Entscheidungsdatum
23.08.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2196387-1/10E
W185 2196386-1/9E
W185 2196385-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, 2.) XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX und 3.) XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX alias XXXX, sämtliche StA. aus Armenien alias Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018, Zl. (1.) 1180676403-180115885-EAST-Ost, (2.) 1180680406-180115937-EAST-Ost und (3.) 1180676305-180115902-EAST-Ost, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnungen zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer ist deren gemeinsames Kinde.
Am 02.02.2018 stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreter für ihren minderjährigen Sohn, Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen zufolge suchten die Beschwerdeführer am 22.09.2016 in Deutschland um Asyl an.
Im Verlauf seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.02.2018 gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, der Einvernahme folgen zu können, jedoch an einer Herzkrankheit zu leiden und deswegen auch Jahre 2015 in Deutschland operiert worden zu sein. Er müsse täglich etwa 10 Tabletten einnehmen. Das Reiseziel des Erstbeschwerdeführers sei Deutschland gewesen, da er wegen seiner Erkrankung dringend ärztliche Behandlung benötigt habe. Die medizinische Behandlung in Armenien sei nicht erfolgreich verlaufen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei ebenfalls "schwer krank" und der mj Drittbeschwerdeführer "verhaltensgestört". Ende 2015 hätten die Beschwerdeführer Armenien legal mittels Flugzeug verlassen und seien nach Deutschland gelangt. Dort hätten die Beschwerdeführer um Asyl angesucht; die Anträge seien jedoch negativ entschieden worden. In Deutschland sei der Erstbeschwerdeführer nach einer Herzoperation länger in Behandlung gestanden. Die drohende Abschiebung aus Deutschland sei nicht vollzogen worden, da der Erstbeschwerdeführer laut ärztlichen Befunden bis 30.04.2018 nicht reisefähig gewesen sei. Nach Deutschland zurückkehren würden die Beschwerdeführer nicht wollen, da Deutschland "nicht bereit sei" diese aufzunehmen. In Österreich oder einem anderen EU-Staat hätten die Beschwerdeführer keine weiteren Familienangehörigen. Der Erstbeschwerdeführer stellte in der Folge auch für den mj Drittbeschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, dass dieser keine eigenen Fluchtgründe habe.
Die Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin am 02.02.2018 wurde in Beisein des Erstbeschwerdeführers durchgeführt. Die Zweitbeschwerdeführer habe laut Protokollanmerkung sehr geistesabwesend gewirkt, habe auf Fragen nicht reagiert und kein Wort gesprochen. Die Angaben habe der Erstbeschwerdeführer erstattet, welcher erklärt habe, dass die Zweitbeschwerdeführerin wegen einer schweren psychischen Erkrankung in Behandlung gewesen sei.
Es wurde ein Fachärztliches Attest vom 05.01.2018 den Erstbeschwerdeführer betreffend vorgelegt. Diagnosen:
"Mitralklappeninsuffizienz; absolute Arrhythmie; ventrikuläre Herzrhythmusstörungen; Hypertonie; Vorhofflimmern". Neben der verordneten Medikation findet sich darin der Hinweis, dass der Erstbeschwerdeführer aus ärztlicher Sich bis voraussichtlich 30.04.2018 nicht reisefähig sei (AS 19).
Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend wurde ein Ärztliches Attest eines Klinikums, Abteilung für Allgemeinpsychiatrie, vom 29.12.2017 in Vorlage gebracht. Darin wird über einen stationären Aufenthalt im Zeitraum vom 09.05.2017 bis 15.05.2017 berichtet. Seit der Entlassung befinde sich die Zweitbeschwerdeführerin in regelmäßiger ambulanter Behandlung an der psychiatrischen Institutsambulanz. Es hätte sich trotz medikamentöser Anpassung eine deutliche Zustandsverschlechterung abgezeichnet, sodass nicht mehr von einer depressiven Störung mit psychotischen Symptomen, sondern von einer schizoaffektiven Störung ausgegangen werden müsse. Auch selbstverletzendes Verhalten sei nicht auszuschließen. Die Zweitbeschwerdeführerin benötige dringend engmaschige ärztliche Betreuung. Im derzeitigen Zustand sei sie nicht reisefähig (AS 29).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt oder BFA) richtete am 06.03.2018 auf Art. 18 Abs. 1 lit d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland; dies unter Bezugnahme auf die vorliegenden Eurodac-Treffer der Kategorie "1" mit Deutschland.
