum Besitz von genehmigungspflichtigen Schusswaffen auszustellende Waffenbesitzkarte nicht nach der Verwendungsbestimmung der vom Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde besessenen Waffe differenziert, setzt die Ausweitung einer schon bestehenden Berechtigung - vor Ausübung des den Behörden eingeräumten Ermessens - zunächst voraus, dass mit dem bislang gewährten Berechtigungsumfang für den glaubhaft gemachten Rechtfertigungsgrund nicht das Auslangen gefunden werden kann. So wird insbesondere die Rechtfertigung "Ausübung des Schießsports" für die Ausweitung des Berechtigungsumfanges dann nicht ausreichen, wenn für den Schießsport mit der schon bisher gewährten Anzahl von genehmigungspflichtigen Schusswaffen für den von der Beschwerdeführerin auch angestrebten Zweck "Bereithaltung zur Verteidigung im Sinne des § 22 Abs. 1 WaffG" das Auslangen gefunden werden kann. Nicht ersichtlich ist in diesem Zusammenhang, warum es zum Zwecke der Bereithaltung zur Verteidigung in der Wohnung der Beschwerdeführerin des Besitzes von zwei genehmigungspflichtigen Schusswaffen im Sinne des § 1 Z 1 leg. cit. bedürfte.

Die belangte Behörde wird im Sinne der obigen Ausführungen im fortgesetzten Verfahren nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens ausreichende Sachverhaltsfeststellungen dahingehend zu treffen haben, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin zusätzlich (mehr als die schon genehmigten vier) Schusswaffen zur "Ausübung des Schießsports" benötigt und - wenn trotz Vorliegens dieses Rechtfertigungsgrundes für eine größere Anzahl die Erlaubnis zum Besitz unter Bedachtnahme auf § 10 WaffG dennoch mit einer geringeren als der sich danach ergebenden Zahl zu begrenzen sein sollte - aufgrund welcher Erwägungen das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr eine Beschränkung der privaten Interessen der Beschwerdeführerin rechtfertige. Dazu bedarf es einer die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles voll berücksichtigenden Interessenabwägung, die es dem Verwaltungsgerichtshof ermöglicht, die ihm aufgetragene Kontrolle der Ermessensentscheidung vorzunehmen.

Der angefochtene Bescheid war aufgrund der bislang nicht ausreichend nachvollziehbaren Erwägungen und mangelhaften Sachverhaltsfeststellungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in dem angefochtenen, im Spruch umschriebenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 23. Juli 1999

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200110.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten