Entscheidungsdatum
12.10.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W205 2132552-2/7E
W205 2132550-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerden 1.) der XXXX, geb. XXXX, 2.) der XXXX, geb. XXXX, beide StA. Syrien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2017, Zlen. 1.) Zl:
1103985407/160159069, 2.) Zl. 1103985505/160159085, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Syrien, gelangten illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellten jeweils am 31.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin.
Zu ihren Personen liegt eine EURODAC Treffermeldung vor, die Beschwerdeführerinnen wurden am 20.01.2016 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt.
1.2. Im Verlauf ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.02.2016 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass ein Sohn von ihr in Österreich lebe. Sie habe Syrien vor einem Monat wegen des IS verlassen und sei über die Türkei und ihr unbekannte Länder nach Österreich gereist.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei dieser Befragung an, dass ihre beiden Brüder bereits vor sechs Monaten aus Syrien geflüchtet wären, sie und ihre Mutter hätten erst kürzlich aus Syrien fliehen können. Sie habe Angst, dass sie vom IS entführt, vergewaltigt oder getötet werde.
1.3. Einem Befundbericht eines Landesklinikums vom 05.02.2016 ist hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin zu entnehmen, dass sie dort wegen eines Harnwegsinfekts, Einzelniere LI, Ausgussstein LI und Kreatininerhöhung aufgenommen worden sei. Die Beschwerdeführerin sei über eine notwendige Operation zur Anlage einer Harnleiterschiene informiert worden, habe sich jedoch gegen diese Operation entschieden und sei am selben Tag auf freiwilligen Wunsch aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Einem Befundbericht eines Landesklinikums vom 17.02.2016 ist hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin zu entnehmen, dass sie wegen einer Hydronephrose links und erhöhten Nierenfunktionsparameter, Pterygium bds und St.p. Nephroktomie rechts von 15.02.2016 bis 18.02.2016 stationär aufgenommen worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe einer percutane Nephrostomie erhalten, eine Steinsanierung werde empfohlen. Es sei zudem beidseitig ein Pterygium festgestellt worden, augenärztlich sei eine operative Sanierung indiziert.
Einem ärztlichen Entlassungsbrief eines Landesklinikums ist hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin zu entnehmen, dass bei ihr am 07.03.2016 eine percutane Nepholitholapaxie durchgeführt worden sei, weshalb sie vom 01.03.2016-10.03.2016 stationär aufhältig gewesen sei. Der Ausgussstein habe komplett entfernt werden können.
Einer weiteren Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums vom 09.03.2016 ist zu entnehmen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin von 01.03.2016 bis 10.03.2016 dort aufgehalten habe.
1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete am 06.03.2016 ein auf Art. 34 Dublin III-VO gerichtetes Informationsersuchen an Slowenien.
Mit Schreiben vom 14.03.2016 teilte die slowenische Dublin Behörde mit, dass die Beschwerdeführerinnen in Slowenien unbekannt seien.
Daraufhin richtete das BFA am 06.04.2016 ein auf beide Beschwerdeführerinnen betreffendes, auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien, welches in der Folge unbeantwortet blieb.
Mit Schreiben vom 16.06.2016 wies das BFA die kroatischen Behörden auf das Verstreichen der Antwortfrist und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Aufnahme der Antragsteller gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO hin.
1.5. Am 29.07.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerinnen vor dem BFA.
Hierbei gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie nur eine Niere habe und bereits drei Mal operiert worden sei, ihre Augen wären auch verschleiert und sie könne nichts sehen. An diesen Erkrankungen leide sie bereits seit zehn Jahren, vor ca. 7 Jahren habe man eine Niere entfernt.
Die Zweitbeschwerdeführerin führte an, sie sei gesund.
Ein Sohn der Erstbeschwerdeführerin lebe in Deutschland, ihr Ehemann lebe seit einem Jahr in Schweden. Die Erstbeschwerdeführerin sei immer gemeinsam mit ihrer Tochter gereist, sie wären nie getrennt gewesen. Ein anderer Sohn lebe seit ungefähr einem Jahr in Österreich, er habe die weiße Karte.
Die Erstbeschwerdeführerin gab an, dass sie nicht nach Kroatien zurückreisen könne, ohne ihren Sohn sei sie verloren, sie sei außerdem krank.
Auch die Zweitbeschwerdeführerin führte an, mit ihrer Mutter in Österreich bei ihrem Bruder bleiben zu wollen.
