TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 W216 2209818-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W216 2209818-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 24.09.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die über einen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60% verfügt, brachte am 08.01.2018 gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein.

Zur Überprüfung des Antragsbegehrens befasste die belangte Behörde eine Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie mit der sachverständigen Einschätzung des Grades der Behinderung nach der anzuwendenden Einschätzungsverordnung, welche in ihrem Gutachten - basierend auf der persönlichen Begutachtung der Beschwerdeführerin am 12.04.2018 - zu dem Ergebnis kommt, dass bei der Beschwerdeführerin weiterhin ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. vorliegt.

Mit Schreiben vom 09.08.2018 setzte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit ein, innerhalb von zwei Wochen hierzu eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

Mit Schreiben vom 17.08.2018 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden zeigt.

In der zur Überprüfung des Vorbringens eingeholten Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie hält diese im Ergebnis fest, dass Befunde, die eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, nicht vorgelegt worden seien, sodass an der getroffenen Beurteilung festgehalten werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.09.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen vorlägen: "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson", "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial", "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese", "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen".

Dem Bescheid zugrunde gelegt wurde das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten sowie die ergänzende Stellungnahme vom 06.09.2018.

Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass das Leben ohne Hilfe nicht mehr zu meistern sei, was natürlich Kosten verursache. Die Beschwerdeführerin beantrage daher die Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung mit "Stufe 2".

Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.11.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1) "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Bandscheibenoperation C5/C6", Position Nr. 02.01.03, Grad der Behinderung: 50 %

2) "Polyneuropathie", Position Nr. 04.06.01, Grad der Behinderung:

30 %

3) "Hüfttotalendoprothese rechts", Position Nr. 02.05.07, Grad der Behinderung: 20 %

Der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gesamtgrad der Behinderung beträgt weiterhin 60 v.H.

Das führende Leiden 2 wird durch Leiden 1 wegen relevanter Zusatzbehinderung um 1 Stufe erhöht. Leiden 3 erhöht nicht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht.

Bei der Beschwerdeführerin liegen weiters die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen vor:

1. "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson"

2. "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung"

3. "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial"

4. "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese"

5. "Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen"

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, vom 09.08.2018 i.V.m. der ergänzenden Stellungnahme vom 06.09.2018. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachten setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden und mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen sowie auf der Aktenlage erhobenen Befunden und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen wurden auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

So wird im Sachverständigengutachten nachvollziehbar festgehalten und ausreichend begründet, dass die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, als Zustand nach einer Bandscheibenoperation C5/C6, mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.03 einzustufen sind, da ein andauernder Therapiebedarf und eine erhebliche Funktionsbehinderung bestehen, dies jedoch ohne ein relevantes motorisches Defizit. Die Polyneuropathie sei mit zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 04.06.01 einzustufen, da mäßige sensomotorische Ausfälle feststellbar seien. Die Hüfttotalendoprothese rechts sei mit den oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.07 einzustufen, da rezidivierende Beschwerden bei guter Beweglichkeit ohne einen Hinweis für eine Lockerung bestünden.

Wie die Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 06.09.2018 korrekt festhält, sind maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, die objektivierbaren Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde. Die festgestellten Defizite wurden in der nach der Einschätzungsverordnung vorgesehenen Höhe eingestuft.

Die Beschwerdeführerin ist diesen Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Es wurde von der Beschwerdeführerin kein Sachverständigengutachten bzw. eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der im Verfahren vor der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen ihrer Beschwerde auch keinerlei neuen Befunde vor, die eine andere Einschätzung der Funktionsstörungen hervorbringen oder eine Verschlechterung des Zustandes seit der Untersuchung durch die Sachverständige belegt hätten.

Das Bundesverwaltungsgericht findet daher keinen Anlass zur Annahme, dass die vorliegenden Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen im Widerspruch stehen. Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten. Die eingeholten Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde moniert, dass entgegen den Feststellungen in den Sachverständigengutachten sehr wohl eine Begleitperson erforderlich sei, ist sie darauf hinzuweisen, dass mit dem angefochtenen Bescheid ohnedies festgestellt worden ist, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" vorliegen und diese Zusatzeintragung daher in den Behindertenpass einzutragen ist.

Ein höherer Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin ist derzeit jedoch nicht feststellbar und beträgt somit weiterhin 60%.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. 283/1990 idF BGBl. I 57/2015 (BBG), lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 55 ...

(4) Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.

(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt."

Gemäß § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023). Gemäß § 3 Abs. 2 dritter Satz der Einschätzungsverordnung sind Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, haben die im Auftrag der belangten Behörde erstellten Sachverständigengutachten zum Ergebnis geführt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung ihres Grades der Behinderung abzuweisen war und der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin weiterhin 60 v.H. beträgt. Die Einschätzung war unter Anwendung der Einschätzungsverordnung vorzunehmen, weil der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung am 08.01.2018 gestellt wurde. Die erstellten Gutachten erweisen sich als vollständig, nachvollziehbar und schlüssig. Die Sachverständigengutachten setzen sich sowohl mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin als auch mit sämtlichen vorgelegten medizinischen Unterlagen ausführlich auseinander.

Die Beschwerdeführerin hat kein Gegengutachten beigebracht, in welchem die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.

Eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin ist derzeit nicht objektivierbar.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr 36801/06), aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Das Bundesverwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang allgemein auf die Rechtsprechung des EGMR, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. zB EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21660/09).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere aus den durch diese eingeholten Sachverständigengutachten. Auf sämtliche Einwendungen der Beschwerdeführerin im Verfahren und die von ihr vorgelegten Befunde wurde von der herangezogenen Sachverständigen detailliert eingegangen und wurden diese im Rahmen der Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.Zu B)

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W216.2209818.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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