TE Bvwg Beschluss 2018/7/9 L509 1420024-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2018
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Entscheidungsdatum

09.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §37
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L509 1420024-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch RA Mag. Domenique SCHÖNGRUNDNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger reiste am 20.01.2011 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und stellte am 21.01.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde der BF zu seinem Antrag am 21.01.2011, am 27.01.2011 und am 10.03.2011 einvernommen.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.06.2011, Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich § 3 Abs. 1 AsylG als auch hinsichtlich § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen und ihm weder der Status eines Asylberechtigten noch der eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der BF wurde überdies gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

3. Mit Beschluss des BVwG vom 15.05.2014.Zl. L512 1420024-1/34E wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Asylbescheid nicht rechtswirksam erlassen worden sei. Gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde sei, sei kein Rechtsmittel zulässig. Die Beschwerde sei überdies nicht vom gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers genehmigt worden. Daher sei sie als unzulässig zurückzuweisen.

Die belangte Behörde habe im weiteren Verfahren, da der BF in der Zwischenzeit volljährig geworden ist, diesem bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung neuerlich den Asylbescheid zuzustellen. Vor einer neuerlichen Zustellung habe die belangte Behörde jedoch unter Zugrundlegung der bisher schlüssigen Beweiswürdigung im Hinblick auf die Fluchtgründe bzw. Rückkehrbedingungen die in der Zwischenzeit hervorgekommenen Ermittlungsergebnisse (Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft in Islamabad, die Angaben des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sowie die Stellungnahmen des BF bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung) zu berücksichtigen sowie zu würdigen.

4. Mit Aktenvermerk vom 05.04.2018 hat die belangte Behörde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 Abs. 2 AsylG eingeleitet, da der BF beim Landesgericht für Strafsachen Graz mit Urteil vom 23.10.2015 zu Zl. 005 HV 43/15p wegen §§ 28a (1) 2. Fall, § 28a (4) Z 3 SMG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z 3 SMG, § 297 (1) 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten - rechtskräftig seit 02.03.2016 - verurteilt - somit straffällig - wurde und daher ein besonderes öffentliches Interesse vorliege.

Das bis dahin geführte Ermittlungsverfahren wurde von der belangten Behörde mit einer schriftlichen Aufforderung an den BF ergänzt bekanntzugeben, ob er in Österreich verheiratet ist oder in einer Lebensgemeinschaft lebt, ob er in Österreich lebende Kinder habe und ob er nahe Verwandte oder Verwandte in Österreich habe, von denen er finanziell abhängig ist; weiters ob er einen Deutschkurs besuche, ob er Deutsch spreche, ob er Arbeit in Österreich habe, ob er einen Freundeskreis oder bisher nicht genannte Verwandte oder andere besondere Bindungen in Österreich habe und ob sich sonstige verfahrensrelevante Umstände (beispielsweise gesundheitliche Aspekte) in seinem Bereich ergeben hätten.

Mit Verfahrensanordnung vom 05.04.2018 wurde dem BF auch mitgeteilt, dass er seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 AsylG (wegen Straffälligkeit gemäß § 2 Abs. 3 AsylG) verlustig geworden sei.

Der BF hat mit Schreiben vom 22.04.2018 zu den an ihn gestellten Fragen eine Stellungnahme bzw. die Beantwortung abgegeben.

5. Die belangte Behörde hat daraufhin mit Bescheid vom 09.05.2018; Zl. XXXX, über den Antrag des BF vom 21.01.2011 entschieden und diesen wiederum sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I und II). Darüber hinaus wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 42 zulässig sei (Spruchpunkt III). Dem BF wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt I - gemeint: IV), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II - gemeint: V) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ausgesprochen, dass der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab 12.04.2018 verloren habe (Spruchpunkt I - gemeint VI).

Als Beweismittel hat die belangte Behörde Kopien von drei - vom BF vorgelegten - Zeugnissen, die Einvernahmen vom 21.01.2011, 27.01.2011 und vom 10.03.2011 sowie ein Gutachten zur Altersfeststellung, den Beschluss des BVwG vom 15.05.2014 und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 23.10.2015 herangezogen. Des Weiteren hat die belangte Behörde zur Lage in Pakistan umfangreiche Länderfeststellungen im Bescheid angeführt.

Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF bei der Antragstellung bereits volljährig gewesen sei, dass er keinen Fluchtgrund glaubhaft gemacht habe und keine Abschiebungshindernisse vorliegen würden. Der BF habe in Österreich keine Familienangehörigen, führe demnach kein Familienleben, dass öffentlichen Interesse an seiner Abschiebung wiege schwerer als sein privates Interesse und die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen liegen nicht vor. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei auszuschließen, weil der BF straffällig geworden sei und er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle. Aus diesem Grund habe er auch sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG verloren und käme ihm bloß ein faktischer Abschiebeschutz zu.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 16.05.2018 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Mit weiterer Verfahrensanordnung vom 16.05.2018 wurde der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Mit Schriftsatz vom 25.06.2018 ließ der BF über einen beauftragten Rechtsanwalt vollinhaltlich Beschwerde gegen den o. a. Bescheid einbringen. Zur Begründung wurde Verletzung in seinen subjektiven Rechten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften angeführt. Gründe zum Sachverhalt und zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens wurden umfangreich ausgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und den obigen Ausführungen.

