TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/22 W240 2189624-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46

Spruch

W240 2189624-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2018, Zl. 1117198604/160773867, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Die übrigen Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte nach Umgehung der Grenzkontrollen im österreichischen Bundesgebiet am 02.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.06.2016 gab er an, verheiratet zu sein und in XXXX , Somalia geboren zu sein. Er sei sunnitischer Moslem und habe die Grundschule in Äthiopien besucht. Zuletzt habe er als Tierhüter gearbeitet. Seine Eltern seien bereits verstorben, seine Ehefrau sei seit sechs Monaten in Deutschland. Er habe seit 1995 in XXXX , Äthiopien gelebt und sei dort im Jahr 2014 ausgereist. Als Reiseziel habe er Deutschland gehabt, da er zu seiner Frau gewollt habe. Als Fluchtgrund gab er an, er habe Somalia bereits als Kleinkind verlassen, seine Eltern seien bereits verstorben. In Äthiopien habe er bei verschiedenen Somali gelebt. Da er dort niemanden mehr habe, habe er sich entschlossen zu flüchten. In Somalia kenne er sich nicht aus, da er das Land als Kind verlassen habe, er habe Angst dort zu sterben.

Mit Aktenvermerk vom 11.07.2016 wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer für den 11.07.2016 zur Einvernahme geladen wurde, bei der er die Daten seiner in Deutschland aufhältigen Ehegattin mitteilen sollte. Der Beschwerdeführer habe allerdings keine Angaben machen könne, woraufhin er gebeten worden war, die Gattin anzurufen. Es habe sich ein Mann gemeldet, der den Beschwerdeführer nicht gekannt habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, öfters von seiner Frau angerufen zu werden. Er sei gebeten worden, die Daten seiner Ehefrau in Erfahrung zu bringen und sie dem BFA zu übermitteln.

Am 06.02.2018 wurde der Beschwerdeführer zum Ermitteln der persönlichen Daten vor dem BFA einvernommen. Dabei gab er an, am XXXX in XXXX , Somalia geboren zu sein. Von 1995 bis Oktober 2014 habe er in XXXX , Äthiopien gelebt. Als besondere Merkmale wurden Narben am Hinterkopf und an der linken Schläfe vermerkt. Von einem Brand in der Kindheit habe er eine rund zehn Zentimeter lange Narbe auf der linken Schulter. Messernarben, die er sich in Äthiopien zugezogen habe, habe er unter der linken Achsel. Sodann gab der Beschwerdeführer die Daten seiner Ehegattin an und erklärte, dass sich diese seit Oktober 2015 in einer näher genannten Stadt in Deutschland aufhalten würde. Er habe keinen Militärdienst geleistet und habe zuletzt, von 2007 bis 2014, in XXXX /Äthiopien als Tierhüter gearbeitet. Er wurde schließlich im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somali niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und führte insbesondere wie folgt aus:

"(...)

Aufgefordert die Wahrheit zu sagen und nach meinem Reiseweg befragt, gebe ich Folgendes an:

Wie bei der Einvernahme bei der Polizei angegeben. Ich halte meine Aussage bei der Polizei aufrecht.

Ich reiste im Jahr 1995 von Somalia nach Äthiopien und hielt mich dort bis 2014 auf, in Weiterfolge durchreiste ich den Sudan nach Ägypten und lebten dort 2 Jahre und Italien (1 Monat) nach Österreich.

F: Wann haben Sie sich zuletzt im Somalia aufgehalten?

A: 1995.

F: Wo lebten Sie bis zur Ausreise? Genaue Adresse (Land, Bezirk, Ort, Straße)!

A: In Somalia lebte ich mit meiner Familie in XXXX / Somalia. Nach einem Hausbrand sind meine Eltern umgekommen.

In Äthiopien lebte ich bei meiner Tante XXXX und Ihrer Familie väterlicher Seite in XXXX / Äthiopien

F: Lebten Sie in Somalia in einem Haus oder in einer Wohnung?

A: Ich lebte dort mit meiner Familie im eigenen Haus.

F: Haben Sie sonstige Angehörige in Somalia und wo leben diese? (Großeltern, Onkel, Tanten,...) Namen

A: Meine Großeltern leben nicht mehr.

Meine Eltern sind verstorben

Verwandte mütterlicher Seite, ich weiß es nicht.

Verwandte väterlicher Seite, eine Tante in Äthiopien, bei der ich auch lebte, welche auch schon verstorben ist.

F: Haben Sie in Somalia die Schule besucht?

A: Nein.

F: Können Sie lesen und schreiben?

A: Ja, ich kann Somalisch schreiben und lesen.

