Entscheidungsdatum
11.10.2018Norm
AlVG §10Spruch
W263 2206033-1/4E
W263 2206033-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Christina KERSCHBAUMER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Barbara SCHRÖDING und Mag. Rudolf NORTH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, VSNR XXXX, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Schwechat vom 06.09.2018, Zl. RAG/A05661/2018, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 06.09.2018 schloss das AMS die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 23.08.2018 gegen die Bescheide des AMS vom 07.08.2018 und 08.08.2018 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG aus.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das AMS mit dem ersten angefochtenen Bescheid vom 07.08.2018 eine Ausschlussfrist gemäß § 38 iVm. § 10 AlVG für die Zeit vom 31.07.2018 bis 11.08.2018 (12 Tage) ausgesprochen habe, weil sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der zugewiesenen Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Fa. XXXX mit möglicher Arbeitsaufnahme am 31.07.2018 nicht beworben habe. Mit der gleichen Begründung sei mit dem zweiten angefochtenen Bescheid des AMS vom 08.08.2018 eine Ausschlussfrist für die Zeit vom 12.08.2018 bis 10.09.2018 (30 Tage) verhängt worden. Die Ausschlussfrist sei daher im Gesamtausmaß von 42 Tagen ausgesprochen worden. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.
Das Arbeitslosenversicherungsrecht bezwecke, arbeitslos gewordene Versicherte durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und in die Lage zu versetzen, den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten.
§ 10 AlVG sanktioniere durch befristeten Leistungsausschluss diejenigen Personen, die erforderliche Anstrengungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit schuldhaft unterlassen oder vereiteln.
Hierzu stellte das AMS fest, dass die Beschwerdeführerin am XXXX geboren sei und bereits seit Jahren im Notstandshilfebezug stehe. Aus den Verfahrensunterlagen gehe hervor, dass derzeit auch Exekutionen laufend seien.
Im gegenständlichen Fall konnte nach Prüfung der Verfahrensunterlagen festgestellt werden, dass Langzeitarbeitslosigkeit verbunden mit Arbeitsunwilligkeit vorliege und darüber hinaus auch die bereits betriebenen Exekutionen die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos erscheinen lassen würden.
Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiven Gründen im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen. Insgesamt diene dieses Vorgehen dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung.
Aus diesem Grund überwiege in diesem Fall das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei daher entsprechend der Interessensabwägung auszuschließen.
Mit dem gegenständlichen Bescheid werde eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg genommen.
2. Mit Schreiben vom 17.09.2018 erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen diesen Bescheid und führte aus, dass sie bereits seit sieben Jahren arbeitslos sei, trotz der Förderung seitens des AMS. Deshalb sei auszuschließen, dass die Fa. XXXX sie am 31.07.2018 als Arbeitskraft aufgenommen hätte. Weiters habe sie über ihre Freundin ein Mail an die Firma geschickt und dies auch rechtzeitig innerhalb der Acht-Tages-Frist dem AMS gemeldet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang bzw. Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aufgrund der unbedenklichen und unzweifelhaften Aktenlage der vorgelegten Verwaltungsakte der belangten Behörde. Die Beschwerdeführerin trat insbesondere den Feststellungen des AMS nicht substantiiert entgegen. Dass gegen die Beschwerdeführerin Exekutionen geführt werden, ist aus dem im Akt einliegenden ALV-Ausdruck betreffend Exekutionen vom 06.09.2018 auch ersichtlich; die Langzeitarbeitslosigkeit ergibt sich insbesondere aus dem im Akt einliegende Bezugsverlauf.
Das Verwaltungsgericht hat über die gegenständliche Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0081). Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG - insbesondere mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles - und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gem. § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid, der die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen hat, keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Zur Regelung des § 13 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof in Zusammenhang mit Beziehern von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, zuletzt wie folgt ausgeführt:
"Die Entscheidung über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028). [...] § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
Das Tatbestandsmerkmal ,Gefahr im Verzug' bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).
Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.
Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035)."
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in der Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 06.09.2018 ausschließenden Bescheid kein konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen darüber erstattet, dass sie der Vollzug der Bescheide über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.02.2014, Ro 2014/02/0053, trifft die Beschwerdeführerin hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils jedoch eine Konkretisierungspflicht (vgl. VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). Hierzu ist erneut ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gem. § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13; Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).
Die Gefährdung der Einbringlichkeit des allfälligen Überbezuges wird demgegenüber vom AMS mit der bestehenden Langzeitarbeitslosigkeit sowie bestehenden Exekutionen begründet und ist dem die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht entgegengetreten.
Weiters ist prima facie nicht erkennbar, dass die Beschwerde vom 23.08.2018 gegen die Verhängung der Sperrfrist(en) wahrscheinlich Erfolg haben wird. Schließlich ist bei der Abwägung der Interessen ein öffentliches Interesse an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd. § 10 AlVG mit ins Kalkül zu ziehen. Aufgrund der festgestellten Umstände - nämlich die bestehende Langzeitarbeitslosigkeit und die gegen die Beschwerdeführerin geführten Exekutionen sowie ein fehlendes substantiiertes Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung - kann dem AMS nicht entgegengetreten werden, wenn im Ergebnis das Interesse der Versicherungsgemeinschaft an der Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen besonders stark gewichtet wird, sodass von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen ist und Gefahr im Verzug besteht.
Da das Bundesverwaltungsgericht somit keine Anhaltspunkte für einen unverhältnismäßigen Nachteil für die Beschwerdeführerin erkennen kann, war die Beschwerde abzuweisen und sind der Behörde, weil diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht (s. Vorlage vom 19.09.2018, S. 1), die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend eine Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Punkt II.3. wiedergegeben.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Interessenabwägung, KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W263.2206033.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019