Entscheidungsdatum
06.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W159 2155728-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.09.2018, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG idgF iVm § 9 BFA-VG,
§ 52 Abs. 2 Z 2 und 9 sowie 46 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
-
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia, gelangte (spätestens) am 05.12.2014 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der ebenfalls am gleichen Tag stattgefundenen Erstbefragung durch die Polizeiinspektion XXXX gab der Antragsteller zu seinen Fluchtgründen an, dass sie eine arme Familie wären und sein Bruder bei einer Auseinandersetzung einen Mann erstochen habe und dann weggelaufen sei. Daraufhin hätten die Verstorbenen Rache genommen und seine Mutter mitgenommen. Da sie seinen Bruder nicht hätten auffinden können, hätten sie auch ihn aus Rache töten wollen und wäre er deswegen aus seiner Heimat geflüchtet. Seine Mutter sei im Zeitpunkt der Flucht noch in der Hand dieser Gruppe gewesen.
Mit Eingabe vom 07.11.2016 legte der Antragsteller eine Vollmacht an den XXXX , verbunden mit einer Entscheidungsbitte, vor.
Am 04.04.2017 erfolgte dann eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich. Eingangs der Einvernahme gab der Antragsteller an, dass er gesund sei und dass die in der Erstbefragung gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen würden, protokolliert und rückübersetzt worden seien. Er sei XXXX in XXXX geboren. Nach dem Tod seines Vaters sei er im Alter von acht Jahren mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder nach XXXX in Somaliland übersiedelt und dort drei Jahre lang in die Schule gegangen. Seine Mutter habe am Markt gearbeitet und auch er habe im Markt gearbeitet und Autos gewaschen. 2012 habe er geheiratet, 2013 sei er Vater geworden. Er gehörde dem Clan Isaaq an und sei Moslem und Sunnit. Dies sei der dominierende Clan in Somaliland, auch den Subclan und dem Subsubclan nannte er. Seine Ehefrau, deren Namen er auch nannte, sei 19 Jahre alt. Er habe eine Tochter mit drei Jahren und einen Sohn mit zwei Jahren. Sein Bruder halte sich derzeit im XXXX auf. Seine Frau gehöre auch dem Clan Isaaq an. Seine Mutter, seine Frau und die Kinder würden zusammenleben. Die Familie seiner Frau habe mehrere Grundstücke und Häuser. Er habe zuletzt mit seiner Mutter und seiner Frau telefoniert. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er nie Probleme gehabt. Er sei auch nicht politisch tätig gewesen. Auch aufgrund seiner Religion oder seiner Clanzugehörigkeit habe er keine Probleme gehabt. Schließlich verneinte er auch gröbere Probleme mit Privatpersonen, insbesondere Blutfehden und Racheakte und habe er auch nicht an bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. Zu den Fluchtgründen gefragt gab er zunächst an, dass seine Mutter von der Polizei inhaftiert worden sei, jetzt aber nicht mehr in Haft sei, weil man sich an einer Frau nicht rächen dürfe. Er wisse nicht, wie lange seine Mutter in Haft gewesen sei, aber er habe in der Sahara mitbekommen, dass sie lange in Haft gewesen sei. Die Familie des Verstorbenen sei zur Polizei gegangen und die Familie hätte dann gemeinsam mit der Polizei seine Mutter inhaftiert. Schutz von den staatlichen Behörden könne er keine bekommen. Der gegnerische Clan müsse ihm verzeihen. Er selbst sei niemals direkt bedroht oder verfolgt worden. Zwei Tage nachdem der Bursche verstorben sei, habe er das Land verlassen. Dies sei am 25.07.2014 gewesen. Die Tat sei am 17. gewesen, der Bursche sei dann drei Tage im Krankenhaus gewesen. Er sei Moslem, aber nicht religiös.