F: Wie haben Sie in Somalia Ihren Lebensunterhalt bestritten? Gingen Sie einer Tätigkeit nach? Wie lange haben Sie die Tätigkeit ausgeführt?

A: In Somalia sorgte meine Familie für mich, in Äthiopien arbeitete ich für eine Familie als Tierhüter. In Ägypten arbeitete ich in einer Bäckerei.

Meine Tante arbeitete als selbständige Bäckerin und Verkäuferin.

F: Wie viel verdienten Sie?

A: In Äthiopien verdiente ich ca. 200,- bis 300,- äthiopischer Birr im Monat. (6,- bis 9,- Euro)

In Ägypten verdiente ich ca. 100,- USD im Monat.

F: Wie war Ihre finanzielle Lage?

A: In Äthiopien war es sehr schwer und in Ägypten war es ok.

F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt?

A: ca. 1.500,- USD.

F: Wie habe Sie die Reise finanziert?

A: Durch meine Ersparnissen.

F: Besitzen Sie Dokumenten?

A: Nein.

F: Haben Sie eine familiäre Beziehung zu in Österreich aufhältigen Personen, wie Verwandte, weitere Angehörige oder nahe Beziehungen?

A: Nein.

F: Sind Sie verheiratet? Traditionell und standesamtlich?

A: Ja, traditionell, aber ich habe keine Dokumente.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihrer Frau? Wo lebt Sie jetzt?

A: Ja, sie lebt in Deutschland, bei XXXX .

F: Welchen Asylstatus hat Sie?

A: Subsidiärer Schutz.

F: Sie könnte ja zu Ihrer Frau nach Deutschland, aufgrund der Familienzusammenführung gehen. Was sagen Sie dazu?

A: Ich will nicht. Meine Frau gab an, dass Sie verheiratet ist, aber keine Dokumente hat. Ich möchte schon zu meiner Frau, aber ich habe keine Dokumente.

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein.

F: War Österreich Ihr Zielland?

A: Deutschland, wegen meiner Frau.

F: Seit wann leben Sie in Österreich?

A: 02.06.2016

(...)

F: Sind Sie alleine aus dem Somalia ausgereist?

A: Aus Somalia mit meiner Tante, aus Äthiopien und Ägypten alleine.

F: Haben Sie im Verfahren bis jetzt immer die Wahrheit gesagt?

A: Ja.

F: Aus welchen Gründen haben Sie Somalia verlassen? Bitte schildern Sie die wesentlichsten persönlichen Gründe für Ihre Ausreise und Ihre Asylantragstellung.

A: Somalia habe ich im Alter von einem Jahr verlassen, danach lebte ich bei meiner Tante in Äthiopien. Ich hatte eine Freundin in Äthiopien und diese wurde Schwanger, aufgrund unserer unterschiedlichen Volksgruppen, ich bin Madhiban und sie ist Ogaden, habe ich aus Angst das Land verlassen. Ihr Bruder hat mich geschlagen, auch Ihre Familie hat von der Schwangerschaft erfahren, aus Angst habe ich Äthiopien verlassen. In Ägypten arbeitete ich als Bäcker, aber ich war 2 Jahre illegal im Land. Aus Angst nach Somalia oder Äthiopien abgeschoben zu werden habe ich das Land verlassen und bin nach Europa gereist. Das ist mein Fluchtgrund.

F: Waren Sie jemals einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt?

A: Nein.

F: Gibt es sonst noch irgendwelche Fluchtgründe, wieso Sie Somalia verlassen haben?

A: Nein.

F: Waren Sie in Somalia jemals in Haft bzw. hatten Sie dort Probleme mit Polizei- oder Justizbehörden?

A: Nein.

F: Hätten Sie von staatlicher Seite in Somalia etwas zu befürchten?

A: Nein.

F: Werden Sie behördlich gesucht oder besteht ein Haftbefehl gegen Sie?

A: Nein.

F: Hätten Sie aus politischen Gründen in Ihrem Land Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten?

A: Nein.

F: Hätten Sie aus ethnischen Gründen in Ihrem Land Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten?

A: Nein.

F: Wurden Sie, aufgrund Ihrer Volksgruppe jemals mit dem Tod bedroht oder verfolgt?

A: Nein, ich hatte nie Probleme aufgrund meiner Volksgruppe.

F: Hätten Sie aus religiösen Gründen in Ihrem Land Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten?

A: Nein.

F: Was wäre, wenn Sie nach Somalia müssten, also, was würde Ihnen geschehen, wenn Sie heute nach Somalia einreisen würden. Was hätten Sie zu befürchten?

