TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/29 W200 2169088-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W200 2169088-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias: XXXX), geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1077638300-150840788, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 09.04.2018 und 11.05.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige Afghanistans, gehörte der hazarischen Volksgruppe an, reiste am 12.07.2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 13.07.2015 nannte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund, dass die Lage in Afghanistan schlecht sei. Es gäbe keine Sicherheit und keine Arbeit. Er sei in den Iran geflüchtet, hätte dort aber keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und sei sodann hierher geflohen. Sonst gäbe es keinen weiteren Grund. Er gab an, 16 Jahre alt zu sein. Ein Gutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung ergab ein höchstmögliches Mindestalter von 18,41 Jahren zur Asylantragstellung.

Im Rahmen der Einvernahme beim BFA am 19.12.2016 wiederholte der Beschwerdeführer, dass er 16 Jahre alt sei. Dies hätten ihm seine Eltern gesagt. Seine Tazkira hätte er in Afghanistan verloren. In Afghanistan hätte er noch seine Mutter, seinen Bruder und seine drei Schwestern. Sein Vater sei bereits verstorben. Die Familienangehörigen seiner Mutter würden ebenfalls wie diese in XXXX leben, sowie die Verwandten väterlicherseits. Er hätte vier Jahre die Koranschule in Afghanistan besucht. Dort hätten die Mullahs ihn auch geschlagen und er sei dann nicht mehr in die Schule gegangen. Er hätte Afghanistan im Juli 2012 in Richtung Iran verlassen und hätte dort drei Jahre lang am Bau als Fliesenleger gearbeitet. Seine Mutter und seine Schwester seien zuhause selbst berufstätig (Bearbeitung von Textilien). Der Familie gehe es gut und sie sei auch nie in Afghanistan bedroht worden. Er selbst sei sehr wohl von den Mullahs bedroht worden. Er hätte nicht richtig beten gelernt und sei dann von diesen geschlagen worden.

Befragt, ob er auch von anderen Personen in Afghanistan bedroht worden sei, antwortete er, dass er nur von diesen Mullahs und von den großen Männern im Ort bedroht worden sei. Befragt, wer diese großen Männer im Ort seien, antwortete er, dass er bedroht worden sei, da er die Bibel ausgeteilt hätte. Auf die Frage, "Was heißt, Sie haben die Bibel ausgeteilt?" antwortete er, dass er in einem Geschäft bei einem der großen Männer in Jaghori gearbeitet hätte und er mehr Geld verdienen hätte wollen, da es der Familie finanziell nicht gut gegangen sei. Der Besitzer dieses Geschäftes hätte gesagt, dass er Bibelbücher verteilen solle, damit er etwas dazuverdienen könne. Er wisse von diesem Mann nur, dass es die Bibel gewesen sei. Er wisse nicht genau, was es gewesen sei, da er selber nicht lesen und schreiben könne. Dies hätte er ihm dann gesagt.

Im Iran hätte er keine Angehörigen. Er sei deshalb nicht dortgeblieben, weil er keine Papiere bekommen hätte.

Die Frage, ob er Afghanistan aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen verlassen hätte, bejahte er und antwortete: "Auch wegen dieser Probleme." Den Iran hätte er verlassen, da er keine Papiere und Angst gehabt hätte, von der Polizei aufgehalten und abgeschoben zu werden. Er sei dreimal von der Polizei festgehalten worden woraufhin ihn sein Chef freigekauft hätte. Zweimal im Monat telefoniere er mit seiner Familie. Sein Vater sei Bauarbeiter gewesen - auch oft im Iran.

Nach den Geschwistern befragt, antwortete er, dass diese die normale Schule besuchen würden - keine Koranschule.

Nach seiner Religion befragt, antwortete er, dass er eigentlich Moslem sei, sich aber seit drei Monaten entschlossen hätte, Unterricht übers Christentum zu nehmen. Samstags, freitags auch und sonntags lerne er wegen der Taufe, wie das funktioniere und wann er getauft werde.

Befragt, wann die Taufe sein werde, antwortete er, dass es in sechs bis sieben Monaten soweit sei. Er beantwortete die Frage nach dem Weihnachtsfest (Geburt Jesu). Nach den zehn Geboten befragt, antwortete er, dass er seit drei Monaten den Kurs besuche und sie über den Glauben lernten. Viel wisse er darüber nicht, deswegen sei es für ihn schwer, das ganze jetzt zu lernen, da er nebenbei auch die deutsche Sprache lernen müsse.

