TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/30 G303 2156671-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2156671-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX, vertreten durch Dr. Peter ALUANI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 02.02.2017, Zl. XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) vH (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 02.12.2016 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren zwei radiologische Befunde angeschlossen. Da die BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" war, wurde dieser Antrag entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung gewertet.

2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 27.01.2017 wird von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, nach persönlicher Untersuchung der BF am 26.01.2017, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen mit Funktionseinschränkung in mehreren Gelenken mit Schwerpunkt auf der Wirbelsäule und den beiden Hüften mit einem künstlichen Kniegelenk Hüfte links und einem Gammanagel rechts Oberer Richtsatzwert, weil die Veränderungen eine mittlere Funktionseinschränkung bewirken. Die Osteoporose wurde hier bereits mitberücksichtigt.

02.02.02

40

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

40 v.H.

Die Gesundheitsschädigung (GS) 1 sei führend und ergebe sich der Gesamtgrad der Behinderung aus ihr.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.02.2017 wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, oben angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten. Demnach betrage der Grad der Behinderung 40 %. Dieses Gutachten wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt.

In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes zitiert.

4. Mit E-Mail vom 04.03.2017, eingelangt bei der belangten Behörde am 06.03.2017, wurde von der BF, vertreten durch den im Spruch genannten Vertreter, Beschwerde gegen den genannten Bescheid vom 02.02.2017 erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass bei der Untersuchung durch den Gutachter mangelnde Sorgfalt vorgelegen sei, da die BF Hörgeräteträgerin sei und eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit von 77 % (Befund Dr. XXXX) habe. Die Schilddrüse der BF sei reseziert und entgegen der Angaben im Gutachten somit nicht tastbar. Der BF sei per Befund eine - durch Coxarthrose bedingte - hochgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung attestiert worden, deshalb würde sie am 27.03.2017 eine Hüft TEP erhalten. Des Weiteren sei unklar was "künstlichen Kniegelenk Hüfte links" in der Begründung bedeute. Auch bestehe bei der BF eine ausgeprägte Drang- und Urgeinkontinenz nach der der Gutachter nicht gefragt habe.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und langten diese am 11.05.2017 ein.

6. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 05.03.2018 wurde der Vertreter der BF vom erkennenden Gericht aufgefordert eine unterfertigte schriftliche Vollmacht vorzulegen. Die unterfertigte schriftliche Vollmacht langte am 15.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Im medizinischen Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin, vom 30.06.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 30.04.2018, im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit Fixer Rahmensatzwert laut vorliegendem Audiogramm unter Berücksichtigung der erforderlichen Hörgeräteversorgung und der Ohrgeräusche

120201 4.Sp. 4. Z

50

2

Degenerative Gelenksveränderungen und Funktionseinschränkung an der Wirbelsäule und an einigen Gelenken wie Hüfte, Schultern, Daumengrundgelenken, künstliches Hüftgelenk rechts 3/2007, künstliches Hüftgelenk links 2007, Osteoporose Unterer Rahmensatzwert entspricht der leichten Bewegungseinschränkung beidseitig bei künstlichen Hüftgelenken bds., der leichten Bewegungseinschränkung an beiden Schultern, der altersentsprechenden Beweglichkeit bis maximal leichten Bewegungseinschränkung an sämtlichen übrigen Gelenken, der zeitweise bestehender Schmerzhaftigkeit, der leichten Bewegungseinschränkung an der Wirbelsäule in mehreren Abschnitten, den fehlenden Wurzelreizzeichen

020202

30

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

60 v.H.

Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass der Behinderungsgrad der führenden GS 1 durch die GS 2 um eine weitere Stufe angehoben werde, da im Zusammenwirken im Alltag eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit bewirkt werde.

Zur Abweichung im Vergleich zum Vorgutachten, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, wurde ausgeführt, dass sich nunmehr ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % ergebe, da die Innenohrschwerhörigkeit vom Vorgutachter mangels Audiogramm nicht eingeschätzt worden sei.

