Entscheidungsdatum
11.01.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §68 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.11.2018, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Verwaltungsstrafgesetz
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Strafverfügung vom 01.10.2018, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er am 07.09.2018 gegen 20:36 Uhr in der Adresse 3 in Richtung Osten mit dem PKW mit dem Kennzeichen *** die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h überschritten habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift § 52 lit a Z 11 a der Straßenverkehrsordnung verletzt. Woraufhin eine Geldstrafe von EUR 260,00 verhängt wurde.
Am 19.10.2018 erhob der Beschwerdeführer mündlich Einspruch gegen das Strafmaß vor der belangten Behörde.
Im Zuge dessen wurde am 19.10.2018 von der belangten Behörde ein Straferkenntnis mit demselben Tatvorwurf erlassen. Der Beschuldigte hat hierbei erklärt, dass er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe. Hierbei hat der Beschwerdeführer ausdrücklich auf eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses und der Einbringung einer diesbezüglichen Beschwerde verzichtet.
Des Weiteren wurde später am selben Tag vom nunmehr rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer ein weiterer, diesmal jedoch schriftlicher, Einspruch gegen die Strafverfügung vom 01.10.2018 eingebracht.
Dieser Einspruch wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.11.2018, Zl *** zurückgewiesen. Dieser Bescheid wird im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass die Sache bereits entschieden sei.
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid, Zl ***, erhob der Beschwerdeführer nunmehr rechtzeitig Beschwerde am Landesverwaltungsgericht Tirol. Begründet wird die Beschwerde, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seines Geständnisses und des Beschwerdeverzichts seiner Rechte nicht bewusst war.
II. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Y und der Beschwerde des Beschwerdeführers.
III. Rechtslage:
Die hier relevante Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018 lautet samt Überschrift wie folgt:
„Beschwerderecht und Beschwerdefrist
(…)
§ 7. (2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.“
(…)“
Die hier relevante Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes AVG, BGBl. I Nr. BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018 lautet samt Überschrift wie folgt:
„Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.“
Die hier relevanten Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018 lauten samt Überschrift wie folgt:
„1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen
§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, § 39 Abs. 3 bis 5, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.
(…)
Strafverfügung
§ 47. (1) Wenn von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einem militärischen Organ im Wachdienst auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt oder wenn das strafbare Verhalten auf Grund von Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen festgestellt wird, dann kann die Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung eine Geldstrafe bis zu 600 Euro festsetzen. In der Strafverfügung kann auch auf den Verfall beschlagnahmter Sachen oder ihres Erlöses erkannt werden, wenn der Wert der beschlagnahmten Sachen 200 Euro nicht übersteigt.
(…)“
IV. Erwägungen:
Gemäß § 47 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung eine Geldstrafe bis zu 600,00 Euro festsetzen, wenn von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einem militärischen Organ im Wachdienst auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt oder wenn das strafbare Verhalten auf Grund von Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen festgestellt wird.
Es wird hierbei eine sogenannte Strafverfügung ausgestellt, welche mit dem ordentlichen Rechtsmittel des Einspruchs gemäß § 49 VStG bekämpfbar ist. Der Einspruch ist schriftlich oder mündlich zu erheben (§ 49 Abs 1 VStG). Wenn sich der Einspruch nur gegen das Strafmaß richtet, so beschränkt sich die Entscheidungsbefugnis der Behörde erster Instanz in einem solchen Fall lediglich darauf, die Strafe mittels Bescheid zu bestätigen, herabzusetzen oder von ihr ganz abzusehen sowie über die Kosten abzusprechen. (Vgl 22.04.1999, 99/07/0010). Bei allen anderen Fällen hat die Behörde ein ordentliches Verfahren einzuleiten und die Strafverfügung tritt außer Kraft.
Im gegenständlichen Fall wurde vom Beschwerdeführer mündlich vor der belangten Behörde ein Einspruch gegen das Strafmaß der Strafverfügung vom 01.10.2018 erhoben. Dadurch ist der Schuldausspruch in der Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen. Mit dem anschließend ergangenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde daher nur über die Strafhöhe abgesprochen.
Gemäß § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Der Beschuldigte hat vor der belangten Behörde erklärt, dass er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe und ausdrücklich auf eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses und der Einbringung einer diesbezüglichen Beschwerde verzichtet.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführer bei Erklärung seines Beschwerdeverzichts einem Willensmangel (List, Zwang) unterlegen ist, oder andere Umstände vorgelegen haben, welche die Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers beeinträchtigt haben könnten. Die Behauptung, dass dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden sei, dass er nicht „auskommt“ bzw. ohnehin die Geldstrafe zu bezahlen habe, ändert nichts daran, dass er als handlungsfähige Person iSd § 9 AVG iVm 865 ABGB einen rechtswirksamen Beschwerdeverzicht erklärt hat.
Aufgrund seines Rechtsmittelverzichtes ist das Straferkenntnis der belangten Behörde in Rechtskraft erwachsen und die Sache wurde somit entschieden.
Gemäß § 24 VStG iVm § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg cit die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gegenstand der durch § 68 Abs 1 AVG geschützten materiellen Rechtskraft ist der konkrete Norminhalt des in Frage stehenden Bescheides, das heißt der im Bescheid getroffene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt zum Ausdruck kommt (vgl VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; 23.04.2003, 2000/08/0040; vgl auch Hengstschläger-Leeb, AVG, § 68 Rz 23).Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 AVG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt, welche dem formell rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (vgl VwGH 26.02.2004, 2004/07/0014). Weiters muss eine Identität der Rechtslage als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG vorliegen, was voraussetzt, dass seit der Erlassung des rechtskräftigen Bescheides, dessen Abänderung begehrt wird, in den die Entscheidung tragenden Normen der Rechtslage, auf welche die Behörde den Bescheid gestützt hat, keine wesentliche, das heißt die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Modifikation eingetreten ist (vgl VwGH 18.05.2004, 2001/05/1152). Als dritte Voraussetzung muss eine Identität der Sache iSd Parteienbegehrens vorliegen, dies bedeutet, das bei gleichgebliebener maßgeblicher Sach- und Rechtslage auch das neue Parteienbegehren im Wesentlichen, das heißt abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung in der Hauptsache unerheblich sind, mit dem früheren Begehren übereinstimmt, also in derselben „Sache“ eine nochmalige Entscheidung fordert (vgl VwGH 16.11.1993, 92/08/0191; vgl LVwG-2018/15/1964-3).
Diese Voraussetzungen liegen in dem vom Beschwerdeführer bekämpften Bescheid der belangten Behörde vor:
Durch den weiteren Einspruch wurde für denselben Tatvorwurf, über den die belangte Behörde einerseits durch den rechtskräftig gewordenen Schuldausspruch in der Strafverfügung und andererseits über den rechtskräftigen Ausspruch über die Strafhöhe mittels Straferkenntnis, ein neuerlicher Abspruch über die idente Sache gefordert. Dies ist gemäß § 24 VStG iVm 68 Abs 1 AVG nicht zulässig.
Die Zurückweisung des Einspruchs war somit rechtmäßig.
Die Akten lassen nicht erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache hätte erwarten lassen. Dem Entfall der Verhandlung standen weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Larcher
(Vizepräsident)
Schlagworte
Schuldausspruch in Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen; Abweisung; Rechtskraft; Identität der SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.23.0021.1Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019