Mit Schreiben vom 14.03.2018 stimmten die deutschen Behörden den Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Aus einer mit 05.04.2018 datierten Gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren ergibt sich hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, dass aktuell keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung und auch keine sonstigen psychischen Krankheitssymptome vorlägen. Die in Deutschland durchgeführte Herzklappenoperation führe offenbar nach wie vor zu Beschwerden. Es liege sicher eine eingeschränkte körperliche Belastungsfähigkeit vor. Auf einer eventuellen Reise müssten die Medikamente lückenlos gegeben werden. Die Flugtauglichkeit müsse unmittelbar vor Reiseantritt geprüft werden. Therapeutische oder medizinische Maßnahmen wurden nicht angeraten (AS 135ff).
In der mit 06.04.2018 datierten Gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführerin wurde das Vorliegen einer schizoaffektiven Störung F25.1 diagnostiziert. Eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung wurde nicht festgestellt. Es wurde empfohlen, die neuroleptische Therapie am jeweiligen Aufenthaltsort wie bisher weiterzuführen. Eine akute Suizidalität liege bei Befundaufnahme nicht vor. Die Einvernahmefähigkeit der Zweitbeschwerdeführerin wurde ärztlicherseits bestätigt (AS 71ff).
Am 03.04.2018 wurde auch der mj Drittbeschwerdeführer einer PSY-III-Untersuchung unterzogen. Dabei gab der Drittbeschwerdeführer an, in Deutschland - im Gegensatz zu Österreich - die Schule besucht und Freunde gehabt zu haben. Das Vorliegen einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung sowie auch sonstiger psychischer Krankheitssymptome wurde bejaht. Es wurden eine Anpassungsstörung F43.2, eine Reaktion auf Belastungen und ev eine Entwicklungsverzögerung diagnostiziert. Ein Überstellungshindernis könne aus ärztlicher Sicht nicht erkannt werden. Es sei "Förderung" am jeweiligen Aufenthaltsort angeraten (AS 33ff).
Am 24.04.2018 erfolgte die niederschriftlich Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesamt im Beisein einer Rechtsberaterin nach durchgeführter Rechtsberatung. Der Erstbeschwerdeführer gab zusammengefast zu Protokoll, sich in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Er leide jedoch an Sklerose und habe Probleme mit der Atmung. Abgesehen von der mitgereisten Gattin und seinem Sohn habe er keine weiteren Angehörigen in Österreich. Über Vorhalt der Zuständigkeit Deutschlands erklärte Erstbeschwerdeführer, nicht dorthin zurückkehren zu wollen. Deutschland hätte die Beschwerdeführer nach Armenien abschieben wollen. Er sei in Deutschland wegen seiner Herzprobleme operiert worden. Es sei ihm ein Herzschrittmacher implantiert worden und er müsse zahlreiche Medikamente nehmen. Die armenischen Medikamente hätten keine Wirkung, da diese alle gefälscht seien. Eine Operation zum Batteriewechsel für den Schrittmacher sei in Armenien sehr teuer. Die Operation in Deutschland sei "schlecht" ausgegangen; er habe danach eine Lungeninfektion bekommen. Auch die Zweitbeschwerdeführerin sei (psychisch) krank. Sie habe Probleme mit dem Kopf und dem Bauch. Zwei seiner Kinder seien gestorben; der mj Drittbeschwerdeführer sei sein einziges noch lebende Kind; dieser leide auch unter psychischen Störungen. Dieser habe große Angst, sei nervös und leide unter Stress. Die Beschwerdeführer seien somit "alle krank". Die Beschwerdeführer hätten auch noch einen Kinderwunsch und würden gerne in Österreich behandelt werden; dann würden sie auch wieder nach Armenien zurückkehren. Die Beschwerdeführer würden jedoch gesund in die Heimat zurückkehren wollen. Der Erstbeschwerdeführer habe am 30.05.2018 einen Termin für eine Herzuntersuchung, morgen habe die Zweitbeschwerdeführerin einen Termin beim Psychiater. Die Beschwerdeführer würden dringend ärztliche Behandlung benötigen. Die Rechtsberaterin erklärte, dass eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Deutschland und eine allfällige Abschiebung nach Armenien aufgrund deren gravierenden Erkrankungen der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen würde. Ein Vertreter der Beschwerdeführer gab an, dass zwischenzeitig ein Psychiater "beauftragt" worden sei. Va eine Abschiebung der Zweitbeschwerdeführerin wäre problematisch.
Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt, sich heute in der Lage zu fühlen, Angaben im Verfahren zu erstatten. Außer ihrem Gatten und ihrem Sohn habe sie keine Angehörigen in Österreich. Über Vorhalt der Zuständigkeit Deutschlands gab die Zweitbeschwerdeführerin an, nicht nach Deutschland zurückkehren zu wollen, da sie dort in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht werden würde. In Österreich hingegen bekomme sie Medikamente und werde gut betreut. Sie würde sich lieber umbringen als nach Deutschland zu gehen; dort hätte sie die psychische Störung bekommen. Sie wolle in Österreich bleiben und hier ihren Sohn großziehen. Außerdem würden die Beschwerdeführer von Deutschland nach Armenien abgeschoben werden.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge deren Abschiebung nach DEutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Deutschland wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
1. Allgemeines zum Asylverfahren
In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 16.11.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle). Im Jahr 2016 hat das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 695.733 Asylanträge entschieden. Das ist ein Anstieg von ca. 146% gegenüber 2015 (282.726 Entscheidungen). 2016 wurden 745.545 Asylanträge entgegengenommen, 268.869 mehr als im Vorjahr. Insgesamt 256.136 Personen erhielten 2016 internationalen Schutz (36,8% der Antragsteller), 153.700 Personen (22,1%) erhielten subsidiären Schutz und 24.084 Personen (3,5%) Abschiebeschutz (BAMF 11.1.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):
National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 3.2.2017
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.1.2017):
Jahresbilanz 2016,
http://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2017/20170111-asylgeschaeftsstatistik-dezember.html, Zugriff 6.2.2017
2. Dublin-Rückkehrer
Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.11.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):
National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 3.2.2017
3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Gemäß Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher werden unbegleitete Kinder und Jugendliche auf Grundlage einer bundes- und landesweiten Aufnahmepflicht gleichmäßig in Deutschland verteilt. Das Mindestalter zur Begründung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahren wurde von 16 auf 18 Jahre hinaufgesetzt (BR 26.10.2015).
