TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/14 W222 2152862-2

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Veröffentlicht am 14.11.2018
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Entscheidungsdatum

14.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch

W222 2152862-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG iVm §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 14.02.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 06.08.2009, Zahl: XXXX , den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt, wobei gleichzeitig dessen Ausweisung in sein Heimatland gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. Ausgesprochen wurde (Spruchpunkt III.).

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.10.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2017, Zl. W222 2152862-1/10E, gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen; das Verfahren wurde gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Der Beschwerdeführer wurde am 08.02.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab folgendes an:

"Mit Bescheid des BVwG vom 17 11 2017 wurde ihnen mitgeteilt, dass sie in Österreich kein Asyl und kein subsidiären Schutz erhalten.

Ich werde darauf hingewiesen, daß ich meinen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vom Inland aus legalisieren, dies kann nur durch eine Antragstellung vom Ausland aus geschehen.

F: Ihnen wurde mitgeteilt, dass sie in Österreich kein Asyl bekommen . Was sagen sie dazu?

A: Ich bin seit 9 Jahren in Österreich, ich habe früher als Zeitungszusteller für XXXX gearbeitet, jetzt arbeite ich für die XXXX .

F: Haben sie eine Arbeitsgenehmigung?

A: Ich arbeite, seit dem ich hier bin

F: Das war nicht meine Frage...ich fragte, ob sie eine Arbeitsgenehmigung haben?

A: Nein, habe ich nicht.

F: Das bedeutet, sie verstoßen wissentlich gegen das Gesetz?

A: Ich arbeite, damit ich essen und trinken kann

F:Sind Sie derzeit im Besitze eines gültigen Reisedokumentes?

A:Ich habe keinen Reisepass, dieser wurde mir von einem Landsmann 2013 weggenommen, ich habe Anzeige erstattet.

Anmerkung: Anzeige und Bericht der Polizei werden vorgelegt

F: Wo war dieser Reisepass ausgestellt worden?

A: In Indien

F: Wann waren sie dort?

A: Das wurde 2007 ausgestellt

F: Sie haben 2009, anlässlich ihrer Asyleinvernahme behauptet, sie hätten keinen Reisepass. Wieso?

A: Zu dem Zeitpunkt hatte der schlepper meinen Reisepass, ich bekam ihn später durch die Familienangehörigen wieder. Sie haben Druck auf diese Person ausgeübt, damit der Reisepass wieder ausgefolgt wird.

F: Sie sind verplichtet ein Reisedokument zu haben. Die Botschaft ihres Landes stellt das aus. Was haben sie von 2013 bis dato unternommen, zu einem Reisedokument zu kommen?

A: Ich habe auf das Gerichtsurteil gewartet, ich habe in der Zwischenzeit nichts unternommen, um einen neuen Reisepass zu bekommen, ich habe keinen Antrag gestellt.

F: Wieso kehren sie nicht nach Indien zurück?

A: Ich bin seit 9 Jahre, da, ich bin das gewohnt, ich möchte hier bleiben. Ich zahle steuern und ich gehe trotz Knieweh arbeiten.

F: Das war nicht meine Frage; was ist der Grund, dass sie nicht nach Indien zurückkehren, wenn sie in Österreich kein Asyl bekommen.

A: Österreich gibt es ein besseres Leben, ich habe hier ein friedliches Leben, hier gibt es keine Konflikte. Ich kann etwas Geld verdienen und in Ruhe leben.

F: Ich war noch niemals in Indien; erklären sie mir bitte, wie das in Indien ist: wenn ein Gericht in der zweiten Instanz eine Entscheidung trifft, kann man sich darüber hinwegsetzen?

A: Nein, kann man nicht.

F: Glauben Sie, dass das in Österreich möglich ist?

A: Nein, ich ersuche aber bleiben zu dürfen.

F: Sie haben bei ihrer Einvernahme im Asylverfahren ausgesagt, dass sie dafür sorgen würden, dass Gerichtspapiere und andere Beweise die ihren Fluchtgrund belegen, nach Österreich geschickt werden...wo sind diese Unterlagen?

A: Ich habe das damals dem BVwG vorgelegt, alle Originalbeweise unserer Gerichte.

Anmerkung: Am 19.10 2017 hat eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG stattgefunden. Im Urteil des BVwG steht auf Seite 11: "Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat". Alle Beweise wurden gewürdigt. Es wurde eindeutig festgestellt, dass die Fluchtgeschichte nicht glaubhaft ist.

F: Was sind sie von Beruf? Was haben sie in Indien gearbeitet?

A: Ich arbeitete in der Landwirtschaft und als Tagelöhner.

F: Das bedeutet, sie haben keine spezielle Berufsausbildung, mit dem ein bestimmter Arbeitsplatz verbunden wäre

F: Wo lebt ihre Familie?

A: Im Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Staat Punjab

F: Womit beschäftigt sich die Familie?

A: Meine Frau arbeitet als Tagelöhnerin, meine Eltern sind verstorben, mein Sohnist XXXX und arbeitet als Tagelöhner, ich habe 2 Töchter, eine ist XXXX und ist in der Ausbildung, die jüngere ist in der Schule.

F: Welche Kontakte bestehen zu ihrer Familie?

A: Ich habe regelmäßig Kontakte, per Telefon. Ich habe die Familie im Jänner 2009 zuletzt gesehen

F: Unterstützen sie ihre Familie, bzw. werden sie von denen unterstützt?

A: Ich schicke Regelmäßig meine Ersparnisse nach Hause

F: Gibst es Familienmitglieder in Österreich?

A: Nein

F: Sind sie Mitglied in einem Verein?

A: Ich gehe regelmäßig in den Sikhtempel, ca. alle 2 wochen um die religiösen Dienste zu leisten.

F: Werden sie von der Polizei oder von den Behörden in Indien gesucht?

A: Nein, ich habe keine Probleme mit den Behörden.

F: Wie bestreiten Sie derzeit Ihren Unterhalt?

A: ich arbeite als Zeitungszusteller und als Zusteller für Werbezettel, ich bekomme dafür ca. 800 € im Monat.

F: Sonstige Unterstützungen, Einkommen?

A: Nein, keine.

F: Sie befinden sich seit 9 Jahren in Österreich. Wieso sprechen sie nicht Deutsch?

A: Wenn ich draußen unterwegs bin, rede ich mit den Leuten ganz normal, bei der Behörde habe ich Angst.

F: Haben sie Deutschprüfungen abgelegt?

A: Ja, habe ich, aber es gibt Probleme beim Schreiben.

Anmerkung: Prüfungszeugnis A2 wird vorgelegt, zweimal "Nicht bestanden".

