Entscheidungsdatum
04.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W159 2183569-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2018, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9 BFA-VG, 52 Abs. 2 Z 2 und 9 sowie 46 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia, gelangte am 17.09.2014 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 18.09.2014 stattgefundenen Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die XXXX , gab der Antragsteller zu seinen Fluchtgründen an, dass er von den islamistischen Al Shabaab-Milizen verfolgt worden sei, da er sich geweigert habe, am Heiligen Krieg teilzunehmen. Deswegen sei er auch mit dem Tod bedroht worden. Er habe Angst um sein Leben und habe deswegen seine Heimat verlassen.
Nach Zulassung zum Asylverfahren legte der Antragsteller eine Vollmacht an den XXXX vor. Am 09.10.2017 wurde er durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, ausgiebig einvernommen. Er bestätigte, dass er bisher bei der Polizei der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe und diese rückübersetzt und korrekt protokolliert worden seien. Er wiederholte seinen Namen und gab an somalischer Staatsbürger zu sein. Er sei am XXXX in XXXX geboren, er wisse sein Geburtsdatum aber nur ungefähr. Sieben Jahre habe er dort eine öffentliche Schule und weiters auch, allerdings unregelmäßig, zwei Jahre lang eine Koranschule besucht und sechs Jahre lang habe er in der Folge in XXXX als Herrenfrisör selbständig gearbeitet. Er gehöre dem Clan Samaroon an und sei Moslem Sunnit. Seinen Subclan und Subsubclan nannte er. Er habe noch nie Dokumente besessen. In Somalia seien seine Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern aufhältig. Zwei Schwerstern, ein Bruder und seine Großeltern wären bereits verstorben. Außerdem lebe seine Frau mit zwei Kindern auch in XXXX . Seit seiner Ausreise lebe seine Frau mit den Kindern bei ihrer Familie. Sonst habe er nur noch eine Tante in Somalia. Seine Mutter habe als Gewürzverkäuferin gearbeitet. Von dem Verdienst habe die gesamte Familie gelebt. Sein Vater habe nicht mehr gearbeitet. Seine Geschwister seien jünger und würden noch in die Schule gehen und auch nicht arbeiten. Er habe durch seine Arbeit die restliche Familie unterstützt. Auch seine Frau habe nicht gearbeitet. Sie hätten ein selbstgebautes Haus in XXXX gehabt. Er habe nach wie vor regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Familie in Somalia. Probleme mit den Behörden habe er nicht gehabt, es habe auch keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen gegeben. Politisch sei er auch nicht tätig gewesen. Auch wegen seiner Clanzugehörigkeit habe er kein Problem gehabt. Lediglich religiöse Scheichs hätten ihm ein Problem gemacht.
Zu den Fluchtgründen befragt, gab er an, dass religiöse Scheichs im September 2013 ihm gesagt hätten, dass seine Art die Haare zu schneiden unislamisch wäre. Eines Abends, ca. um 22:30 Uhr, im September 2013, wären die Scheichs zu ihm gekommen, hätten ihn geschlagen und wären dann wieder gegangen. Er habe am nächsten Tag den Vorfall bei der Polizei angezeigt. Die Polizei habe dann die Scheichs geholt. Er habe aber nur zwei der drei Männer wiedererkannt. Die Männer hätten das dann abgestritten und die Polizei habe sie freigelassen. Sie hätten ihm wieder vorgeworfen, dass er unreligiöse Dinge macht. Sie hätten ihn auch zu acht geschlagen und sein Geschäft zerstört. Durch einen Glassplitter eines Fensters, das sie kaputtgeschlagen hätten, sei er an der Nase verletzt worden. Er habe sie gefragt und sie hätten gesagt, dass sie der Al Shabaab angehören würden. Als sein Geschäft zerstört worden sei, hätte er nicht mehr gearbeitet. Er habe dann erfahren, dass sie nach ihm suchen würden und habe sich anderwärtig um Arbeit umgesehen. Nach ca. einem Monat sei er wiederum einem der drei Männer begegnet. Dieser hätte ihn beschimpft und er hätte zurückgeschimpft. Zwei Tage später sei er vor seinem Haus überfallen worden und sei er dann zu einem Freund gelaufen. Am nächsten Tag sei er dann mit dem Bus nach Äthiopien gefahren. Den Ausreiseentschluss habe er schon im Jänner 2014 gefasst, ausgereist sei er allerdings erst am 15.04.2015. Außer den geschilderten Problemen habe er keine weiteren Probleme im Herkunftsland gehabt. Bei einer Rückkehr habe er Angst, dass er getötet werde, weil die Männer noch immer dort wären.
In der Folge wurden dem Beschwerdeführer Widersprüche zur Erstbefragung vorgehalten. Er ergänzt auch noch, dass die acht Scheichs geschrien hätten, sie würden schwören ihn zu töten und dass sie mit Holzstöcken bewaffnet gewesen wären. Über Vorhalt, dass seine Befürchtungen auf Vermutungen und Spekulationen beruhen würden, gab er an, dass er von seiner Familie weggejagt worden sei.
In Österreich lebe er von der Grundversorgung. Er besuche einen Deutschkurs A1. Weitere Ausbildungen habe er in Österreich nicht genossen. Bei Vereinen sei er auch nicht aktiv. Seine sozialen Kontakte würden sich auf Freunde aus der Asylunterkunft, Somalier und Afghanen, beschränken.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchteil IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchteil V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen festgelegt.
In der Begründung des Bescheides wurde zunächst der Verfahrensgang sowie die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Fluchtgründe widersprüchlich wären, insbesondere gäbe es erhebliche Widersprüche zur Erstbefragung und seien die Fluchtgründe insgesamt nicht realistisch und nachvollziehbar und daher unglaubwürdig. Es sei auch völlig unrealistisch, dass die Al Shabaab nur mit Stöcken bewaffnete Männer ausschicke. Schließlich habe der Beschwerdeführer selbst zugegeben, aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen zu sein ("Ich möchte lernen, leben und Karriere machen ...").
Rechtlich begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass den behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei und deswegen auch kein internationaler Schutz zu gewähren gewesen sei, da auch aus den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine Tatsachen, welche Hinweise auf einen asylrelevanten Sachverhalt gegeben hätten, hervorgekommen wären.
Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass keine Gründe für die Annahme bestünden, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat in seinem Leben oder seiner Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Darüber hinaus leide der Beschwerdeführer unter keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Es liege im Falle einer Abschiebung kein Verstoß gegen Artikel 3 EMRK vor. Auch wenn sich die Situation im Falle einer Rückkehr möglicherweise schwierig gestalten würde, so sei in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Situation festzuhalten, dass von einer allgemein lebensbedrohenden Notlage in Somalia, die die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK bewirken würde, nicht ausgegangen werden könne. Ansonsten wäre nichts hervorgekommen, dass er bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Der Beschwerdeführer könne jedenfalls zu seiner Familie und zu seinen Verwandten zurückkehren und könnte von diesen Unterstützung erwarten und im Falle einer freiwilligen Rückkehr überdies Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Es würden daher auch keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen würden, dass er bei einer Rückkehr nach Somalia in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK darstellen würde. Der Antragsteller habe überdies keinen unter Paragraf 57 Asylgesetz fallenden Sachverhalt geltend gemacht, sodass kein diesbezüglicher Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen sei. Er führe weiters kein Familienleben in Österreich und sei erst seit September 2014 im Bundesgebiet aufhältig. Es lägen auch keine Aspekte einer außergewöhnlichen und schützenswerten Integration vor und insgesamt kein schützenwertes Privatleben. Außerdem stelle die illegale Einreise einen nicht bloß geringfügigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar. Schließlich habe der Beschwerdeführer wesentlich mehr Bindungen zu Somalia als zu Österreich, weshalb insgesamt ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes festzustellen sei. Die Rückkehrentscheidung sei daher zulässig. Wie bereits dargelegt, ergebe sich im vorliegenden Fall keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG und stünde einer Abschiebung auch keine Empfehlung des EGMR entgegen, sodass diese als zulässig zu bezeichnen sei. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hätten ebenfalls nicht festgestellt werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch den XXXX , Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, wobei der Bescheid in sämtlichen Spruchteilen angefochten wurde. In der Beschwerde wurde zunächst kursorisch das bisherige Vorbringen wiederholt. Hinsichtlich der Beweiswürdigung wurde darauf hingewiesen, dass die polizeiliche Erstbefragung nicht dazu angetan sei, die Fluchtgründe des Asylwerbers erschöpfend darzustellen. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid könne auch von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung Asylrelevanz zukommen, wenn der Staat nicht gewillt und in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden, wie dies im Falle des Beschwerdeführers gegeben sei. Die Behörde habe auch weitere Recherchen zu den Fluchtgründen und der Sicherheitslage im Herkunftsstaat unterlassen. Überdies würde der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in Somalia in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei keine adäquate Beurteilung erfolgt. Insgesamt sei das Vorbringen des Beschwerdeführers glaubwürdig und substantiiert und wäre ihm daher nach der GFK Asyl zu gewähren gewesen, allenfalls aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage und Hungersnot in seiner Heimat sowie des Fehlens einer innerstaatlichen Fluchtalternative subsidiären Schutz zu gewähren gewesen.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte nach einer Verhandlungsbitte der Beschwerde-vertretung eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung für den 26.06.2016 an, zu der sich das Bundesamt wegen Nichtteilnahme entschuldigen ließ. Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung einer Mitarbeiterin der ausgewiesenen Vertretung. Der Beschwerde-führer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und wollte dieses weder ergänzen noch korrigieren. Er sei somalischer Staatsangehöriger, besitze darüber aber keine Dokumente. Weiters sei er Moslem Sunnit und gehöre dem Clan Samaroon an. Auch seinen Subclan und Subsubclan nannte er. Auf Nachfrage gab er an, dass der Clan Gadabuursi weitgehend ident mit dem Clan Samaroon sei. Dieser sei ein Minderheitenstamm in Somalia. Die meisten würden in Nord-Somalia leben. Mehr könne er dazu nicht angeben. Gefragt, ob der Clan in einer bestimmten Gegend dominierend sei, gab er an, dass dies in der Provinz XXXX mit der Hauptstadt XXXX sei. Wegen seiner Clanzugehörigkeit habe er keine Probleme in Somalia gehabt. Er sei am XXXX in XXXX geboren. Gefragt, ob er tatsächlich am XXXX geboren sei oder ob er sein genaues Geburtsdatum nicht wisse und dass deswegen der XXXX als Geburtsdatum angenommen sei, gab er an, dass er eigentlich nur sein Geburtsjahr wisse. Er habe von seiner Geburt bis zur Ausreise immer in XXXX gelebt. Die Anzahl der Einwohner könne er nicht sagen. Es sei ein trockenes Land dort. Es gäbe dort auch zwei Universitäten, welche er auch namentlich nannte, sowie drei Spitäler, weiters ein Stadion und einen Stadtpark, auch einen Flughafen hätte es gegeben, aber dieser funktioniere nicht mehr.
Er habe acht Jahre die Grundschule in XXXX besucht. Ob seine Eltern noch leben würden wisse er nicht, denn seit September letzten Jahres habe er keinen Kontakt mehr mit ihnen. Aufgrund der Dürre hätten sie das Heimatdorf verlassen und seither sei der Kontakt abgerissen. Er habe noch zwei Schwestern und zwei Brüder, die am Leben wären. Ein Bruder und zwei Schwestern seien bereits einen natürlichen Tod gestorben. Außerdem sei er verheiratet und habe zwei Söhne. Auch zu seiner Frau und seinen Kindern, seinen Eltern und Geschwistern habe er keinen Kontakt mehr. Vor seiner Heirat habe sie ihre Mutter versorgt, nachdem er geheiratet habe, habe er als Friseur gearbeitet. Seine Mutter habe Obst und Gemüse verkauft; über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 101) angegeben habe, dass seine Mutter Gewürze verkauft habe, gab er an, dass sie Obst, Gemüse und Gewürze verkauft hätten. Sie hätten keine wirtschaftlichen Probleme gehabt und hätten der Mittelschicht angehört. Politisch betätigt habe er sich in Somalia nicht.
Gefragt nach seinen Problemen gab er an, dass er ab dem Jahre 2008 als selbstständiger Friseur begonnen habe zu arbeiten und er viele Kunden zum Haareschneiden gehabt habe. Im Jahr 2012 seien einige Scheichs zu ihm in das Geschäft gekommen und hätten ihm gesagt, dass es nicht gut sei, so wie er die Haare schneide und er die Haare so schneiden solle, wie die Scheichs das wollten. Es habe jedes Jahr eine Modefrisur gegeben, aber die Scheichs seien dagegen gewesen. Die Scheichs hätten gewollt, dass man entweder eine Glatze schneide oder die Haare ganz kurz wären. Sie hätten auch gesagt, dass einige ihrer Schüler ihnen gesagt hätten, dass er ihnen die Haare so geschnitten habe. Er habe ihnen geantwortet, dass er die Haare so schneide, wie seine Kunden dies wünschten. Sie hätten dann nur gesagt, dass er darüber nachdenken solle und seien weggegangen. Am dritten Abend seien die drei Scheichs wieder zu ihn gekommen und hätten angefangen ihn zu beschimpfen und die Spiegel im Geschäft zu zerstören. Sie hätten ihn auch mit einem Holzstock geschlagen. Von einem Splitter des zerstörten Spiegels sei er an der Nase verletzt worden. Er habe sie immer wieder gefragt, warum sie sein Geschäft zerstört hätten. Einer der drei Männer habe ihm gesagt, dass sie Mitglieder der Al Shabaab wären. Als er diese Antwort gehört habe, sei er weggelaufen. Da er Angst gehabt habe, sei er nicht nach Hause gegangen, sondern hätte bei einem Freund übernachtet. Am nächsten Tag sei er zur Polizeistation gegangen, um sie anzuzeigen. Er habe nur einen der drei Scheichs namentlich gekannt. Der Polizist habe ihn dann einvernommen. Die Polizei habe die drei Scheichs ausfindig gemacht und einvernommen, aber nach der Einvernahme wieder nach Hause geschickt. Die drei Männer hätten behauptet, dass er die Haare nicht so schneide, wie es die Religion erlaube. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 105) angegeben habe, dass die Probleme mit den Scheichs erst im September 2013 begonnen hätten und er nunmehr von 2012 spreche, gab er an, dass sie das erste Mal 2012 Kontakt aufgenommen hätten. Über Vorhalt, dass es unplausibel sei, dass Scheichs - nämlich religiöse Würdenträger - ihn selbst mit Stöcken geschlagen haben, gab er an, dass die maskierten Scheichs eine Koranschule führen würden und mit Holzstöcken gekommen wären. Sie hätten dünne und dicke Holzstöcke, geschlagen hätten sie ihn mit einem dicken Holzstock.
Nachdem er die Polizeistation verlassen habe, habe er beschlossen, ein normales Arbeitsleben anzufangen und er habe zwei Monate lang keine Arbeit gefunden. Er habe dann begonnen, außerhalb von XXXX zu arbeiten. Als er eines Abends am Weg nach Hause war, habe ihn einer dieser Scheichs gesehen und habe begonnen ihn grundlos zu schlagen. Er habe auch zurückgeschlagen. Ein paar Passanten hätten sie dann auseinandergebracht. Er sei dann nach Hause gegangen. Nach einer Stunde seien dann acht Männer zu ihm nach Hause gekommen. Sie hätten zuerst an die Tür geklopft, seine Frau habe aufgemacht, zwei mit einem dicken Holzstock Bewaffnete seien auf ihn losgegangen. Er habe geschrien und habe sich nicht verteidigen können. Er hab dann versucht, wegzulaufen. Sie seien ihm nachgelaufen, aber sie seien ältere Männer gewesen und hätten ihm nicht folgen können. Er sei dann direkt zum Haus seines Freundes gelaufen und habe dort eine Nacht verbracht. Am selben Abend habe ihn seine Mutter angerufen und habe ihm gesagt, dass er in Gefahr