TE Vwgh Erkenntnis 1999/8/5 96/03/0105

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.1999
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §20 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des F E in D, vertreten durch Dr. Ivo Greiter, Dr. Franz Pegger, Dr. Stefan Kofler, Dr. Christian Zangerle und Dr. Norbert Rinderer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. März 1996, Zl. 12/100-10/1995, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. Februar 1995, um 11.33 Uhr, als Lenker eines nach Marke und Kennzeichen bestimmten PKW auf der Ötztal Straße B 186, Zwieselstein, im Gemeindegebiet von Sölden, 104,8 m vor dem Haus Andreas, taleinwärts fahrend, die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h um 23 km/h überschritten. (Die Messfehlertoleranz von 3 km/h sei abgezogen worden.) Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 20 Abs. 2 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt worden sei.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass nicht das Auto des Beschwerdeführers, sondern das vor ihm fahrende Auto mit einem Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser gemessen worden sei. Auf Grund der Stellungnahme des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 15. Jänner 1996 stehe fest, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsmessung fehlerfrei gewesen sei. Die vom Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser dabei angezeigte Geschwindigkeit von 76 km/h sei innerhalb der zulässigen Toleranzen (diese würde im gegenständlichen Fall +/- 3 km/h betragen) als richtig anzusehen. Auf Grund der Zeugenaussagen stehe fest, dass der Beschwerdeführer hinter diesem Auto in einem gleichbleibenden Abstand gefahren sei. Daraus könne geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer die gleiche Geschwindigkeit gefahren sei wie das vor ihm fahrende Auto. Daher habe der Beschwerdeführer die Geschwindigkeitsübertretung zu verantworten. Der Beschwerdeführer habe beantragt, die Beifahrerin, B S, als Zeugin zum Beweis dafür zu vernehmen, dass er keine Geschwindigkeitsübertretung zu verantworten habe und insbesondere auch nicht in einem gleichbleibenden Abstand zu dem allein gemessenen Vorderfahrzeug gefahren sei. Diesem Beweisantrag habe die belangte Behörde deshalb nicht stattgegeben, weil die angebotene Zeugin keine Auskunft über die im Augenblick der Messung gefahrene Geschwindigkeit hätte geben können, da sie ja beim Messvorgang nicht anwesend gewesen sei und daher den Zeitpunkt der Messung nicht habe kennen können. Hinsichtlich des gleichbleibenden Abstands genüge die Aussage der diensthabenden Beamten, denn diese hätten von der erhöhten Messstelle aus auf der Bundesstraße genau verfolgen können, dass der Beschwerdeführer zu dem vor ihm fahrenden KFZ in gleichbleibendem Abstand nachgefahren wäre. Eine derart genaue Aussage hätte die als Zeugin angebotene Beifahrerin gar nicht abgeben können. Selbst wenn die Beifahrerin als Zeugin einvernommen worden wäre und dabei angegeben hätte, der Beschwerdeführer würde zu seinem Vordermann nicht in einem gleich bleibenden Abstand gefahren sein, so würde den Aussagen der diensthabenden Beamten der Vorzug zu geben gewesen sein. Einerseits - wie schon erwähnt - hätten diese vom Messplatz aus auf Grund ihrer besseren Übersicht den Abstand der beiden Fahrzeuge genau erkennen können, andererseits würde es nicht glaubwürdig sein, wenn die Zeugin angeben würde, der Beschwerdeführer würde nicht im gleich bleibenden Abstand zu dem Vorderfahrzeug gefahren sein, weil dies bedeuten würde, er wäre einmal schneller und einmal langsamer gefahren; eine derartige Fahrweise hätten aber die diensthabenden Beamten von ihrem Standort aus sehen müssen. Aus den Aussagen dieser Beamten ergebe sich jedoch, dass der Beschwerdeführer einen gleichbleibenden Abstand eingehalten habe.

II. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, einer Äußerung zur Gegenschrift der beschwerdeführenden Partei sowie einer Replik der belangten Behörde hierauf erwogen:

1. Unbestritten ist, dass die vorliegende Geschwindigkeitsmessung mit einem Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät der Bauart

LTI 20.20 TS/KM-E durchgeführt wurde (vgl. auch das dem Strafakt einliegende Laser-Messprotokoll). Dem Einwand des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Privatgutachten zur Funktionstauglichkeit eines Laser Verkehrsgeschwindigkeitsmessers auseinander gesetzt, ist Folgendes entgegenzuhalten: Zum Einen ergibt sich aus dem der belangten Behörde mit Schreiben vom 1. August 1995 vorgelegten Privatgutachten vom 18. Juli 1995, dass sich dessen Verfasser nicht näher mit einem Gerät der besagten Bauart auseinander gesetzt hat, zum Anderen lässt sich der (der belangten Behörde mit Schreiben vom 22. Februar 1996 vorgelegten) ergänzenden Stellungnahme des Verfassers des Privatgutachtens vom 8. Februar 1996 entnehmen, dass sein Gutachten nur für die in der Bundesrepublik Deutschland, nicht aber für die in Österreich "verwendete Software" einschlägig sei. Von daher mangelt dem behaupteten Verfahrensmangel die Relevanz.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid weiters ein, dass die Ablehnung der von ihm beantragten Einvernahme seiner Beifahrerin als Zeugin zur Frage des Abstands zum Vorderfahrzeug und damit mittelbar zur Geschwindigkeitsfrage eine unzulässige vorausgreifende Beweiswürdigung darstelle. Im Verwaltungs(straf)verfahren ist nach der hg. Rechtsprechung eine antizipative Beweiswürdigung unzulässig, die Behörde darf einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern (vgl. das Erkenntnis vom 28. Oktober 1992, Zl. 91/03/0354, mwH). Eine solche mangelnde Eignung ist im Beschwerdefall aber nicht gegeben, kann doch bei der gegebenen Sachlage nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde nach Vernehmung der Zeugin zu dem genannten Thema zu einem anderen Bescheid gekommen wäre (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/03/0225). Mit der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Würdigung des in Rede stehenden beantragten Beweises vor dessen Aufnahme (vgl. die Wiedergabe unter Pkt. I.) hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel behaftet.

Es erübrigte sich daher, auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zur Beweiswürdigung betreffend die Angaben der von der belangten Behörde als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten über die nähere Vorgangsweise bei der Messung einzugehen.

3. Vor dem Hintergrund des Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. August 1999

Schlagworte

Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996030105.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten