TE Vwgh Beschluss 1999/8/20 98/19/0171

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.1999
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs4;
AVG §56;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, in der Beschwerdesache des 1968 geborenen FS in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Erledigung des Bundesministers für Inneres vom 27. Mai 1998, Zl. 308.497/2-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung mit Geltungsdauer vom 2. März 1995 bis 9. November 1995.

Am 30. April 1996 überreichte SA, die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, einen Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung dieser Bewilligung. Dem Antrag war eine Vollmacht des Beschwerdeführers an Rechtsanwalt Dr. A beigeschlossen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 1997 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Dieser Bescheid wurde am 3. Juni 1997 im Original von Rechtsanwalt Dr. A übernommen. Der Beschwerdeführer, vertreten durch Dr. A, welcher sich auf eine erteilte Vollmacht berief, erhob Berufung.

Im Zuge des Berufungsverfahrens führte die belangte Behörde am 28. April 1998 eine niederschriftliche Einvernahme der SA durch. Nach dem Inhalt des darüber erstellten Protokolls gab SA im Zuge dieser Einvernahme an, sie lebe mit dem Beschwerdeführer gemeinsam in einer Wohnung in Wien. Weiters gab sie demnach an, für diesen "als gewillkürter Vertreter zu fungieren". Sie ersuchte demnach, sämtliche Schriftstücke in dieser Angelegenheit an ihre Adresse zuzustellen. Gleichzeitig übernahm sie einen Vorhalt der belangten Behörde an den Beschwerdeführer vom 15. Jänner 1998, welcher zuvor schon am 19. Jänner 1998 an den Beschwerdeführer zu Handen des Dr. A zugestellt worden war.

In einer Eingabe vom 12. Mai 1998 gab der Beschwerdeführer an, er halte sich an einer inländischen Adresse auf. Eine von der belangten Behörde eingeholte Meldeauskunft vom 26. Mai 1998 ergab, dass der Beschwerdeführer seit November 1997 an einer inländischen Adresse gemeldet war.

Mit der angefochtenen Erledigung der belangten Behörde vom 27. Mai 1998 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 und 5 und § 10 Abs. 2 Z. 1 bis 4 und § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Dabei ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer jedenfalls seit November 1997 im Inland aufhältig sei.

Die belangte Behörde verfügte die Zustellung dieser Erledigung an den Beschwerdeführer zu Handen der SA. Letztere übernahm diese Erledigung am 28. Mai 1998.

Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Der Beschwerdeführer bestritt insbesondere, dass die Zustellung der angefochtenen Erledigung an SA den Normen des Zustellgesetzes entspreche. Er brachte in diesem Zusammenhang vor, er sei seit 1996 in Österreich aufhältig.

In ihrer Aktenvorlage äußerte sich die belangte Behörde zu der in der Beschwerde aufgeworfenen Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung der angefochtenen Erledigung nicht.

Über Vorhalt der Angaben der SA in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 28. April 1998 durch den Verwaltungsgerichtshof an den Beschwerdeführer äußerte sich dieser dahingehend, dass er seiner Lebensgefährtin keine Vollmacht für das gegenständliche Verwaltungsverfahren erteilt hatte.

Der Verwaltungsgerichtshof verfügte daraufhin eine Einvernahme der SA im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Josefstadt. Im Zuge dieser Einvernahme gab SA an, sie sei vom Beschwerdeführer nie mit der Führung seines Verwaltungsverfahrens beauftragt oder bevollmächtigt worden. Der Beschwerdeführer sei ja von Dr. A im Verwaltungsverfahren vertreten worden. Es habe daher keine Notwendigkeit bestanden, SA eine Vollmacht zu erteilen. Sie habe auch eine Formulierung, sie fungiere als gewillkürte Vertreterin des Beschwerdeführers, gegenüber der belangten Behörde in dieser Form nicht gebraucht. Auch habe sie nicht erklärt, sie sei vom Beschwerdeführer bevollmächtigt worden.

Vielmehr habe sie in diesem Zusammenhang lediglich geäußert, die Familie des Beschwerdeführers sei auf sie nicht gut zu sprechen. Aus diesem Grund habe sie ersucht, für den Fall, dass der Beschwerdeführer Österreich verlassen müsse, die diesbezügliche behördliche Verständigung an ihre Adresse und auf ihren Namen zu schicken, damit sie darüber informiert werde. Der Beschwerdeführer und SA hätten in diesem Zusammenhang vereinbart, dass, falls Ersterer Österreich auf behördliche Aufforderung verlassen müsse, SA im Inland weiter versuchen sollte, für ihn die Aufenthaltsbewilligung zu erlangen.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens trifft der Verwaltungsgerichtshof folgende Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat Österreich zwischen November 1997 und der Zustellung der angefochtenen Erledigung an SA nicht verlassen.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer SA damit bevollmächtigt hat, ihn im gegenständlichen Verwaltungsverfahren unabhängig davon zu vertreten, ob er gezwungen sein sollte, Österreich zu verlassen oder nicht.

