Entscheidungsdatum
07.03.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W164 2188031-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Teilerkenntnis:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, soweit sich diese gegen Spruchpunkt VII des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 01.02.2018, Zl. 16-1102433910/160080845 richtet, zu Recht erkannt:
A)
Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 15.01.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.
Diesen Antrag hat das BFA mit Bescheid vom vom 01.02.2018, Zl. 16-1102433910/160080845, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz BGBl I Nr 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl Nr 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei(Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe(Spruchpunkt VI). Gemäß § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG, BGBl Nr. 87/2012, wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt VII).
Seine mit Spruchpunkt VII getroffene Entscheidung stützte das BFA auf § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG: Danach könne einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht habe. Die so aberkannte aufschiebende Wirkung umfasse auch die mit der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz verbundene Rückkehrentscheidung. Der BF habe versucht, das BFA hinsichtlich seiner wahren Identität (Alter) zu täuschen: Der BF habe keine hinreichen verlässlichen Originaldokumente zum Nachweis seiner Identität in Vorlage gebracht. Er sei nicht in der Lage gewesen, im Asylverfahren ein homogenes und widerspruchsfreies Vorbringen betreffend seine Identität zu leisten. So habe der BF anlässlich seiner Erstbefragung vom 16.01.2016 angegeben, er sei am XXXX geboren, was ein Alter von 16 Jahren bei Antragstellung ergeben hätte. Aufgrund des sichtlich reiferen Aussehens und Auftretens des BF sei eine Altersfeststellung in Auftrag gegeben worden. Das daraufhin ergangene Sachverständigengutachten habe ergeben, dass der BF bei Antragstellung mindestens 18,46 Jahre alt gewesen sei. Darüber hinaus sei festgestellt worden, dass der BF vor den ungarischen Behörden angegeben habe, er sei am XXXX geboren. Daraus sei insgesamt zu schließen, dass der BF versucht habe, die erkennende Behörde irrezuführen und sich "aus der eigens reproduzierten Minderjährigkeit" Vorteile im Asylverfahren zu erschleichen. Dieses Verhalten werde von der erkennenden Behörde "in Totalität" missbilligt. Dem Verhalten des BF sei eine Dreistigkeit zuzuschreiben, welche die Essenz des Asylverfahrens herabwürdige. Durch sein unehrliches Verhalten habe der BF jene Asylwerber, die tatsächlich minderjährig wären, diffamiert. Im Zuge seiner Einvernahme vom 30.11.2016 habe der BF weiterhin behauptet, er sei am XXXX geboren und habe das ärztliche Sachverständigengutachten bestritten.
Für die erkennende Behörde stehe fest, dass für den BF bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Der BF bedürfe daher nicht des Schutzes Österreichs. Im Fall des BF sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. Da dem Antrag des BF auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden sei, und ihm auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsland drohe, sei es ihm zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse am Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter dem Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.
Der BF erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte -soweit hier wesentlich- vor, die oben dargelegte Entscheidungsbegründung vermittle den Anschein, dass hier neben rechtlichen Abwägungen des Sachverhaltes auch persönliche Momente hineinspielen würden, die an dieser Stelle eines Asylverfahrens keinen Platz hätten. Unter Beachtung des Erkenntnisses des VwGH 2014/03/0057 vom 18.02.2015 wonach das Wesen der Befangenheit grundsätzlich in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive bestehe, sei im vorliegenden Fall Befangenheit iSd § 7 Abs 1 Z 2 AVG gegeben. Angesichts der von der Behörde in ihrer oben dargelegten Beweiswürdigung zum Ausdruck gebrachten Emotionalität und dem offen zur Schau getragenen Ärger werde bestritten, dass die Behörde noch in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt unbefangen zu beurteilen.
Mit Schreiben vom 06.03.2018, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 07.03.2018, ergänzte der BF seine Beschwerde damit, dass die Behörde eine nähere Begründung schuldig sei, weshalb von einer Täuschungshandlung durch den BF auszugehen sei. Da sich gegenständlich kein Hinweis darauf finde, dass der BF im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG vorsätzlich ein falsches Geburtsdatum angeführt habe, werde der Antrag gestellt, der am 28.02.2018 eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Im hier vorliegenden Fall hat der strafrechtlich unbescholtene BF bei Aufnahme des Anhalteprotokolls der Landespolizeidirektion Wien, GZ E1/14738/2016, vom 15.01.2016 und ebenso bei seiner Ertsbefragung vom 16.01.2016 den XXXX als sein Geburtsdatum angegeben.
Gemäß einer Mitteilung des ungarischen Dublin Coordination Units (Office of Immigration and Nationality, Department of Internal Affairs) Ref.Nr. 160345717 vom 29.03.2016 war der BF dort mit dem Geburtsdatum XXXX registriert. Er habe dort als erwachsen gegolten.
