Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bott als Einzelrichter (§ 8a JN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch *****, Angestellte der *****, gegen die beklagte Partei *****, pA Landesstelle *****, *****, vertreten durch ihre Angestellte **********, wegen Pflegegeld, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 30.November 2018, 43 Cgs 187/18i-12, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig.
Text
begründung:
Vorweg ist festzuhalten, dass gemäß § 8a JN in der Fassung BGBl I Nr. 111/2010 über den Rekurs das Oberlandesgericht Graz in Einzelrichterbesetzung zu entscheiden hat.
Im gegenständlichen Verfahren begehrt der Kläger in Bekämpfung des Bescheids der Beklagten vom 8.Juni 2018, mit welchem ihm Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 ab 1.Mai 2018 zuerkannt wurde, die Gewährung von Pflegegeld in Höhe der Stufe 3.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung mit der Begründung, der Pflegebedarf beim Kläger erreiche monatlich durchschnittlich 102 Stunden, was der gewährten Pflegegeldstufe entspreche.
Das Erstgericht hat die allgemeinmedizinische Sachverständige ***** mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Pflegebedarf des Klägers beauftragt.
Für ihr Gutachten vom 1.Oktober 2018 (ON 5) verzeichnete die Sachverständige eine Gebühr im Gesamtbetrag von gerundet EUR 421,00 inklusive USt, darunter eine Schreibgebühr für die Urschrift im Umfang von 12 Seiten á EUR 2,00 und für eine Durchschrift gleichen Umfangs á EUR 0,60, somit EUR 7,20 netto.
Die Beklagte sprach sich in ihrer Stellungnahme zur Gebührennote (ON 7) gegen eine Vergütung für die Durchschrift in der genannten Höhe aus und beantragte, die Gebühren der genannten Sachverständigen für das Gutachten mit insgesamt EUR 413,00 inklusive EUR 68,87 USt zu bestimmen. Wörtlich führte sie lediglich aus wie folgt:
„Nach der Entscheidung des OLG Linz (12 Rs 31/17s) gebührt nur mehr eine Vergütung für die Urschrift und nicht mehr für die Durchschrift. Die in Anschlag gebrachten EUR 7,20 sind demnach nicht zu gewähren.“
Das Verfahren endete mit Klagsrückziehung.
In ihrer vom Erstgericht beauftragten Stellungnahme vom 22.November 2018 (ON 11) verwies die Sachverständige darauf, dass die Durchschrift im Handakt benötigt werde.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestimmt das Erstgericht die Gebühr der Sachverständigen antragsgemäß mit EUR 421,00 inklusive USt, darunter die genannten Schreibgebühren für die Durchschrift im Betrag von EUR 7,20 netto.
Es begründet diese Entscheidung damit, die Sachverständige habe neben der Urschrift auch eine Durchschrift für ihren Handakt hergestellt, wofür ihr sowohl nach dem Gesetzeswortlaut des § 31 Z 3 GebAG als auch nach der Rechtsprechung des Rekursgerichts eine Gebühr zustehe, zumal ihr die Herstellung einer Ausfertigung für den Handakt zwecks Vortrags bei Gericht oder einer allfälligen Gutachtensergänzung zuzubilligen sei.
Nur gegen den Zuspruch der genannten Schreibgebühr von EUR 7,20 netto richtet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, diesen dahingehend abzuändern, dass die Gebühren der Sachverständigen mit insgesamt EUR 413,00 inklusive USt bestimmt werden.
Die Sachverständige hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem einzigen Anfechtungsgrund macht die Beklagte, gestützt auf die vom OLG Linz zu 12 Rs 31/17s ergangene Entscheidung geltend, im Falle der Übermittlung eines Gutachtens an das Gericht im Wege des elektronischen Dokumenteneinbringungsservice (DES) würde die Ausfertigung einer Urschrift entfallen, da eine physische Ausfertigung dem Gericht nicht mehr übermittelt werden müsse. Dem Sachverständigen sei zwar eine Ausfertigung für den Handakt zuzubilligen, jedoch stehe diese dem Sachverständigen ohnehin für seinen Handakt zur Verfügung und werde durch die Gebühr für die Ausfertigung der Urschrift abgegolten. Diese Urschrift könne vom Sachverständigen für seinen Handakt zwecks allfälliger Gutachtensergänzung oder -erörterung verwendet werden, womit sich die Erstellung einer weiteren Ausfertigung als nicht notwendig und zweckentsprechend erweise.