sei und dort nicht weiterleben könne. Am nächsten Tag sei er schon nach Äthiopien ausgereist. In der Folge wurden ihm Differenzen zur Aussage beim BFA vorgehalten. Die acht Männer hätten nicht gesagt, dass sie alle von der Al Shabaab wären, aber einer der Männer sei Mitglied der Al Shabaab gewesen. Das habe er gewusst. Außerdem seien sie maskiert gewesen. Das BFA habe es weiters als unplausibel angesehen, dass Männer, die teilweise Al Shabaab-Mitglieder gewesen wären, ihn nur mit Stöcken geschlagen hätten und nicht mit Schusswaffen losgegangen wären. Daraufhin sagte er, dass die Al Shabaab-Mitglieder in Mogadischu und Umgebung mit AK47 bewaffnet wären, aber die Al Shabaab-Mitglieder in Nordsomalia nicht so bewaffnet wären. Die Al Shabaab habe auch nicht versucht, ihn zwangsweise zu rekrutieren. Über Vorhalt, dass er dies bei der Erstbefragung behauptet habe, bestritt er dies. Nachdem die Männer ihn in ihrem Haus angegriffen hätten, hätte er Angst gehabt, getötet zu werden und habe sich deswegen entschlossen, das Land zu verlassen. Den Entschluss habe er Anfang 2014 gefasst. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 109) gesagt habe, dass ihn seine Familie davongejagt hätte, bestritt er dies. Seine Familie sei noch bis September 2017 in XXXX gewesen, dann hätten sie die Stadt verlassen. Bis September 2017 habe er noch Kontakt mit seiner Familie gehabt, dann sei er abgerissen. Er habe in dieser Zeit aber nichts von seiner Familie gehört, das ihn persönlich betreffe. Er habe am 14.04.2014 Somalia verlassen und sei mit einem Bus nach Äthiopien, von dort in den Sudan und über die Sahara nach Libyen und schließlich über das Mittelmeer nach Italien gelangt.
Er habe keine organischen oder psychischen Probleme, fühle sich aber gestresst, weil er sich Sorgen um seine Familie mache. In psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung sei er allerdings nicht. In Österreich habe er zweimal in der Woche einen Deutschkurs besucht, seit Mai 2018 aber nicht mehr. Er habe nach dem negativen Verfahrensabschluss keine Möglichkeit mehr gehabt, einen Deutschkurs zu besuchen. Ein Deutschdiplom habe er aber auch noch nicht erworben. Manchmal arbeite er aber ehrenamtlich in der Flüchtlingsunterkunft im Garten. Er habe sich auch bei einer Friseurfirma beworben. Sie hätten geprüft, ob er Haare schneiden könne. Da er aber keinen Aufenthaltstitel habe, hätte ihn diese nicht aufnehmen können. Bei Vereinen oder Organisationen sei er nicht, österreichische Freunde habe er auch noch nicht.
Er könne aus drei Gründen nicht nach Somalia zurückkehren, nämlich sein Clan sei unbewaffnet und könne ihn nicht schützen. Er wisse auch nicht, wo seine Familienangehörigen seien und die Al Shabaab sei nach wie vor dort. Die Dürre habe die Region stark getroffen. Er habe Angst, getötet zu werden. Über Vorhalt, dass es in seiner Heimatregion keine Al Shabaab gäbe und auch die Nahrungsmittelversorgung besser sei als in vielen anderen Teilen Somalias, bestritt er dies und gab an, dass die Al Shabaab sehr wohl dort sei und die Dürre stark sei. Es habe Unwetter gegeben und seien Menschen in der Folge auch an Durchfall gestorben. Ein weiteres Vorbringen habe er nicht.
Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des BF, indem keine Verurteilung aufscheint.
Am Schluss der Verhandlung wurden gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Verfahrensparteien folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.
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Aktualisiertes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 03.05.2018
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Aktualisiertes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somaliland vom 03.05.2018
* - Wikipedia Gadabuursi-Clan
* - Somali-Net Forum Gadabuursi und Samaroon-Clan
* - Wikipedia XXXX
Von der Möglichkeit einer Stellungnahme machte lediglich der Beschwerdeführer Gebrauch: In dieser wurde auf die katastrophale Sicherheitslage und die fehlende Existenzmöglichkeit im Falle einer Rückkehr hingewiesen. Außerdem sei der Aufenthaltsort der Familie ungewiss und er würde bei einer Rückkehr nicht über ein familiäres Netzwerk verfügen. Zitiert wurde aus Berichten des Roten Kreuzes und der Wiener Zeitung sowie von Radio Vatikan. Beantragt wurde, dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, da für ihn die reale Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia bestehe. Außerdem habe der Beschwerdeführer große Anstrengungen zu seiner Integration unternommen und möge in eventu eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat (wie folgt festgestellt und) erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, Moslem Sunnit und gehört dem Clan Samaroon an. Er wurde XXXX in XXXX in Somaliland geboren und hat auch dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Sein Clan ist in der Herkunftsregion der vorherrschende. Bis September 2017 haben seine Eltern, zwei Schwestern, zwei Brüder sowie seine Frau und zwei Söhne noch in XXXX gelebt. Seine Mutter hat die Familie als Obst-, Gemüse und Gewürzverkäuferin ernährt. Sie hatten keine wirtschaftlichen Probleme, sondern gehörten der Mittelschicht an. Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht politisch betätigt und auch nicht wegen seiner Clan-Zugehörigkeit irgendwelche Probleme gehabt. Er hat als selbstständiger Friseur gearbeitet. Zu den Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Der Beschwerdeführer hat Somalia am 14.04.2014 Richtung Äthiopien verlassen und gelangte dann über den Sudan, Libyen und Italien nach Österreich.
Der Beschwerdeführer leidet unter keinen schwerwiegenden organischen oder psychischen Erkrankungen. Er behauptet, dass seine Familie im September 2017 wegen der Dürre XXXX verlassen hat und er seither keinen Kontakt mehr mit ihnen hat. In Österreich habe er wohl schon Deutschkurse besucht und gelegentlich ehrenamtlich gearbeitet, aber keine Deutsch-Diplome erworben oder sonstige Ausbildungen absolviert und ist auch keiner Erwerbsarbeit nachgegangen. Er ist auch nicht Mitglied bei Vereinen oder Institutionen und verfügt auch über keine österreichischen Freunde. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
Zu Somaliland wird folgendes festgestellt:
1. Politische Lage
Anstehende Wahlen wurden wiederholt verschoben (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017). Diese erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland. Das Oberhaus, die Guurti, geht in das zwölfte Amtsjahr, ohne wiedergewählt zu sein (AA 1.1.2017).
Die Präsidentenwahlen wurden im März 2017 erneut verschoben (UNSC 9.5.2017). Allerdings war diese Verschiebung angesichts der Dürresituation u.a. auch von den Oppositionsparteien gefordert worden (FT 29.6.2017; vgl. BFA 3./4.2017). Im November 2017 wurden die Wahlen schließlich abgehalten. Gewonnen hat der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Er gewann die Wahl mit 55% und ist damit der fünfte Präsident seit der Ausrufung der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Nach den Wahlen war es zu Demonstrationen gekommen, da der unterlegene Kandidat der Wadani-Partei das Ergebnis zuerst nicht anerkennen wollte. Die Situation beruhigte sich bald. Internationale Wahlbeobachter erklärten, dass die Wahlen internationalen Standards entsprochen haben (VOA 21.11.2017). Es kam zu keinen signifikanten Irregularitäten (ISS 10.1.2018).
Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen erlebt (AA 1.1.2017). Im Westen und in den zentralen Teilen von Somaliland ist es gelungen, einfache Regierungsstrukturen zu etablieren. Da die Regierung aber nur wenig externe Unterstützung erhält, wird nur eine minimalistische Verwaltung geboten; dabei konzentriert man sich auf die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (BS 2016). Es ist mit internationaler Hilfe gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017).
Somaliland hat beachtliche demokratische Erfolge erzielt (UNDP 10.12.2017). Somaliland gilt als Vorbildstaat am Horn von Afrika. Obwohl es kaum internationale Unterstützung erhielt, klappt die Demokratie ebenso wie Bildung und Frieden (SZ 13.2.2017). Somaliland ist es gelungen, eine Wahldemokratie aufzubauen. Das Land ist dabei, diese Staatsform zu konsolidieren. Wahlen wurden bisher von Beobachtern als halbwegs frei und fair beschrieben. Die demokratischen Institutionen Somalilands arbeiten recht gut, ihre Arbeit wird aber durch einen Mangel an Ressourcen und geringe Kapazitäten des öffentlichen Dienstes erschwert. Außerdem kommt es zu Bevorzugungen auf Basis des Clans. Trotzdem haben die gewählten politischen Repräsentanten seit den ersten demokratischen Wahlen im Jahr 2002 an Legitimität und Macht gewonnen. V.a. die Bevölkerung in den westlichen und zentralen Teilen Somalilands akzeptiert die bestehenden Regierungsinstitutionen - allerdings nicht exklusiv. Auch traditionelle Normen und Institutionen bestehen fort. Während Somaliland also bei der Wiederherstellung staatlicher Strukturen und demokratischer Reformen erfolgreich war, kämpft das Land mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem inakzeptablen Maß an Armut geprägt (BS 2016).
Gemäß der 2001 angenommenen Verfassung durften politische Parteien gegründet werden und an den Kommunalwahlen 2002 teilnehmen. Allerdings durften nur die drei in diesen Kommunalwahlen stärksten Parteien dauerhaft etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Damit soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Zunächst erhielten die UDUB (Ururka Dimuqraadiga Ummadda Bahawday, Union der Demokraten) sowie Kulmiye (Solidarität) und UCID (Ururka Caddaalada iyo Daryeelka, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) die dauerhafte Zulassung (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Bei Gemeindewahlen sind alle registrierten politischen Vereinigungen zugelassen; und die Gemeindewahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden. Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung für Kulmiye, UCID und Waddani als nationale Parteien (BS 2016). Die UDUB verlor die Zulassung, stattdessen wurde die Waddani-Partei im Rahmen eines festgelegten Verfahrens zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 1.1.2017).
Das Innenministerium hat 2.700 Sultane registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017).
Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016). Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland und dem Rest des Landes ist problematisch (AA 4.2017a).
Das nicht-anerkannte Somaliland ist vom Großteil externer (finanzieller) Unterstützung abgeschnitten. Dies hat dazu geführt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen Regierung und Bürgern ungewöhnlich stark ist. Die Demokratie hat sich aus einer Reihe großer Clankonferenzen entwickelt und ist damit mit einem hohen Maß an Legitimität versehen (ECO 13.11.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017
-
BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
-
BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017):
Informationen aus den Protokollen der FFM
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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ECO - The Economist (13.11.2017): Why Somaliland is east Africa's strongest democracy,
https://www.economist.com/blogs/economist-explains/2017/11/economist-explains-7, Zugriff 10.1.2018
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FT - Financial Times (29.6.2017): Somaliland offers investors chance to make history,
https://www.ft.com/content/a28c8440-5672-11e7-9fed-c19e2700005f, Zugriff 10.1.2018
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ISS - Institute for Security Studies (10.1.2018): Somaliland's New President Has Work to Do,
http://allafrica.com/stories/201801100719.html, Zugriff 10.1.2018
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SZ - Süddeutsche Zeitung (13.2.2017): Wo Mütter die Wirtschaft schmeißen,
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/somaliland-wo-muetter-die-wirtschaft-schmeissen-1.3377028, Zugriff 10.1.2018
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UNDP - UN Development Programme (10.12.2017): Somaliland applies global resilience expertise to drought response, https://reliefweb.int/report/somalia/somaliland-applies-global-resilience-expertise-drought-response, Zugriff 12.1.2018
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
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VOA - Voice of America (21.11.2017): Somaliland Ruling Party Candidate Bihi Wins Election,
https://www.voanews.com/a/somaliland-ruling-party-candidate-bihi-wins-election/4128446.html, Zugriff 5.1.2018
2. Sicherheitslage
Hinsichtlich Somaliland ist kein essentielles Sicherheitsproblem bekannt (BFA 8.2017). In Somaliland herrscht Frieden (ZEIT 22.11.2017). Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 4.2017a). Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 3.3.2017).
In Somaliland wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 1.1.2017). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 6.9.2017; vgl. ÖB 9.2016). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017). Insbesondere die Regionen Awdal, Woqooyi Galbeed und Togdheer gelten als relativ friedlich (EASO 2.2016). Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen (BS 2016).
Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 6.9.2017). Anschläge oder Kampfhandlungen der al Shabaab gab es keine (ÖB 9.2016), die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete (AA 1.1.2017). Seit 2008 hat es in Somaliland keine terroristischen Aktivitäten der al Shabaab mehr gegeben. Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass die al Shabaab in Hargeysa über eine Präsenz verfügt. Die Kapazitäten der al Shabaab in Hargeysa sind jedoch gering. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten der al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017). In Sool (v.a. Laascaanood) und Sanaag scheint die Präsenz der al Shabaab verstärkt worden zu sein (SEMG 8.11.2017).
Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren. Über 50 Angehörige der al Shabaab befinden sich in somaliländischen Gefängnissen. Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017).
Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, in Somaliland Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 1.1.2017).
Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017). Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 1.1.2017) und international nicht anerkannt. Dort kommt es gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 9.2016) bzw. zu kleineren Scharmützeln mit beheimateten Milizen (AA 4.2017a). Dabei geht es um die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag (BFA 8.2017).
In der Grenzregion Sanaag bestehen Spannungen (ÖB 9.2016). Der Osten der Region Sanaag steht nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung; überhaupt hat die Regierung in den Gebieten der Warsangeli keinen großen Einfluss. Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017).
Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und die Vertreter halten sich oft in Äthiopien auf, wo sie von Somaliland nicht verfolgt werden können. Der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen (EASO 2.2016). Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen (ÖB 9.2016). Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten Ost-Somalilands an der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil. Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind. Diese sind im Jahr 2017 - vermutlich aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Verknappung der Ressourcen - eskaliert. Dabei standen sich in erster Linie Subclans der Dulbahante gegenüber. Im weitesten Sinne ist das Gebiet von Khatumo also immer noch ein ‚umstrittenes' Gebiet. Die somaliländische Polizei und die Armee werden häufig in die Region verlegt, zuletzt vor allem im Zuge der Wählerregistrierung. Auch gegenwärtig verfügt die somaliländische Armee in Ost-Somaliland über eine verstärkte Präsenz (BFA 8.2017).
Der Führer des selbsternannten "Khatumo-Staates", Ali Khalif Galayd, hat Friedensgespräche mit Somaliland initiiert; dabei wurde im Juni 2017 auch die "Rückkehr" von Khatumo zu Somaliland in Aussicht gestellt (UNSC 5.9.2017) und es ist zu einer Einigung gekommen (SEMG 8.11.2017).
Derzeit ist das Verhältnis zwischen Khatumo und Somaliland relativ vernünftig. Man führt Verhandlungen. Allerdings zerfällt die pro-Khatumo-Front innerhalb der Dulbahante zusehends. Einige Älteste unterschiedlicher Subclans haben dem Präsidenten von Khatumo schon die Unterstützung entzogen. Diese Spaltung spiegelt sich etwa in Form der Schaffung der Dulbahante Liberation Front (DLF) wider (BFA 8.2017). In der Folge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fraktionen der Dulbahante. Im Zuge der Vorbereitungen der somaliländischen Präsidentschaftswahl ist es zu Angriffen von Dulbahante-Milizen auf mit der Wahl verbundenen Zielen gekommen (SEMG 8.11.2017).
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Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd. Laut Lagekarte verfügt Somaliland in den einfarbig markierten Landesteilen über relevanten Einfluss. Somaliland kann dafür auf die maßgeblichen Ressourcen zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Schraffierte Gebiete unterliegen dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien (hier: Somaliland, Puntland). Strichlierte Linien umreißen die Operationsgebiete weiterer, weniger relevanter Parteien mit geringerem Einfluss (hier: Clan-Milizen; al Shabaab in den Golis/Galgala Bergen) (BFA 8.2017).
Nur verhältnismäßig kleine Teile der somaliländischen Einflusszonen sind umstritten:
* Die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag zwischen Puntland und Somaliland;
* In den Bezirken Buuhoodle, Laascaanood, Xudun und Taalex kommt es sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und einzelnen Dulbahante-Milizen;
* Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet.
* Im Gebiet der Galgala-Berge an der Grenze von Somaliland und Puntland hat sich bereits vor Jahren eine Gruppe der al Shabaab festgesetzt. Sie unternimmt von dort aus - meist kleinere - Operationen ins Umland (BFA 8.2017).
In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 29 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 29 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 24 derartige Vorfälle (davon 17 mit je einem Toten). Im Laut ACLED Datenbank entwickelte sich die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in Somaliland folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):
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(ACLED 2016) (ACLED 2017)
Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "violence against civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist; auch "normale" Morde sind inkludiert):
Tabelle kann nicht abgebildet werden
(ACLED 2016) (ACLED 2017)
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017
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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018
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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 21.12.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017