TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/27 W191 2181701-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W191 2181701-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2017, Zahl 1073064800-150649964, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.11.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär in Österreich ein und wurde am 10.06.2015 gemeinsam mit sechs Landsleuten im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle in 2424 Zurndorf (Burgenland) aufgegriffen. Er stellte einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF am 11.05.2015 in Mytilini (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt worden war.

1.2. In seiner Erstbefragung am 12.06.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes des CC (Competence Center) Eisenstadt gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus XXXX , Provinz Logar, Afghanistan, sei Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, [sunnitischer] Moslem und ledig. Seine Eltern und Geschwister lebten noch zu Hause. Er habe in Logar zwölf Jahre die Grundschule besucht.

Im Jahr 2013 sei er illegal in den Iran (Shiraz) gegangen und von Gelegenheitsarbeiten gelebt. Vor ca. zwei Monaten sei er über die Türkei, Griechenland und weitere genannte europäische Länder schließlich bis nach Österreich gelangt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Bruder ein höherer Angestellter der Regierung in Kabul gewesen sei. Seine Aufgabe sei es gewesen, die Taliban zu bekämpfen. Der BF sei zuhause in Logar wegen seines Bruders als mutmaßlicher Spion festgenommen und gefoltert worden. Nach ca. 20 Tagen sei ihm die Flucht gelungen und er habe Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 19.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Tirol, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Er stamme aus XXXX , Distrikt XXXX und spreche Dari, Farsi und Paschtu.

Der BF gab an, er habe zwei Jahre an der Universität in Kabul Soziologie studiert, und legte eine Bestätigung darüber, einen Bibliotheksausweis und Schulzeugnisse vor. Weiters legte er eine Tazkira (afghanisches Personaldokument) in Kopie vor, das Original befinde sich in Afghanistan. In Österreich habe er einige Deutschkurse absolviert, derzeit besuche er keinen Kurs. Er legte eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Seminar Abfalltrennung und Abfallvermeidung vor.

Der BF machte Angaben zu seinen Lebensumständen. Sein Vater sei pensionierter Staatsbeamter, seine Mutter Hausfrau. Die Familie wohne nach wie vor in Logar, er telefoniere ca. einmal pro Woche mit ihr. Der BF machte Angaben zu seinen Lebensumständen im Iran und zur Finanzierung seiner Reise.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF im Wesentlichen an, dass sein verheirateter Bruder in Kabul als Polizist stationiert sei. Er komme selten nach Hause.

Der BF sei einmal im Frühling 1393 (umgerechnet 2014), als er per PKW von Kabul nach Hause hätte fahren wollen, von den Taliban aufgehalten und mitgenommen worden. Er sei aufgefordert worden, mit dem Bruder zu sprechen und selbst für die Taliban zu arbeiten (Informationen sammeln und weitergeben). Sie hätten das Verhalten seines Vaters und seines Bruders als unislamisch und sie als Marionetten der Regierung bezeichnet.

Er sei ca. 20 Tage in Gewahrsam der Taliban gewesen und hätte dann, als sie beim Gebet gewesen wären, durch die offene Türe fliehen können. Er sei zur Hauptstraße gelaufen, habe ein Auto angehalten und sei nach Kabul gefahren worden. Sein Bruder habe gemeint, er müsse entweder in Kabul bleiben und studieren oder "abhauen". Zu seiner Familie nach Logar könne er nicht zurück.

Zu seinem Fluchtvorbringen legte er einen angeblichen Drohbrief der Taliban vor, den er in der Zwischenzeit von seinem Bruder bekommen habe. Er wisse nicht, wie der Drohbrief zu seiner Familie gelangt sei.

Dem BF wurden laut Niederschrift "Länderfeststellungen des BFA" zu seinem Heimatland zu einer allfälligen schriftlichen Stellungnahme vorgelegt, worauf er verzichtete.

1.4. Nach einem im Verwaltungsakt einliegenden Bericht (E-Mail innerhalb des BFA, Regionaldirektion Tirol) befand sich der BF am 15.11.2017 im PAZ (Polizeianhaltezentrum) Innsbruck in Verwaltungsstrafhaft.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 06.12.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 10.06.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF - zusammengefasst - mehrfach vage, unstimmig und daher unglaubhaft dargelegt. Er habe nicht konsistent darlegen können, welche Funktion sein Bruder innegehabt habe. Zu seiner angeblichen Entführung und Festhaltung durch die Taliban habe er durchgehend lediglich vage und unplausible Angaben gemacht und diesen Vorfall daher nicht glaubhaft machen können. Der vorgelegte Drohbrief sei in keiner Weise als tauglicher Beweis für sein Fluchtvorbringen geeignet, zumal der BF über seinen Erhalt keinerlei nähere Angaben hätte machen können.

Als innerstaatliche Fluchtalternative für seine volatile Heimatprovinz Logar komme für den BF die Stadt Kabul, wohin er nach seinen Angaben familiäre Verbindungen zu seinem Bruder habe, in Betracht.

1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters vom 02.01.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ein.

In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen moniert, dass das BFA den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt habe. Der BF habe seinen Verfolgungsgrund glaubhaft dargelegt, wozu aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung betreffend die Taliban in Logar zitiert wurde.

Kabul sei als Fluchtalternative weder hinreichend sicher, noch aus sozioökonomischen Gründen geeignet, wozu aus weiteren diversen Berichten (zum Teil in englischer Sprache) zitiert wurde. Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

1.7. Das BFA teilte dem BVwG mit Schreiben vom 24.09.2018 mit, dass beabsichtigt sei, gegen den BF eine Verfahrensanordnung gemäß § 7 VwGVG und einen Bescheid wegen Verlust des Aufenthaltsrechtes gemäß § 13 Abs. 2 AsylG aufgrund eines eingelangten Strafantrages der Staatsanwaltschaft IBK (Innsbruck) zu erlassen, und übermittelte in der Folge eine Verständigung des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.09.2018 über eine anberaumte Hauptverhandlung am 11.10.2018 wegen §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z 2 StGB (Strafgesetzbuch, versuchter Einbruchsdiebstahl), da der BF versucht hätte, die an einem Zeitungsständer befestigte Kunststoffkassa aufzubrechen.

Am 15.10.2018 wurde der BF laut Abtretungsbericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 19.10.2015 im Besitz der geringen Menge von 0,2 Gramm Marihuana aufgegriffen. Er sei zum gelegentlichen Konsum von Suchtmitteln im Oktober 2018 in Innsbruck geständig. Von der Verfolgung des BF wegen dieser Sache wurde laut Verständigung vom 29.10.2018 gemäß § 35 Abs. 9 SMG (Suchtmittelgesetz) vorläufig zurückgetreten.

1.8. Das BVwG führte am 12.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF persönlich erschien. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern. Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"[...] Nach Aufruf der Sache um 09:00 Uhr ist BF nicht zur Verhandlung erschienen. BFV [Vertreterin des BF] gibt an, dass der BF heute morgen um 07:45 Uhr bei der Diakonie vorgesprochen hätte. Er sei über Ort und Zeit der Verhandlung informiert worden und müsse auf dem Weg hierher sein.

Mit dem Beginn der Verhandlung wird zugewartet.

Nach neuerlichem Aufruf der Sache um 09:25 Uhr ist der BF erschienen. Der BF weist sich mit einer Karte nach § 50 AsylG 2005 aus.

RI: Haben Sie keine Karte nach § 51 AsylG (siehe Seite 53 im Verwaltungsakt, Ausfolgung einer § 51-Karte am 10.03.2016)?

BF: Meine weiße Karte lag zuhause, ich wollte sie nicht verlieren. Ich weiß nicht, was mit der Karte passiert ist.