Zu diesen Feststellungen gelangt der Verwaltungsgerichtshof aufgrund nachstehender Beweiswürdigung:

Der Beschwerdeführer brachte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, dass er sich seit 1996 im Inland aufgehalten hat. Diese Angaben erweisen sich jedenfalls für den Zeitraum ab November 1997 als glaubhaft. Sie stehen insoweit auch im Einklang mit der in der Eingabe des Beschwerdeführers vom 25. Mai 1998 an die belangte Behörde angegebenen inländischen Adresse sowie mit der von der belangten Behörde am 26. Mai 1998 eingeholten Meldeauskunft, wonach der Beschwerdeführer seit November 1997 an einer inländischen Adresse gemeldet sei. Auch die belangte Behörde geht in der angefochtenen Erledigung in diesem Zeitraum von einem Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland aus.

Die Niederschrift der Aussage der SA vom 28. April 1998 bietet keine ausreichende Grundlage für eine Feststellung, der Beschwerdeführer habe SA - unabhängig davon, ob er gezwungen wäre, Österreich zu verlassen - bevollmächtigt, für ihn als gewillkürte Vertreterin zu fungieren. In diesem Zusammenhang kann es dahingestellt bleiben, ob SA gegenüber der belangten Behörde die in der Niederschrift wiedergegebene Formulierung betreffend ihre Bevollmächtigung gebraucht, oder aber schon vor der belangten Behörde jene Angaben gemacht hatte, die sie später vor dem Bezirksgericht Josefstadt erstattete.

Hätte SA eine Aussage, sie sei derzeit vom Beschwerdeführer bevollmächtigt, gegenüber der belangten Behörde überhaupt nicht gemacht, so läge keine Grundlage für die Feststellung eines unbedingten Vollmachtsverhältnisses vor.

Aber auch wenn SA zunächst eine derartige Aussage gegenüber der belangten Behörde abgelegt hätte, hätte sie diese in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bezirksgericht Josefstadt nicht mehr aufrechterhalten. Eine unbedingte Vollmachtserteilung lässt sich daher nicht mit der hiefür erforderlichen Gewissheit feststellen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer hat SA keine unbedingte Vollmacht zur Vertretung im Verfahren vor den Aufenthaltsbehörden erteilt. Sollte er die Vollmacht unter der Bedingung erteilt haben, dass er Österreich auf behördliche Anleitung verlassen müsse, wäre die Vollmachtserteilung nicht wirksam geworden, weil ein solcher Sachverhalt nicht eintrat und der Beschwerdeführer sich auch nach dem 28. April 1998 im Bundesgebiet aufhielt.

Damit mangelte es aber an einem Vollmachtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und SA. Der Bestand der Vertretungsbefugnis ist Voraussetzung der Vertretung aber auch dann, wenn die Behörde von der Vorlage einer ausdrücklichen Vollmacht absieht. § 10 Abs. 4 AVG ist nicht dahin zu verstehen, dass ein Beteiligter wider seinem Willen eine von ihm nicht bestellte Person als seinen Bevollmächtigten gelten lassen müsse (vgl. die bei Walter-Thienel,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 157, zu § 10 AVG wiedergegebene Judikatur). Es kann daher hier dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 AVG für ein Absehen vom Nachweis der Bevollmächtigung vorlagen oder nicht.

Bestand nach dem Vorgesagten keine Vollmacht des Beschwerdeführers für SA, so wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, die Zustellung der angefochtenen Erledigung an den Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters Dr. A vorzunehmen, es sei denn, es wären ihr Umstände bekannt gewesen, die das Vertretungsverhältnis Dris. A beendet hätten. Diesfalls hätte die Zustellung an den Beschwerdeführer persönlich zu erfolgen gehabt.

Jedenfalls konnte durch Zustellung an die als Empfänger bezeichnete nicht bevollmächtigte SA die Erlassung eines Bescheides nicht bewirkt werden. Eine Heilung eines solchen Zustellmangels kam weder nach § 7 noch nach § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustellG in Betracht (vgl. den hg. Beschluss vom 14. Februar 1997, Zl. 96/19/2027, und die bei Walter-Thienel, a.a.O., E. 72, zu § 9 ZustellG wiedergegebene Judikatur).

Da der angefochtenen Erledigung deshalb der Bescheidcharakter fehlt, war die Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. August 1999

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998190171.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten