TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/21 L521 2194653-1

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Veröffentlicht am 21.09.2018
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Entscheidungsdatum

21.09.2018

Norm

ASVG §410
AVG §71
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L521 2194653-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Axel-Hans Werner Wirtschaftstreuhand GmbH, 5020 Salzburg, Faberstraße 20-22, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 12.03.2018, XXXX, betreffend Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 02.03.2018 wird als verspätet zurückgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei wurde mit Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017, XXXX, als vertretungsbefugtes Organ der XXXX verpflichtet, Beitragsrückstände dieser Gesellschaft zur Sozialversicherung sowie Verzugszinsen im Betrag von EUR 1.471.574,45 der Salzburger Gebietskrankenkasse zu bezahlen.

Da dieser Bescheid der beschwerdeführenden Partei an der Anschrift XXXXnicht zugestellt werden konnte, wurde er in der Postfiliale XXXX hinterlegt und nach Ablauf der Abholfrist mit dem Vermerk "nicht abgeholt" der Salzburger Gebietskrankenkasse zurückgemittelt.

2. Am 12.12.2017 gab XXXX, mit per E-Mail übermitteltem Schreiben die Übernahme der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführenden Partei bekannt und ersuchte - aufgrund der zwischenzeitlich im Wege des Hauptzollamtes Rosenheim betriebenen Zwangsvollstreckung - um Zustellung des der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Bescheides, da der beschwerdeführenden Partei ein Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse bislang nicht zugestellt worden sei.

3. Die Salzburger Gebietskrankenkasse entsprach dem Ersuchen der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführenden Partei noch am 12.12.2017 und übermittelte - ebenfalls per E-Mail - den geforderten Bescheid, ferner eine Rückstandsaufstellung, das der Bescheiderlassung vorangehende Aufforderungsschreiben sowie die bezughabenden Rückscheine. Eine zeitnahe Reaktion des XXXX oder der beschwerdeführenden Partei ist nicht aktenkundig.

4. Mit Schreiben vom 24.01.2018 zeigte die nunmehrige gewillkürte Vertretung der beschwerdeführenden Partei die erfolgte Bevollmächtigung an und brachte vor, dass der Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017 der beschwerdeführenden Partei "mittels Hinterlegungsanzeige zugestellt" worden sei. Die Hinterlegungsanzeige sei jedoch in Verstoß geraten, sodass die beschwerdeführenden Partei erst nach Einleitung des Vollstreckungsverfahrens durch das Hauptzollamt Rosenheim davon Kenntnis erlangt habe.

Die Forderung gründe sich zur Gänze auf eine im Rahmen des Insolvenzverfahrens der XXXX vorgenommene Beitragsprüfung, wobei die beschwerdeführende Partei gegen die Richtigkeit der Feststellungen Bedenken äußere. Der beschwerdeführenden Partei habe erst mit Übermittlung des Haftungsbescheides Kenntnis von den Beitragsvorschreibungen erlangt. Nach "endgültiger Aufarbeitung der Unterlagen" werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, verbunden mit einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und den Beitragsfestsetzungsbescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse eingebracht werden.

5. Die Salzburger Gebietskrankenkasse kontaktierte die Vertretung des Beschwerdeführers am 30.01.2018 telefonisch und wies auf die eingetretene Rechtskraft in den in Rede stehenden Verfahren hin.

6. Mit am 06.03.2018 bei der Salzburger Gebietskrankenkasse eingelangtem und am 02.03.2018 zur Post gegebenen Antrag begehrte die beschwerdeführende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017 und führte andererseits die Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.

Begründend wird zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Haftungsbescheides der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017 auf Urlaub befunden. Die Hinterlegungsanzeige sei offensichtlich nach der Rückkehr versehentlich mit Werbematerialien entsorgt worden, sodass der beschwerdeführenden Partei die Bescheidzustellung nicht zur Kenntnis gelangt sei. Erst infolge der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes Rosenheim habe die beschwerdeführende Partei von der Existenz des Haftungsbescheides erfahren, um neuerliche Zustellung desselben ersucht und dermaßen Mitte Dezember 2017 von der Existenz des Haftungsbescheides erfahren. Die beschwerdeführende Partei habe in der Folge erst Unterlagen zur Beitragsvorschreibung der Salzburger Gebietskrankenkasse auf kompliziertem Weg beischaffen müssen. Der seinerzeitige Insolvenzverwalter habe erst am 26.02.2018 mitgeteilt, dass er über keine Lohnunterlagen mehr verfüge. Im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit des Antrages "gemäß AVG bzw. BAO" sei somit erst am 26.02.2018 der Hinderungsgrund weggefallen und der Antrag somit rechtzeitig gestellt.

7. Infolge dieses Antrages erließ die Salzburger Gebietskrankenkasse den hier angefochtenen Bescheid vom 12.03.2018, womit der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 02.03.2018 einerseits als verspätet zurückgewiesen und abgewiesen wurde, da der beschwerdeführenden Partei nicht nur ein minderer Grad des Versehens anzulasten sei.

8. Gegen den vorstehend angeführten, dem gewillkürten Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 14.03.2018 zugestellten Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt werden. Begründend wird im Wesentlichen des bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erstattete Vorbringen wiederholt, wonach für den Beginn der Frist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme der für die seinerzeitige Bescheiderlassung relevanten Tatsachen entscheidend sei und sich der Antrag somit als fristgerecht gestellt erweise.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 07.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die beschwerdeführende Partei XXXX wurde mit Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017, XXXX, als vertretungsbefugtes Organ der XXXX verpflichtet, Beitragsrückstände dieser Gesellschaft zur Sozialversicherung sowie Verzugszinsen im Betrag von EUR 1.471.574,45 der Salzburger Gebietskrankenkasse zu bezahlen.

Die Zustellung des Bescheides wurde an die Wohnanschrift der beschwerdeführenden Partei veranlasst und die Sendung ausweislich des Poststempels am 31.07.2017 eingeschrieben und mit internationalem Rückschein zur Post gegeben. Die Postsendung konnte in weiterer Folge nicht zugestellt werden und wurde daher in der Postfiliale XXXX zur Abholung hinterlegt (dazu den am Kuvert angebrachten Benachrichtigungslabel der deutschen Post). Nachdem die Sendung nicht behoben wurde, wurde sie mit dem Vermerk "nicht abgeholt" auf dem Kuvert retourniert.

1.2. Die beschwerdeführende Partei führt die unterbliebene Abholung auf den Umstand zurück, dass die Hinterlegungsanzeige nach der Rückkehr von einem Urlaubsaufenthalt versehentlich mit Werbematerialien entsorgt worden sei.

1.3. Infolge einer Intervention des (seinerzeitigen) gewillkürten Vertreters der beschwerdeführenden Partei XXXX wurde diesem am 12.12.2017 von der Salzburger Gebietskrankenkasse der Bescheid vom 28.07.2017,XXXX, sowie eine Rückstandsaufstellung, ein Aufforderungsschreiben und die bezughabenden Rückscheine per E-Mail übermittelt.

1.4. Mit Schreiben vom 24.01.2018 zeigte die nunmehrige steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Partei die erfolgte Bevollmächtigung an und kündigte die Einbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, verbunden mit einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und den Beitragsfestsetzungsbescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse, nach "endgültiger Aufarbeitung der Unterlagen" an.

1.5. Mit am 02.03.2018 zur Post gegebenen und am 06.03.2018 bei der Salzburger Gebietskrankenkasse eingelangtem Antrag begehrt die beschwerdeführende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017.

1.6. Der weitere Verfahrensgang gestaltete sich wie unter Punkt I. dieser Erledigung dargestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der seitens der Salzburger Gebietskrankenkasse vorgelegten Akten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.

2.2. Soweit Feststellungen zur Zustellung des Bescheides der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017, XXXX, getroffen werden, gründen sich diese auf die im vorgelegten Verwaltungsakt aufliegenden Ablichtungen der Rückscheine bzw. der Kuverts der Postsendung, welches mit einem Benachrichtigungslabel der deutschen Post sowie dem Rücksendevermerk versehen ist. Im Übrigen folgen die Feststellungen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, wonach diese ihrer eigenen Einschätzung zufolge die Hinterlegungsanzeige nach der Rückkehr von einem Urlaubsaufenthalt versehentlich mit Werbematerialien entsorgt habe. Dass der Zustellvorgang zu einer rechtswirksamen Zustellung führte (und demnach die Rechtsmittelfrist ausgelöst wurde), wird von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten. Dem Verwaltungsakt können ebenfalls keine Hinweise auf einen Zustellmangel entnommen werden.

2.3. Die Übermittlung des Bescheids vom 28.07.2017, XXXX, sowie einer Rückstandsaufstellung, eines Aufforderungsschreibens und die bezughabenden Rückscheine per E-Mail an den seinerzeitigen Rechtsvertreter XXXX ergibt sein einerseits zweifelfrei aus dem Akteninhalt, andererseits bestätigt die beschwerdeführende Partei in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 28.02.2018 selbst, dass ihr die Existenz des Haftungsbescheides Mitte Dezember - damit ist der Dezember des Jahres 2017 gemeint - bekannt geworden ist.

2.4. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im Rechtsmittelverfahren nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Z. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, BGBl. I Nr. 87/2008 idF BGBl. I Nr. 57/2018, ist das AVG auf das behördliche Verfahren der Verwaltungsbehörden anzuwenden. Auf das Verfahren der Sozialversicherungsträger in Verwaltungssachen (§ 354 ASVG) ist demgemäß das AVG in vollem Umfang anzuwenden (vgl. hiezu 2195 BlgNR XXIV. GP, 5).

Da Beiträge zur Sozialversicherung nicht durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind, kommt eine Anwendung der Bundesabgabenordnung nicht in Betracht, zumal § 1 Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idF BGBl. I Nr. 62/2018, jeweils die Einhebung der Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden als konstitutives Merkmal einer Anwendung dieses Gesetzes vorsieht.

3.2. Gemäß § 71 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

§ 71 Abs. 2 AVG zufolge muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

3.3. Grundsätzlich kann ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bzw. den Zeitpunkt der Hinterlegung eines Bescheides und der damit bewirkten Zustellung einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstellen (VwGH 26.02.2004, Zl. 2004/21/0011; 22.12.2005, Zl. 2005/20/0367). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung setzt freilich voraus, dass die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstücks, mit der die Zustellung bewirkt ist, nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt (VwGH 06.05.1997, Zl. 97/08/0022; 29.01.2004, Zl. 2001/20/0425).

3.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnt die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages mit dem Wegfall des Hindernisses zu laufen. Als Hindernis im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG ist jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Die Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung berechnet sich nach dem Zeitpunkt des Wegfalles des der Einhaltung der versäumten Frist entgegenstehenden Hindernisses (VwGH 22.02.2012, Zl. 2012/06/0001; 15.10.2009, Zl. 2008/09/0241). Danach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der Partei binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1, das die Fristenwahrung verhindert hat, zu stellen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 100 mwN).

Vom Wegfall des Hindernisses, um eine Fristversäumnis zu erkennen, ist dann auszugehen, wenn der Umstand der Fristversäumnis bei gehöriger Aufmerksamkeit erkannt werden konnte und musste (VwGH 06.10.2011. Zl. 2010/06/0006; 24.02.2011, Zl. 2010/10/0232).

Als fristenauslösendes Ereignis, mit dem das Hindernis wegfällt, kommt etwa der Zeitpunkt in Betracht, in dem der Partei die Hinterlegungsanzeige eines Bescheides ausgehändigt wird (VwGH 01.09.2005, Zl. 2005/20/0410; 30.03.2004, Zl. 2003/06/0070) bzw. die Partei ihren Irrtum (etwa über das Wirksamwerden der Zustellung des Bescheides), der ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG sein kann, erkennt bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen müsste (VwGH 02.05.1995, Zl. 95/02/0018).

Die Kenntnis des den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Sachverhalts durch den Vertreter einer Partei bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit nach § 71 Abs. 2 AVG ist der Kenntnis der Partei selbst gleichzusetzen (VwGH 20.09.2005, Zl. 2005/20/0088).

3.4. Fallbezogen war die beschwerdeführende Partei - ihrem eigenen Vorbringen zufolge - daran gehindert, fristgerecht ein Rechtsmittel gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017, XXXX, zu ergreifen, weil sie die Hinterlegungsanzeige der deutschen Post nach der Rückkehr von Urlaubsaufenthalt von ihr versehentlich gemeinsam mit Werbematerialien entsorgt wurde und sie deshalb keine Kenntnis von der Zustellung des Bescheides erlangte. Unabhängig von der Frage eines allfälligen Verschuldens beruft sich die beschwerdeführende Partei damit im Ergebnis darauf, dass sie sich über den Zeitpunkt der Hinterlegung eines Bescheides und der damit bewirkten Zustellung in Unkenntnis befand und damit einem Irrtum über die erfolge Zustellung des Bescheides der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017 unterlag.

Dieses Hindernis fiel jedoch spätestens mit der Übermittlung des Bescheides, der Rückstandsaufstellung, eines Aufforderungsschreibens und die bezughabenden Rückscheine an den seinerzeitigen rechtfreundlichen Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 12.12.2017 weg (siehe dazu etwa VwGH 01.09.2005, Zl. 2005/20/0410). Die zweiwöchige Frist des § 71 Abs. 2 AVG begann demgemäß (spätestens) am 12.12.2017 zu laufen, sodass sich der am 02.03.2018 zur Post gegeben Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls als verspätet erweist. Die beschwerdeführende Partei muss sich in diesem Zusammenhang den Kenntnisstand des seinerzeitigen rechtsfreundlichen Vertreters zurechnen lassen und hätte dieser anhand der ihm übermittelten Unterlagen erkennen müssen, dass die Zustellung des Bescheides der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017 im Wege der Hinterlegung erfolgte ist und die Rechtsmittelfrist bereits versäumt wurde. Dass die beschwerdeführende Partei bereits im Dezember 2016 Kenntnis vom wahren Sachverhalt erlangte und der Hinderungsgrund wegfiel, ergibt sich im Übrigen auch eindeutig aus dem nunmehrigen Vorbringen im Antrag vom 02.03.2018 sowie im Schreiben vom 24.01.2018, worin die Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bereits angekündigt wird.

3.5. Wenn die beschwerdeführende Partei in diesem Zusammenhang weiter ausführt, es wären umfangreiche Recherchen erforderlich gewesen, um das nachzuholende Rechtsmittel ausführen zu können, bezieht sich dieses Vorbringen zunächst nicht auf den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund - nämlich den Irrtum über die erfolgte Zustellung eines Bescheides im Wege der Hinterlegung - und ist demgemäß nicht geeignet, einen anderen Fristbeginn aufzuzeigen. Zwar ist die bloße Kenntnis von der Existenz eines Bescheides dem Wegfall des Hindernisses im Sinn des § 71 Abs. 2 AVG dann nicht gleichzusetzen, wenn dem Wiedereinsetzungswerber dadurch die maßgebenden Umstände (die sich beispielsweise aus der Begründung des Bescheides ergeben) nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, welche ihn erst in die Lage versetzt hätten, ein Rechtsmittel mit einem ausreichenden Inhalt zu erheben (VwGH 15.09.1994, Zl. 94/19/0393). Dies gilt jedoch nur für jene Fälle, in welchen die Partei vom Inhalt des bezughabenden Bescheides (einschließlich seiner Begründung) noch keine Kenntnis hat und diese deshalb daran gehindert ist, die versäumte Verfahrenshandlung durch Vornahme der dafür notwendigen rechtlichen Schritte nachzuholen. Ein solcher Fall liegt gegenständlich jedoch nicht vor, zumal der seinerzeitige rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 12.12.2017 nicht nur Kenntnis vom Inhalt des Bescheides der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.07.2017 erlangte, sondern ihm sogar noch weitere Unterlagen dazu übermittelt wurden.

Darüber hinaus sind notwenige umfangreiche Recherchen oder Ausarbeitungen zum Zweck der Einbringung eines Rechtsmittels nicht als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG zu qualifizieren (näher Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 34 ff mwN). Dass die Notwendigkeit umfangreicher Recherchen oder Ausarbeitungen zur Nachholung der versäumten Handlung zu einer Verlängerung der in § 71 Abs. 2 AVG festgesetzt Frist führt, kann weder dem Gesetzeswortlaut noch der einschlägigen Rechtsprechung entnommen werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages keiner Wiedereinsetzung zugänglich ist.

3.6. Der Beschwerde kommt aufgrund der vorstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu, sodass diese gemäß § 71 Abs. 2 AVG als unbegründet abzuweisen ist.

3.7. Die beschwerdeführende Partei weist zurecht darauf hin, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides insoweit widersprüchlich ist, als einerseits der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 02.03.2018 - den vorstehenden Ausführungen zufolge zutreffend - als verspätet zurückgewiesen wurde, dieser andererseits jedoch auch abgewiesen wird.

Bei der Entscheidung, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Beschwerdefrist zurückzuwiesen, handelt es sich um einen ausschließlich verfahrensrechtlichen Bescheid, mit dem (lediglich) die Entscheidung in der Sache - nämlich über den Wiedereinsetzungsantrag - abgelehnt wird (vgl. VwGH 08.11.2000, Zl. 96/21/0963). Bei einem solchen Ergebnis kommt eine meritorische Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages gerade nicht in Betracht, sodass der Spruch des angefochtenen Bescheides insoweit richtigzustellen ist. Eine Verletzung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten liegt mit diesem überschießenden normativen Ausspruch der Behörde erster Instanz jedoch nicht vor (vgl. VwGH 15.12.2011, Zl. 2008/18/0159).

Freilich weist die Salzburger Gebietskrankenkasse zutreffend darauf hin, dass bei der irrtümlichen Entsorgung einer Hinterlegungsanzeige mit Werbematerialien nach der Rechtsprechung nicht als lediglich minderer Grad des Versehens angesehen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr davon aus, dass Falle eines mit Werbematerial angefüllten Postkastens die Durchsicht des Inhaltes des Postkastens besonders genau zu erfolgen hat, um nichts zu übersehen (17.02.2011, Zl. 2009/07/0082; 15.12.2006, Zl. 2006/04/0236).

3.8. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12). Der festgestellte Sachverhalt ist im Beschwerdeverfahren unstrittig und ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens. Strittig sind lediglich Rechtsfragen, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus gebietet Art. 6 MRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0073, mwN).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen und vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung, Hinterlegung, Kenntnisnahme, Urlaubsreise,
Wiedereinsetzung, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L521.2194653.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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