A: Es ist sehr gefährlich. Ich gehöre einer Minderheit an.

F: Somalia ist groß, es gibt kein Meldewesen oder keine Ausweispflicht. Sie könnten überall unerkannt in Somalia leben. Was sagen Sie dazu?

A: Somalia ist nicht sicher.

(...)"

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

Mit Antrag vom 15.02.2018 ersuchte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers um eine vierzehntägige Frist zu Stellungnahm bezüglich Länderfeststellungen.

In der Stellungnahme vom 22.02.2018 wurde ausgeführt, dass die Länderinformationen zwar ausgewogen und einigermaßen aktuell seien, allerdings seien sie nicht sehr ausführlich und allgemein gehalten. Insbesondere die Lage der Personen aus dem Madhibaan Clan und deren Konflikte mit anderen Clans. In der Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er im Alter von einem Jahr Somalia verlassen habe. Sein Elternhaus sei durch ländliche Ansprüche eines mächtigen Clans verbrannt worden und seine Eltern getötet. Er habe damals einige Verbrennungen erlitten. Der Beschwerdeführer sei bei seiner Tante väterlicherseits in XXXX in Äthiopien aufgewachsen und habe keine Aufenthaltsberechtigung in Äthiopien gehabt. Er habe das Land verlassen müssen, da er eine Beziehung mit einer Frau vom Clan der Ogaden gehabt habe. Die Frau sei von ihm schwanger geworden, der Clan habe diese Beziehung nicht akzeptiert und den Beschwerdeführer mit dem Tod bedroht. Unter Verweis auf einen Accord Bericht zu Clans in Somalia wurde festgehalten, dass UNHCR weiterhin von einem hohen Schutzbedarf für Asylsuchende aus Somalia ausgehe. Hintergrund sei die prekäre humanitäre Lage sowie eine sich verschlechternde Sicherheits- und Menschenrechtssituation in weiten Teilen des Landes. Aufgrund der verstärkt instabilen Sicherheitslage, dem mangelnden effektiven nationalen Schutz, der politischen Unsicherheit und der höchst prekären Versorgungslage und fehlende familiären Bindungen in Somalia könne eine Rückkehr nach Somalia nicht zugemutet werden. Im Falle der Rückkehr nach Somalia würde der Beschwerdeführer unweigerlich in eine ausweglose Lage im Sinne des Zumutbarkeitskalküls geraten. Eine Rückkehr würde daher eine Verletzung der Art. 2 und Art. 3 EMRK darstellen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2018, Zl. 1117198604/160773867, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer somalischer Staatsbürger, muslimischen Glaubens sei und der Volksgruppe der Midgan angehöre, seine Identität habe nicht festgestellt werden können. Ebenso nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer verheiratet sei. Laut eigenen Angaben sei der Beschwerdeführer gesund, eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit habe nicht festgestellt werden können. Er sei nie nachweislich von jemanden persönlich verfolgt oder mit dem Tod bedroht worden.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, die Identität des Beschwerdeführers könne mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments oder sonstigen Bescheinigungsmittels nicht festgestellt werden. Es liege im gegenständlichen Fall keine Asylrelevanz vor, da die Lage des Beschwerdeführers in Äthiopien und Ägypten diesbezüglich irrelevant sei. Relevant wäre eine Verfolgung, die dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Somalia gedroht hätte. Ein solches Vorbringen habe der Beschwerdeführer allerdings nicht geltend gemacht und habe auch nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe hinsichtlich seiner Volksgruppe nie Probleme gehabt. Bezugnehmend auf seine angebliche Frau, die sich in Deutschland aufhalten würde, werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis über eine Verehelichung in Vorlage brachte und keine Telefonnummer vorlegen konnte.

Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, die Behörde davon zu überzeugen, dass er in seinem Heimatland einer Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder nunmehr sei. Das BFA hielt fest, dass es die Auffassung vertrete, es ergebe sich für den Beschwerdeführer gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Somalia, da nicht in ganz Somalia eine solche extreme Gefährdungslage bestehe, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung ausgesetzt wäre.

3. Gegen den Bescheid des BFA vom 26.02.2018 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Madhibaan an. Er sei zwar in Somalia geboren, aber nach dem Tod seiner Eltern infolge eines Grundstückstreits, im Zuge dessen sein Elternhaus in Brand gesetzt worden sei, schon als Kleinkind mit seiner, mittlerweile ebenso verstorbenen, Tante nach Äthiopien gezogen und dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer habe in seinem Heimatland keine Verwandten mehr. Unter Verweis auf ausgewählte Artikel wurde festgehalten, die Sicherheits- bzw. humanitäre Lage in Somalia sei katastrophal, eine Rückkehr nach Somalia unmöglich und nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer befinde sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes und könne dessen Schutz nicht beanspruchen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 22.10.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Vertreter der ARGE, einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde insbesondere zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft, der Lage in Somalia und zu seiner Integration befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Somalia sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend weitere aktuelle Länderberichte zur Herkunftsregion und zu Minderheitenclans in Somalia und der humanitären Lage in Somalia zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

In der am 31.10.2018 eingelangten Stellungnahme wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer ein Mitglied der Gabooye, somit eines Minderheitenclans, sei. Er habe als Baby mit seiner Tante aufgrund dieser Clanzugehörigkeit flüchten müssen und habe auch in Äthiopien deshalb Probleme gehabt. Aus den Länderberichten gehe hervor, die staatlichen Sicherheitskräfte seien zu schwach, um in Clankonflikte effektiv eingreifen zu können bzw auch nicht willens einzugreifen. Von einer Schutzfähigkeit oder -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden könne unter Verweis auf die Länderberichte nicht ausgegangen werden. In weiteren zahlreichen aktuellen Quellen werde über die prekäre Versorgungssituation berichtet, die sich durch die langjährige Dürre und derzeitigen Überschwemmungen wieder verschlechtert habe. Im Gesamtschau aller Umstände würde eine asylrelevante Verfolgung iSd GFK vorliegen und daher wäre dem Beschwerdeführer somit gem. § 3 AsylG internationaler Schutz zu gewähren. Zumindest aber wäre ihm jedoch subsidiärer Schutz gem. § 8 AsylG zu gewähren, da die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia, den Länderberichten entsprechend, denkbar schlecht sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, stammt aus XXXX und lebte seit seinem zweiten Lebensjahr in XXXX, Äthiopien. In Äthiopien arbeitete er als Tierhüter. Im Jahr 2014 verließ er Äthiopien und reiste nach Ägypten, wo er sich zwei Jahre illegal aufhielt und in einer Bäckerei arbeitete. Schließlich reiste er weiter nach Europa und der Beschwerdeführer stellte am 02.06.2016 in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Er gehört dem Clan der Madhiban, XXXX an. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer verheiratet ist oder Kinder hat.

Der Beschwerdeführer verneinte Bekannte oder Freunde in Somalia zu haben. Der Beschwerdeführer beherrscht die somalische Sprache auf muttersprachlichem Niveau.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der behaupteten Probleme seiner Eltern in Somalia einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung in Somalia ausgesetzt ist, die asylrelevante Intensität erreicht. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen, welches in Summe für den Fall einer Überstellung nach Somalia einzig Spekulationen und Mutmaßungen enthält, welche überdies nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen sind, keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft darlegen können.

Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass den Angehörigen der Volksgruppe der Madhibaan/Gabooye in Somalia allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität droht.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Rückkehr nach Somalia dort Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität droht.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und gesund.

Zu Somalia wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

Auszüge aus der Anfragebeantwortung zu Somalia: Informationen zur Lage von Angehörigen des Clans der Gaboye vom 27.11.2014:

Das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) erwähnt in einer Anfragebeantwortung vom Oktober 2013, dass nur wenige Informationen zu Unterscheidungsmerkmalen der Gaboye gefunden werden konnten. Das IRB bezieht sich auf die Angaben verschiedener Quellen. Die Quellen würden angegeben, dass die Gaboye über keine physischen Unterscheidungsmerkmale verfügen würden. Die Gaboye könnten physisch den Samaal, einer ethnisch dominanten Gruppe in Somalia, ähneln. Laut Angaben eines Mitarbeiters des Max-Planck- Instituts für ethnologische Forschung würden sich die Gaboye aufgrund ihrer Genealogie unterscheiden. Sie könnten in vier Untergruppen unterteilt werden: Madhiban, Muuse Deriyo, Tumaal, und Yibir. Der Mitarbeiter habe zudem angegeben, dass die Gaboye oftmals in bestimmten Wohngegenden leben würden, etwa dem Stadtteil Dhami in Hargeysa, in Somaliland, entfernt von den Mehrheitsclans, welche die Gaboye als "schmutzig" einstufen würden.

(...)