Nach den Eltern und Geschwistern befragt, antwortete er, dass alle in XXXX, Jaghori, Ghazni geboren worden seien.

Nach der Ursache für den Wechsel des Glaubens befragt, antwortete er, dass im Islam immer getötet werde und auch er von den Mullahs wegen des Betens usw. geschlagen worden sei.

Aufgefordert, alle Fluchtgründe zu nennen, gab er an, Probleme mit den Mullahs gehabt zu haben, da er nicht richtig beten hätte können, dass er dieses Buch verteilt hätte und man ihn deswegen umbringen hätte wollen - die Mullahs und diese großen Männer aus dem Ort hätten ihn umbringen wollen. Es sei dann in der Moschee gegen sieben Uhr am Abend verbreitet worden und sie hätten erzählt, dass er die Bibel verteile und dass, egal wer ihn festnehme, ihn hinbringen solle, damit sie ihn töten könnten. Deswegen hätte er aus Angst Afghanistan verlassen. Im Falle einer Rückkehr würden ihn die Mullahs töten und die Taliban auch.

Auf den Vorhalt der Erstbefragung, wonach er Afghanistan wegen der schlechten Lage und der Sicherheit verlassen hätte, antwortete er, dass die Lage in Afghanistan wirklich sehr schlecht sei und es auch keine Arbeit gebe und dass durch diese Arbeit - weil er Geld verdienen hätte wollen und dieser Geschäftsbesitzer ihm gesagt hätte, dass er die Bibel verteilen solle - nun bedroht werde.

Von den Taliban sei er nicht bedroht worden. Seine Mutter und Geschwister hätten keine Probleme, weil er die Bibel verteilt hätte. Das Problem sei etwas Persönliches.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer ein Taufzeugnis der iranisch-christlichen Gemeinde vom 22.07.2017 vor.

Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt.

Nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle wurde die afghanische Staatsangehörigkeit und Zugehörigkeit zu den Hazara festgestellt. Weiters wurde ausgeführt, dass die Identität nicht feststehe und er angegeben hätte, dem christlichen Glauben anzugehören. Zu den Gründen des Verlassens des Herkunftsstaats wurde ausgeführt, dass sein vorgebrachter Fluchtgrund nicht glaubhaft sei und ihm im Fall einer Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohe. Seine Mutter, die drei Schwestern, ein Bruder und Onkeln und Tanten väterlicherseits würden noch im Heimatort leben. Gelegentlich sei er mit der Mutter in Kontakt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass er laut dem eingeholten Gutachten volljährig sei. Schon durch die falschen Angaben zu seinem Alter, nämlich, dass er 16 Jahre alt sei, entstünden große Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Auch die Aussage, dass er in einem Geschäft gearbeitete und mehr Geld für seine Familie verdienen hätte wollen und deshalb vom Chef angehalten worden sei ein Buch zu verteilen (die Bibel), lasse gravierende Zweifel aufkommen. Er hätte auch angegeben, dass er die Koranschule besucht hätte. Es werde davon ausgegangen, dass er zumindest ein wenig lesen und schreiben könne und somit wissen hätte müssen, was er verteile. Die Angaben über das Nichtwissen, die Bibel verteilt zu haben, seien nicht glaubhaft. Die Konsequenzen seines Handelns hätten ihm bewusst sein müssen. Dies widerspreche jeder Logik und jeder Lebenserfahrung. Laut seinen Angaben hätte er die Bibel nur aus dem Grund verteilt, um Geld dafür zu erhalten. Diesen Angaben werde Glauben geschenkt, obwohl er gewusst hätte, dass das verboten sei.

Unter Hinweis auf die Ersteinvernahme (Lage in Afghanistan sei schlecht, es gebe keine Sicherheit und keine Arbeit) wurde ausgeführt, dass er keine geplante Konvertierung bzw. eine Verteilung der Bibel im Heimatland angegeben hätte. Schon aus diesen Gründen sei den diesbezüglichen Angaben kein Glauben zu schenken. Auch dass er seine Religion wechseln bzw. ändern hätte wollen, habe er nicht bei der Erstbefragung angegeben. Diese Aussagen hätte er erst im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA getätigt. Dies hätte den Anschein erweckt, dass er seinen Glauben lediglich für ein besseres Asylverfahren gewechselt hätte. Er sei als Moslem geboren worden und auch mit diesen Wertvorstellungen erzogen worden und hätte vier Jahre eine Koranschule besucht. All dies könne nicht so spurlos an ihm vorübergezogen sein, dass man so ohne weiteres den Glauben wechsle. Die Angaben seien nicht nachvollziehbar und glaubhaft. Nachträglich hätte er zwar eine Taufbescheinigung der iranischen christlichen Gemeinde vorgelegt, weshalb von einer Scheinkonversion ausgegangen werde. Es lasse aber den Schluss zu, dass er lediglich zum Christentum konvertiert sei, damit er sich einen besseren Status erschleiche. Bei seiner Einvernahme hätte nicht festgestellt werden können, dass er aus tiefster innerer Überzeugung Christ werden möchte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die mit der Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet wurde. Das BFA habe überdies die Lage einer möglichen Diskriminierung hinsichtlich der Volksgruppe der Hazara und einer Verfolgung wegen seiner Konversion zum Christentum falsch eingeschätzt. Zusätzlich drohe ihm auch als Rückkehrer aus Europa asylrelevante Diskriminierung. Die Lage in Afghanistan sei überdies derart, dass er nicht einmal seine existenziellen Grundbedürfnisse sichern könne.

Im Rahmen der ersten durchgeführten mündlichen öffentlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 09.04.2018 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen und schilderte, dass er aufgrund von Problemen mit dem Mullah Afghanistan verlassen hätte müssen. In weiterer Folge bekräftigte er im Wesentlichen, dass er nunmehr gläubiger Christ sei, regelmäßig die Kirche besuche und ihm aufgrund seiner Konversion in Afghanistan Verfolgung drohe. Überdies gab er bekannt, dass sein Vorname nicht XXXX, sondern XXXX laute und beantragte eine Korrektur. Abschließend legte er Deutschkurszertifikate, eine Kursbesuchsbestätigung, Bestätigungsschreiben des Arbeitersamariterbundes (ASBÖ), Empfehlungsschreiben und Unterstützungsschreiben vor.

Am 11.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung durch, in der fünf Zeugen zur Konversion des Beschwerdeführers befragt wurden. Der Beschwerdeführer legte überdies einen Kurier-Artikel vom 25.04.2018 sowie ein Gutachten von Stahlmann vor.

In einer Stellungnahme vom 14.05.2018 legte der Beschwerdeführer Fotos vor, die unter anderem ihn bei der besagten Veranstaltung des ASBÖ zeigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, führt den im Spruch genannten (korrigierten) Namen XXXX, ist Hazara, aus Ghazni stammend, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist ledig und hat keine Kinder. Er hat keine gesundheitlichen Einschränkungen und ging vier Jahre lang in die Schule in Afghanistan. Seine Familie (Mutter, Bruder und drei Schwestern) lebt im eigenen Haus in Ghazni, Distrikt Jaghori. Der Beschwerdeführer verbrachte die letzten drei Jahre vor seiner Ausreise im Iran. Er hat dort im Baubereich als Fliesenleger gearbeitet und verfügt über dementsprechende Berufserfahrung. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits (eines natürlichen Todes) verstorben. Die Familie des Beschwerdeführers verdient ihren Unterhalt dadurch, dass die Schwester und Mutter des Beschwerdeführers Handarbeiten (Schneider) leisten. Der Beschwerdeführer hat zwei Mal im Monat telefonischen Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer wurde als schiitischer Moslem erzogen. Aufgrund von Erzählungen eines afghanischen Freundes interessiert sich der Beschwerdeführer seit August 2016 für das Christentum. Der Beschwerdeführer besucht regelmäßig die iranisch christliche Gemeinde in der Evangeliumsgemeinde. Am 22.07.2017 wurde der Beschwerdeführer in der iranisch christlichen Gemeinde in der Evangeliumsgemeinde getauft.

Es wird jedoch festgestellt, dass der christliche Glaube nicht wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist. Der Beschwerdeführer würde seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nicht weiter nachkommen. Der Beschwerdeführer würde sein derzeitiges Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nicht nach außen zur Schau tragen. Die afghanischen Behörden und/oder das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers würden von dessen Glaubenswechsel und christlichem Engagement bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Kenntnis erlangen. Der Beschwerdeführer würde im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines Interesses für den christlichen Glauben nicht psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt sein.

Dem Beschwerdeführer droht keine Verfolgung durch die Taliban in Afghanistan.

Ebenso wenig droht dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan.

Des Weiteren droht ihm auch keine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass er im Iran bzw. in Europa gelebt hat. Gleichsam wird festgestellt, dass nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran bzw. Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Der Beschwerdeführer war daher in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er ist jung, gesund, arbeitsfähig und hat Berufserfahrung durch seine Tätigkeit im Baubereich als Fliesenleger. Überdies ist davon auszugehen, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers ihn im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen.

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit Juli 2015 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keine Familienangehörige und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse (zuletzt B1 Niveau) besucht und eine Deutschprüfung auf A2 Niveau positiv absolviert. Er nahm im Jahr 2017 im Rahmen einer Veranstaltung des ASBÖ als ehrenamtlicher Betreuer für Kinder und Jugendliche teil. Er hat im Februar 2018 einen Kurs mit schulanalogem Bildungsprogramm als Kursinhalt besucht. Er verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache im Niveau A2. Seit August 2016 interessiert er sich für das Christentum und besucht die iranisch christliche Gemeinde in der Evangeliumsgemeinde. Er kennt einzelne Personen aus seiner Kirchengemeinschaft. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Er hat falsche Angaben hinsichtlich seines wahren Alters gemacht.

Zu Afghanistan:

1. Sicherheitslage

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2018

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018). Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018).

Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

Quellen:

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Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in Kabul,

https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-kabul-9909494, Zugriff 30.1.2018

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BBC (29.1.2018): Kabul military base hit by explosions and gunfire, http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374, Zugriff 29.1.2018

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-BBC (24.1.2018): Save the Children offices attacked in Jalalabad, Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-asia-42800271, Zugriff 29.1.2018

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BBC (21.1.2018): Kabul: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege, http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517, Zugriff 29.1.2018

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DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on Kabul hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-kabul-hotel/a-42238097, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near Kabul Military Academy Kills 11 Afghan Soldiers, https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/kabul-attack-afghanistan.html, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at Kabul Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,

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Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in Kabul after ambulance bomb,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (24.1.2018): Islamic State claims attack on Jalalabad in Afghanistan,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-jalalabad-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at Kabul hotel,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-kabul-hotel-idUSKBN1F90W9, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at Kabul military academy,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-kabul-military-academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': Kabul reels from deadly ambulance bombing,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (27.1.2018): Kabul: bomb hidden in ambulance kills dozens,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-kabul-blast, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/24/explosion-attack-save-the-children-office-jalalabad-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriffen auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

Quellen:

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al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,

http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017

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BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber, http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850, Zugriff 20.12.2017

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BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320, Zugriff 20.12.2017

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BS - Business Standard (24.11.2017): Key Haqqani network leader among dozens killed in Afghanistan, http://www.business-standard.com/article/news-ani/key-haqqani-network-leader-among-dozens-killed-in-afghanistan-117112400292_1.html, Zugriff 21.12.2017

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Guardian (7.11.2017): Kabul TV station defiantly resumes broadcasting moments after Isis attack ends, https://www.theguardian.com/world/2017/nov/07/gunmen-attack-kabul-tv-station-after-explosion, Zugriff 20.12.2017

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Handelsblatt (20.12.2017): Afghanistan stürzt in politische Krise, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gouverneurs-abloesung-afghanistan-stuerzt-in-politische-krise/20759742.html, Zugriff 21.12.2017

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KUNA - Kuwait News Agency (15.12.2017): Security operations kill 12 rebels in Afghanistan,

http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?id=2669249&language=en, Zugriff 21.12.2017

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Independent (20.10.2017): Kabul attack: Isis claims responsibility for Shia mosque suicide bombing killing at least 30 in Afghan capital,

http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/kabul-attack-latest-update-shia-mosque-suicide-bomb-kills-death-afghanistan-capital-prayers-a8011466.html, Zugriff 20.12.2017

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INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT - The New York Times (11.12.2017): Hunting Taliban and Islamic State Fighters, From 20,000 Feet, https://www.nytimes.com/2017/12/11/world/asia/taliban-isis-afghanistan-drugs-b52s.html, Zugriff 21.12.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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