RI: Warum haben Sie sich verspätet, haben Sie sich mit der U-Bahn verfahren?

BF: Nein.

[...]

RI: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Dari.

RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?

D: Dari.

RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.

Zur heutigen Situation:

RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja.

RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Nein.

[...]

Der BF hat bisher mehrere Belege zu seiner Identität, seinen Lebensumständen, seinem Fluchtvorbringen und seiner Integration in Österreich vorgelegt, auf die er verweist (afghanisches Schulzeugnis, Maturazeugnis, Bibliotheksausweis für Universität in Kabul, Bestätigung über Studiumsbesuch - vier Semester abgebrochenes Soziologie-Studium, Kopie seiner Tazkira - afghanisches Personaldokument, sowie Belege zu seiner Integration).

Heute sucht er auf Aufforderung in seinen Unterlagen. Die BFV hilft ihm und er legt schließlich folgende weitere Bescheinigungsmittel vor: Teilnahmebestätigung an Veranstaltungen (Infotage für AsylwerberInnen vom 08.11.2017, Werte- und Orientierungskurs am 18.10.2017), die in Kopie zum Akt genommen werden.

[...]

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen

Lebensumständen:

RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Ja.

[...]

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe zwölf Jahre eine Schule besucht, darüberhinaus habe ich zwei Jahre die Universität besucht und Soziologie studiert.

RI fragt den BF, ob er den Umfang eines Kreises berechnen kann. BF kann das nicht.

RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Meine Familie hat mich unterstützt und manchmal habe ich ...

RI: Was haben Sie manchmal?

BF: Z.B. wenn ich nicht zur Universität gehen musste, habe ich versucht, einen Job zu haben.

RI: Und was haben Sie da gemacht?

BF: Ich habe gearbeitet.

Frage wird wiederholt.

BF: Ich hatte keinen besonderen Job. Ich habe Unterstützung von der Familie bekommen.

RI: Was haben Sie gearbeitet?

BF: Z.B. habe ich viel gearbeitet.

BFV: Der BF hat bei der Einvernahme vor dem BFA angegeben, er hätte im Iran als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet.

RI: Wann haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: Im Jahr 2014.

RI: Wie lange waren Sie im Iran?

Anmerkung: BF lacht.

RI: Warum lachen Sie?

BF: Ich lache nicht.

RI: Haben Sie vielleicht Marihuana genommen?

BF: Nein.

RI: Wie lange waren Sie also im Iran?

BF: Z.B. im Jahr 2013 bin ich in den Iran gereist, und 2014 habe ich Afghanistan verlassen.

RI: Wie geht das, dass Sie im Jahr 2013 in den Iran reisen und 2014 Afghanistan verlassen?

BF: Z.B. im Jahr 2013 bin ich aus Afgahnistan in den Iran gereist.

RI: Sie haben bei Ihren Einvernahme gesagt, dass die Ausreise 4.000 Euro und ein anderes Mal 10.000 Dollar gekostet hat, warum gibt es diesen Widerspruch?

BF: Nein, die Kosten waren 10.000 Dollar.

RI: Und wieso steht dann in der Erstbefragungsniederschrift auf die Frage, wie hoch waren die Kosten: 4.000 Euro?

BF: Vielleicht habe ich damals verstanden, die Kosten der Reise vom Iran in die Türkei.

RI: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

BF: In Afghanistan.

RI: Und wo?

BF: In Logar.

RI: Wo lebt Ihr Bruder?

BF: In Kabul.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

Anmerkung: BF lacht.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Ja, aber ich weiß es nicht, wo sie in Österreich leben.

RI: Und welche Verwandte?

BF: Ich weiß es nicht, ich habe es vergessen, aber es gibt manche.

RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern? Haben Sie in Österreich wichtige Kontaktpersonen, und wie heißen diese?

BF: Ja, z.B. früher hatte ich eine Freundin.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ja, ein bisschen.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen teilweise verstanden und teilweise, holprig auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ja. Ich habe keine Bestätigung darüber.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach? Wie ist Ihr Tagesablauf?