Mit Sachverständigengutachten der medizinischen Universität XXXX vom 07.04.2016 wurde aufgrund einer am 05.03.2016 beim BF durchgeführten Untersuchung nach Vornahme eines Handwurzelröntgens, einer Untersuchung des Zahnpanoramas und der sternalen(medialen) Epiphysenfugen der Claviculae (Schlüsselbeine) festgestellt, dass zum Untersuchungszeitpunkt mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein höchstmögliches Mindestalter von 18,6 Jahren anzunehmen sei. Es könne zum Zeitpunkt der Antragstellung (15.01.2016) von einem Mindestalter mit 18,46 Jahren ausgegangen werden.
Anlässlich seiner beim BFA durchgeführten niederschriftlichen Befragung vom 30.11.2016 hat der BF erneut angegeben, sein Geburtsdatum sei der XXXX. Er wisse und sei sich sicher, dass dies das richtige Geburtsdatum sei. Der BF habe acht Jahre in Afghanistan eine Grundschule besucht. Von daher wisse er, wann er geboren sei. Die Ärzte hätten nun festgestellt, dass der BF volljährig sei. Der BF habe Respekt vor dieser Entscheidung, aber er werde das nicht akzeptieren. Der BF bedaure, dass er keine Dokumente habe, die sein Alter bestätigen.
Allgemeine Staateninformation über die Ausstellung von Geburtsurkunden in Afghanistan:
Das US Department of State ging im Juli 2012 davon aus, dass weniger als zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung ein Geburtszertifikat haben. Auch UNICEF beschrieb, dass die wenigsten Kinder eine Geburtsurkunde besitzen. Die Tazkira ist die übliche ID-Karte in Afghanistan. Dort sind persönliche und familienbezogene Informationen des Inhabers festgehalten wie Wohn- und Geburtsort, Beruf und Militärdienst. Tazkiras werden für den Schul- oder Universitätseintritt, oder für die Beantragung eines Reisepasses gebraucht. Viele beantragen eine Tazkira erst, wenn sie eine benötigen. UNHCR beschrieb, dass jeder Mann eine Tazkira haben sollte, für die Frauen ist die Beantragung freiwillig. Die Tazkiras sind oft nicht vollständig und immer von Hand ausgefüllt. Jeder Beamte hat seinen eigenen Stil. Jeder Distrikt stellt Tazkiras aus und die Registrierungszentren des Innenministeriums befinden sich in den Polizeistationen. Die Informationen beinhalten den Namen des Besitzers der Karte, den Namen des Vaters und des Großvaters, Geburtsdatum und Geburtsort. Sowohl bezüglich des Geburtsortes wie auch des Geburtsdatums gibt es unterschiedliche Ausstellungsweisen:
Beim Geburtsort ist entweder der Ort des Besitzers der Tazkira oder dessen Vater erwähnt. Meistens beantragt der Vater des Antragstellers die Tazkira, da ein männliches Mitglied die Identität bezeugen muss. Auch bezüglich des Geburtsdatums wird Unterschiedliches eingetragen: Nur das Jahr, nur das Jahr und der Monat, das ganze Datum, ein geschätztes Datum oder das Alter des Antragsstellers bei der Ausstellung der Tazkira. Es gibt Abweichungen bezüglich der Stempel, der benutzten Tinte und des Papieres. Tazkiras werden von unterschiedlichen Behörden unterschrieben.
(Quelle: Afghanistan: Tazkira; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse Alexandra Geiser, 12. März 2013).
2. Beweiswürdigung:
Die gemachten Feststellungen gründen sich auf den Akt der belangten Behörde sowie auf die Einholung einer Auskunft des Strafregisters der Republik Österreich.
Die gemachten Feststellungen legen nahe, dass der BF im Laufe seiner Einreise nach Europa unterschiedliche Angaben über sein Alter gemacht haben dürfte, wobei hinsichtlich der in Ungarn vorgenommene Registrierung nicht belegt ist, wie diese zu Stande kam, konkret, ob etwa ein Dolmetscher beigezogen wurde. Über das Festgestellte hinaus hat das genannte medizinische Sachverständigengutachten ergeben, dass der BF tatsächlich um etwa zwei Jahre älter ist, als er vor den österreichischen Behörden angegeben hat.
Andererseits zeigen die allgemeinen Länderfeststellungen über die in Afghanistan übliche Ausstellung einer Geburtsurkunde - mitunter erst viele Jahre nach der Geburt und unter Zugrundlegung einer Altersschätzung - dass der BF auf einem Umfeld kommt, wo exakte Zeit- und Altersangaben offenbar nur untergeordnete Bedeutung haben. Unter Berücksichtigung dieser Feststellungen lassen die im genannten Sachverständigengutachten notierte geringe Körpergröße des BF ( XXXX) und sein geringes Körpergewicht XXXX wiederum die Erwägung zu, dass der BF in seinem Herkunftsstaat jünger geschätzt und vielleicht erst verspätet zur Schule zugelassen worden sein könnte.
Da das Geburtsdatum des BF jedenfalls vor dem Erstellungsdatum der genannten allgemeinen Staateninformation lag, war diese für den vorliegenden Fall als einschlägig heranzuziehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 18 Abs 1 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen die ausweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folge zu täuschen versucht hat.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Gemäß § 18 Abs 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
Die belangte Behörde vertritt mit Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides die Rechtsmeinung, dass ein Fall des § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG gegeben sei.
Im vorliegenden Fall war daher - ehe eine Entscheidung iSd § 18 Abs 5 BFA-VG in Erwägung gezogen werden hätte können - zunächst zu prüfen, ob die belangte Behörde im Rahmen ihrer in Spruchpunkt VII getroffenen Entscheidung zutreffend davon ausging, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung iSd § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG gegeben waren.
§ 18 BFA-VG 2014 stellt nach den Erläuterungen (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f) eine lex specialis zu § 13 Abs. 2 und § 22 Abs. 2 VwGVG 2014 dar. Dementsprechend normiert § 18 Abs. 7 BFA-VG 2014, dass die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG 2014 nicht anwendbar sind (vgl. VwGH Fr 2016/01/0014 vom 13.09.2016).
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Anders als § 13 Abs 2 VwGVG normiert § 18 Abs 1 BFA-VG allerdings keine Verpflichtung der Behörde, eine Interessensabwägung zwischen dem Interesse des Beschwerdeführers daran, den Ausgang seines Rechtsmittels im Inland abwarten zu können einerseits, und den berührten öffentlichen Interessen bzw. allfälligen Interessen anderer Parteien andererseits vorzunehmen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2.12.2014, G 74/2014 § 56 Abs 3 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) idf BGBl I Nr 71/2013, - diese Bestimmung sah einen grundsätzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und die Möglichkeit einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht nach Prüfung der Erfolgsaussichten der Beschwerde sowie einer Prognose über die Einbringlichkeit allfälliger Rückforderungen vor - insbesondere mit der Begründung als verfassungswidrig aufgehoben, dass es die genannte Bestimmung nicht zugelassen habe, die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen von Verfahrensparteien abzuwägen.
Daraus ist für den vorliegenden Fall zu schließen, dass der Verfassungsgesetzgeber den Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung ohne eine vorangegangene Interessensabwägung iSd § 13 Abs 2 VwGVG nicht schaffen wollte. Der hier anzuwendende § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG ist daher verfassungskonform auszulegen. Bei der Anwendung des in § 18 BFA-VG normierten Ermessens sind die von der höchstgerichtlichen Judikatur und Literatur zu § 13 Abs 2 VwGVG erarbeiteten allgemeinen Grundsätze zu beachten.
Es sind die Interessen des Beschwerdeführers daran, den Ausgang seines Rechtsmittels im Inland abzuwarten, gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfällige Interessen anderer Parteien abzuwägen. Es ist zu prüfen, ob ein Überwiegen der berührten öffentlichen bzw. der Interessen anderer Parteien gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers vorliegt.
Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes müssen gemäß dem rechtstaatlichen Prinzip alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar in der Verfassung begründet sein. Unter dem Aspekt des rechtstaatlichen Prinzip geht es nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtschutzgesuch endgültig erledigt ist. Dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes kommt der Vorrang zu. Deren Einschränkung ist nur aus sachlich gebotenen triftigen Gründen zulässig.
In diesem Gesamtzusammenhang ist nicht jegliches öffentliches Interesse relevant. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Gesetze etwa genügt nicht. Es muss sich um besonderes öffentliches Interesse handeln, aus dem wegen der besonderen triftigen Gründe des konkreten Falls die vorzeitige Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung sachlich geboten ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Verlag Manz, RZ 29 zu § 64 AVG, welcher § 13 Abs 2 VwGVG insoweit gleichgelagert ist).
Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Im vorliegenden Fall ist nicht erwiesen, dass der BF bewusst ein falsches Geburtsdatum angegeben hätte, um in Österreich als minderjährig behandelt zu werden und in den Genuss der daran angeknüpften Vergünstigungen zu kommen. Mit seinen im Verfahren geäußerten Zweifeln über die Richtigkeit des Ergebnisses des eingangs genannten Sachverständigengutachtens hat der BF keine rechtswidrige Handlung gesetzt. Im vorliegenden Fall liegt daher keinesfalls ein schwerwiegendes öffentliches Interesse in dem Sinn vor, dass dieses - dem Interesse Beschwerdeführers, den Ausgang seines Beschwerdeverfahrens im Inland abzuwarten, gegenübergestellt - eine sofortige Abschiebung und damit eine vorzeitige Vollstreckung des erstinstanzlichen Bescheides rechtfertigen würde.
Ergebnis:
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG nicht erfüllt. Der von der belangten Behörde verfügte Ausschluss der (einer Beschwerde grundsätzlich zukommenden) aufschiebenden Wirkung erfolgte mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zu Recht. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seines Spruchteiles VII ersatzlos zu beheben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W164.2188031.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019