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Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2018, Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG idgF nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Beweiswürdigend wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter anderem festgehalten: "Ihre Familie, Ehefrau, Kinder leben in Indien und sie haben gemäß eigener Aussage engen Kontakt zu ihnen. Im Bundesgebiet haben Sie keine Familienangehörige, dadurch besteht kein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Ihr Privatleben beschränkt sich lediglich auf die Ausübung Ihres Berufes als Zeitungszusteller, wofür Sie jedoch keine Genehmigung haben. Sie sind kein aktives Mitglied in einem Verein, Sie gehen lediglich alle zwei Wochen in den Sikh-Tempel, um zu beten. Fortbildungskurse oder Sprachkurse besuchen sie nicht. Obwohl Sie sich seit neun Jahren im Bundesgebiet aufhalten, waren Sie nicht in der Lage, den Deutschkurs A2 abzuschließen. Eine Integration liegt nicht vor. Es besteht kein schützenswertes Familien- oder Privatleben im Bundesgebiet der Republik. Ihre behaupteten, aber nie nachgewiesenen Probleme in Indien sind von privater Natur. Wie bereits vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt, waren Ihre früheren Behauptungen nicht glaubhaft. Anlässlich Ihrer Einvernahme am 15.01.2018 haben Sie auf die Frage "Was ist der Grund, dass Sie nicht nach Indien zurückkehren", folgende Antwort gegeben: "Ich bin seit neun Jahren da, ich bin es gewohnt, ich möchte hierbleiben. Ich zahle Steuern und gehe trotz Knieweh arbeiten. In Österreich gibt es ein besseres Leben, ich habe hier ein friedliches Leben, hier gibt es keine Konflikte. Ich kann etwas Geld verdienen und in Ruhe leben." Sie haben trotz Nachfrage lediglich wirtschaftliche Gründe für Ihren Verbleib angegeben, von einer möglichen Verfolgung und Gefährdung haben Sie nicht gesprochen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und hat am 14.02.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In seinem Heimatland hat er die Grundschule besucht. Seine Ehefrau, seine zwei Töchter und sein Sohn leben in seinem Heimatdorf. Weiters leben drei Brüder und drei Schwestern des Beschwerdeführers in seinem Heimatland. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, sich sozial engagiert oder hier österreichische Freunde gefunden hat. Er ist gesund und arbeitsfähig. In Indien hat der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft und am Bau gearbeitet. In Österreich arbeitet der Beschwerdeführer als Zeitungszusteller, jedoch verfügt er über keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Darüber hinaus konnten weitere maßgebliche Anhaltspunkte, die für die Annahme einer besonderen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen würden, nicht festgestellt werden.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage:

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste demokratische Staat der Welt (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 24.4.2015). Mit seinen vielen Sprachen ist Indien besonders vielfältig, was sich auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 28.10.2015). Indien hat seit dem 2.6.2014 29 Bundesstaaten und sieben Unionsstaaten (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 10.2015a). Es ist laut Verfassung eine säkulare, demokratische und föderale Republik. Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus. Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten und kann im Fall interner Probleme einen Bundesstaat für einen begrenzten Zeitraum unter direkte zentralstaatliche Verwaltung stellen (AA 10.2015a).

Indien hat nach der Unabhängigkeit von Großbritannien (1947) den Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative durchgesetzt. Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft, die mit vielfältigen Initiativen an der Gestaltung der Politik mitwirkt (AA 10.2015a). Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 10.2015a). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 25.6.2015). Das Amt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse (AA 10.2015a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister, der seit 26.5.2014 Narendra Modi heißt (GIZ 11.2015).

Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 25.6.2015). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene. Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2015; vgl. AA 24.4.2015).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster. In Indien gibt es eine verfassungsmäßig garantierte, unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 24.4.2015).

In den letzten Jahrzehnten erlebte Indien einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der zur Bildung einer neuen Mittelschicht führte. Doch das uralte Kastensystem Indiens, eine marode Infrastruktur auf dem Land, die starke Umweltverschmutzung und religiöse Konflikte zwischen Hindus und Muslimen stellen das Land weiterhin vor große Probleme (FAZ 16.5.2014). Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 8.2015).

Wahlen 2014:

Die letzten landesweiten Wahlen fanden im April/Mai 2014 statt (AA 24.4.2015). Am 7.4.2014 begann die Wahl zur 16. Lok Sabha, dem indischen Unterhaus (GIZ 11.2015). 814 Millionen Wählerinnen und Wähler waren aufgerufen, an mehr als 930.000 Wahlurnen und 1,5 Millionen elektronischen Wahlmaschinen ihre Stimmen abzugeben (Eurasisches Magazin 24.5.2014), darunter etwa 120 Millionen Erstwähler (GIZ 11.2015).

Bei der Wahl standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber:

Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der BJP und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht. Mit besonderem Interesse wurde das Abschneiden der aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangenen Aam Aadmi Party (AAP) begleitet. Der AAP gelang es 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen zu erringen. Das Ergebnis 2014: Landesweit errang die AAP nur vier Sitze (GIZ 11.2015; vgl. FAZ 16.5.2014).

Seit dem 16.5.2014 steht der Wahlsieger offiziell fest: Narendra Modi von der Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP), die sich mit 282 von 543 Mandaten eine absolute Mehrheit sichern konnte. Hohe Verluste hingegen für die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh. Sonia Gandhi und Sohn Rahul rücken nun auf die Oppositionsbank (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2015). Neuer Regierungschef ist der bisherige Chief Minister des Bundesstaates Gujarat, Narendra Modi. Damit erhält auch die Angst vor einem Aufflammen des Kommunalismus neue Nahrung (GIZ 11.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2015a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.11.2015

-

BBC - British Broadcasting Corporation (28.10.2015): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 9.11.2015

-

CIA - Central Intelligence Agency(28.10.2015): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.11.2015

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 9.11.2015

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 9.11.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2015): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 9.11.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (8.2015): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 9.11.2015

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2015). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2015). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 24.4.2015).

Indien ist mit einer Reihe von Sicherheitsproblemen konfrontiert. Es gibt landesweit mehrere linksorientierte bewaffnete Gruppen (Maoisten). Nach einem Anstieg der Aktivitäten von aufständischen Gruppen in den Jahren 2003 bis 2010 nahmen diese Aktivitäten aufgrund von internen Machtkämpfen, einer eingeschränkten Unterstützung in den Stammesgemeinden und von effektiven Operationen gegen deren Führerschaft durch die Sicherheitskräfte ab. Im Jahr 2013 haben etwa 76 der mehr als 600 Bezirke Indiens irgendeine Art maoistischer Gewalt erfahren. Aufständische Gruppen aus Pakistan haben ihre Fähigkeit gezeigt, Angriffe (über das von Indien administrierte Kaschmir,) im Zentrum von Indien, durchzuführen. Erwähnenswert sind die Angriffe im Dezember 2001 auf das indische Parlament und die Angriffe in Mumbai im Juli 2006 und November 2008. Pakistanische Gruppen dürften bei den Angriffen im Jahr 2006 indischen Terrorzellen Unterstützung geboten haben. Die Angriffe im Jahr 2008 waren aus Pakistan geplant, unterstützt und geführt. Einheimische Rebellengruppen - sowohl hinduistische als auch islamistische - waren in eine Serie terroristischer Angriffe auf indische Schlüsselstädte verwickelt. Die Sicherheitslage in den Gegenden Kaschmir, Nordosten und speziell in Assam ist labil und es kommt immer wieder zu Aufständen. Ein weiteres Sicherheitsproblem ist die kommunale Gewalt zwischen der hinduistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit. Darüber hinaus ist das organisierte Verbrechen in den Hauptstädten ein Problem, allerdings nicht für ausländische Firmen. Es gibt Entführungen mit Lösegeldforderungen, aber diese sind auf die lokale Bevölkerung begrenzt. Die schlechte Straßensicherheit im Land ist ein signifikantes Problem. Die größte unmittelbare externe Sicherheitsbedrohung ist Pakistan, speziell in Bezug auf den langjährigen Kaschmirdisput (IHS- Jane's Sentinel Security 1.7.2014).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor, insbesondere sobald die innere Sicherheit als gefährdet angesehen wird. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, ist die Regierung in der Regel zu Verhandlungen über ihre Forderungen bereit. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 24.4.2015). Trotz zahlreicher und zum Teil dramatischer Erfolge durch Indiens Sicherheits- und Geheimdienstbehörden, die immer wieder unter starken Ressourcenproblem zu leiden haben, ist es in der Realität so, dass der Sicherheitsapparat weiterhin leicht angreifbar ist (South Asia Terrorism Portal 30.10.2015). Pakistan und Indien

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan bleiben kompliziert. Phasen des Dialogs und Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung haben einander in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit abgelöst (AA 10.2015c). Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 10.2015c). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 28.10.2015). Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern (AA 10.2015c).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 und für das Jahr 2015 (bis 25.10.2015) 608 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (South Asia Terrorism Portal 30.10.2015).

