Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des ME in L, vertreten durch Dr. Karl Glaser, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. August 1998, Zl. VerkR-392 740/5-1998/Vie, betreffend Entziehung und Befristung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen C, E und G entzogen und die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und F bis 2. September 1998 befristet; gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer bis zur behördlichen Feststellung der körperlichen und geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen keine neue Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen C, E und G erteilt werden darf.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf das von der belangten Behörde als schlüssig erachtete Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen vom 2. September 1997, wonach der Beschwerdeführer wegen festgestellter Schwächen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen, gesteigerter Risikobereitschaft und einer Schwäche im Reaktionsverhalten nach Alkoholproblematik zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen C, E und G nicht geeignet und zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F auf die Dauer eines Jahres bedingt geeignet sei. Der ärztliche Amtssachverständige folgte bei dieser Beurteilung dem Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 26. August 1997 (erstellt auf Grund einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 20. August 1997). Laut diesem Befund sei der Beschwerdeführer vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung aus zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen C, E und G "derzeit nicht geeignet", der Gruppen A, B und F "bedingt geeignet", wobei in Anbetracht der festgestellten Einschränkungen im funktionalen Bereich und der Gefährdungsmomente im Bereich der Persönlichkeit eine Befristung auf ein Jahr empfohlen wurde. In der "Zusammenfassung der Befunde/Gutachten" heißt es, die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen wiesen mäßige Schwächen in den Bereichen des Reaktionsverhaltens in Mehrfachwahlsituationen sowie der Konzentrationsfähigkeit (Sorgfaltsleistung) auf, sie seien in den übrigen Bereichen aber durchwegs durchschnittlich bis gut durchschnittlich ausgeprägt. Die Befundlage zur Persönlichkeit verweise auf eine Neigung zu Unbekümmertheit und Sorglosigkeit sowie auf eine gewisse Gleichgültigkeit, insbesondere gegenüber negativen Verhaltenskonsequenzen. Außerdem ergäben sich Hinweise auf eine gesteigerte Risikobereitschaft. Diese Merkmalskonstellation verweise auf eine nach wie vor bestehende Anpassungsproblematik, die sich auch auf das zukünftige Verhalten im Straßenverkehr negativ auswirken könnte, zumal auch keine Hinweise auf eine zwischenzeitliche Verhaltensänderung dem Alkohol gegenüber vorlägen.
Die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung beruht demnach auf einem verkehrspsychologischen Befund und einem ärztlichen Gutachten, die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (10. September 1998) bereits älter als ein Jahr waren. Dies widerspricht der Vorschrift des § 67 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967, wonach das ärztlichen Gutachten im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein darf (was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in gleicher Weise für den Fall gilt, dass sich das Gutachten in entscheidenden Punkten auf Unterlagen stützt, die bereits vor mehr als einem Jahr vor Erlassung des Bescheides zustande gekommen sind - siehe das Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/11/0308, mwN). Dazu kommt, dass der verkehrspsychologische Befund mangels Angabe der den betreffenden Beurteilungen jeweils zugrunde gelegten, nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte nicht nachvollziehbar ist. Damit ist insbesondere nicht erkennbar, ob der jeweilige Grenzwert erreicht oder verfehlt wurde (und in welchem Ausmaß).
Der angefochtene Bescheid ist mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet. Er war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. August 1999
Schlagworte
Gutachten Auswertung fremder BefundeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110251.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
16.06.2010