BF (auf Deutsch): Ja, manchmal schon. Z.B. mag ich Boxen [Anmerkung:

BF wiederholt sich], ich mag Fußball und spiele es manchmal.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

RI: Aber Sie sind doch zweimal angezeigt worden wegen Straftaten?

BF: Nein.

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Ja, z.B. mit meiner Schwester über Messenger.

Anmerkung: BF lacht.

RI: Wie machen Sie das, wenn Sie kein Handy haben?

BF: Derzeit kann ich mir kein Handy besorgen, weil ich sehr viel Unterricht habe, deswegen geht es nicht. Aber im nächsten Monat werde ich mir ein Handy besorgen.

RI: Was macht Ihre Schwester?

BF: Eine meiner Schwestern ist ledig, und die andere ist älter und verheiratet.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.

Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: Meine Angaben stimmen. Nach der Einvernahme habe ich eine Kopie der Niederschrift bekommen.

RI: Fassen Sie kurz zusammen, warum Sie geflohen sind!

BF: Mein Vater war Pensionist, mein Bruder arbeitete für die Regierung, sein Job war gefährlich. Er war in Kabul, ich habe auch in Kabul studiert, als ich nachhause gefahren bin, wurde ich belästigt.

RI: Wieso sind Sie zuerst geflohen und dann haben Sie erst einen Drohbrief bekommen?

BF: Weil ich von dort geflohen bin, dann habe ich einen Brief erhalten.

RI: Und wieso sind Sie vorher geflohen?

BF: Weil ich z.B. ausgereist bin bzw. geflüchtet bin. Damals ging es mir nicht gut.

RI: Wie meinen Sie das?

BF: Ich konnte mit niemandem darüber sprechen, dass es für mich einen Brief gibt.

RI: Wie sind Sie zu dem Drohbrief bekommen?

BF: Wie meinen Sie das?

RI: Sowohl in Afghanistan als auch nach Österreich.

BF: Als ich im Iran war, bin ich angerufen worden, man sagte mir, dass ich einen Brief hätte.

RI: Wer hat Sie angerufen?

BF: Mein ältester Bruder.

RI: Ist das der, der in Kabul lebt?

BF. Ja.

RI: Und wie ist der Bruder zu dem Brief gekommen?

BF: Ich weiß es nicht, vielleicht wurde dieser Brief an meine Familie geschickt.

RI: Sie haben gesagt, dass es für Ihren Bruder in Kabul sehr gefährlich ist, dass er zu seiner Familie in Logar geht, und er bleibt daher in Kabul. Wie kommt Ihr Bruder zu diesem Brief?

BF: Als ich im Iran war, hat er erzählt, dass es einen Brief für mich gäbe, ich solle nicht zurückkehren.

Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte [...]in das gegenständliche Verfahren ein.

Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

RI folgt BFV Kopien dieser Erkenntnisquellen aus und gibt ihr die Möglichkeit, dazu sowie zu den bisherigen Angaben des BF eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.

RI legt eine detaillierte Distrikt-Karte von Logar, Barakibarak, dem BF vor und ersucht ihn, sein Heimatdorf zu zeigen. BF sucht.

RI: Wo suchen Sie denn? Wie weit liegt Ihr Heimatort entfernt von der Stadt Barakibarak?

BF: Ca. eine halbe Stunde zu Fuß.

RI: Wie heißt Ihr Dorf?

BF: XXXX .

Angemerkt wird, dass weder BF noch RI und D den Ort auf der Karte finden.

BFV hat keine Fragen.