Mit all diesen Ausführungen verstößt die Beklagte gegen das auch im Rechtsmittelverfahren in Gebührensachen geltende Neuerungsverbot, weshalb darauf nicht eingegangen werden kann.
Wie bereits dargestellt, hat sich die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren in ihrer Stellungnahme zur Gebührennote der Sachverständigen (ON 7) damit begnügt, der Sachverständigen würde nach der Entscheidung des OLG Linz zu 12 Rs 31/17s keine Vergütung für die Durchschrift zustehen. Aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen dies der Fall sein soll, wurde in keiner Weise ausgeführt. Der bloße Hinweis auf eine ergangene Entscheidung ohne Darlegung, welche Argumente gegen den Gebührenanspruch ins Treffen geführt werden, ist unzureichend. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, auf der Basis eines pauschalen Verweises auf eine ergangene gerichtliche Entscheidung ohne inhaltliche Argumentation nach Umständen zu forschen, die für den Standpunkt einer Partei sprechen könnten (in diesem Sinn wohl auch RIS-Justiz RS0117321; 1 Ob 242/17w). So wäre selbst der Hinweis auf ergangene eigene Schriftsätze unzulässig (RS0007029; 1 Ob 81/18w; 5 Ob 180/18h ua).
Einwendungen in Gebührensachen im Sinne des § 39 GebAG müssen demnach konkret und substanziiert sein; eine pauschale Bestreitung wäre unbeachtlich (OLG Wien zu 2 R 179/16g; OLG Graz 3 R 32/06k, 4 R 75/01h; OLG Innsbruck 2 R 100/06g uva). Diesen Anforderungen entspricht die „Stellungnahme“ der Beklagten (ON 7) nicht.
In Gebührenbestimmungssachen gilt im Rekursverfahren nach ganz gefestigter Judikatur das Neuerungsverbot. Es dürfen also im Rechtsmittel keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden. Vielmehr haben alle Parteien des Gebührenbestimmungsverfahrens in allen gerichtlichen Verfahrensarten ihre Einsprüche und Einwendungen bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen; ein „Nachtragen“ derselben ist nicht statthaft. Nicht schon in der Äußerung zur Gebührennote enthaltene Einwände sind im Rekursverfahren unzulässige Neuerungen. Der Rechtsmittelwerber kann all jene Umstände nicht geltend machen, die er durch Wahrnehmung seines Äußerungsrechts hätte aufzeigen können. Die tatsächlichen Grundlagen, die der Gebührenbestimmung zugrunde gelegt wurden, können wegen des Neuerungsverbots nicht mehr angezweifelt werden (OLG Graz zu 2 R 184/16w und 3 R 164/12f; OLG Wien zu 15 R 7/01m = RW000048; RW0000547 je mwN; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 61 bis 66 zu § 41 GebAG ua). Dieses Neuerungsverbot gerät den vom Gebührenanspruch tangierten Verfahrensbeteiligten jedenfalls dann zum Nachteil, wenn sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren – wie hier – Gehör gefunden haben (OLG Innsbruck zu 5 R 41/13p).
Auch ein – grundsätzlich von Amts wegen wahrzunehmender – Verstoß gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen (vgl EFSlg 136.619; OLG Wien 2 R 179/16g) haftet der bekämpften Gebührenposition bzw Entscheidung nicht an, beruht deren Verzeichnung und Abgeltung doch auf der nach wie vor in Geltung stehenden gesetzlichen Regelung des § 31 Abs 1 Z 3 GebAG.
Ausgehend von diesen Grundsätzen muss das Rechtsmittel der Beklagten erfolglos bleiben.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6
Textnummer
EG00154European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0639:2019:0060RS00083.18Z.0109.000Im RIS seit
24.01.2019Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019