Näher befragt nach den Fluchtgründen gab er an, dass sein Bruder einen anderen Burschen mit einem Messer getötet habe und dieser nach drei Tagen im Krankenhaus dort verstorben sei. Dann sei sein Bruder nach XXXX gegangen und von dort in den XXXX . In der Folge hätte er verhaftet werden sollen, aber er habe dann beschlossen zu flüchten. Dann sei seine Mutter verhaftet worden, er sei ausgereist. Es wurden dem Beschwerdeführer Differenzen hinsichtlich des Namens seines Bruders vorgehalten. Als Rückkehrbefürchtung gab er an, dass wegen seines Bruders an ihm Rache genommen werden könnte. Der Bursch, den er tötete, habe auch dem Clan Isaaq angehört. Der Mord habe unter einem Baum in XXXX im Bezirk XXXX stattgefunden. Über nähere Nachfrage, wo tatsächlich diese Bluttat stattgefunden habe, wiederholte der Beschwerdeführer, dass die Tat unter einem Baum passiert sei. Den Namen des Opfers wisse er nicht. Er wisse auch nicht, wie lange seine Mutter in Haft gewesen sei. Er habe sie nie gefragt. Er wisse nur, dass sie nunmehr nicht mehr in Haft sei. Grund für den angeblichen Mord sei gewesen, dass er gesehen habe, wie ein Mädchen, das er geliebt habe, mit einem anderen Burschen bei einem Baum gesessen sei. Seine Frau habe ihm davon erzählt.
In Österreich möchte er in die Schule gehen und arbeiten. Er gehe auch ehrenamtlichen Tätigkeiten nach und lege entsprechende Bestätigungen vor. Weiters spiele er Fußball mit Freunden. Ein weiteres Vorbringen habe er nicht.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 14.04.2017, Zl. XXXX , wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somaliland/Somalia abgewiesen und unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somaliland/Somalia zulässig sei sowie unter Spruchpunkt IV. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im Wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somaliland/Somalia getroffen. Beweiswürdigend wurde in der Folge ausgeführt, dass das Vorbringen des Antragstellers widersprüchlich und vage gewesen sei und für die Behörde keinesfalls nachvollziehbar und sich für diese daraus ergebe, dass die behauptete Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspreche. Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde zunächst festgehalten, dass der Antragsteller keinerlei Umstände glaubhaft gemacht hätte, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er persönlich aus in der GFK genannten Gründen einer Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sei, auch sei die allgemeine Lage in Somaliland/Somalia nicht dergestalt, dass grundsätzlich jeder Bürger einer Verfolgung oder akuten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei, sodass es nicht zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten habe kommen können. Zu Spruchteil II. wurde zunächst darauf hingewiesen, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich jedermann, welcher sich in Somaliland/Somalia aufhalte, allein aufgrund der allgemeinen Lage in eine extreme Gefährdungssituation gelange und überdies würde der Antragsteller bei seiner Rückkehr in der Lage sein, durch eigene Tätigkeit eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden und könne er auch Unterstützung von Angehörigen erhalten, sodass er nicht in eine hoffnungslose Lage geraten würde. Er habe schließlich auch keine lebensbedrohliche Erkrankung oder einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt. Es hätte sich daher insgesamt kein qualifizierter Sachverhalt ergeben, welcher einem Refoulement entgegenstehe. Zu Spruchteil III. wurde zunächst festgehalten, dass das Bestehen eines Familienlebens zu negieren gewesen sei, es sei aber auch kein schützenswertes Privatleben festzustellen, sodass kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen sei und diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen sei. Es hätten sich auch keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergeben und würde einer Abschiebung nach Somalia auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehen, sodass die Abschiebung nach Somaliland/Somalia als zulässig zu bezeichnen gewesen sei. Auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller gegen alle Spruchteile fristgerecht durch den XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde kritisiert, dass die Beweiswürdigung fast ausschließlich aus selektiven Zitaten aus der Einvernahme und aus Textbausteinen bestehe und ihr kein erkennbarer Begründungswert zukomme. Der Vorwurf, der Antragsteller habe keine ausreichend detaillierten Angaben zu den fluchtauslösenden Ereignissen gemacht, sei unrichtig und die bestehende Verfolgungsgefahr sei daher wohlbegründet und durch Länderberichte belegt. In Somalia bestehe keine Schutzfähigkeit des Staates vor Übergriffen Privater, es tobe dort weiterhin ein Bürgerkrieg. Weiters sei Somalia von einer großen Dürre und Hungersnot heimgesucht, wozu aus Berichten zitiert wurde. Schließlich stehe auch die Ausweisung in Widerspruch zu Art. 2 und 3 sowie 8 EMRK. Abschließend wurde die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, in der der Beschwerdeführer die vorgeworfenen Punkte der Beweiswürdigung persönlich entkräften könne, beantragt.
Mit der Eingabe vom 10.08.2018 legte die belangte Behörde eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen des Besitzes von Cannabis vor. Bereits am 22.05.2018 ersuchte die ausgewiesene Vertretung um ehebaldigste Anberaumung einer Beschwerdeverhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht setzte eine solche für den 11.09.2018 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichtteilnahme entschuldigen ließ.
Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung einer Mitarbeiterin des damals in Gründung befindlichen Vereins XXXX , die von diesem bevollmächtigt wurde. Der Beschwerdeführer legte ein Deutschkurszertifikat A1, ein Empfehlungsschreiben der XXXX sowie ein Foto von der Teilnahme an einem Fußballturnier vor.
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und wollte dieses weder ergänzen noch korrigieren. Er sei somalischer Staatsangehöriger, besitze darübe aber keine Dokumente, weiters sei er Moslem/Sunnit und gehörde dem Clan Isaaq an, auch dem Subclan und Subsubclan nannte er. Wegen seiner Clanzugehörigkeit hatte er keine Probleme in Somalia. Er sei im Jahre XXXX in XXXX geboren, das genaue Geburtsdatum wisse er nicht, deswegen habe man den 01.01. als Geburtstag angenommen. Mit acht Jahren sei er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Brüdern nach XXXX in Somaliland gegangen, dort habe er bis zum Verlassen des Landes gelebt. Nach 2011 habe er immer in Somaliland gelebt. Der Clan Isaaq sei der vorherrschende in der Region XXXX . Er habe von 2005 bis 2008 die Grundschule besucht. In Somalia sei er von seiner Mutter versorgt worden, welche einen Stand hatte, wo sie Bananen und anderes Obst verkauft habe. Er habe seiner Mutter als Verkäufer geholfen und auch manchmal selbstständig als Autowäscher gearbeitet. Ihre wirtschaftliche Lage sei sehr schlecht gewesen. Sein Vater sei noch in XXXX verstorben, seine Mutter lebe noch. Er sei damals noch sehr klein gewesen. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass sein Vater in Grundstücksstreitigkeiten verwickelt gewesen sei und deswegen erschossen worden sei. Sie seien als Angehörige des Isaaq-Clans in XXXX eine Minderheit gewesen, deshalb hätten sie sich entschlossen nach Nordsomalia zu gehen. Seine Mutter habe wohl in XXXX keine näheren Verwandten. Er habe einen einzigen Bruder. Dieser heiße XXXX . Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 79) angegeben habe, dass sein Bruder 2014 ungefähr 23 Jahre alt gewesen sei, d.h. er müsse nunmehr 27 Jahre alt sein, er sei aber erst 25 Jahre, daher könne sein Bruder nicht jünger sein als er, gab er an, dass er sich sicher sei, dass sein Bruder jünger sei. Außerdem habe er bei der Erstbefragung (AS 5) gesagt, dass sein Bruder XXXX heiße, beim BFA (AS 57) jedoch, so wie in der Beschwerdeverhandlung, XXXX , gab er an, dass er nicht wisse, wie der Name XXXX ins Protokoll gekommen sei.