BFV: Der BF legte in der heutigen Verhandlung die Talibanverfolgung aufgrund der Tätigkeit seines Bruders bei der Regierung bzw. bei der Polizei glaubhaft dar. Der BF wurde von den Taliban entführt und aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dem BF gelang zwar die Flucht, er war danach jedoch noch weiteren Drohungen durch die Taliban ausgesetzt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht ihm aufgrund der ihm unterstellten politischen und religiösen Überzeugung asylrelevante Verfolgung. Die Bedrohungen und Verfolgungen sind von ausreichender Intensität und dadurch, dass der BF in Gefangenschaft der Taliban war, und die Taliban ihre Aktivitäten in ganz Afghanistan ausführen, besteht keine IFA. Die Taliban sind in der Provinz Logar äußerst aktiv und in Bezug auf Logar hat auch die Behörde festgestellt, dass bei einer Rückkehr eine Art. 3 EMRK relevante Gefährdung vorliegt. Unter Verweis auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 verweise ich darauf, dass es aufgrund der Sicherheitslage und auch aufgrund der Versorgungslage keine IFA in Kabul gibt. Der BF verfügt über keine wesentliche Berufserfahrung, er ging im Iran lediglich Hilfsarbeiten nach und hat sein Studium in Afghanistan nicht abgeschlossen. Selbst wenn der Bruder des BF in Kabul lebt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser den BF hinreichend unterstützen könnte. Dem BF ist somit zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren.

RI: Wieso haben Sie, wenn es wirklich eine asylrelevante Bedrohung gegeben hat, nicht in den mehr als drei Jahren Ihres Aufenthaltes in Österreich irgendwelche Belege von Ihrem Vater oder Ihrem Bruder vorgelegt?

BF: Hätte ich eine Bestätigung haben sollen von der Familie, dass meine Familienangehörigen dort auch bedroht sind, das meinen Sie?

RI: Ja, z.B.

RI: Wie ist es Ihnen gelungen, von dieser Festhaltung durch die Taliban über 20 Tage zu fliehen?

BF: Z.B. bin ich ein paar Tage an einem Ort und ein paar Tage woanders festgehalten worden. Insgesamt waren es 20 Tage.

RI: Aber wie ist es Ihnen gelungen zu fliehen?

BF: Z.B. paar Tage, als ich bei den Taliban in Gefangenschaft war, ich glaube, es war in den ersten vier Tagen, dass sie mich befragt haben.

Ermittlungsermächtigung:

RI: Sind Sie damit einverstanden, dass entsprechend den vom Bundesverwaltungsgericht zu treffenden Anordnungen in Ihrem Herkunftsstaat allenfalls Erhebungen unter Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten durchgeführt werden, wobei diese jedenfalls nicht an staatliche Stellen Ihres Herkunftsstaates weitergegeben werden?

BF: Ja.

RI befragt BFV, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.

RI befragt BF, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.

RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"

Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).

Das BFA beantragte schriftlich die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt.

1.9. Der BF wurde am 05.11.2018 vom Landesgericht Innsbruck wegen §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z 2 StGB (versuchter Einbruchsdiebstahl) rechtskräftig zu einer Geldstrafe (180 Tagessätze zu je 4 Euro, davon die Hälfte bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren) verurteilt.

1.10. Laut Mitteilung des BMI vom 26.11.2018 wird gegen den BF wegen eines Tötungsdeliktes am 25.11.2018 in Innsbruck wegen § 75 StGB ermittelt, er wird derzeit im PAZ Innsbruck angehalten.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 12.06.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 19.07.2017, die vorgelegten Belege des BF (Tazkira in Kopie, Studienbesuchsbestätigung, Bibliotheksausweis, Schulzeugnisse, Drohbrief, Kursbesuchsbestätigung) sowie die Beschwerde vom 02.01.2018

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 219 bis 379)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 12.11.2018 sowie Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Dokumente (Bestätigung Werte- und Orientierungskurs, Infotage für AsylwerberInnen)

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in der Provinz Logar (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 29.10.2018)

o Artikel in Asylmagazin 3/2017 "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung" von Friederike Stahlmann sowie

o Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme eines Ländersachverständigen für Afghanistan zum Vorbringen des BF bezüglich der Arbeit für die afghanische Regierung (durch Familienangehörige) und die daraus folgende Verfolgung durch die Taliban

* Einsicht in Verständigungen betreffend strafrechtlich relevante Vorgänge betreffend den BF

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und ist ledig. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Farsi und Paschtu.

Der BF besuchte zwölf Jahre die Schule und besuchte dann zwei Jahre die Universität in Kabul (abgebrochenes Soziologiestudium).

Erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen hat der BF nicht angegeben und sind auch nicht hervorgekommen.

3.1.2. Lebensumstände:

Der BF lebte ca. bis zum Jahr 2013 / 2014 in XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Logar, Afghanistan, gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern. Sein Vater ist ein - hochbetagter - pensionierter Beamter, sein älterer Bruder hat Familie in Logar und ist nach den Angaben des BF als Polizist in Kabul stationiert.

Der BF verließ Afghanistan aus angegebenen Gründen und lebte dann einige Zeit in Shiraz (Iran), wo er als Hilfsarbeiter auf Baustellen arbeitete.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF2 konnte nicht glaubhaft vermittelt, dass er in seinem Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt gewesen wäre. Er hat sein Vorbringen, dass er von den Taliban wegen der Tätigkeit seines Bruders als Polizist in Kabul verfolgt werde, nicht glaubhaft gemacht.

3.2.2. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nicht politisch tätig und gehörte nicht einer politischen Partei an.

3.2.3. Der BF verließ den Iran aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen für dort aufhältige Afghanen (fehlender Aufenthaltstitel, mangelnde Bildungschancen etc.).

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

3.3.2. Dass dem BF derzeit bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Logar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde, kann im Hinblick auf die dortige Sicherheitslage nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Der BF verfügt jedoch über soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte, mit deren Unterstützung ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage möglich wäre, in der Stadt Kabul, sodass ihm eine Rückkehr und Ansiedelung außerhalb seiner Herkunftsprovinz in der Stadt Kabul aufgrund seiner individuellen Situation zumutbar ist.

3.4. Zu den Lebensumständen des BF in Österreich:

3.4.1. Der BF ist seit Juni 2015 in Österreich aufhältig. Ihm steht kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu, und er hatte niemals ein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber in Österreich.

Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen in Österreich sind erst zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich der BF seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste.

Der BF besucht in Österreich keine Schulen oder Universitäten. Er spricht etwas Deutsch, hat aber keine Belege über eine allfällig abgelegte Deutschprüfung vorgelegt. Er wohnt in einer Einrichtung für Flüchtlinge in Tirol und geht keiner erlaubten regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach.

Der BF ist in Österreich bisher strafgerichtlich unbescholten, wenngleich ihm wiederholt strafrechtlich relevante Verfehlungen vorgeworfen worden sind (so wurde von der Verfolgung des BF wegen Besitz einer geringen Menge Marihuana laut Verständigung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 29.10.2018 gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten; ein Strafverfahren wegen versuchten Aufbrechens einer an einem Zeitungsständer befestigten Kunststoffkassa ist anhängig).

Der BF ist irregulär in das Bundesgebiet eingereist.

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen.

Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass der BF einem diesbezüglich real bestehenden Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben und wurde vom BF auch nicht behauptet.

3.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", zuletzt aktualisiert am 29.10.2018, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.04.2018; vgl. AAN 22.01.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.08.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 06.05.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 06.05.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 03.05.2017). Am 04.05.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 04.05.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung, sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.03.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 06.05.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.05.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 151.2016; vgl. AB 295.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 21.08.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich Am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.06.2018; vgl. TH 10.06.2018, Tolonews 09.06.2018).

[...]

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.02.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.)

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.02.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 09.03.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.03.2016).

[...]

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.08.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.02.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.02.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.02.2018).

[...]

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 06.06.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.02.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.02.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.02.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.02.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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