Entscheidungsdatum
03.12.2018Norm
BEinstG §14Spruch
W200 2205388-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie der fachkundigen Laienrichterin Mag. Pinter als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 02.08.2018, OB 33673176800039, mit dem der Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten abgewiesen wurde, zu Recht beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde werden die angefochtenen Bescheide
gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte im Jahr 2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 25.03.2017, in dem ein Gesamtgrad der Behinderung vom 40% festgestellt wurde (Encephalitis disseminata), wurde der Antrag bescheidmäßig abgewiesen.
Am 26.02.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten.
Angeschlossen war ein vorläufiger allgemeiner Befund des SMZ Ost, neurologische Abteilung, vom 07.02.2018 in dem unter anderem ausgeführt wurde: "Trotz Therapie mit Tecfidera kam es in den letzten 2 Jahren zu einer deutlichen und anhaltenden Verschlechterung der Gehleistung sowie der Gangsicherheit im Rahmen der Enz Diss. (...)."
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten vom 24.06.2018 ergab abermals einen Gesamtgrad der Behinderung von 40%.
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 02.08.2018 wurde der Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen. Weiters wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte Beweisverfahren einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe. Dem Bescheid war als Beilage das eingeholte Gutachten als Bescheidbestandteil angeschlossen.
Im Rahmen der fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass sich seit der Diagnoseerstellung seine Krankheit verschlechtert hätte. Der Beschwerdeführer verwende einen Tretroller als Gehhilfe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat.
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)
Wie im Verfahrensgang ausgeführt, hat der Beschwerdeführer eine einzige Erkrankung geltend gemacht (Multiple Sklerose). Er hat neurologisch-fachärztliche Unterlagen vorgelegt, befindet sich offensichtlich in neurologischer Behandlung.
Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen im Verfahren ein neurologisches Gutachten nach erfolgter fachärztlicher Untersuchung durch eine/n Fachärztin/-arzt für Neurologie einzuholen.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte die Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten ohne hinreichende Ermittlungstätigkeiten bzw. hat das SMS bloß ansatzweise Ermittlungen getätigt, zumal der Beschwerdeführer ausschließlich diese eine Erkrankung geltend gemacht hat.
Darüber hinaus wurde im vorgelegten Befund des SMZ Ost aus Februar 2018 eine Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers beschrieben. Aufgrund des im Jahr 2017 festgestellten Grades der Behinderung von 40% und der im Jahr 2018 beschriebenen Verschlechterung wäre das Sozialministeriumservice umso mehr im Hinblick auf die Schwelle des Grades der Behinderung von 50%, die es für die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten zu überschreiten gilt, angehalten gewesen, ein neurologisches Gutachten einzuholen.
Im weiteren Verfahren wird daher eine neurologische-fachärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers durchzuführen sein und auf deren Basis die Erstellung eines fachärztlichen neurologischen Gutachtens erfolgen zu haben, in weiterer Folge ein Parteiengehör durchzuführen sein und im Anschluss wird das SMS eine Entscheidung zu treffen haben.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2205388.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019