TE Vwgh Erkenntnis 1999/8/20 97/19/1522

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Veröffentlicht am 20.08.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 97/19/1652 E 3. September 1999 97/19/1653 E 3. September 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der 1968 geborenen SC in Y, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juni 1997, Zl. 106.167/4-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 1. Juli 1996 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag langte beim Landeshauptmann von Wien am 19. Juli 1996 ein.

Zum Nachweis einer Unterkunft in Österreich legte die Beschwerdeführerin den von ihrem Ehegatten abgeschlossenen Mietvertrag vor. Daraus ging hervor, dass die zur Verfügung stehende Wohnung eine Nutzfläche von 34 m2 aufweist. Sie besteht demnach aus einem Zimmer, einer Küche sowie einer Badegelegenheit in Form einer Duschkabine mit Warm- und Kaltwasser.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Jänner 1997 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, in Wien liege die durchschnittliche Wohnnutzfläche bei 33 m2 pro Person. 3,4 % der in Wien lebenden österreichischen Staatsbürger verfügten über eine Wohnfläche von weniger als 10 m2 (österreichweit seien es nur 0,83 %), sodass die Bemessung einer ortsüblichen Unterkunft nicht nach dieser "vernachlässigbaren Minderheit, sondern der überwiegenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung" zu erfolgen habe. Die Nutzfläche der von der Beschwerdeführerin als gesicherte Unterkunft angegebenen Wohnung betrage 34 m2. Die Wohnung bestehe aus einem Zimmer und einer Küche. Neben der Beschwerdeführerin und dem Ehegatten solle die Wohnung auch von deren beiden Kindern benutzt werden. Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit einer Unterkunft könnten die Richtlinien für die Vormerkung und Vergabe von Gemeindewohnungen herangezogen werden, weil von 870.000 vorhandenen Wohnungen in Wien 215.000 Gemeindewohnungen seien. Ein Anspruch auf eine Gemeindewohnung bestehe laut den Vergaberichtlinien der zuständigen Magistratsabteilung, wenn ein Überbelag bestehe. Dies lasse den Umkehrschluss zu, dass eine Wohnung mit Überbelag in Österreich keine ortsübliche Unterkunft darstelle. Laut den erwähnten Vormerkrichtlinien der Magistratsabteilung 50 sei eine Unterkunft wie die antragsgegenständliche Wohnung mit einem Wohnraum und Nebenräumen ab zwei Personen überbelegt. Im Genehmigungsfall würden jedoch vier Personen in dieser Wohnung ihre Unterkunft finden.

Bei der Beurteilung einer Unterkunft als ortsüblich sei selbstverständlich auch auf die gesetzlich vorgeschriebenen hygienischen Verhältnisse und im Sinne der Volksgesundheit auf die erforderlichen Gesundheitsvorsorgemaßnahmen zu achten. Für eine vierköpfige Familie erschienen diese Voraussetzungen in der antragsgegenständlichen Wohnung, welche weder ein Badezimmer noch ein WC aufweise, nicht erfüllt.

Gerade bei Familien mit zwei schulpflichtigen Kindern könne eine Unterkunft nur als ortsüblich verstanden werden, wenn neben den jeweiligen Schlafräumen für Eltern und Kinder auch ein zusätzlicher Wohnraum Platz für die gesellschaftlichen und kulturellen Gestaltungsmöglichkeiten der Familie böte. Diese sinnvolle Sicherung des Lebensraumes, der für die (schulische) Entwicklung des einzelnen Kindes unbedingt erforderlich erscheine, beruhe nicht nur auf den Erfahrungen des täglichen Lebens, sondern auch auf der sinngemäßen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Weiters sei darauf zu achten, dass die vorhandenen Räumlichkeiten auch die Möglichkeit zur Unterbringung alltäglicher Gebrauchsgegenstände sowie das für die Familie notwendige Mobiliar bieten müssten.

Aufgrund dieser Kriterien scheine eine für Inländer ortsübliche Unterkunft infolge der Beengtheit ohne Vorliegen von Sanitäranlagen nicht vorzuliegen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie brachte vor, bei der gegenständlichen Wohnung handle es sich um eine Durchschnittswohnung für österreichische Verhältnisse. Da die Küche sehr groß sei, habe ihr Ehegatte diese geteilt und ein Kabinett daraus gemacht, damit für die Kinder ein separater Raum vorhanden sei. Es sei bekannt, dass in Wien zahlreiche Wohnungen nicht über Bad und WC verfügten. Im Falle der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Wohnung befinde sich das WC am Gang.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juni 1997 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen.

Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde aus, die Einwendungen der Beschwerdeführerin hätten nicht belegen können, aus welchen Gründen "die Ermessensausübung der Behörde bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Wohnung gesetzwidrig" gewesen wäre. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Wohnbereich eine weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der Ortsüblichkeit von Wohnverhältnissen von Zuwanderern anzulegen.

Die in Rede stehende Wohnung verfüge über eine Nutzfläche von 34 m2, wobei lediglich eine Badegelegenheit in Form einer Duschkabine und ein WC am Gang vorhanden sei und die Wohnung der Ausstattungskategorie D entspreche. Eine derartige Wohnung stelle für ein Ehepaar mit zwei Kleinkindern keine für Inländer ortsübliche Unterkunft dar. Zur Begründung dieser Auffassung erstattete die belangte Behörde im Wesentlichen die gleichen Ausführungen wie schon die erstinstanzliche Behörde. Schließlich legte die belangte Behörde dar, weshalb die Versagung der Bewilligungserteilung vorliegendenfalls mit Art. 8 MRK in Einklang stehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Ihr Antrag war daher nicht als Verlängerungsantrag zu werten. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht mit Ablauf des 31. Dezember 1997 gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht der Behörde bei der Beurteilung der Frage der Ortsüblichkeit der Wohnung eines Antragstellers kein Ermessen zu. Sie hat diese Frage vielmehr in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/1352). Dies verkennt die belangte Behörde, soweit sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Richtigkeit der "Ermessensausübung der Behörde" (gemeint wohl: der Behörde erster Instanz) bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Wohnung verweist.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung die Gesamtnutzfläche der ihr zur Verfügung stehenden Unterkunft in Österreich mit 34 m2 angegeben. Überdies wurde im Verwaltungsverfahren präzisiert, dass die zur Verfügung stehende Wohnung aus einem Zimmer und einer Küche, in welcher ein Extraraum abgeteilt wurde, sowie einer Duschkabine für Warm- und Kaltwasser bestünde.

Die belangte Behörde hätte, wenn sie die Ortsüblichkeit dieser Wohnung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG in Zweifel zieht, zu ermitteln und darzulegen gehabt, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie beabsichtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zlen. 95/19/0566 bis 0571).

Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid jedoch unterlassen. Ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung, diese sei maßgebend, haben sich die Aufenthaltsbehörden zwar mit der allgemeinen Wohnsituation in Wien auseinander gesetzt, sie haben es aber, entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, verabsäumt, die Wohnsituation von Inländern mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden bzw. Bezirksteilen, wie oben dargelegt, festzustellen. Ein bloßer Vergleich der Wohnsituation der Beschwerdeführerin (nach Erteilung der von ihr angestrebten Bewilligung) mit dem Durchschnitt der Wiener Bevölkerung bzw. mit dem gesamtösterreichischen Durchschnitt trägt dem durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geprägten Verständnis des § 5 Abs. 1 AufG hingegen nicht Rechnung. Gleiches gilt auch für die im angefochtenen Bescheid herangezogenen Vergaberichtlinien des Magistrats der Stadt Wien für Gemeindewohnungen, da diese, zumindest soweit sie im Bescheid wiedergegeben werden, ebenfalls nicht nach Familienstruktur und sozialer Schichtung sowie Wohngegenden differenzieren. Im Übrigen ist nicht zu erkennen, weshalb die Zuteilung einer Gemeindewohnung voraussetzt, dass die bisherigen Wohnverhältnisse des Bewerbers für Wien nicht ortsüblich sind (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999).

Wohl trifft es zu, dass bei der Beurteilung einer Unterkunft als ortsüblich auch auf die gesetzlich vorgeschriebenen hygienischen Verhältnisse und im Sinne der Volksgesundheit auf die erforderlichen Gesundheitsvorsorgemaßnahmen zu achten ist. Der angefochtene Bescheid lässt jedoch nicht erkennen, welchen derartigen Vorschriften die der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehende Wohnung nicht entsprechen sollte. Auch dass im konkreten Fall hygienische Probleme im Hinblick auf eine Benutzung des Gang-WC's durch (mehrere) andere Hausparteien zu befürchten wären, ergibt sich aus den Bescheidfeststellungen nicht.

Der belangten Behörde ist wohl beizupflichten, dass das Vorhandensein eines (zu den Schlafräumen) zusätzlichen Wohnraumes zur Förderung der schulischen Entwicklung von Kindern wünschenswert sei. Weshalb dies "unbedingt erforderlich" sein sollte, ist allerdings nicht erkennbar. Zu beurteilen ist aber nicht, ob eine geräumigere Unterkunft im Interesse eines Fremden wünschenswert wäre, sondern ob eine Ortsüblichkeit im Sinne des vorzitierten Verständnisses der Judikatur vorliegt oder nicht.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am 20. August 1999

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191522.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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