Sie wären einen Tag in Kroatien gewesen, wo sie nicht so menschlich behandelt worden wären. Die Grenze sei offen gewesen, weshalb sie weitergefahren wären. Sie wären lediglich in einen anderen Zug gestiegen. Mit dem in Österreich lebenden Verwandten würden sie zwar nicht im gemeinsamen Haushalt leben, allerdings wären sie Nachbarn. Bis zu seiner Ausreise hätten sie allerdings in Syrien zusammengelebt.
1.6. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerinnen gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm 22 Abs. 7 Dublin III-VO Kroatien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Parteien ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Zu den familiären Anknüpfungspunkten in Österreich wurde ausgeführt, die Erstbeschwerdeführerin sei mit ihrer Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam nach Österreich gereist, wo sich bereits der Sohn bzw. Bruder mit dessen Familie aufgehalten habe. Zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der minderjährige Zweitbeschwerdeführerin liege ein Familienleben vor, gegen die Zweitbeschwerdeführerin ergehe dieselbe Ausweisungsentscheidung.
Aus den vorgelegten Schreiben des Landesklinikums betreffend die Erstbeschwerdeführerin wären keine lebensbedrohlichen Erkrankungen zu entnehmen gewesen. Es werde darüber hinaus darauf hingewiesen, dass vor jeder Abschiebung eine obligate amtsärztliche Untersuchung erfolge. Aus den Angaben der Beschwerdeführerinnen hätte nicht entnommen werden können, dass sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Kroatien unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden. Die Beschwerdeführerinnen leben mit dem in Österreich aufhältigen Verwandten (Sohn bzw. Bruder) nicht im gemeinsamen Haushalt. Ihr Sohn sei verheiratet und führe ein eigenes Familienleben, eine besondere Abhängigkeit oder Pflegebedürftigkeit sei im gegenständlichen Fall nicht hervorgekommen.
1.7. Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Beschwerden erhoben.
1.8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2016 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
1.9. Schließlich wurde den Beschwerden mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2016 stattgegeben und die Bescheide vom 30.07.2016 gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG behoben.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde zur Nahebeziehung zwischen dem Sohn bzw. Bruder der Beschwerdeführerinnen zu wenig festgestellt bzw. gewürdigt habe. So hätten sie im Verfahren insbesondere vorgebracht, dass sich der Sohn bereits in Syrien um die Mutter gekümmert habe und sie dort in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hätten. Die Behörde habe im fortgesetzten Verfahren dahingehend Ermittlungen anzustellen und vor allem auch hinsichtlich der Frage, ob Pflegebedürftigkeit der Erstbeschwerdeführerin vorliege.
2. Im fortgesetzten Verfahren wurden die Beschwerdeführerinnen am 26.01.2017 vor dem BFA neuerlich einvernommen. Hierbei gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Sohn, ihre Schwiegertochter und ihre Tochter in Österreich leben würden, ein weiterer Sohn lebe mit seiner Familie in Deutschland. Auf Nachfrage, ob es im Bereich der EU Verwandte gebe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe, führte sie an, dass es so eine richtig enge Verbindung nicht gebe, jeder sei für sich zuhause. Ihr Sohn sei ungefähr fünf Monate vor ihr nach Österreich ausgereist, davor hätten sie in Syrien in einem Haushalt gelebt, auch die Schwiegertochter habe mit ihnen dort gelebt. Sie hätten immer eine gute Beziehung zueinander gehabt. Ihr Mann habe sie vor zehn Jahren verlassen, ab diesem Zeitpunkt habe Ihr Sohn für sie gesorgt. Ihr Sohn sei arbeiten gegangen, die Erstbeschwerdeführerin habe am Ende des Monats sein Gehalt bekommen und habe davon den ganzen Haushalt organisiert. Auf Nachfrage, dass die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme im Juli 2016 angegeben habe, dass sie und ihr Sohn Nachbarn wären, dies jedoch nicht mit den ZMR Auszügen übereinstimme, führte die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie das Nachbardorf gemeint habe. In Österreich sehe ihren Sohn unterschiedlich oft, ab und zu ein Mal in der Woche, manchmal auch zwei oder drei Mal die Woche, wenn er arbeiten sei. In Kroatien wären sie zwei Tage lang gewesen, sie wären auf der Straße gewesen und hätten auf die Züge gewartet. Sie wolle Österreich nicht verlassen und bei ihrem Sohn bleiben.
Die Zweitbeschwerdeführerin führte an, dass ihr Bruder mit seiner Frau und ihre Mutter in Österreich leben würden. Auf Nachfrage, ob sie in Österreich oder der EU Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestehe, gab sie an, dass sie eine enge Beziehung mit ihrer Mutter, den Geschwistern und ihrem Vater habe, finanziell jedoch keine Abhängigkeit bestehe. Ihr Bruder sei seit ca. 2,5 Jahren verheiratet, dass er nach Österreich gegangen sei, habe sie vor ungefähr einem Jahr und einigen Monaten erfahren. Vor seiner Ausreise hätten sie zusammen in einem Haus gelebt, auch seine Ehefrau habe gemeinsam mit ihnen gelebt. Als ihr Vater sie damals verlassen habe, wären sie zuerst von dem älteren Bruder unterstützt worden, dieser sei allerdings vor ca. 18-19 Monaten nach Deutschland gegangen. Anschließend habe sich ihr jüngerer Bruder, der nun in Österreich sei, um sie gekümmert. Sie selbst sei damals in die Schule gegangen und ihre Mutter habe sich um den Haushalt gekümmert. Nach der Ausreise ihres jüngeren Bruders hätten sie von ihrem Onkel in jeder Hinsicht Unterstützung erhalten. Nachgefragt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung und ersten Einvernahme angegeben habe, finanzielle Unterstützung durch den Bruder erhalten zu haben, gab sie an, dass sie finanziell nicht abhängig wären. Ihr Bruder helfe ihnen allerdings bei Terminen etc., in Syrien habe er gearbeitet und sie unterstützt. In Kroatien wären sie auf der Straße gesessen und hätten auf den Zug gewartet, sie hätten dort nicht um Asyl angesucht. Sie wolle in Österreich bei ihrem Bruder bleiben.
2.1. In einem Schreiben an das BFA vom 03.03.2017 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie in Kroatien nur den Bahnhofsbereich kennengelernt hätten, wo die Polizei die Weiterfahrt mittels Zug organisiert habe. Sie habe die im Länderinformationsblatt beschriebenen Versorgungseinrichtungen nicht kennengelernt.
2.2. Mit den nunmehr angefochtenen (im fortgesetzten Verfahren ergangenen zweiten) Bescheiden des BFA vom 08.03.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz abermals ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 25 Abs. 2 (gemeint: Art. 22 Abs. 7) Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerinnen gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Das BFA traf Länderfeststellungen zur Lage in Kroatien und führte aus, dass kein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Parteien ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, im Verfahren erstattet worden sei. Die Anträge auf internationalen Schutz wären zurückzuweisen, weil die Beschwerdeführerinnen über Kroatien illegal in die EU eingereist wären und Kroatien somit gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Der Sohn der Erstbeschwerdeführerin sei seit beinahe drei Jahren verheiratet und führe ein eigenes Familienleben. Auch wenn ihr Sohn für sie in finanzieller Hinsicht aufgekommen sei, genüge dies nicht, um ein besonders schützenswertes Familienleben zu ihm zu begründen. So gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie in Syrien den gesamten Haushalt in Syrien organisiert habe, den Einkauf besorgt und das Geld verwaltet habe, was nicht darauf hinweise, dass sie auf Grund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung auf die Hilfe ihres Sohnes angewiesen gewesen wäre. Eine finanzielle Unterstützung durch ihren Sohn sei zudem auch möglich, wenn die Beschwerdeführerinnen in Kroatien wären. Überdies sei anzumerken, dass - sollte die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich Unterstützung benötigen - auch ihre volljährige Tochter sie unterstützen könne. Es trete die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG ein und habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.
Die angefochtenen Bescheide wurden den Beschwerdeführerinnen am 10.03.2017 zugestellt.
2.3. Gegen die Bescheide richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher vorgebracht wird, dass den Beschwerdeführern trotz nachgewiesener Flüchtlingseigenschaft die Zuerkennung selbigen Status verwehrt worden sei. Es werde die neuerliche Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt und werde die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Aussetzung etwaiger Maßnahmen zur Außerlandesbringung bis zur Entscheidung des EuGH beantragt. Die Antragsteller wären Flüchtlinge, weil sie vom Assad Regime wie auch von islamischen Terrorkräften des IS Regimes und seiner lokalen Sympathisanten, die einzelne Landesteile wie ein Staat beherrschen und über eine ausreichende Einflussnahme bis hinein durch Regierungstruppen besitzen würden, weshalb kein Schutz des Staates gewährleistet sei, verfolgt würden. Die Dorfbevölkerung sei täglichen Übergriffen durch das syrische Militär ausgesetzt gewesen. Der Grenzübertritt sei nicht illegal erfolgt, da die Beschwerdeführer viel mehr von den Grenzen aufgefordert worden wären, weiterzugehen und sei quasi "von den staatlichen Sicherheitsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten organisiert und geduldet worden". Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin sei zu berücksichtigen, dass bei vorliegenden Attesten sehr wohl auch humanitäre respektive medizinische individuelle Umstände ausreichen würden, um eine Überstellung unzulässig zu machen, da eine Gefährdung von Grundrechten vorliege, es werde auf weitere Anträge des Menschenrechtsgerichtshofs in vergleichbaren Fällen verwiesen. In Kroatien würden bekannte systemische Mängel vorliegen und sei fragwürdig, ob Kroatien faire Asylverfahren durchführen werde.
2.4. Mit hg. Beschluss vom 29.03.2017 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
2.5. Mit hg. Schreiben vom 25.07.2018 wurde den Beschwerdeführerinnen aktualisierte Feststellungen zur Lage in Kroatien mit Stand vom 14.11.2017, zusammengestellt von der Staatendokumentation, übermittelt und ihnen Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben. Ausdrücklich wurde auch die Gelegenheit eingeräumt, Zweckdienliches zur Frage der Beurteilung der Zuständigkeit Österreichs zur Behandlung ihrer Anträge auf internationalen Schutz vorzubringen und allfällige damit im Zusammenhang stehende Beweismittel (Dokumente und Unterlagen in Original oder in Kopie) vorzulegen.
2.6. Mit Schreiben vom 28.08.2018 führten die Beschwerdeführerinnen aus, dass sie keine Stellungnahme zu den Länderberichten abgeben könnten, da ihnen persönliche Erfahrungen wie auch Informationen zur Situation in Kroatien fehlen würden. In Österreich lebe ein Sohn bzw. Bruder mit seiner Frau, der anerkannter Flüchtling sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe Augenprobleme und stehe deshalb in Behandlung. Außerdem habe sie noch immer Nierenprobleme, obwohl sie bereits operiert worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin könne weder schreiben, noch lesen, auch die Zweitbeschwerdeführerin könne nur sehr schlecht lesen, weshalb sie auf die Unterstützung des in Österreich lebenden Sohnes bzw. Bruders angewiesen wären. Diesbezüglich werde auch aus der von ihm verfassten Stellungnahme zitiert: Wenn seine Mutter und seine Schwester ein Aufenthaltsrecht in Österreich bekommen könnten, würde er sich eine größere Wohnung nehmen, damit alle bei ihm leben könnten. Seine Mutter könne ihr Leben lang bei ihnen wohnen und werde er auch finanziell für sie sorgen, sie benötige kein Geld von Österreich, auch die Schwester könne so lange bei ihm wohnen, bis sie ihre eigene Familie habe. Bereits in Syrien habe er immer alles für die Mutter und Schwester gemacht, weil sein Vater sie verlassen habe, als er noch klein gewesen sei.
Dem Schreiben schlossen die Beschwerdeführer eine Überweisung der Erstbeschwerdeführerin an ein Krankenhaus, Rezepte und Terminbestätigungen an.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige Syriens. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Zeitpunkt der Einreise minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Sie reisten im Januar 2016 aus der Türkei kommend zunächst in Griechenland illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und begaben sich folglich über Mazedonien und Serbien illegal nach Kroatien. Schließlich reisten sie über Slowenien nach Österreich, wo sie am 31.01.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.
Das BFA richtete am 06.04.2016 ein auf beide Beschwerdeführerinnen betreffendes, auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien, welches in der Folge unbeantwortet blieb. Mit Schreiben vom 16.06.2016 wies das BFA die kroatischen Behörden auf das Verstreichen der Antwortfrist und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Aufnahme der Antragsteller gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO hin.
Im Erstverfahren wurde mit hg. Beschluss vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2016 den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt und mit hg. Erkenntnis vom 21.11.2016, der jeweilige Erstbescheid behoben, nach Einbringung einer Beschwerde gegen den im Zweitverfahren ergangenen Bescheid wurde mit hg. Beschluss vom 29.03.2017, den gegenständlichen Beschwerden abermals die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Aufgrund der den Beschwerdeführerinnen vom BVwG zum Parteiengehör übermittelten Länderfeststellungen werden folgende Feststellungen zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Kroatien getroffen:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 14.11.2017, Versorgung (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer und Abschnitt 6/Versorgung).
Derzeitige Unterbringungskapazitäten für Asylwerber in Kroatien (Stand: 7.11.2017):
Zentrum Zagreb (Hotel Porin): 600 Plätze (Auslastung: 439)
Zentrum Kutina: 100 Plätze (Auslastung: 48)
Das Hotel Porin soll bald renoviert werden und eine größere Anzahl von Asylwerbern währenddessen anderweitig untergebracht werden. Kutina wird weiterhin für Familien und Vulnerable benutzt. Anhand der derzeit verfügbaren Unterbringungskapazitäten besteht momentan kein Bedarf zur Schaffung zusätzlicher Unterbringungsplätze für Asylwerber bzw. Dublin-Rückkehrer (VB 8.11.2017).
Das geschlossene Zentrum Jezevo wird weiterhin für Fremde genützt, welche aus verschiedenen Gründen festgenommen wurden bzw. auf ihre Abschiebung oder Rückkehr warten. Durchschnittlich sind ca. 20 - 30 Personen dort aufhältig.
Die beiden Transitzentren in Tovarnik (serbische Grenze) und Trilj (bosnische Grenze) sind in Betrieb gegangen und haben eine Kapazität von ca. 90 Plätzen pro Zentrum. Sie werden nicht für den Asylbereich sondern für die Verwahrung festgenommener illegaler Migranten genutzt. Beide Objekte wurden vom VB besichtigt und haben einen sehr hohen Standard an Infrastruktur (VB 8.11.2017).
Mehrere NGOs bieten derzeit in den Unterbringungszentren für Asylwerber ihre Dienste an. Das Kroatische Rote Kreuz leistet psychosoziale Hilfe, organisiert fachärztliche Untersuchungen und Transport, besorgt bestimmte Medikamente und organisiert andere Aktivitäten. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) leistet psychosoziale Hilfe. Der Verband baptistischer Kirchen organisiert unter anderem auch den Transport zu einem Zahnarzt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma leistet psychosoziale Hilfe. Das kroatische Zentrum für rechtliche Angelegenheiten biete rechtliche Beratungen an. Médecins du Monde bietet die ganze Bandbreite der Gesundheitsfürsorge an. In den beiden offenen Unterbringungszentren wurde je eine Arztpraxis/Ärzteambulanz organisiert, welche täglich geöffnet ist. In Zagreb wird sie von Médecins du Monde geführt, welche auch zweimal im Monat Besuche von Fachärzten für Gynäkologie, Pädiatrie und Psychologie organisieren. Außerdem steht für die Asylwerber in Kroatien generell auch ärztliche Nothilfe, notwendige Behandlung von Krankheiten und ernsthaften psychischen Störungen zur Verfügung (VB 8.11.2017).
Derzeit gibt es keine registrierten drogensüchtigen Asylwerber in Kroatien. Wenn sich aber ein Asylwerber bei seinem ersten Gesundheitscheck als drogenabhängig deklariert (das gilt auch für Dublin-Rückkehrer, falls im Rahmen des Dublin-Verfahrens keine medizinischen Unterlagen übermittelt wurden), wird eine medizinische Überprüfung vorgenommen und eine für den Betreffenden notwendige Therapie festgelegt. Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Asylwerber auf einer höheren Dosis oder anderen Substitutionsmedikamenten bestanden haben und angaben, diese auch in anderen Mitgliedsstaaten erhalten zu haben. Kroatien betont jedoch, dass jedem Asylwerber, welcher sich als Drogensüchtiger deklariert, nach medizinischen Tests seitens der zuständigen Behörde, die notwendige Therapie vorgeschrieben wird (VB 8.11.2017).
Quellen:
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VB des BM.I für Kroatien (8.11.2017): Bericht des kroatischen Innenministeriums, per E-Mail
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 3.2017; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).
Von Jänner bis einschließlich Juli 2017 verzeichnete Kroatien 902 Asylanträge. Im selben Zeitraum entzogen sich 661 Personen dem Asylverfahren durch Untertauchen (VB 28.8.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
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VB des BM.I für Kroatien (28.8.2017): Bericht des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in so einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 3.2017).
Dublin-Rückkehrer nach Kroatien haben bei Rückkehr Zugang zum Verfahren. In der Regel werden Neuanträge eingebracht (VB 9.11.2016).
Die NGO ECRE kritisierte Ende 2016, dass vor allem Vulnerable von Dublin-Überstellungen nach Kroatien betroffen seien und führt aus, dass die Unterbringungsbedingungen in Kroatien zwar keinen kompletten Überstellungsstopp rechtfertigen mögen, rät aber dennoch dazu, von der Überstellung vulnerabler Personen Abstand zu nehmen (ECRE 15.12.2016).
Gemäß Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs dürfen Migranten im Rahmen Dublin-VO nach Kroatien zurückgeschickt werden, die im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" von 2015/2016 von Kroatien "durchgewunken" worden waren. Die Weiterreise der betreffenden Migranten erfolgte dem EuGH zufolge illegal und die Dublin-Regeln sind anzuwenden (DS 26.7.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
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DS - Der Standard (26.7.2017): Entscheidung zu Asylregeln:
Kroatien befürchtet hunderte Rückschiebungen, http://derstandard.at/2000061843511/EU-Hoechstgericht-zu-Asylregeln-Kroatien-befuerchtet-hunderte-Rueckschiebungen, Zugriff 14.8.2017
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ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
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VB des BM.I für Kroatien (9.11.2016): Bericht des VB, per E-Mail
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt (z.B. FGM-Opfer). Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete Unterstützung-auch medizinisch - zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß Vulnerabilität tatsächlich systematisch identifiziert wird. Generell hängt dies wohl eher vom zuständigen Beamten ab. Für Vulnerable gibt es kein institutionalisiertes Früherkennungssystem. Anträge von Unbegleiteten Minderjährigen Asylwerbern (UMA) haben Priorität (AIDA 3.2017).
In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Dabei ist man in der Unterbringung stark auf die tägliche Mitarbeit der dort tätigen NGOs angewiesen, die gegebenenfalls Vulnerable erkennen und entsprechend ihrer Bedürfnisse weiterverweisen können. Eine erste Einschätzung nimmt bei deren Ankunft im Unterbringungszentrum "Hotel Porin" das Kroatische Rote Kreuz vor, wo in vielen Fällen bereits spezielle Bedürfnisse erkannt werden können (ECRE 15.12.2016).
Unbegleiteten Minderjährigen (UM), die den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Das geschieht in der Regel sofort (Kutina) oder dauert bis zu 4 Wochen (Zagreb). Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. 2016 wurden auch Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes in einigen Fällen als Vormunde bestellt. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UM über 16 Jahre und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 3.2017).
Es werden weiterhin unbegleitete Minderjährige in Heimen untergebracht, darunter auch Einrichtungen für verhaltensauffällige Kinder, ohne eine geeignete Vormundschaft und ohne Zugang zu Bildung (HRW 12.1.2017).
Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Kind täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Kindes und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus allgemeiner medizinischer Untersuchung und Röntgen der Zähne oder der Hand. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der ASt. als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht (nur) deswegen abgelehnt werden. Im Zweifel ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Diese Vorgehensweise wurde aber noch nie angewandt. In der Praxis haben Mitarbeiter der Zentren für soziale Wohlfahrt auf Basis der physischen Erscheinung entschieden. Die bei der Betreuung von UM zuständigen Behörden haben sich auf ein "Protocol on treatment of separated children-foreign nationals" geeinigt, um einheitliche Abläufe bei Betreuung und Schutz von UM garantieren zu können. Auch UNHCR hat dazu Input geliefert (AIDA 3.2017).
Alle Kinder von Asylwerbern im schulpflichtigen Alter, die im sogenannten "Hotel Porin" untergebracht sind, können nahegelegene Volksschulen und Kindergärten besuchen. Nationale Kapazitäten zur Integration der Kinder von Flüchtlingen und Migranten in das kroatische Bildungssystem, werden durch ein von UNICEF unterstütztes Aufbauprogramm weiter gestärkt (UNICEF 15.3.2017; vgl. UNHCR 1.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
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ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - European Union, https://www.ecoi.net/local_link/334735/476552_de.html, Zugriff 21.8.2017
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UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (15.3.2017):
Refugee and Migrant Crisis in Europe. Humanitarian Situation Report # 21, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/54644, Zugriff 31.8.2017
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UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (1.2017): EUROPE'S REFUGEE SITUATION RESPONSE UPDATE #34, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1490269116_unhcr-update-on-the-emergency-response-in-europe-january-2017.pdf, Zugriff 21.8.2017
Non-Refoulement
Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-backs" von Migranten an der Grenze zu Serbien (HRW 12.1.2017; vgl. UNHCR 1.2017; AIDA 3.2017).
Es gibt eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien und Tunesien. Bisher wurde das Konzept des sicheren Herkunftslandes meist bei Algeriern und Marokkanern angewandt. Laut Gesetz ist ein sicherer Drittstaat einer, in welchem ein Antragsteller sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko einen ernsten Schaden zu erleiden; welcher das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und welcher effektiven Zugang zum Asylverfahren gewährt. Ob dies zutrifft ist eine Einzelfallentscheidung. Wen ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 3.2017).
Es bestehen bei Rückkehr nach Kroatien derzeit offenbar keine Risiken bezüglich Kettenabschiebung in andere Länder. Obwohl das Gesetz erlaubt, Anträge als unzulässig abzulehnen wenn ein Antragsteller aus einem sicheren Drittland bzw. einem europäischen sicheren Drittland kommt oder dort bereits Flüchtlingsstatus hat, wurden diese Bestimmungen - zumindest bis Ende 2016 - noch nicht in der Praxis angewandt (ECRE 15.12.2016).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
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ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - European Union, https://www.ecoi.net/local_link/334735/476552_de.html, Zugriff 21.8.2017
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UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (1.2017): EUROPE'S REFUGEE SITUATION RESPONSE UPDATE #34, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1490269116_unhcr-update-on-the-emergency-response-in-europe-january-2017.pdf, Zugriff 21.8.2017
Versorgung
Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht umfasst Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung und gilt ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen. Nur für Folgeantragsteller gelten Einschränkungen. Die monatliche finanzielle Unterstützung gibt es ab Unterbringung in einem Zentrum. Diese betrug Ende 2016 100 Kuna (EUR 13,30) für eine Person. Gibt es abhängige Familienmitglieder, erhöht sich der Betrag. Trotzdem gilt die Unterstützung als sehr gering bemessen. Seit Mitte 2016 dürfen Asylwerber in Zagreb die öffentlichen Verkehrsmittel gratis benützen. Asylwerber (AW) deren Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für AW wird durch die Sprachbarriere und hohe Arbeitslosigkeit behindert. AW haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber innerhalb der Unterbringungszentren mitarbeiten und werden in Form zusätzlicher Bedarfsartikel entlohnt (AIDA 3.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
Unterbringung
Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren für Asylwerber (AW). Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über 2 offene Unterbringungszentren für AW, in Zagreb (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 82 Plätze) (AIDA 3.2017). Andere Quellen begnügen sich damit die Unterbringungskapazität in beiden Zentren mit rund 700 anzugeben (UNHRC 28.4.2017). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt, wobei Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW dient. Bezüglich der Unterbringungsbedingungen werden keine besonderen Probleme berichtet. Es gibt in den Zentren u.a. präventive Maßnahmen gegen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an (AIDA 3.2017).
Mit Stand 20.8.2017 waren in den kroatischen Unterbringungseinrichtungen insgesamt ca. 600 Personen aufhältig (VB 28.8.2017).
In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Kinder bis 16 Jahre erhalten auch eine Nachmittagsjause. In Kutina gibt es Küchen, in denen die AW selbst kochen können. In Zagreb ist dies in Planung. Spezielle Anforderungen an die Ernährung (z.B. ärztliche Verschreibung oder religiöse Gründe) werden berücksichtigt, wobei es 2016 diesbezüglich scheinbar auch einige Probleme gab. Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes bieten 204 Sozialarbeiter täglich psychosoziale Unterstützung und organisieren soziale und pädagogische Aktivitäten mit Asylsuchenden in Zagreb (Montag-Samstag) und Kutina (Montag-Sonntag). Hauptaktivitäten sind: Unterstützung (Unterbringung, Erstinformation, usw.); Individuelle und familiäre psychosoziale Unterstützung nach Bedarf; Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen; Besondere Betreuung für Personen mit psychischen Problemen und potenziellen Opfern von Folter und Trauma; Spiel- und Bildungsaktivitäten mit Kindern; Unterstützung bei Schulaufgaben; Einführung in die kroatische Kultur, Sitten und Gebräuche; Gruppen- und Einzelarbeit mit einzelnen Frauen, einschließlich Einzelgesprächen zur Verhütung von Menschenhandel und sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt; Konflikt- und Gewaltprävention, Workshops zur Verhütung des Menschenhandels;
Sportliche Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Empfangszentren;
Sprachkurse für Kroatisch und Englisch; Hygieneförderung und Gesundheitserziehung; Jobcenter; Bibliothek; Friseursalon;
Bereitstellung von Informationen, praktische Unterstützung im täglichen Leben; Verweis an das Innenministerium zur Gesundheitsversorgung, an spezialisierte Einrichtungen der psychologischen und psychischen Gesundheit; und Organisation von Gemeindeversammlungen in Kutina und Zagreb (Vox Populi). Der Jesuitische Flüchtlingsdienst hat einen Computerraum mit neun Computern in Zagreb eingerichtet. Das Klassenzimmer ist täglich von Montag bis Freitag mit der Anwesenheit eines Dolmetschers und freiwilligen Unterstützern geöffnet. Gelegentlich ist die Klasse auch samstags und sonntags geöffnet. Seit November 2016 halten Freiwillige einmal wöchentlich einen Computerkurs nur für Frauen und einmal wöchentlich einen gemischten Kurs ab. 2016 waren viele internationale und nichtstaatliche Organisationen wie IOM, UNICEF, Save the Children und nationale NGOs (Kroatisches Rotes Kreuz, Croatian Law Center, JRS, Center for Peace Studies, u.a.) in beiden Empfangszentren aktiv. Es wurden auch verschiedene soziale und pädagogische Aktivitäten für Frauen und Kinder organisiert. Kroatisch- Sprachkurse werden vom Kroatischen Roten Kreuz, dem Center for Peace Studies und dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst organisiert. Im Empfangszentrum Kutina sind die Freiwilligen des Centre for Peace Studies einmal wöchentlich (Montag nachmittags und abends) präsent. Freiwillige führen seit Februar 2014 psychosoziale Hilfstätigkeiten für Asylsuchende im Zentrum in Zagreb durch (Informationen über Asylsystem, kroatische Kultur und Geschichte, psychosoziale Unterstützung, kroatische Sprache). Freiwillige halten Vorträge zu verschiedenen Themen. Sie sind montags und mittwochs von 18:30 bis 21:00 Uhr und am Samstag von 15:00 bis 18:00 Uhr im Zentrum in Zagreb präsent. Das Innenministerium erlaubt ihnen, ein Zimmer für den Kroatisch-Unterricht zu verwenden. Das des Centre for Peace Studies organisiert seine Tätigkeiten an den Abenden, da tagsüber das Kroatische Rote Kreuz aktiv ist, deren Angebot man ergänzen und nicht ersetzen will. Die Freiwilligen sind auch keine professionellen Lehrer der kroatischen Sprache, sondern verwenden alternative aber wirksame Methoden. Das bietet das für Asylwerber und Schutzberechtigte auch Besichtigungstouren in Zagreb, Sensibilisierungsworkshops für die kroatische Öffentlichkeit, usw. an (AIDA 3.2017).
Einzelne von Österreich nach Kroatien zurückgekehrte Asylwerber beschrieben die Unterbringungseinrichtung Hotel Porin als "as good as a hotel" (UNHCR 26.5.2017).
Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden. In Einzelfällen gab es, obwohl rechtlich nicht vorgesehen, immer wieder humanitäre Ausnahmen (AIDA 3.2017).
Zudem verfügt Kroatien über ein geschlossenes (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 84 Plätzen. Es hat kürzlich einen neuen Flügel mit 28 Plätzen für die besondere Unterbringung von Familien, Frauen und Kindern erhalten, obwohl laut NGO-Angaben in den letzten Jahren Kinder nicht mit ihren erwachsenen Begleitpersonen inhaftiert wurden. 2016 wurden gemäß kroatischem Innenministerium keine vulnerablen Asylwerber inhaftiert (AIDA 3.2017).
Geplant ist die Errichtung zweier Transitzentren in Tovarnik und Trilj, in denen in Zukunft das Grenzverfahren abgewickelt werden soll. Ihre Kapazität wird angeblich bei je 62 Plätzen liegen und über einen eigenen Flügel für Vulnerable verfügen (AIDA 3.2017).
Quelle:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.5.2017): Refugees sent back from Austria find new hope in Croatia, http://www.unhcr.org/news/stories/2017/5/5922f6064/refugees-sent-austria-find-new-hope-croatia.html, Zugriff 1.9.2017
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VB des BM.I für Kroatien (28.8.2017): Bericht des VB, per E-Mail
Unterbringung Vulnerabler/UMA
Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden aber im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW. Dort gibt es spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable. Familien werden zusammen untergebracht, während alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht sind. UNICEF hat in Zusammenarbeit mit der Society for Psychological Assistance einen kinderfreundlichen Raum im Empfangszentrum eingerichtet. Darüber hinaus organisierte UNICEF in Zusammenarbeit mit der NGO Roda (Eltern in Aktion) Aktivitäten für Schwangere und Wöchnerinnen. Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen, um über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels zu informieren. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Wenn nötig können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wo es nötig ist, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Entsprechend dem Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 3.2017).
Quelle:
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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017