2. Feststellungen:

Im ersten Rechtsgang wurde im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 15.05.2014 festgestellt, dass der bekämpfte Bescheid nicht rechtskonform erlassen wurde. Daher hat das BVwG die Beschwerde zurückgewiesen. Allerdings hat das BVwG in diesem Rechtsgang bereits am 13.03.2014 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt und den BF einvernommen. Im Zuge dieses Beschwerdeverfahrens wurden auch Feststellungen hinsichtlich des Alters des BF getroffen.

Der neu zugestellte und nunmehr bekämpfte Bescheid lässt jegliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 15.05.2014 und den darin enthaltenen Ermittlungsergebnissen sowie mit den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung und den Feststellungen des BVwG vermissen. Die Entscheidung der belangten Behörde stützt sich auf Einvernahmen des BF, die vor mehr als 7 Jahren mit ihm als Minderjährigen durchgeführt wurden. Auf die Ausführungen des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, die zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, als der BF bereits volljährig war, geht die belangte Behörde jedoch mit keinem Wort ein, obwohl entscheidungswesentliche Tatsachen zu berücksichtigen gewesen wären, die im Erkenntnis auch ausgeführt wurden. Das ausdrückliche Ersuchen des BF in seiner Stellungnahme vom 22.04.2018, ihn persönlich einzuvernehmen, hat die belangte Behörde übergangen bzw. ist sie in ihrer Entscheidung auch nicht darauf eingegangen. Stattdessen stützt sie sich auf Aussagen des BF, die bereits 7 Jahre zurückliegen. Es sind daher krasse Ermittlungsmängel festzustellen. Im Übrigen stützt sich die Beweiswürdigung des bekämpften Bescheides über weite Strecken auf wenig oder nicht nachvollziehbare Annahmen und Schlussfolgerungen. Während die Feststellungen zum Alter des BF ausschließlich mit dem von der belangen Behörde eingeholten Gutachten zur Altersfeststellung begründet wurden, fanden Feststellungen des BVwG aufgrund von eigens beauftragten Erhebungen vor Ort durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft keine Berücksichtigung. Die belangte Behörde verweist überdies auf drei Sachverständigengutachten und meint damit ein auf drei individuellen medizinischen Untersuchungen (insbesondere körperliche, zahnärztliche und Röntgenuntersuchung) basierendes Modell zur Altersdiagnose nach dem Stand der Wissenschaft ("multifaktorielle Untersuchungsmethodik" - § 2 Abs. 1 Z 25 AsylG), welches nur als ein einziges gerichtsmedizinisches Gutachten betrachtet werden kann, das aus drei fachmedizinischen Untersuchungen besteht. Wenn die belangte Behörde die vom BF vorgelegten Beweismittel zur Erschließung seines Lebensalters unter Bezugnahme auf die Länderfeststellung nicht anerkennt, übersieht sie, dass die Beweismittel im vorhergehenden Beschwerdeverfahren bereits als echt und authentisch klassifiziert wurden und das Geburtsdatum "07.03.1995" mit den Eintragungen in der Schule verglichen wurde. Auch das Landesgericht für Strafsachen Graz und das Oberlandesgericht Graz gingen offenbar von dem Geburtsdatum 07.03.1995 aus.

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

2.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

2.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Da Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden; VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063.

Wie bereits oben ausgeführt hat sich die belangte Behörde auf Einvernahmen des BF gestützt, die bereits 7 Jahre zurückliegen, aber auch eine in einem ersten Rechtszug beim BVwG durchgeführte Einvernahme bzw. in diesem Rechtszug vom BVwG getroffene Feststellungen nicht berücksichtigt.

Die gänzliche Unterlassung dieser Ermittlungstätigkeit stellt sich für das Bundesverwaltungsgericht als krasser bzw. gravierender Verstoß gegen die Ermittlungspflicht der belangten Behörde dar.

Der belangten Behörde musste bewusst sein, dass sich eine (neuerliche) persönliche Einvernahme des BF im gegenständlichen Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung als notwendig erweist. Es sind also konkrete Anhaltspunkte anzunehmen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Somit hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall, wie oben dargestellt, essentielle Ermittlungen unterlassen und ist sie davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, ohne sich mit sämtlichen, hierfür notwendigen Voraussetzungen bzw. dem entsprechend relevanten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, weswegen im gegenständlichen Fall im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung des VwGH davon auszugehen ist, dass besonders krasse bzw. gravierende Ermittlungslücken vorliegen, die eben zur Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde (das BFA) führen.

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die belangte Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B)

Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Behebung und Zurückverweisung eines angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG wegen Ermittlungsmängel konzeptionell im Wesentlichen der Bestimmung des § 66 Abs. Abs. 2 AVG (bzw. des § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012). Die zu diesen Bestimmungen ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den hier in Betracht kommenden § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG infolge seiner konzeptionellen Ausgestaltung anwendbar (vergl. z.B. 17.10.2006, Zl 2005/20/0459 und grundsätzlich zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG in Asylverfahren VwGH 21.11.2002, Zln. 2002/20/0315, 2000/20/0084 und insbesondere VwGH vom 21.06.2010, Zl. 2008/19/0379, wo der VwGH ausdrücklich einen Vergleich zwischen den beiden Normen § 66 Abs. 2 AVG und § 41 Abs. 3 ASylG 2005 - Fassung vor dem 01.01.2014 - zieht).

Schlagworte

Asylantragstellung, Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht,
freiwillige Ausreise, Kassation, mangelhaftes Ermittlungsverfahren,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, subsidiärer Schutz,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L509.1420024.2.00

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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