Er sei verheiratet. Seine Frau sei mit seinen Kindern (einem Sohn und einer Tochter) in Äthiopien und zwar gemeinsam mit seiner Mutter. Seine Frau sei 2014 19 Jahre alt gewesen, seine Tochter sei jetzt vier und sein Sohn drei Jahre alt. Er habe sich in Somalia/Somaliland nicht politisch betätigt und habe auch persönlich mit staatlichen Behörden keine Probleme gehabt. Ebensowenig habe er Probleme mit der Al-Shabaab gehabt.
Seine Probleme hätten am 17.07.2014 begonnen. Sein Bruder XXXX habe jemanden mit einem Messer erstochen. Dieser Mann sei nach drei Tagen seiner Verletzungen erlegen. Als sein Bruder das gehört habe, sei er Richtung XXXX geflohen. Es seien dann nach dem Tod des Opfers ein paar Polizisten und Angehörige des Opfers zu ihnen gekommen. Seine Mutter und er seien nicht anwesend gewesen. Answesend sei nur seine Frau gewesen. Sie hätten nach seinem Bruder gefragt. Als dieser gesagt habe, dass sie nicht wisse, wo sich sein Bruder aufhalte, seien sie wieder weggegangen. Der Grund für die Streiterei sei gewesen, dass sein Bruder eine Freundin gehabt habe, die zwei Beziehungen geführt habe, nämlich mit ihrem Bruder und dem Opfer. Sein Bruder habe die beiden zusammensitzen gesehen und sei zu ihnen gegangen. Er habe nicht mitbekommen, was sie geredet hätten. Sein Bruder habe ein Messer herausgenommen und habe in den Bauch seines Kontrahenten gestochen. Als die Freundin das Blut gesehen habe, sei sie weggelaufen und sein Bruder auch. Danach seien die Nachbarn gekommen und sei der Verletzte ins Spital gebracht worden, wo er drei Tage später verstorben sei. Wie der Verletzte heiße wisse er nicht. Er sei auch ein Angehöriger des Isaaq-Clans. Wie die Freundin seines Bruders heiße, wisse er auch nicht. Er wisse nicht einmal, welchem Stamm sie angehöre. Er sei bei diesem Vorfall nicht anwesend gewesen. Er habe davon von seiner Frau erfahren. Diese habe den Vorfall auch nicht persönlich gesehen. Der Vorfall habe in XXXX in XXXX stattgefunden. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 78) nur gesagt habe, dass dieser unter einem Baum stattgefunden habe, gab er an, dass die beiden unter einem Baum in XXXX gesessen wären. Der Vorfall habe ca. zwischen acht und neun Uhr abends stattgefunden. Gefragt, woher der Beschwerdeführer wisse, dass die Freundin seines Bruders zwei Beziehungen gehabt habe, was für Somalia eher ungewöhnlich sei, gab er an, dass sein Bruder nur gesehen habe, dass seine Freundin mit einem anderen Mann gegangen und unter einem Baum gesessen sei. Gefragt, ob es daraufhin zu irgendwelchen Verhandlungen innerhalb des Isaaq-Clans zwischen den beiden Familien gekommen sei, gab er an, dass es keinen Konflikt zwischen den beiden Subclans gegeben hätte, sondern nur sein Bruder gesucht worden sei. Wenn sie seinen Bruder nicht finden würden, würden sie ihn an seiner statt verhaften. Sie hätten seinen Bruder nicht gefunden, da er das Land sofort verlassen habe. Ihn hätten sie auch nicht gefunden, aber sie hätten seine Mutter verhaftet. Gefragt, warum seine Mutter als eine an dem Mord unbeteiligte Frau verhaftet worden sei, gab er an, dass die Familie des Opfers geglaubt habe, dass wenn sie seine Mutter verhaftet hätten, dass einer von ihnen zurückgekommen wäre. Sie wären aber nicht zurückgekommen. Seine Mutter habe ihn auch ausdrücklich aufgefordert zu gehen, bevor sie ihn erwischen würden. Er wisse nicht, wie lange seine Frau in Haft gewesen sei. Als er in der Sahara angekommen sei, habe er von seiner Frau erfahren, dass seine Mutter wieder frei sei. Er habe nach der Freilassung auch mit seiner Mutter gesprochen, er habe sie aber nicht gefragt, wie lange sie in Haft gewesen sei. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 77) selbst gesagt habe, dass man sich an seiner Mutter als Frau nicht rächen dürfe, gab er an, dass er vorher erwähnt habe, dass seine Mutter nur verhaftet worden sei, damit sein Bruder oder er zurückkommen würden.
Er selbst sei auch von der Polizei gesucht worden. Aufgefordert, dazu Näheres zu sagen, gab er an, wenn ihn die Polizisten nicht gesucht hätten, hätte er nicht Somalia verlassen, irgendwelche Racheaktionen gegen ihn persönlich habe es nicht gegeben. Über Vorhalt, dass er beim BFA ausdrücklich verneint habe, dass er gröbere Probleme mit Blutfehden oder Racheakten gehabt habe (AS 76), andererseits beziehe sich sein Fluchtvorbringen auf eine Blutfehde bzw. Blutrache (AS 78) gab er an, dass er das so nicht erwähnt habe. Die Beschwerdeführervertreterin gab an, dass es beim BFA immer die selben "einschlafenden Fragen" gebe.
Er sei am 25.07.2014 zuerst mit einem PKW an die somalisch-äthiopische Grenze und dann mit einem LKW nach XXXX gefahren, folgend mit einem Bus in den Sudan und dann mit einem Geländewagen bis nach Libyen, von dort über das Mittelmeer nach Italien und anschließend nach Österreich.
Er habe keine Familienangehörigen mehr in Somalia bzw. Somaliland. Sein Bruder sei jetzt in XXXX . Zu seiner Frau und seiner Mutter, die nunmehr in Harshin in Äthiopien leben würden, habe er nach wie vor Kontakt. Sie hätten keinen Aufenthaltstitel in XXXX , aber Verwandte seiner Frau würden ihnen helfen. Ob der Streit bzw. die Racheaktionen zwischenzeitig beigelegt worden seien wisse er nicht, weil er niemanden kenne, der sich dort noch aufhalte.
Aktuelle gesundheitliche oder psychische Probleme habe er nicht. Er habe sich beim Fußballspielen in der Halle den Ellbogen verletzt. Es sei wohl nichts gebrochen, aber er müsse eine Schiene tragen. Gefragt, was er derzeit in Österreich mache, gab er an, dass er manchmal schon gearbeitet habe und jeden Samstag Fußball spiele und zwar habe er auf einer Baustelle gearbeitet. Ein Deutschdiplom A1 habe er auch schon erworben und werde er demnächst einen Deutschkurs A2 besuchen. Er treffe sich ab und zu mit seinen Freunden und spiele hobbymäßig Fußball. Er habe auch schon österreichische Freunde. Gefragt, was ihm bei einer Rückkehr nach Somalia/Somaliland geschehen würde, gab er an, dass er in Somaliland niemanden habe und auch Angst habe getötet zu werden. Über Befragen durch die Beschwerdeführervertreterin gab der Antragsteller an, dass wenn jemand durch eine Verletzung sterbe, es niemals zu einer Verzeihung kommen kann. Ein weiteres Vorbringen habe er nicht.
Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem keine Verurteilung aufscheint.
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG wurden den Verfahrensparteien folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt:
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 03.05.2018
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somaliland vom 12.01.2018
Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung Gebrauch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia und wurde XXXX in XXXX geboren. Er gehört dem Clan Isaaq an und ist Moslem/Sunnit. Ab 2001 hat er mit seiner Mutter in XXXX /Somaliland gelebt und seine Mutter hatte einen Marktstand für Obst. Er hat dort zeitweilig geholfen und auch teilweise selbstständig als Autowäscher gearbeitet. Die Schule hat er nur drei Jahre lang besucht.
Er hat sich in Somalia/Somaliland weder politisch betätigt, noch Probleme mit staatlichen Behörden und Organen gehabt, auch nicht mit der Al-Shabaab und hat weiters beim BFA auch angegeben, dass er auch keine gröberen Probleme mit Privatpersonen z.B. Blutfehden oder Racheakte gehabt hat. Zu den tatsächlichen Ausreisegründen könne mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Der Beschwerdeführer hat Somalia am 25.07.2014 Richtung Äthiopien verlassen und gelangte über Äthiopien und den Sudan nach Syrien und von dort über das Mittelmeer und (spätestens) am 05.12.2014 nach Österreich, wo er sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer ist verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter im Kleinkindalter, seine Frau, die aus einer wohlhabenden Familie stammt, lebt mit seiner Mutter und den Kindern derzeit in Äthiopien. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Problemen. Im Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlung litt er noch unter den Nachwirkungen einer Ellbogenverletzung vom Fußballspielen (kein Bruch). Der Beschwerdeführer hat ein Deutschdiplom im Niveau A1 erworben, er spielt regelmäßig mit Freunden Fußball, darunter sind auch Österreicher. Er führt kein Familienleben in Österreich und ist unbescholten.
Zu Somaliland wird folgendes festgetellt:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage
Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).
Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.
Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).
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In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).
Die Prognose für den Zeitraum August - Dezember 2018 in IPC-Stufen stellt sich wie folgt dar:
(FSNAU 1.9.2018)
Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).
Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)
Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).
Quellen:
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ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,
https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district,
Zugriff 14.9.2018
-
FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-
issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):
Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august- 2018, Zugriff 14.9.2018
-
FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,
https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-
sep-2018, Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018,
Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-
2018, Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-
fragile, Zugriff 14.9.2018
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WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,
https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-proiectlaunched-somalia, Zugriff 14.9.0218
KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit
prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).
Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).
Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):
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(FEWS 3.2018)
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Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu- Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP- Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).
In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:
April - May 2018
IPC 2.0 Acute Food Insecurity Phase
Would likely be at least one phase worse without current or programmed humanitarian assistance
FE WS NET Classification is IPC-compatibie. IPC-compatible analysis follows key IPC protocols but does not necessarily reflect the consensus of national food security Partners.
(FEWS 4.2018b)
Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).
Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:
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(FAO 2018)
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Quellen:
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlookupdate/april-2018, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia
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Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/foodsecurity-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018
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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
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FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,
https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff
2.5.2018
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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-
heavv-rains-2-mav-2018, Zugriff 3.5.2018
2. Politische Lage
Anstehende Wahlen wurden wiederholt verschoben (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017). Diese erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland. Das Oberhaus, die Guurti, geht in das zwölfte Amtsjahr, ohne wiedergewählt zu sein (AA 1.1.2017).
Die Präsidentenwahlen wurden im März 2017 erneut verschoben (UNSC 9.5.2017). Allerdings war diese Verschiebung angesichts der Dürresituation u.a. auch von den Oppositionsparteien gefordert worden (FT 29.6.2017; vgl. BFA 3./4.2017). Im November 2017 wurden die Wahlen schließlich abgehalten. Gewonnen hat der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Er gewann die Wahl mit 55% und ist damit der fünfte Präsident seit der Ausrufung der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Nach den Wahlen war es zu Demonstrationen gekommen, da der unterlegene Kandidat der Wadani-Partei das Ergebnis zuerst nicht anerkennen wollte. Die Situation beruhigte sich bald. Internationale Wahlbeobachter erklärten, dass die Wahlen internationalen Standards entsprochen haben (VOA 21.11.2017). Es kam zu keinen signifikanten Irregularitäten (ISS 10.1.2018).
Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen erlebt (AA 1.1.2017). Im Westen und in den zentralen Teilen von Somaliland ist es gelungen, einfache Regierungsstrukturen zu etablieren. Da die Regierung aber nur wenig externe Unterstützung erhält, wird nur eine minimalistische Verwaltung geboten; dabei konzentriert man sich auf die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (BS 2016). Es ist mit internationaler Hilfe gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017).
Somaliland hat beachtliche demokratische Erfolge erzielt (UNDP 10.12.2017). Somaliland gilt als Vorbildstaat am Horn von Afrika. Obwohl es kaum internationale Unterstützung erhielt, klappt die Demokratie ebenso wie Bildung und Frieden (SZ 13.2.2017). Somaliland ist es gelungen, eine Wahldemokratie aufzubauen. Das Land ist dabei, diese Staatsform zu konsolidieren. Wahlen wurden bisher von Beobachtern als halbwegs frei und fair beschrieben. Die demokratischen Institutionen Somalilands arbeiten recht gut, ihre Arbeit wird aber durch einen Mangel an Ressourcen und geringe Kapazitäten des öffentlichen Dienstes erschwert. Außerdem kommt es zu Bevorzugungen auf Basis des Clans. Trotzdem haben die gewählten politischen Repräsentanten seit den ersten demokratischen Wahlen im Jahr 2002 an Legitimität und Macht gewonnen. V.a. die Bevölkerung in den westlichen und zentralen Teilen Somalilands akzeptiert die bestehenden Regierungsinstitutionen - allerdings nicht exklusiv. Auch traditionelle Normen und Institutionen bestehen fort. Während Somaliland also bei der Wiederherstellung staatlicher Strukturen und demokratischer Reformen erfolgreich war, kämpft das Land mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem inakzeptablen Maß an Armut geprägt (BS 2016).
Gemäß der 2001 angenommenen Verfassung durften politische Parteien gegründet werden und an den Kommunalwahlen 2002 teilnehmen. Allerdings durften nur die drei in diesen Kommunalwahlen stärksten Parteien dauerhaft etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Damit soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Zunächst erhielten die UDUB (Ururka Dimuqraadiga Ummadda Bahawday, Union der Demokraten) sowie Kulmiye (Solidarität) und UCID (Ururka Caddaalada iyo Daryeelka, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) die dauerhafte Zulassung (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Bei Gemeindewahlen sind alle registrierten politischen Vereinigungen zugelassen; und die Gemeindewahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden. Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung für Kulmiye, UCID und Waddani als nationale Parteien (BS 2016). Die UDUB verlor die Zulassung, stattdessen wurde die Waddani-Partei im Rahmen eines festgelegten Verfahrens zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 1.1.2017).
Das Innenministerium hat 2.700 Sultane registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017).
Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016). Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland und dem Rest des Landes ist problematisch (AA 4.2017a).
Das nicht-anerkannte Somaliland ist vom Großteil externer (finanzieller) Unterstützung abgeschnitten. Dies hat dazu geführt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen Regierung und Bürgern ungewöhnlich stark ist. Die Demokratie hat sich aus einer Reihe großer Clankonferenzen entwickelt und ist damit mit einem hohen Maß an Legitimität versehen (ECO 13.11.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik node.html, Zugriff
13.9.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report Somalia%20Sicherheitslage Onlineve
rsion 2017 08 KE neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017):
Informationen aus den Protokollen der FFM
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproiect.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI 2016 Somalia.pdf,
Zugriff 13.9.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file upload/1226 1457606427 easo-somalia-security-feb-2016.pdf,
Zugriff 21.12.2017
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ECO - The Economist (13.11.2017): Why Somaliland is east Africa's strongest democracy,
https://www.economist.com/blogs/economist-explains/2017/11/economistexplains-7, Zugriff 10.1.2018
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FT - Financial Times (29.6.2017): Somaliland offers investors chance to make history,
https://www.ft.com/content/a28c8440-5672-11e7-9fed-c19e2700005f, Zugriff 10.1.2018
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ISS - Institute for Security Studies (10.1.2018): Somaliland's New President Has Work to Do,
http://allafrica.com/stories/201801100719.html, Zugriff 10.1.2018
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SZ - Süddeutsche Zeitung (13.2.2017): Wo Mütter die Wirtschaft schmeißen,
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/somaliland-wo-muetter-die-wirtschaft-
schmeissen-1.3377028, Zugriff 10.1.2018