Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, in der Beschwerdesache des HG in Wien, geboren am 18. April 1964, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Ungargasse 27/I/20, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Juli 1998, GZ. 203.457/0-VIII/22/98, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren wegen Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die belangte Behörde (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 17. Oktober 1989 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte zuletzt am 15. Jänner 1998 einen Asylantrag, der mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Mai 1998 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13. Mai 1998 zu eigenen Handen zugestellt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine mit dem 26. Mai 1998 datierte, mit einem Postaufgabestempel vom 28. Mai 1998 versehene und am 2. Juni 1998 beim Bundesasylamt eingelangte Berufung.
Mit Schreiben vom 15. Juni 1998 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass seine Berufung verspätet erscheine, weil die zweiwöchige Berufungsfrist "mit Ablauf des 27.4.1998" (handschriftlich verbessert auf: "27.5.1998") geendet habe. Mit Schreiben vom 25. Juni 1998 teilte der Beschwerdeführer der belangten Partei mit, dass die Berufung bereits am 27. April 1998 per Fax übermittelt worden sei. Ein Mitarbeiter des Vertreters des Beschwerdeführers habe darüber hinaus irrtümlich eine unterschriebene Kopie der Berufung am 28. Mai 1998 an das Bundesasylamt gesendet.
Mit dieser Äußerung konfrontierte die belangte Behörde das Bundesasylamt mit Schreiben vom 9. Juli 1998 und erbat eine Auskunft darüber, "ob - wie vom Berufungswerbervertreter behauptet - bereits am 27.4.1998" (auch hier handschriftlich verbessert auf: "27.5.1998") "die gegenständliche Berufung mittels Telefax ... übermittelt wurde." Das Bundesasylamt legte darauf hin mit Schreiben vom 22. Juli 1998 Telefax-Journale vor, aus denen sich die vom Beschwerdeführer behauptete Übermittlung der Berufung nicht bestätigen ließ. Auf ein weiteres Ersuchen der belangten Behörde vom 24. Juli 1998 betreffend den Zeitpunkt 27. Mai 1998 teilte das Bundesasylamt mit, dass auch am 27. Mai 1998 kein Fax vom Vertreter des Beschwerdeführers an das Bundesasylamt übermittelt worden sei.
Ohne den Beschwerdeführer diese Ermittlungsergebnisse nochmals vorzuhalten, hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 63 Abs. 5 AVG mit der Begründung als verspätet zurückgewiesen, dass außer dem verspäteten, am 28. Mai 1998 zur Post gegebenen Berufungsschriftsatz keine weitere an das Bundesasylamt übermittelte Berufung habe festgestellt werden können, insbesondere keine vom 27. April 1998.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht geltend, dass es aufgrund einer falschen Datumsangabe im Aufforderungsschreiben der belangten Behörde zu einer unrichtigen Stellungnahme des Beschwerdeführers über die Berufung per Fax gekommen sei. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, dem Beschwerdeführer noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diesfalls hätte der Beschwerdeführer seinen durch die belangte Behörde verursachten Irrtum erkennen und darauf hinweisen können, dass die Berufung per Telefax bereits am 26. Mai 1998 an das Bundesasylamt übermittelt worden sei.
Bezüglich der Frage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, hat die Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG den Sachverhalt von Amts wegen zu klären. Dabei ist der Partei gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, vom Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer - offenbar aufgrund einer irreführenden Datumsangabe im dazugehörigen Aufforderungsschreiben der belangten Behörde - die Übermittlung einer Berufung per Fax zu einem Zeitpunkt (nämlich zum 27. April 1998) behauptet, in dem der mit Berufung angefochtene Bescheid noch gar nicht erlassen worden war. Mit dieser - für die belangte Behörde als irrtümlich erkennbaren - Stellungnahme hat die belangte Behörde das Bundesasylamt konfrontiert, das eine Übermittlung der Berufung zu dem vom Beschwerdeführer angeführten Zeitpunkt ausschließen konnte.
Ohne dem Beschwerdeführer zu diesem Ermittlungsergebnis Gehör einzuräumen, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen und dadurch gegen die oben angeführte Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG verstoßen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führte zu einem rechtserheblichen Verfahrensmangel, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid gekommen wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, E 255 zu § 63 AVG angeführte Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Juli 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998200524.X00Im RIS seit
20.11.2000