Entscheidungsdatum
27.11.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W142 2166469-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2017, Zl. 14-1019750409/14652377, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.11.2018 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005, BGBl. I Nr. 100/2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist ein Staatsangehöriger aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 24.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch, gab der BF zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt an, in XXXX geboren sei. Er sei Moslem, ledig und gehöre der Volksgruppe der Sheikal an. Er habe als selbstständiger Kinobetreiber gearbeitet. Er habe noch seine Eltern, seinen Bruder und zwei Schwestern. Er habe in XXXX gelebt.
Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass er in Somalia eine Art "Kino" betrieben habe. Seine Stadt XXXX werde von der islamistischen Miliztruppe Al Shabaab kontrolliert. Mitglieder dieser Organisation hätten ihn aufgefordert das Kino zu schließen, da er aber davon gelebt habe, habe er dies nicht gewollt. Danach hätten sie sein Kino zerstört und ihn töten wollen. Er sei aber geflüchtet. Bei einer Rückkehr habe er Angst getötet zu werden.
3. Am 13.12.2016 wurde der BF durch die belangte Behörde in der Sprache Somali ausführlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Angaben führte er ergänzend aus, dass er der Volksgruppe der Sheikal, Subclan der Loobogey angehöre. Er sei von 2010 bis 2011 selbstständiger Kinobetreiber gewesen. Seiner Familie sei es sehr schlecht gegangen. Seine Mutter sei Gemüseverkäuferin gewesen, sein Vater habe als Gelegenheitsarbeiter gearbeitet. Von dem Kino hätten sie alle verdient und die Familie ernährt. Er habe seine Ausbildung abbrechen müssen, um die Familie zu unterstützen. Er habe ca. 30 EUR/Monat verdient.
Zu seinem Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, dass er seine Heimat wegen der Al Shabaab verlassen habe. Er habe dort ein Kino betrieben und eines Tages seien zwei Männer von Al Shabaab ins Kino gekommen und hätten ihn aufgefordert bzw. bedroht, das Kino zu schließen, da es in der Religion eine große Sünde sei solche Filme zu zeigen. Wenn er weitermachen würde, dann würden sie ihn töten. Er solle aufhören und zusperren. Er habe dann gesagt, dass er keine andere Lebensmöglichkeit habe und dies seine einzige Einnahmequelle sei. Eines Abends sei der BF mit seinen Freunden im Kino gewesen und habe kurz nach Hause gehen wollen um dort zu beten und etwas zu essen. Er habe seine Freunde darum gebeten, auf das Geschäft aufzupassen, diese hätten zugestimmt. Kurz darauf sei ein Freund zu ihm nach Hause gekommen und hätte ihm berichtet, dass das Geschäft von bewaffneten Al Shabaab Milizen zerstört bzw. verwüstet worden sei. Sie hätten den Bildschirm und die Videokassetten kaputt gemacht, das Blechdach zerlegt und die Sessel zerstört. Zudem hätten sie nach dem BF gefragt. Der Freund habe gemeint, dass der BF aus der Stadt fliehen solle, da er sonst getötet werde. Daraufhin sei der BF zu seiner Tante gegangen. Die Al Shabaab sei noch am selben Tag zum BF nach Hause gekommen und hätte die Eltern nach dem Aufenthaltsort des BF befragt. Die Eltern hätten dann gemeint, dass der BF fliehen solle. Danach habe er seine Heimat verlassen und sei nach Äthiopien gegangen. Sein Geschäft habe er nicht mehr gesehen. Die Al Shabaab habe dann noch zweimal bei seiner Familie nach ihm gefragt.
Auf Befragung des BFA führte der BF dann noch aus, dass das Kino im XXXX gewesen sei. Er habe von 8:00 bis Mittag indische Filme und am Nachmittag (Samstag, Sonntag, Dienstag und Mittwoch), ab 15:00 Sportsendungen gezeigt. Die Filme seien auf Kassetten gewesen, diese habe er in der Stadt gekauft. Er habe etwa 50 Besuche/Tag gehabt und von jeder Person 2.000 somalische Schilling verlangt.
Bei einer Rückkehr könne er nicht in Sicherheit sein. Das Gebiet sei noch immer von Al Shabaab beherrscht.
Der BF legte eine Bestätigung einer Gemeinde über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten vor.
4. Am 16.06.2017 wurde dem BF Parteiengehör gewährt, ihm ein Fragenkatalog geschickt und er dazu beauftragt, binnen einer Frist von zwei Wochen zu den übermittelten Fragen Stellung zu nehmen.
5. Am 29.06.2017 langte die Stellungnahme des BF ein. Darin wurde ausgeführt, dass die Ernährungslage in Somalia nun noch schlechter sei und seine Familie mittlerweile in einem Camp untergebracht sei und dort mit Essen und Trinken versorgt werde. Seine Familie habe keine Einkünfte mehr, es gebe wegen der Dürre und der Hungersnot keine Tiere mehr. Zudem machte er Angaben über seine aktuellen Lebensverhältnisse in Österreich und legte eine Bestätigung einer weiteren Gemeinde über die Verrichtung gemeinnütziger Arbeiten vor.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.07.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Das Bundesamt stellte fest, dass der BF somalischer Herkunft und moslemischen Glaubens sei. Er gehöre der Volksgruppe der Sheikal an. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch Al Shabaab habe nicht festgestellt werden können. Zudem habe nicht festgestellt werden können, dass der BF ein Kino betrieben habe und dieses von Al Shabaab zerstört worden sei.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen zu Spruchpunkt I. aus, dass seine Fluchtgründe nicht nachvollziehbar und völlig unglaubwürdig gewesen seien. Er habe lediglich vage und unkonkrete Angaben gemacht und eine grobe Rahmengeschichte präsentiert, welche er erst auf fortwährendes Nachfragen näher dargelegt habe. Konkrete Details habe er nicht nennen können. So habe er keine konkreten Details über die vorgeführten Filme, die Systematik und die Innenarchitektur im Kino machen können. Auch die Al Shabaab Männer habe er nicht näher beschreiben können, während er die angebliche Verwüstung des Kinos so erzählt habe, als sei er persönlich anwesend gewesen. Zudem sei fragwürdig, dass der BF mit 15 Jahren in der Lage gewesen sei selbstständig und ohne Hilfe ein Kino zu betreiben. Auch hinsichtlich des Zeitpunktes an dem Al Shabaab angeblich zu ihm nach Hause gekommen sei habe er sich in Ungereimtheiten verwickelt. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass er in einem von Al Shabaab kontrollierten Gebiet ein Kino eröffnet und über einen längeren Zeitraum betrieben haben will und könne nicht davon ausgegangen werden, dass er viele Kinobesucher gehabt und davon gelebt habe. Die Glaubwürdigkeit des BF habe darüber hinaus wegen widersprüchlicher Angaben hinsichtlich des Zeitpunktes der Ausreise stark gelitten. So habe er in der Erstbefragung angegeben Ende 2011 ausgereist zu sein und in der Einvernahme ausgeführt das Kino bis 2011 betrieben zu haben, während er dann an späterer Stelle angegeben habe Al Shabaab sei das erste Mal Ende 2010 gekommen und hätte eine Woche später das Kino zerstört. Nach Vorhalt des Widerspruches habe der BF dann lediglich behauptet dies nicht gesagt zu haben und er dabei bleibe 2011 - wie in der Erstbefragung -gesagt zu haben. Zudem habe der BF seine weiteren Familienangehörigen einfach am Wohnort zurückgelassen und sei dies auch als Indiz seiner Unglaubwürdigkeit zu sehen. Hinzu komme weiters, dass auch das Vorgehen der Al Shabaab jeglicher Lebenserfahrung entbehre und nicht nachvollziehbar sei. Mit den behaupteten Angaben zu den Gründen für seine Ausreise habe er keine Verfolgungsgefahr in seiner Heimat glaubhaft machen können.
7. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht vollumfänglich Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Bescheid wegen Feststellungsmängeln sowie einer falschen rechtlichen Beurteilung angefochten werde. Die Angst des BF vor Al Shabaab sei nicht unberechtigt, sondern vollkommen nachvollziehbar. Die Sicherheitslage in der Heimatregion des BF habe sich mittlerweile noch verschlechtert. Seine Rückkehrbefürchtungen seien deshalb durchaus glaubhaft. Der BF habe bereits einen Deutschkurs besucht und sich bemüht im Rahmen seiner Möglichkeiten gemeinnützige Arbeit zu leisten.
8. In weiterer Folge brachte der BF einen Fristsetzungsantrag gem. Art. 133 abs. 1 Z 2 B-VG ein. Mit Verfahrensleitender Anordnung des VwGH vom 24.08.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen die Entscheidung binnen drei Monaten zu erlassen.
9. Am 08.11.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gekürzte Urteilsausfertigung des XXXX ein, wonach der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 (1) Z 1 1. und 2. Fall SMG, § 27 (2a) 1. Fall SMG, § 27 (1) Z 1 8. Fall SMG und § 15 StGB, §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, § 27 (4) Z 1 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt wurde.
10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.11.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch und im Beisein eines Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm. Zu seinen Fluchtgründen machte der BF im Wesentlichen die gleichen Angaben wie vor dem Bundesamt und berichtete davon ein kleines Kino betrieben zu haben, in welchem er indische Filme und Fußballspiele gezeigt habe. Al Shabaab habe ihn dann aber dazu aufgefordert das Kino zu schließen, der BF habe dies aber nicht gemacht. Schließlich habe die Al Shabaab das Kino zerstört und der BF sein Heimatland verlassen. Bei einer Rückkehr habe der BF Angst vor Al Shabaab. Es gebe in seiner Heimat keine Regierungskräfte und seien auch die dortigen Einwohner nicht dazu in der Lage, genügend Schutz zu leisten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen:
Zur Person und den Fluchtgründen des BF wird festgestellt:
Der BF ist somalischer Staatsangehöriger, gehört dem Clan der Sheikal an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.
Der BF stammt aus der Stadt XXXX in der Region Lower Shabelle und hat dort gemeinsam mit seiner Familie gelebt. Der BF hat in seiner Heimatstadt (von 2010 bis 2011) erfolgreich eine Art "Kino" betrieben und hat seinem Publikum indische Filme sowie Sportsendungen bzw. Fußballspiele gezeigt. Ende Dezember 2011 kamen zwei Mitglieder der Al Shabaab zum BF ins Kino und forderten ihn dazu auf das Kino zu schließen, da es in der Religion eine Sünde sei solche Filme zu zeigen, andernfalls sie ihn töten werden. Da der BF aber keine andere Einnahmequelle bzw. keine andere Überlebensmöglichkeit hatte, konnte er der Aufforderung der Al Shabaab nicht nachkommen. Etwa eine Woche später, als lediglich Freunde des BF im Kino anwesend waren - der BF selbst aber nichtsind erneut Mitglieder der Al Shabaab gekommen, haben die Freunde aus dem Kino vertrieben und dieses völlig zerstört bzw. verwüstet. Ein bei diesem Vorfall anwesende Freund hat dem BF unverzüglich von diesem Ereignis berichtet, weswegen der BF nicht zögerte und sofort in das Haus seiner Tante flüchtete. Kurze Zeit später haben die Al Shabaab Männer bei der Familie des BF nach seinem Aufenthaltsort gefragt, weswegen der BF sich schließlich dazu entschied nach Äthiopien, und in weiterer Folge nach Europa zu flüchten.
Festgestellt wird sohin, dass der BF jedenfalls ins Blickfeld der Al Shabaab geraten ist, indem er ihrer Aufforderung zur Schließung seines Kinos (in welchem er indische Filme sowie Sportsendungen gezeigt hat und damit ein "nicht-islamisches" Verhalten an den Tag legte) nicht nachkam und ihm dadurch eine gegen ihre Interessen gerichtete, politische bzw. religiöse Einstellung unterstellt wird. Aufgrund dieser (unterstellten) politischen bzw. religiösen Einstellung hat der BF das reale Risiko einer hinreichend intensiven Verfolgung in Somalia durch Al Shabaab zu erwarten, wogegen er vom somalischen Staat keinen effektiven Schutz erwarten kann. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kommt dem BF nicht zu.
Der BF weist in Österreich folgende strafrechtliche Verurteilung auf:
1.) LG INNSBRUCK 023 HV 95/2018d vom 02.11.2018 (RK 06.11.2018)
§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall SMG, § 27 (1) Z 1 8. Fall SMG, § 27 (2a) 1. Fall SMG, § 15 StGB §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (4) Z 1 SMG
Datum der (letzten) Tat 31.08.2018
Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation in Somalia:
Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).
Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.
Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).
In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).
Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).
Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)
Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).
Quellen:
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ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,
https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district,
Zugriff 14.9.2018
-
FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-
issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):
Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august- 2018, Zugriff 14.9.2018
-
FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,
https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-
sep-2018, Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018,
Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-
2018, Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-securitv-improving-recovery-remains-
fragile, Zugriff 14.9.2018
-
WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,
https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-proiectlaunched-somalia, Zugriff 14.9.0218
KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).
Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).
Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):
Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu- Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP- Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).
In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Quellen:
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlookupdate/april-2018, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia
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Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/foodsecurity-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018
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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
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FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,
https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff
2.5.2018
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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavv-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018
Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf ClanBasis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017). Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2018). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal- islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).
Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).
1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).
2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017)
Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).
3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik node.html, Zugriff
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3. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder V