Entscheidungsdatum
21.09.2018Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
L521 2198879-1/3E
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. in der Beschwerdesache der XXXX, als Masseverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des XXXX, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 16.01.2018, Zl. 17-2017-BE-VER10-00053, betreffend Haftung als vertretungsbefugtes Organ für Beiträge zur Sozialversicherung nach Beschwerdevorentscheidung vom 02.05.2018 den
BESCHLUSS
gefasst:
A)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei wurde mit Schreiben der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 21.12.2017 zur Kenntnis gebracht, dass sie als zur Vertretung der XXXX berufe Person für Beitragsrückstände dieser Gesellschaft zur Sozialversicherung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften würde. Der beschwerdeführenden Partei wurde eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme eingeräumt.
Eine Reaktion der beschwerdeführenden Partei auf die Note der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 21.12.2017 ist nicht aktenkundig.
2. Mit an die beschwerdeführende Partei adressiertem Bescheid vom 16.01.2018, Zl. 17-2017-BE-VER10-00053, verpflichtete die Salzburger Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Partei zur Zahlung von EUR 6.667,27 zuzüglich Verzugszinsen in der gesetzlichen Höhe binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang.
Begründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, die XXXX sei im vom Landesgericht Salzburg geführten Firmenbuch zu XXXX eingetragen und scheine die beschwerdeführende Partei seit dem 29.12.2015 als Geschäftsführer der Gesellschaft auf. Die Gesellschaft schulde die der beschwerdeführenden Partei bekannt gegebenen Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung, wobei sich der Betrag nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens als bei der Gesellschaft uneinbringlich darstelle.
Die beschwerdeführende Partei habe gegenüber der Salzburger Gebietskrankenkasse nicht dargetan, die Sozialversicherung gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt zu haben, sodass die beschwerdeführende Partei gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die Beitragsrückstände hafte und zahlungspflichtig sei.
Die Zustellung des Bescheides wurde erkennbar an die beschwerdeführende Partei an ihrer Abgabestelle Hernalser Gürtel 2/13 in 1080 Wien verfügt. Da die beschwerdeführende Partei beim Zustellversuch am 18.01.2018 nicht angetroffen wurde, wurde die Postsendung beim Postamt 1080 Wien hinterlegt.
3. Mit Schriftsatz vom 15.02.2018 erhob XXXX als Masseverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren der beschwerdeführenden Partei das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 16.01.2018 und führte insbesondere aus, dass die an die beschwerdeführende Partei erfolgte Zustellung unwirksam sei. Die beschwerdeführende Partei sei nicht zur Eigenverwaltung berechtig und das Verfahren daher mit der Masseverwalterin zu führen. Der Beschwerde ist eine erkennbar von der beschwerdeführenden Partei selbstverfasste Beschwerdeausführung beigegeben, worin dem angefochtenen Bescheid (nach nochmaliger Rüge der nicht gesetzmäßigen Zustellung) inhaltlich entgegengetreten wird.
4. Die Salzburger Gebietskrankenkasse erließ am 02.05.2018 eine abermals an die beschwerdeführende Partei adressierte Beschwerdevorentscheidung und wies die erhobene Beschwerde ab. Zur Frage der Zustellung wird in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, dass aus dem Beschwerdevorbringen geschlossen werden könne, dass der Masseverwalterin der angefochtene Bescheid zugekommen und ein der Zustellmangel gemäß § 7 ZustG geheilt sei.
5. Gegen die vorstehend angeführte, am 04.05.2018 zugestellte Beschwerdevorentscheidung der Salzburger Gebietskrankenkasse richtet sich der fristgerecht am 18.05.2018 eingebrachte Vorlageantrag.
6. Die Beschwerdevorlage langte am 21.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Über das Vermögen der beschwerdeführenden Partei XXXX, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom XXXX das Insolvenzverfahren als Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der beschwerdeführenden Partei wurde die Eigenverwaltung entzogen und XXXX, zur Masseverwalterin bestellt.
Das Schuldenregulierungsverfahren ist nach wie vor anhängig. Zuletzt wurde die Tagsatzung vom 15.01.2018 auf unbestimmte Zeit erstreckt.
1.2. Der Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 16.01.2018, Zl. 17-2017-BE-VER10-00053, womit die beschwerdeführende Partei zur Zahlung von EUR 6.667,27 zuzüglich Verzugszinsen in der gesetzlichen Höhe binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang verpflichtet wurde, ist an die beschwerdeführende Partei adressiert und enthält keinen Hinweis auf das anhängige Schuldenregulierungsverfahren.
Die Zustellung des Bescheides wurde erkennbar an die beschwerdeführende Partei an ihrer Abgabestelle Hernalser Gürtel 2/13 in 1080 Wien verfügt. Da die beschwerdeführende Partei beim Zustellversuch am 18.01.2018 nicht angetroffen wurde, wurde die Postsendung beim Postamt 1080 Wien hinterlegt und an einem nicht feststellbaren Tag behoben
1.3. Der weitere Verfahrensgang gestaltete sich wie unter Punkt I. dieser Erledigung dargestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der seitens der Salzburger Gebietskrankenkasse vorgelegten Akten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.
2.2. Soweit Feststellungen zum Insolvenzverfahren betreffend die beschwerdeführende Partei getroffen werden gründen sich diese auf die Eintragungen in der Ediktsdatei des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, in welche am Tag der Genehmigung dieses Beschlusses Einsicht genommen wurde.
2.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im Rechtsmittelverfahren nicht strittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertritt der Insolvenzverwalter den Schuldner auch im Verwaltungsverfahren, wenn die Masse betroffen ist. Nur der Insolvenzverwalter ist insofern auch zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt. Während der Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens können nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, von diesem selbst anhängig gemacht und fortgesetzt werden. In anhängigen Verwaltungsverfahren endet die Prozessfähigkeit des Schuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 22.10.2013, Zl. 2012/10/0002, in dem auch ausgeführt wird, dass sich diese Rechtslage durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 nicht geändert hat, ferner VwGH 29.04.2015, Ro 2014/10/0080).
Im zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 22.10.2013 hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Masseverwalter den Schuldner auch im Verwaltungsverfahren vertritt, wenn die Masse von diesem Verwaltungsverfahren betroffen ist. Nur der Masseverwalter ist diesfalls zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt, er ist in solchen Verfahren Partei.
Die Rechtsprechung setzt die herrschende Ansicht fort, wonach der Schuldner und das insolvenzverfangene Vermögen rechtlich nicht ident sind, sondern zwei voneinander verschiedene rechtliche Zurechnungspunkte darstellen und bei ihren Rechtshandlungen in verschiedener Weise vertreten werden (näher VwGH 21.12.2004, Zl. 2000/04/0118). Im Insolvenzverfahren vertritt der Masseverwalter den Schuldner hinsichtlich aller zur Insolvenzmasse gehörigen Ansprüche und ist demnach ausschließlich zur Verfolgung der Rechte des Schuldners als Partei in einem die Messe betreffende Verwaltungsverfahren berufen (VwGH 07.12.2006, Zl. 2005/07/0172). Während der Anhängigkeit des Konkurses können gemäß § 6 Abs. 3 Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 idF BGBl. I Nr. 122/2017, nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, gegen den Schuldner oder von ihm anhängig gemacht und fortgesetzt werden.
3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangen Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, keine Wirksamkeit (VwGH 25.04.1995, Zl. 95/05/0094;
20.11.2014, Zl. 2013/16/0171 mwN). Eine an den Schuldner gerichtete Erledigung wird durch die bloße Zustellung an den Insolvenzverwalter diesem gegenüber nicht wirksam (VwGH 24.07.2007, Zl. 2002/14/0115;
02.03.2006, Zl. 2006/15/0087).
3.3. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es zunächst keiner weiteren Erörterung, dass das gegenständliche Verwaltungsverfahren der Geltendmachung von Ansprüchen der Salzburger Gebietskrankenkasse auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zum Gegenstand hat. Ausgehend von der zitierten Rechtsprechung wäre demnach mit dem angefochtenen Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse die Masseverwalterin als Partei in Anspruch zu nehmen gewesen, da Sozialversicherungsbeiträge wirtschaftlich die Masse und ihre Erträgnisse betreffen und das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist (in diesem Sinn VwGH 23.05.2007, Zl. 2005/08/0123). Die angefochtene Erledigung wäre daher an die Masseverwalterin und nicht an die beschwerdeführende Partei als Schuldner zu richten und der Masseverwalterin auch zuzustellen gewesen (VwGH 24.03.2009, Zl. 2009/13/0013 mwN; 24.07.2007, Zl. 2002/14/0115).
3.4. Im gegenständlichen Fall hat die Salzburger Gebietskrankenkasse den angefochtenen Bescheid jedoch an die beschwerdeführende Partei - und nicht die Masseverwalterin - adressiert und auch die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die beschwerdeführende Partei (an deren Privatadresse in Wien) veranlasst. Ausweilich der zitierten Rechtsprechung erlangte der angefochtene Bescheid mit dieser Zustellung jedoch keine Wirksamkeit, da er rechtsirrig an den Schuldner und nicht an die Insolvenzverwalterin gerichtet war (vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.04.2015, Ro 2014/10/0080).
3.5. Eine Heilung dieses Mangels kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Salzburger Gebietskrankenkasse das gegenständliche Verwaltungsverfahren gegenüber der falschen Partei eingeleitet hat. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in diesem Zusammenhang in ständiger Rechtspricht - wie bereits erörtert - dass eine entgegen den insolvenzrechtlichen Vorschriften an den Schuldner gerichtete Erledigung durch die bloße Zustellung an den Insolvenzverwalter diesem gegenüber nicht wirksam wird (VwGH 26.04.2002, Zl. 2001/02/0172; 02.03.2006, Zl. 2006/15/0087). Eine Heilung eines solchen Mangels gemäß § 7 Zustellgesetz kommt nicht in Betracht, weil es sich um keinen Mangel im Zustellvorgang handelte, sondern vielmehr um einen nach sanierbaren materiellen Mangel der angefochtenen Erledigung hinsichtlich ihrer Adressierung (und damit der Bestimmung der Parteistellung im eingeleiteten Verwaltungsverfahren).
Ferner erkennt der Verwaltungsgerichtshof, dass im Fall der Nennung eines unzutreffenden Empfängers in der Zustellverfügung ebenfalls kein Fall vorliegt, bei dem im Sinne des § 7 Abs. 1 ZustG durch das tatsächliche Zukommen des Dokumentes an den Empfänger eine Heilung eines Zustellmangels und damit eine wirksame Zustellung erfolgen könnte (VwGH 20.03.2018, Ro 2017/05/0015 mwN). Im gegenständlichen Fall liegt bereits deshalb keine richtige Zustellverfügung vor, weil der Salzburger Gebietskrankenkasse das die beschwerdeführende Partei betreffende Insolvenzverfahren bis zum Einlagen der Beschwerde der Masseverwalterin der Aktenlage nach unbekannt war.
3.6. Der Beschwerde ist demnach als unzulässig zurückzuweisen, zumal mangels wirksamer Erlassung eines Bescheides kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vorliegt. Eine gesonderte Aufhebung der in der Sache ergangenen Beschwerdevorentscheidung ist nicht erforderlich, da der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt (siehe dazu im Detail 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Im weiteren Verfahren wird der Anspruch der Salzburger Gebietskrankenkasse gegenüber der Masseverwalterin geltend zu machen sein.
3.7. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12). Der festgestellte Sachverhalt ist im Beschwerdeverfahren unstrittig und ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens. Strittig sind lediglich Rechtsfragen, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus gebietet Art. 6 MRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0073, mwN).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen und vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zustellung im Insolvenzverfahren ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Insolvenzverfahren, Masseverwalter, Parteistellung, rechtswirksameEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L521.2198879.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019