Durch die Entfernung des Gammanagels und die Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes im März 2017 sei es zu einer deutlichen Verbesserung der Beweglichkeit am rechten Hüftgelenk gekommen. Der Einbeinstand sei beidseitig möglich, auch der Knie-Hackenversuch und ein Anhalten sei zumutbar. Daher sei die GS 2 (ehemals GS 1) um eine Stufe herabgesetzt worden.

8. Dem bevollmächtigten Vertreter der BF und der belangten Behörde wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 10.07.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen.

8.1. Eine Stellungnahme wurde dazu seitens der Verfahrensparteien nicht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Bei der BF liegen folgende behinderungsrelevante Funktionseinschränkungen vor:

-

Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit (Grad der Behinderung: 50 %)

-

Degenerative Gelenksveränderungen und Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule und an einigen Gelenken wie Hüfte, Schultern, Daumengrundgelenken, mit Versorgung künstlicher Hüftgelenke beidseits und Osteoporose (Grad der Behinderung: 30 %)

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes der BF steht die Innenohrschwerhörigkeit mit einem Grad der Behinderung von 50 %. Dieser Grad der Behinderung der führenden Gesundheitsschädigung wird durch die degenerativen Gelenksveränderungen und Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule und an einigen Gelenken um eine Stufe angehoben, da im Zusammenwirken der Leiden die körperliche und psychische Belastbarkeit der BF im Alltag zusätzlich einschränkt wird.

Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 60 von Hundert.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz der BF ergibt sich aus einem eingeholten Datenauszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben der BF bei der Antragstellung.

Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin, vom 30.06.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Leiden der BF, deren Ausmaß und deren Wechselwirkungen zueinander ausführlich eingegangen. Nunmehr wurde auch die in der Beschwerde angeführte hochgradige Innenohrschwerhörigkeit der BF als führende Gesundheitsschädigung entsprechend deren Ausmaß laut dem vorgelegten Audiogramm berücksichtigt.

Die Funktionseinschränkungen aufgrund der degenerativen Veränderungen an den Gelenken und an der Wirbelsäule haben sich laut den nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen von Dr. XXXX gebessert, da die Entfernung des Gammanagels erfolgte und ein künstliches Hüftgelenk rechts implantiert wurde. Daher wurde der Grad der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, um eine Stufe herabgesetzt.

Die Einschätzungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen bezüglich des Grades der Behinderung erfolgten entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt und nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen darauf.

Insgesamt konnte aus dem vorliegenden Sachverständigengutachten ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert (vH) objektiviert werden.

Die in der Beschwerde weiters vorgebrachten Leiden, Zustand nach Schilddrüsenoperation und die Drang- und Urgeinkontinenz, erreichen nach der medizinischen Bewertung der Sachständigen Dr. XXXX keinen Grad der Behinderung. Es wurden diesbezüglich auch keine aktuellen medizinischen Beweismittel vorgelegt, welche diesbezüglich maßgebliche Funktionsbeeinträchtigungen attestieren. Daher konnten diese Leiden nicht behinderungsrelevante Gesundheitsschädigungen festgestellt werden.

Der Inhalt des Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder von der BF noch von der belangten Behörde erstattet. Das Sachverständigengutachten vom 30.06.2018 blieb somit im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbestritten.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen somit keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens von XXXX. Dieses Gutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Gegenständlich wurde keine mündliche Verhandlung beantragt. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Insbesondere wurde dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung der BF basierte, im Rahmen des gewährten schriftlichen Parteiengehörs weder von der belangten Behörde noch von der BF widersprochen. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der GRC nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 idgF, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz,

BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idgF) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2 ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, als nachvollziehbar und widerspruchfrei gewertete Sachverständigengutachten von XXXX zu Grunde gelegt.

Alle Gesundheitsschädigungen der BF wurden in dem vorliegenden Sachverständigengutachten berücksichtigt; für jedes einzelne behinderungsrelevante Leiden wurde ein Grad der Behinderung nach der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt.

Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09/0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062). Demnach konnte ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt werden.

Vollständigkeitshalber wird festgehalten, dass über die seitens der BF beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass und über die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde nicht entschieden wurde. Dies ist daher auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Da nunmehr die BF die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt, wird die belangte Behörde über die noch offenen Anträge zu entscheiden haben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2156671.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten