TE Vwgh Erkenntnis 1999/8/20 97/19/0171

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Veröffentlicht am 20.08.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der 1969 geborenen SA in L, vertreten durch den Vater KA, dieser vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. März 1996, Zl. 118.629/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über einen vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul am 7. März 1994 ausgestellten Touristensichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 6. Juni 1994.

Mit ihren am 14. März 1994 im Wege des österreichischen Generalkonsulates in Istanbul bzw. am 1. Februar 1995 im Wege des österreichischen Generalkonsulates in Zürich bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Anträgen (datierend vom 4. Februar 1994 bzw. 27. Jänner 1995) begehrte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, wobei als Aufenthaltszweck jeweils Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit dem namentlich angeführten Vater angegeben wurde. Unter der Rubrik "Besonders zu berücksichtigende Gründe für die Familienzusammenführung" wurde jeweils auf die Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin hingewiesen.

Mit Bescheid vom 25. Jänner 1996 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg diese Anträge gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. März 1996 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 des Fremdengesetzes ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, unbeschadet des Vorbringens der Beschwerdeführerin sei für die Beurteilung ihrer Anträge wesentlich, dass § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 dieses Gesetzes liege ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle.

Die Beschwerdeführerin sei nach der vorliegenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk (gültig vom 7. März 1994 bis 6. Juni 1994, ausgestellt vom österreichischen Generalkonsulat Istanbul) eingereist und bis dato im Bundesgebiet aufhältig.

Da sie sich wider dem § 15 FrG, sohin unerlaubt und ohne jegliche Aufenthaltsbewilligung, in Österreich befinde, stelle diese Tatsache eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, da ihr Verhalten durchaus auch auf andere Fremde Beispielswirkung haben könnte.

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 6 FrG finde durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung.

Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93 und B 445/93, erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Grundrecht darstelle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 19. Juni 1996, B 1464/96, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese in weiterer Folge antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG 1992 lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Die Beschwerdeführerin verfügte weder über eine Aufenthaltsbewilligung noch über eine am 1. Juli 1993 gültige Aufenthaltsberechtigung, weshalb die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder Abs. 7 Fremdengesetz 1997 auf den gegenständlichen Fall keine Anwendung findet.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr ein Touristensichtvermerk in der Dauer vom 7. März 1994 bis 6. Juni 1994 ausgestellt worden war, und dass sie sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet aufgehalten hatte.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bereits dann verwirklicht, wenn sich ein Fremder in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluss an eine mit einem Touristensichtvermerk erfolgte Einreise oder nach sichtvermerksfreier Einreise (weiterhin) im Bundesgebiet aufhält. Ein nahtloser Anschluss an das Ende der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerks ist zur Verwirklichung des Versagungstatbestandes nicht erforderlich. Ebensowenig kommt es für die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG darauf an, ob der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor oder nach der mit Touristensichtvermerk erfolgten Einreise gestellt wurde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500).

Die belangte Behörde konnte daher zu Recht vom Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ausgehen.

Liegt aber dieser Ausschließungsgrund vor, so ist dem allein mit Blickrichtung auf Art. 8 MRK erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen zu ihren privaten Verhältnissen getroffen (geistige Behinderung; Unfähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; Bedürfnis der Beschwerdeführerin, im Familienkreis betreut zu werden), entgegenzuhalten, dass bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf private oder familiäre Interessen des Fremden aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497 (auf welches dieser Gerichtshof im obzitierten Ablehnungsbeschluss vom 19. Juni 1996 ausdrücklich verwies und das dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin daher bekannt ist), genannten Gründen nicht in Betracht kommt. Dort heißt es im gegebenen Zusammenhang: "Eine rigorose, Ausnahmen ausschließende (daher in Einzelfällen Härten bedingende) Regelung, wie sie § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 FrG trifft, kann nämlich deshalb notwendig sein, um zu sichern, dass das in anderen fremdenrechtlichen Vorschriften (insbesondere im Aufenthaltsgesetz) entwickelte geschlossene Ordnungssystem nicht gestört wird, welches der Erreichung des - sachlich begründbaren und durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckten - Zieles, die Einreise von Fremden nach Österreich zwecks längerem oder dauerndem Aufenthalt im Bundesgebiet (Einwanderung) in geordnete Bahnen zu lenken, dient." Unter diesen Umständen durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass in den von § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 FrG erfassten Fällen die Abwägung der öffentlichen gegen die privaten Interessen zugunsten der ersteren ausfällt.

Vor diesem Hintergrund ist daher der Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin der Boden entzogen und erweist sich das zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit erstattete Vorbringen als unberechtigt.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass der Frage nachgegangen zu werden brauchte, ob die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung zu Recht auch auf den Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützt hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. August 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190171.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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