Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §60;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des S G in W, vertreten durch Dr. Renate Steiner, Rechtsanwalt in Wien I, Weihburggasse 18-20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juli 1998, Zl. 217854/3-IV/10/98, betreffend Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers vom 6. Februar 1998 auf Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes zum Zweck des Abschlusses der im Herbst 1997 begonnenen, voraussichtlich bis Juni 2001 dauernden Ausbildung an der Wiener Kunstschule, Abteilung Graphik und Design, gemäß § 14 ZDG abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Verfügung vom 22. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, zum Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde Stellung zu nehmen, er habe nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eine andere Ausbildung (Kolleg für Graphik und Design an der Höheren Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien XIV.) begonnen und er dürfte daher durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert sein. In seiner Stellungnahme vom 14. Juli 1999 brachte der Beschwerdeführer zum Ausdruck, er habe neben der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Ausbildung an der Wiener Kunstschule im Herbst 1998 auch eine Ausbildung an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien XIV. (Kolleg für Graphik und Design) begonnen. Im Hinblick auf diese Äußerung geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weiterhin in Rechten verletzt sein kann.
Gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz ZDG (idF der ZDG-Novelle 1996, BGBl. Nr. 788) ist Zivildienstpflichtigen auf Antrag der ordentliche Zivildienst aufzuschieben, wenn Erfordernisse des Zivildienstes nicht entgegenstehen, sie noch nicht zum ordentlichen Zivildienst mit Dienstantritt innerhalb eines Jahres nach Wirksamwerden der Zivildiensterklärung oder nach Ende des Aufschubes gemäß Abs. 1 zugewiesen sind und durch die Unterbrechung einer Berufsvorbereitung, Schul- oder Hochschulausbildung, die sie nach dem im § 36 a Abs. 3 WG genannten Zeitpunkt begonnen haben, einen bedeutenden Nachteil erleiden würden. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle gilt dasselbe, wenn der Zivildienstpflichtige, ohne zugewiesen zu sein, eine weiterführende Ausbildung, etwa ein Hochschulstudium, begonnen hat und eine Unterbrechung der Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.
Der Beschwerdeführer ist auf Grund seiner rechtsgültigen Zivildiensterklärung vom 7. Oktober 1997 zivildienstpflichtig. Die Entscheidung über den Aufschubantrag erfolgte, ohne dass bis dahin eine Zuweisung zum Antritt des Zivildienstes ergangen wäre, innerhalb der Einjahresfrist nach § 14 Abs. 2 erster Satz ZDG. Der Aufschubantrag war daher am zweiten Satz des § 14 Abs. 2 ZDG zu messen.
Der Beschwerdeführer hat im Antrag vom 6. Februar 1998 und in seiner Eingabe vom 24. März 1998 vorgebracht, eine Unterbrechung dieses Ausbildungsganges sei nicht möglich, die Ableistung des ordentlichen Zivildienstes würde den Abbruch der begonnenen Ausbildung bedeuten. Im Fall einer solchen Unterbrechung müsste er wieder mit dem ersten Studiensemester eines neuen Lehrganges beginnen. Zusätzlich zum Zeitverlust erwüchsen ihm finanzielle Nachteile in Höhe von rund S 22.600,-- pro verlorenem Semester.
Bei Zutreffen dieses Vorbringens bedeutete die Unterbrechung der gegenständlichen Ausbildung eine außerordentliche Härte im Sinne des Gesetzes; der Abbruch der begonnenen Ausbildung in Verbindung mit dem angeführten verlorenen finanziellen Aufwand ginge weit über die mit der Unterbrechung einer laufenden Ausbildung üblicherweise verbundenen Nachteile hinaus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 1998, Zl. 98/11/0150).
Zu dieser entscheidenden Frage finden sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides keine stichhältigen Ausführungen. Darin heißt es zwar, "der festgestellte Sachverhalt" sei nicht geeignet, dem Beschwerdeführer Aufschub zu gewähren. Welchen Sachverhalt die belangte Behörde aber im gegebenen Zusammenhang als erwiesen angenommen hat, ist mangels konkreter Feststellungen, insbesondere darüber, ob sie das besagte Vorbringen des Beschwerdeführers für zutreffend erachtet oder nicht, nicht klar ersichtlich. Sollte der Satz in der Begründung des angefochtenen Bescheides, laut den vorgelegten Unterlagen sei die Wiederholung von Prüfungen möglich und auch in der Bestätigung der Schule werde nur von einer Beeinträchtigung der künstlerischen Entwicklung des Beschwerdeführers gesprochen, nicht jedoch von einem ausgeschlossenen Wiedereinstieg nach einer zivildienstbedingten zwölfmonatigen Abwesenheit, dahin zu verstehen sein, dass die belangte Behörde entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers von der Möglichkeit der Fortsetzung der gegenständlichen Ausbildung ausgegangen ist, könnte sich diese Annahme nicht auf einwandfreie Ermittlungsergebnisse stützen. Dass die Wiederholung von Prüfungen möglich ist, sagt im gegebenen Zusammenhang nichts aus. Im Schreiben der Schule vom 5. Mai 1998 wird zu der hier entscheidenden Frage (Möglichkeit der Fortsetzung der Ausbildung nach Ableistung des Zivildienstes oder Notwendigkeit des Neubeginnes dieser Ausbildung) überhaupt nicht Stellung genommen. Eine Klärung dieser Frage ist im Verwaltungsverfahren unterblieben. Die Notwendigkeit dieser Klärung zeigt im Übrigen auch das Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde, das vorgelegte Informationsblatt der Wiener Kunstschule enthalte keinen verlässlichen Hinweis auf die Nichtanrechnung erbrachter Schulzeiten bei Leistung des ordentlichen Zivildienstes.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich im Rahmen der verzeichneten Kosten auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. August 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110203.X00Im RIS seit
20.11.2000