2013 kam es zu weiteren schweren Zwischenfällen an der "Line of Control". Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2015). Auch in jüngster Zeit gab es immer wieder Schusswechsel zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Grenzlinie zwischen beiden Teilen Kaschmirs und nach indischen Angaben auch vereitelte Eindringungsversuche von extremistischen Kämpfern auf indisches Territorium (AA 10.2015c).

Bei den beiderseitigen Versuchen, das bilaterale Verhältnis dauerhaft auf eine gemeinsame politische Grundlage zu stellen, konnte noch kein Durchbruch erzielt werden (AA 10.2015c). Bei seiner Amtseinführung lud Modi alle benachbarten Staatsoberhäupter - einschließlich Pakistans - ein, um sein Engagement, engere Beziehungen in der Region aufzubauen, anzuzeigen (HRW 29.1.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2015c): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html#doc346922bodyText3, Zugriff 9.11.2015

-

BBC - British Broadcasting Corporation (28.10.2015): India profile

-

Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 9.11.2015

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 9.11.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2015): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 9.11.2015

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 9.11.2015

-

IHS - Jane's Sentinel Security (1.7.2014): Jane's Sentinel Security Assessment - South Asia - executive summary, India

-

South Asia Terrorism Portal (30.10.2015): India Assessment - 2014, http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/index.html, Zugriff 9.11.2015

-

South Asia Terrorism Portal (30.10.2015): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2015,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.11.2015

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Sicherheitsbehörden

Die Polizei handelt aufgrund von Polizeigesetzen der einzelnen Bundesstaaten (AA 24.4.2015). Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten sind zwar dezentral organisiert, haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus (BICC 6.2015). Daneben bestehen zum Großteil dem Innenministerium unterstehende paramilitärische Einheiten (AA 24.4.2015).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2015). Auch das Militär kann im Inland tätig werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 24.4.2015; vgl. BICC 6.2015), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2015).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter und außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2015; vgl. USDOS 25.6.2015; vgl. HRW 29.1.2015). Der Polizei werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, wie außergerichtliche Tötungen, Folter und Vergewaltigungen (USDOS 25.6.2015). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt. Politische Forderungen, Täter möglichst schnell nach Terrorangriffen und Vergewaltigungen zu ermitteln, führt oft zu widerrechtlichen Verhaftungen (USDOS 25.6.2015).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sog. Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sog. Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen. Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram, Nagaland und Tripura (AA 24.4.2015 vgl. USDOS 25.6.2015).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt. Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

Es gab auch weiterhin Berichte über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei. Manche Vergewaltigungsopfer hatten Angst, aufgrund des drohenden sozialen Stigmas und möglichen Vergeltungshandlungen, sich zu melden und das Verbrechen anzuzeigen, speziell dann, wenn der Täter ein Polizist oder ein anderer Beamter war. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) hat das Mandat Vergewaltigungsfälle in denen Polizisten involviert sind zu untersuchen. Die NHRC ist gesetzlich befugt, Informationen über Mitglieder des Militärs und den paramilitärischen Streitkräften zu verlangen, jedoch hat sie kein Mandant, um Fälle zu untersuchen in denen diese Einheiten verwickelt sind (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2015):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/20157/indien.pdf, Zugriff 9.11.2015

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 9.11.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2015). Wesentliche Grundrechte sind in der indischen Verfassung garantiert. Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien aber ein (AA 24.4.2015). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Es gibt Befürchtungen, dass die neue, drakonische Anti-Terror-Gesetzgebung die Menschenrechtslage verschlimmern wird und dass diese Gesetze gegen politische Gegner missbraucht werden. Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert. Den Sicherheitskräften wird Parteilichkeit vorgeworfen, besonders hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten. Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2015).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der BürgerInnen. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 25.6.2015).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o. D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC wies die Bundesstaatenregierung an, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Sicherheitskräfte mussten Todesfälle während der Haft nicht an die NHRC melden (USDOS 25.6.2015).

Die Verfassungs- und Rechtsordnung enthalten Garantien für die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Umsetzung dieser Verfassungsziele ist nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 24.4.2015). In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 24.4.2015).

23 der 29 Bundesstaaten haben Menschenrechtskommissionen, die eigenständige Untersuchungen durchführen, aber unter der Nationalen Menschenrechtskommission arbeiten. In sieben Bundesstaaten blieb die Position des Vorsitzenden nicht besetzt. Menschenrechtgruppen mutmaßten, dass die Menschenrechtskommissionen durch lokale Politik in ihrer Tätigkeit eingeschränkt waren (USDOS 25.6.2015).

Manche Menschenrechtsorganisationen behaupteten, dass rechtliche und institutionelle Schwächen die Arbeit der NHRC behinderten. Während die NHRC die Autorität besitzt: Untersuchungen und Beschwerden nachzugehen oder von der Bundesregierung die Veröffentlichung eines Bericht verlangen kann, hat sie weder die Verfügungsmacht um Anfragen durchzusetzen, Vorgänge für Strafverfolgungen zu initiieren, oder Interimskompensationen anzuweisen, noch ist es ihr möglich unabhängig Menschenrechtsverletzungen der Streitkräfte nachzugehen. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die finanzielle Abhängigkeit der NHRC von der Regierung und ihren Grundsatz, Verstöße, die älter als ein Jahr sind, nicht zu untersuchen. Sie behaupteten, dass die NHRC nicht alle Verstöße registrierte, es verabsäumte Fälle gründlich zu untersuchen, Beschwerden wieder an den angeblichen Verursacher retourniere und Beschwerdeführer nicht adäquat schütze (USDOS 25.6.2015).

Die NHRC arbeitete gemeinsam mit verschiedenen NGOs. Auch hatten die NGOs mehrere Repräsentationen in mehreren NHRC Komitees. Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir war es möglich Menschenrechtsverstöße zu dokumentieren, sie wurden aber von Sicherheitskräften, der Polizei und Aufständischen in ihrer Arbeit behindert oder belästigt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2015):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/20157/indien.pdf, Zugriff 9.11.2015

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NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 9.11.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Religionsfreiheit

Das CIA World Factbook schätzt die Einwohnerzahl Indiens auf über 1,2 Milliarden (Stand Juli 2015). Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3 %) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 28.10.2015). Muslime, Sikh, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen (USDOS 14.10.2015; vgl. AA 25.4.2015). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 14.10.2015).

Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert (AA 25.4.2015) und im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 28.1.2015). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion. Allerdings gibt es wachsenden Widerstand gegen Missionierungsaktivitäten evangelikaler Kirchen (AA 25.4.2015).

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit, ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis inklusive im Hinblick auf die Beschäftigungssituation. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 14.10.2015).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen (FH 28.1.2015). Es gibt aktive Anti-Konversionsgesetze in sechs der 29 Bundesstaaten: Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh. In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konversionsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Die Behörden erklären diese Gesetze als Schutzmaßnahmen für vulnerable Individuen vor einen induzierten Religionswechsel. Zum Beispiel verbietet das Gesetz in Gujarat Konversionen durch "Verlockung, Zwang oder Betrug" (USDOS 14.10.2015).

Das Gesetzt sieht im Allgemeinen Rechtsmittel einschließlich Freiheitsstrafen und Geldbußen für Verstöße gegen die Religionsfreiheit vor. Es gibt auch rechtlichen Schutz bei Diskriminierung oder Verfolgung, die von Privatpersonen ausgeht. Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 14.10.2015). Gesellschaftliche Gewalt aufgrund der Geschlechts- Religions- Kasten- oder Stammeszugehörigkeit gehörte zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen (USDOS 25.6.2015). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische Gesetz, das christliche Gesetz, das Parsi Gesetz und das islamisches Gesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 14.10.2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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