Im deutschen Asylverfahren gelten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Begleitung als Unbegleitete Minderjährige. Unbegleitete Minderjährige, die nach dem 1. November 2015 in Deutschland eingereist sind, werden zunächst durch das vor Ort zuständige Jugendamt in Obhut genommen. Im Rahmen dieser vorläufigen Inobhutnahme werden sie bei einer geeigneten Person (Verwandte oder Pflegefamilien) oder in einer geeigneten Einrichtung (sogenannte Clearinghäuser, die auf die Betreuung von Unbegleiteten Minderjährigen spezialisiert sind, oder Jugendhilfeeinrichtungen) untergebracht. Im Zuge der vorläufigen Inobhutnahme findet auch das sogenannte Erstscreening des Gesundheitszustands statt und stellt auch das Alter der Minderjährigen fest. Die dafür verwendeten Methoden reichen von einer reinen Altersschätzung über körperliche Untersuchungen bis hin zu radiologischen Untersuchungen, der Handwurzel, des Gebisses oder des Schlüsselbeins. Darüber hinaus schätzt das zuständige Jugendamt ein, ob die Durchführung des späteren Verteilungsverfahrens in physischer oder psychischer Hinsicht das Kindeswohl gefährden könnte. In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit einer Familienzusammenführung mit in Deutschland lebenden Verwandten geprüft. Bestehen enge soziale Bindungen zu anderen Unbegleiteten Minderjährigen, prüft das Jugendamt, ob eine gemeinsame Unterbringung sinnvoll ist. Um eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Unterstützung der Unbegleiteten Minderjährigen sicherzustellen, gibt es ein bundesweites Verteilungsverfahren, das innerhalb von 14 Tagen durchgeführt wird. Nach dieser Verteilung ist neue Jugendamt für die weitere Inobhutnahme zuständig. Die Unterbringung erfolgt wieder bei einer geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung (siehe oben). Im Anschluss daran werden die Beantragung einer Vormundschaft, weitere medizinische Untersuchungen, die Ermittlung des Erziehungsbedarfs sowie eine Klärung des Aufenthaltsstatus veranlasst. Für Unbegleitete Minderjährige muss vom Familiengericht ein Vormund oder Pfleger bestellt werden. Eine Vormundschaft besteht in der Regel bis zur Volljährigkeit. Dabei orientiert sich die Volljährigkeit an dem Recht im Herkunftsland des Minderjährigen und nicht am deutschen Recht. Tritt also nach diesem Recht die Volljährigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ein, endet die Vormundschaft auch erst zu diesem Zeitpunkt. Im anschließenden Clearingverfahren werden weitere Schritte im Bereich des Jugendhilferechts oder des Aufenthaltsrechts eingeleitet. Es umfasst unter anderem die Klärung des Aufenthaltsstatus. Auf dessen Basis wird entschieden, ob ein Asylantrag gestellt wird. Ist ein Asylverfahren nicht erfolgversprechend, kann die zuständige Ausländerbehörde auch eine Duldung ausstellen. Kommt auch dies nicht in Frage, berät die Ausländerbehörde über andere aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten. Falls ein Asylantrag gestellt werden soll, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMF) die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Innerhalb des Asylverfahrens gelten für die Bestimmung der Volljährigkeit die nationalen Vorschriften. Das heißt: Asylwerber müssen mit Vollendung des 18. Lebensjahrs ihren Asylantrag selbst stellen. Ein etwaiger Vormund kann in diesem Fall aber weiterhin das Asylverfahren begleiten. Asylwerber unter 18 Jahren sind im Asylverfahren nicht handlungsfähig und ein Asylantrag muss vom Jugendamt oder Vormund schriftlich gestellt werden. Da Unbegleitete Minderjährige als besonders schutzbedürftige Personengruppe mit besonderen Garantien für ihr Asylverfahren gelten, werden ihre Asylverfahren von Sonderbeauftragten betreut, die für eine sensibilisierte Herangehensweise geschult wurden. Anhörungen finden grundsätzlich in Anwesenheit des Vormunds statt. Zusätzlich kann auch ein Beistand, z. B. eine Betreuerin oder ein Betreuer bei den Anhörungen anwesend sein. Unterbringung, Versorgung - hierzu gehört auch die sozialpädagogische Begleitung und Betreuung, Gesundheitsversorgung sowie Rechtsberatung - sind gesetzlich sichergestellt (BAMF 1.8.2016a; vgl. IAM 30.5.2016).
In Deutschland wurden 2015 42.309 UM in staatliche Obhut genommen,
22.255 davon stellten Asylanträge. 2016 gab es rund 50.300 Inobhutnahmen und 35.939 Asylanträge von UM (BAMF 31.12.2016; vgl. FRA 1.2017). Vergleicht man die Zahl der Inobhutnahmen von UM mit der Anzahl der von ihnen gestellten Asylanträge, wird deutlich, dass ein relevanter Teil der Minderjährigen auf einen Asylantrag verzichtet und sie (bzw. ihre gesetzlichen Vertreter) einen anderen aufenthaltsrechtlichen Weg suchen (BAMF 31.12.2016).
Es gibt keine gesetzliche Vorschrift zur Identifizierung Vulnerabler, mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Alle AW durchlaufen eine medizinische Untersuchung, die aber mehr dem Aufspüren ansteckender Krankheiten dient. Manchmal melden medizinisches Personal oder andere Mitarbeiter in den Unterbringungszentren, dass sie Anzeichen von Traumata entdeckt haben, das ist aber keine systematische Prüfung. Einige Bundesländer haben Pilotprojekte für die Identifizierung vulnerabler Asylwerber eingeführt. Vom BAMF erlassene Richtlinien sehen vor, dass insbesondere UM, Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie Opfer von Folter und traumatisierte Asylwerber besonders sensibel und bei Bedarf von speziell ausgebildeten Referenten behandelt werden sollen. Die Einführung dieser Spezialisten (80 für UMA, 40 für Traumatisierte und 40 für Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung) hat die Handhabung derartiger Verfahren etwas verbessert, wobei es aber auch Beispiele gibt, wonach Hinweise auf Traumata bzw. sogar Folter nicht zur Konsultierung solcher Spezialisten geführt haben (AIDA 16.11.2015; vgl. FRA 1.2017).
Medizinische Spezialbehandlung für Traumatisierte und Folteropfer kann durch einige Spezialisten und Therapeuten in verschiedenen Behandlungszentren für Folteropfer gewährleistet werden. Da die Plätze in diesen Zentren begrenzt sind, ist der Zugang nicht immer garantiert. Da die Behandlungskosten von den Behörden nur teilweise übernommen werden (Übersetzerkosten werden etwa nicht gedeckt), sind die Zentren zu einem gewissen Grad auf Spenden angewiesen. Große geographische Distanzen zwischen Unterbringung und Behandlungszentrum sind in der Praxis auch oft ein Problem (AIDA 16.11.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):
National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 3.2.2017
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016a):
Unbegleitete Minderjährige,
http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/UnbegleiteteMinderjaehrige/unbegleitete-minderjaehrige-node.html, Zugriff 26.1.2017
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (31.12.2016):
Unbegleitete Minderjährige (UM), http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Asyl/um-zahlen-entwicklung.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 26.1.2017
-
BR - Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (26.10.2015):
Effektive Verfahren, frühe Integration, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/10/2015-10-15-asyl-fluechtlingspolitik.html, Zugriff 3.2.2017
-
FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (1.2017):
Monthly data collection: January 2017, http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/january-2017, Zugriff 3.2.2017
-
IAM - Informationsverbund Asyl und Migration (30.5.2016): Die Rechte und Pflichten von Asylsuchenden. Aufenthalt, soziale Rechte und Arbeitsmarktzugang während des Asylverfahrens, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1464681466_basisinf-3-160415fin.pdf, Zugriff 26.1.2017
4. Non-Refoulement
Im Oktober 2015 wurden Albanien, Montenegro und Kosovo der Liste sicherer Herkunftsstaaten hinzugefügt, was auch Kritik hervorrief, besonders im Hinblick auf Personen aus der Gruppe der Roma. Deutschland gewährt Personen, die sich nicht für internationalen Schutz qualifizieren mitunter auch subsidiären oder humanitären Schutz. Freiwilligen Rückkehrern wird Hilfe gewährt (USDOS 13.4.2016).
Kann weder Asyl noch Flüchtlingsschutz gewährt werden, dann prüft das BAMF im Asylverfahren auch, ob subsidiärer Schutz gewährt wird oder ein Abschiebungsverbot vorliegt. Außerhalb eines Asylverfahrens werden mögliche Abschiebungsverbote durch die zuständige Ausländerbehörde, die eine fachliche Stellungnahme des BAMF einholt, geprüft (BMdI o.D.).
Quellen:
-
BMdI - Bundesministerium des Innern (o.D.): Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland, http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Asyl-Fluechtlingsschutz/Asyl-Fluechtlingspolitik/asyl-fluechtlingspolitik_node.html, Zugriff 1.2.2017
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany, http://www.ecoi.net/local_link/322521/461998_de.html, Zugriff 1.2.2017
5. Versorgung
Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen erhalten AW Verpflegung, Unterkunft, Krankenversorgung und Verbrauchsartikel. Der notwendige Bedarf wird durch Sachleistungen gedeckt. Wenn das nicht möglich ist werden Wertgutscheine oder ähnliches bis hin zu Geldleistungen gewährt. Werden alle notwendigen persönlichen Bedarfe durch Geldleistungen gedeckt, so beträgt der Geldbetrag zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe monatlich:
Bezieher
Betrag
Für alleinstehende Leistungsberechtigte
135 €
Für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen
je 122 €
Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt
je 108 €
Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
76 €
Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
83 €
leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
79 €
Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen werden vorrangig Geldleistungen gewährt. Der notwendige Bedarf beträgt monatlich:
Bezieher
Betrag
Für alleinstehende Leistungsberechtigte
216 €
Für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen
je 194 €
Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt
je 174 €
Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
198 €
Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
157 €
leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
133 €
Anstelle der Geldleistungen können auch Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat wird gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Es gibt Leistungen für Bildung etc. (AsylbLG 23.12.2016, §3).
In Deutschland gibt es grundsätzlich 3 verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Der Betrieb dieser Einrichtungen ist Ländersache. In den Jahren 2014 und 2015 waren aufgrund der zahlreichen Migranten auch Notunterkünfte gebräuchlich (AIDA 16.11.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Zum Teil sind Notunterkünfte immer noch in Verwendung (Pro Asyl 10.1.2017).
Asylwerber müssen bis zu 6 Monate in den Erstaufnahmezentren bleiben. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, werden AW normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, das sind generell Unterbringungszentren im selben Bundesland. AW müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen (AIDA 16.11.2015; vgl. auch BAMF 10.2016)
Deutschland verfügt mittlerweile bundesweit über 24 Ankunftszentren. Dort werden viele, bis dahin auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren, gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt - von der ärztlichen Untersuchung, über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Bei Menschen mit sehr guter Bleibeperspektive sowie Antragstellenden aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten kann in der Regel vor Ort innerhalb von 48 Stunden angehört und über den Asylantrag entschieden werden (BAMF o.D,a). Neben der Bearbeitung von neuen Anträgen, werden in den Ankunftszentren seit Sommer 2016 auch ältere Verfahren bearbeitet und Anhörungen durchgeführt. Somit werden die BAMF-Außenstellen in der jeweiligen Region entlastet. Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Sie erhalten ebenfalls eine Beratung zum möglichen Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BAMF 1.8.2016b).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):
National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 10.01.2017
-
AsylbLG - Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das durch
Artikel 20 Absatz 6 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3324) geändert worden ist (23.12.2016): § 3 Grundleistungen, https://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/BJNR107410993.html, Zugriff 2.2.2017
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2016): Ablauf des deutschen Asylverfahrens,
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 2.2.2017
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a):
Ankunftszentren,
http://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufbau/Standorte/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 2.2.2017
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016b):
Ankunftszentren,
http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/Ankunftszentren/ankunftszentren-node.html, Zugriff 2.2.2017
-
Pro Asyl (10.1.2017): Ein Leben ohne Privatsphäre? Sammelunterbringung darf nicht zum Dauerzustand werden, https://www.proasyl.de/news/ein-leben-ohne-privatsphaere-sammelunterbringung-darf-nicht-zum-dauerzustand-werden/, Zugriff 2.2.2017
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany, http://www.ecoi.net/local_link/322521/461998_de.html, Zugriff 1.2.2017
5.1. Medizinische Versorgung
NGOs kritisieren dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern nur bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen kostenlos ist. Einige Gemeinden und private Gruppen initiierten zusätzliche Gesundheitsprojekte. Einige Bundesländer stellen Krankenversicherungskarten zur Verfügung (USDOS 13.4.2016).
Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für AW in Fällen akuter Erkrankung oder Schmerzen vor, welche Behandlung (auch Zahnbehandlung), Medikation etc. umfasst. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Krankenscheine bekommen AW beim medizinischen Personal der Erstaufnahmeeinrichtung oder später auf dem zuständigen Sozialamt. Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die - aus welchen Gründen auch immer - kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Nach 15 Leistungsmonaten im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes haben AW Zugang zu Versorgung nach dem Sozialgesetzbuch. Das beinhaltet auch Zugang zu Gesundheitsversorgung nach denselben Bedingungen wie für deutsche Staatsbürger (AIDA 16.11.2015).
Deutschland garantiert allen AW ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung. Das gilt auch für zurückgewiesene AW bis zum Tag ihres Transfers. Die Bundesländer können autonom die elektronische Gesundheitskarte für Asylwerber einführen. Die gesetzlichen Krankenkassen können demnach von den Ländern verpflichtet werden, gegen Kostenerstattung die Krankenbehandlungen bei Asylwerbern zu übernehmen. Der Leistungsumfang und die Finanzierung der medizinischen Versorgung erfolgt unverändert im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (BMdI 29.9.2015; vgl. BMG 3.11.2015).
Die medizinische Versorgung von Asylwerbern ist zwischen den verschiedenen Kommunen und Bundesländern unterschiedlich organisiert. Während in manchen Ländern fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Antragsteller zur Verfügung stehen, muss in anderen Ländern vor vielen Untersuchungen beim Amt um Kostenübernahme angefragt werden. In dringenden Notfällen dürfen Ärzte immer behandeln, unabhängig von den Papieren. Meistens aber müssen Asylsuchende ins zuständige Sozialamt, bevor sie einen Arzt aufsuchen dürfen. Dort erhalten sie einen Behandlungsschein, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Kosten abrechnen können. Hinzu kommt, dass der Behandlungsschein in manchen Kommunen nur für den Hausarzt gültig ist. Wollen die Betroffenen zum Facharzt, müssen sie vor jeder Überweisung die Zustimmung des Amts einholen. In manchen Ländern erhalten Asylwerber eine elektronische Gesundheitskarte einer Krankenkasse, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Die Krankenkasse organisiert nur die medizinische Versorgung der Antragsteller, die Kosten tragen trotzdem die Behörden. Wenn Asylwerber länger als 15 Monate in Deutschland sind, können sie sich eine gesetzliche Krankenversicherung aussuchen, die Behörden bezahlen die Beiträge. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. freiwillige Zusatzleistungen der Krankenkassen) werden sie dann behandelt wie alle gesetzlich Versicherten. Erst wenn die Antragsteller eine Arbeit finden und selbst einzahlen, klinkt sich der Staat aus ihrer medizinischen Versorgung aus (SO 22.3.2016; vgl. BMG 6.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):
National Country Report Germany, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_update.iv__0.pdf, Zugriff 10.01.2017
-
BMdI - Bundesministerium des Innern (29.9.2015): Änderung und Beschleunigung von Asylverfahren beschlossen, http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2015/09/kabinett-beschliesst-asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.html, Zugriff 3.2.2017
-
BMG - Bundesministerium für Gesundheit (3.11.2015): Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen, http://www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2015/asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.html, Zugriff 3.2.2017
-
BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.2016): Ratgeber Gesundheit für Asylwerber in Deutschland, http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Ratgeber_Asylsuchende_DE_web.pdf, Zugriff 3.2.2017
-
SO - Spiegel Online (22.3.2016): So werden Flüchtlinge medizinisch versorgt,
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/fluechtlinge-so-laeuft-die-medizinische-versorgung-a-1081702.html, Zugriff 3.2.2017
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany, http://www.ecoi.net/local_link/322521/461998_de.html, Zugriff 1.2.2017
Die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, da gemäß Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO Deutschland zur Prüfung der Anträge zuständig sei, da die Beschwerdeführer jeweils einen Asylantrag in Deutschland gestellt hätten. Die Identität der Beschwerdeführer stehe nicht fest. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer würden sich aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen und den Ergebnissen der durchgeführten PSY-III-Untersuchungen ergeben. Beim Erstbeschwerdeführer bestehe ein Zustand nach einer Herzklappenoperation; dessen körperliche Belastungsfähigkeit sei eingeschränkt. Der Erstbeschwerdeführer müsse regelmäßig eine Reihe von Medikamenten einnehmen. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an einer schizoaffektiven Störung F 25.1, welche medikamentös behandelt werde. Der mj Drittbeschwerdeführer leide an einer Anpassungsstörung F 43.2. Nach dem Gesagten würden sich die Beschwerdeführer nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden. Die Medikamenteneinnahme könne problemlos in Deutschland fortgeführt werden bzw werde eine solche gar nicht unterbrochen. Die medizinische Behandlung in Deutschland sei problemlos möglich; die Beschwerdeführer wären bei ihrem Aufenthalt in Deutschland auch bereits intensiv medizinisch behandelt. Hinsichtlich de mj Drittbeschwerdeführers wurde angemerkt, dass die Absolvierung einer Therapie zur Behandlung seiner Anpassungsstörung auch in Deutschland möglich sei. Es liege ein Familienverfahren vor. Eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Deutschland ernstlich für möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Befürchtungen der Beschwerdeführer würden sich im Wesentlichen in der Befürchtung erschöpfen, von dort nach Armenien abgeschoben zu werden. Damit sei jedoch nicht zu rechnen. Deutschland habe sich ausdrücklich bereit erklärt, die Beschwerdeführer wiederaufzunehmen. Eine Verweigerung des Zugangs zum Asylverfahren in Deutschland sei nicht zu erwarten. Da hinsichtlich sämtlicher Familienangehöriger gleichlautende Ausweisungsentscheidung ergangen seien, liege kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer vor.
Gegen die Bescheide richten sich die gleichlautenden Beschwerden vom 14.05.2018, verfasst durch den Verein ZEIGE, in welchen die Beschwerdeführer (soweit ersichtlich) geltend machen, dass die Zweitbeschwerdeführerin befürchte, in Deutschland wieder in der Psychiatrie untergebracht werden würde. Diese befände sich nach dem Tod zweier ihrer Kinder in einer sehr schlechten psychischen Verfassung und habe zweitweise an psychotischen Störungen und einer suizidalen Einengung gelitten. Beantragt werde eine abermalige eingehende psychiatrische Untersuchung der Zweitbeschwerdeführerin, nach Möglichkeit durch einen Polizeiarzt. Es wurde beantragt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Am 02.08.2018 wurden die Beschwerdeführer (in ärztlicher Begleitung) auf dem Landweg nach Deutschland überstellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Es handelt sich um ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Armenien alias der Ukraine. Die Beschwerdeführer stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.02.2018 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.
Das Bundesamt richtete am 06.03.2018 auf Art. 18 Abs. 1 lit d Dublin III-VO gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland, welchen die deutsche Dublin-Behörde mit Schreiben vom 14.03.2018 ausdrücklich zustimmte.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Deutschland an.
Konkrete, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Deutschland Gefahr laufen würden, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Die Beschwerdeführer leiden an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die eine - unter ärztlicher Begleitung erfolgende - Überstellung nach Deutschland unzumutbar machen würde.
Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers liegen folgende Diagnosen vor: kardiopulmonale Dekompensation; Zustand nach hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz; permanentes Vorhofflimmern; orale Antikoagulation mit Xarelto; Zustand nach Schrittmacherimplantation VVI bei Bradyarrhythmia absoluta; chronisch reduzierter Allgemeinzustand mit deutlicher Eins