Laut einem im Juli 2013 von Sabahi, einem vom United States Africa Command finanzierten Nachrichtenportal mit Schwerpunkt der Berichterstattung auf der Region Horn von Afrika, veröffentlichten Artikel zu den Gaboye in Somaliland habe ein Sprecher der Gaboye, Sultan Mohamed Muse Abu Sufyan, angegeben, dass die Gruppe der Gaboye vom Rest der Gesellschaft isoliert sei. Angehörige der Gaboye müssten sich auf Arbeitsplätze beschränken, die andere nicht haben möchten. Gaboye seien zudem hinsichtlich ihres Wohnortes isoliert. In Hargeisa etwa würden Gaboye in einem eigenen Stadtteil, Daami, leben. Die Gaboye würden keine Mischehen mit anderen Clans eingehen. Selbst wenn eine Frau zunächst gewillt sei, würde sie keinen Angehörigen der Gaboye heiraten, da sie Angst hätte, dass sie und ihre Kinder von der Gesellschaft oder ihrer Familie ausgeschlossen würden.

(...)

Das IRB berichtet in seiner oben zitierten Anfragebeantwortung vom Oktober 2013 weiters, dass es Mehrheitsclans verboten sei, Angehörige der Gaboye zu heiraten. Laut Angaben des oben zitierten Mitarbeiters des Max-Planck-Instituts sei eine Heirat zwischen den Gaboye und den meisten anderen somalischen Gruppen "tabu". Zumindest in Somaliland halte man sich streng an das Tabu (es gebe immer Ausnahmen auf individueller Basis). In Puntland würden Mitglieder des Clans der Majeerteen manchmal Gaboye heiraten, jedoch nicht oft.

(...)

Das IRB bezieht sich in einer weiteren Anfragebeantwortung vom Dezember 2012 zu den Gaboye/Midgan auf Angaben mehrerer Quellen. Mehrheitsclans würden Mischehen mit Mitgliedern einer Minderheitengruppe verbieten. Ein Gaboye-Ältester aus Hargeisa habe angegeben, dass ein Paar, das eine Mischehe eingehe, getötet würde. Zudem sei über Fälle berichtet worden, dass Partner in einer Mischehe gezwungen würden, sich scheiden zu lassen, geschlagen oder von Verwandten des Mehrheitsclans beschossen würden. In einem Fall sei eine Frau, die einem Mehrheitsclan angehöre, aufgrund ihrer Eheschließung mit einem Gaboye -Mann von ihren Familienmitgliedern körperlich misshandelt und mit dem Tod bedroht worden. Auch der Sohn der Frau sei mit dem Tod bedroht worden. Der Gaboye-Mann selbst habe aus dem Land fliehen müssen.

(...)

2. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).

Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.

Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).

Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

-

NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

-

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

-

UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

-

UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

-

UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

-

UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

-

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

-

WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

2.1. Puntland

Der so genannte Puntland State of Somalia hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Die staatlichen Organe in Puntland sind insgesamt weniger fragil als die zentralstaatlichen (AA 1.1.2017). Dabei konnte Puntland die Verwaltungskapazitäten weiter ausbauen. Gleichzeitig ist Puntland auf Bundesebene ein wichtiger Akteur. Grundlegende staatliche Dienste (z.B. Infrastruktur, Behörden) sind in Puntland gegeben. Das Verwaltungssystem ist aber urban konzentriert und reicht nicht bis in entlegene Gebiete (BS 2016).

Im Jänner 2014 kam es zum dritten Mal zu einem friedlichen Machtwechsel an der Spitze von Puntland. Allerdings fand dieser Machtwechsel nicht auf der Grundlage einer allgemeinen Wahl statt (AA 1.1.2017). Zwar war eine solche geplant, doch wurde die Wahl aufgrund gewaltsamer Proteste abgesagt. Gewählt wurde Präsident Abdiweli Mohamed Ali "Gaas" im Prinzip von Ältesten (BS 2016). Das Parlament, das den Präsidenten wählte, war unter Einbeziehung traditioneller Strukturen mit Clan-Bezug von einem durch den vorherigen Präsidenten eingesetzten Auswahlausschuss ernannt worden (AA 1.1.2017). Dabei folgte die Wahl von Präsident Gaas dem Rotationsprinzip der drei Hauptclans von Puntland (BS 2016).

Obwohl das Parlament schon im Jahr 2012 eine Verfassung beschlossen hat, die ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 3.3.2017), hat Puntland noch keine wirklich demokratischen Strukturen geschaffen. Präsident und Parlament werden durch den Beschluss von Ältesten entschieden (BS 2016).

Politische Auseinandersetzungen werden in der Regel zwar nicht gewaltsam ausgetragen, aber die Sicherheitslage ist im Umfeld der Wahlen sehr angespannt. Staatliche Sicherheitskräfte agieren mit Sondervollmachten (AA 1.1.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

3. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die

Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):

a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).

b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.

c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.

Operational Areas

d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;

Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;

e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.

f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.

g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).

Al Shabaab (AS)

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten