TE Vfgh Erkenntnis 2007/10/2 V110/05

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Veröffentlicht am 02.10.2007
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 07.12.82
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §2 Abs2
Krnt GemeindeplanungsG-Nov 1994. LGBl 105 ArtII
Krnt GemeindeplanungsG 1995 ArtIII

Leitsatz

Invalidation der Widmung "Bauland-Leichtindustriegebiet" in einemFlächenwidmungsplan wegen verspäteter Anpassung an die - durch dieNovelle 1994 zum Kärntner Gemeindeplanungsgesetz geänderte -Rechtslage hinsichtlich bestehender Widmungsarten für Baugebiete

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg betreffend Erlassung eines Flächenwidmungsplanes für die Stadtgemeinde, beschlossen vom Gemeinderat am 7. Dezember 1982, Z6-F49/1/82, aufsichtsbehördlich genehmigt durch den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. Dezember 1982, Z Ro-120/15/1982, kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung Nr. 51 vom 23. Dezember 1982, war insoweit gesetzwidrig, als darin für das westlich der Bundesstraße Nr. 70 liegende Gebiet der KG Priel, das im Nordosten durch ein gemischtes Baugebiet mit der Eintragung "X/96" und der Bundesstraßenbezeichnung "70" (im Quadrat), im Südosten durch eine Verkehrsfläche, die es von einem Leichtindustriegebiet, das direkt an der Bundesstraße Nr. 70 liegt, trennt, weiters im Südwesten durch eine Verkehrsfläche und im Norden durch eine Verkehrsfläche sowie im Nordwesten (nördlicher Bereich) durch einen strichlierten Linienzug und im Nordwesten (südlicher Bereich) durch den östlich gelegenen von zwei parallelen strichlierten Linienzügen begrenzt ist, die Widmung "Bauland-Leichtindustriegebiet" ausgewiesen ist.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zu A2005/0018 ein Verfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Wolfsberg die Baubewilligung zur Erweiterung bzw. Änderung der bestehenden Betriebsanlage zur Herstellung von Weinfässern sowie die Bewilligung zum Abbruch des bestehenden Gebäudes auf den Grundstücken Nr. 185/19, 185/22, 185/34 und 188/16 der KG Priel. Dagegen erhob die Nachbarin Berufung und sprach sich u. a. gegen die vom Bauvorhaben ausgehenden Emissionen aus. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2003 wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Wolfsberg die Berufung der Nachbarin als unbegründet ab.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Kärntner Landesregierung die dagegen erhobene Vorstellung der Nachbarin als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, die Grundstücke Nr. 185/19, 185/22 und 185/34, auf welchen die Erweiterung der bestehenden Fertigungshalle Richtung Norden um vier Achsen, der Anbau einer weiteren Halle für den Daubenzuschnitt in Richtung Westen sowie die Errichtung einer weiteren Siloanlage mit einem Fassungsvermögen von 85 m³ geplant seien, wiesen im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Wolfsberg die Widmung "Bauland-Leichtindustriegebiet" auf. Die Baubehörde habe bezüglich der Frage der Zumutbarkeit von Immissionen im Bereich einer bestimmten Widmungskategorie allein auf die Widmung des zu bebauenden Grundstückes abzustellen. Aus den betriebstypologischen Gutachten ergebe sich, dass von Anlagen zur Herstellung von Holzfässern keinesfalls betriebstypische Emissionen ausgingen, die zu erheblichen Belästigungen der Anrainer im Sinne der Definition für Leichtindustriegebiete gemäß dem Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1982 führten. Die Betriebstype einer Fassbinderei sei daher mit der Widmung "Leichtindustriegebiet" vereinbar. Die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, müssten von den Nachbarn hingenommen werden. Im vorliegenden Fall lägen die zu erwartenden Immissionen innerhalb der in der Widmungskategorie "Leichtindustriegebiet" zulässigen Grenzen, weshalb die Nachbarin diesbezüglich nicht in ihrem Nachbarrecht verletzt sei.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Flächenwidmung "Leichtindustriegebiet" entstanden. Er stellte daher gemäß Art89 Abs2 erster Satz B-VG und Art139 Abs1 erster Satz B-VG den Antrag, die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg betreffend Erlassung eines Flächenwidmungsplanes für diese Stadtgemeinde, beschlossen vom Gemeinderat am 7. Dezember 1982, Z6-F49/1/82, aufsichtsbehördlich genehmigt durch den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 20. Dezember 1982, Z Ro-120/15/1982, kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung Nr. 51 vom 23. Dezember 1982,

"1. insoweit, als darin für das westlich der Bundesstraße Nr. 70 liegende Gebiet der KG Priel, das im Nordosten durch ein gemischtes Baugebiet mit der Eintragung 'X/96' und der Bundestraßenbezeichnung '70' (im Quadrat), im Südosten durch eine Verkehrsfläche, die es von einem Leichtindustriegebiet, das direkt an der Bundesstraße Nr. 70 liegt, trennt, weiters im Südwesten durch eine Verkehrsfläche und im Norden durch eine Verkehrsfläche sowie im Nordwesten (nördlicher Bereich) durch einen strichlierten Linienzug und im Nordwesten (südlicher Bereich) durch einen östlichen von zwei parallelen strichlierten Linienzügen begrenzt ist, die Widmung 'Bauland-Leichtindustriegebiet' ausgewiesen ist,

in eventu

2. insoweit, als darin für das westlich der Bundesstraße Nr. 70 liegende Gebiet der KG Priel, das im Nordosten durch ein gemischtes Baugebiet mit der Eintragung 'X/96' und der Bundestraßenbezeichnung '70' (im Quadrat), im Südosten durch die Bundesstraße Nr. 70, weiters im Südwesten durch eine Verkehrsfläche und im Norden durch eine Verkehrsfläche sowie im Nordwesten (nördlicher Bereich) durch einen strichlierten Linienzug und im Nordwesten (südlicher Bereich) durch einen östlichen von zwei parallelen strichlierten Linienzügen begrenzt ist, die Widmung 'Bauland-Leichtindustriegebiet' ausgewiesen ist,

in eventu

3. insoweit, als darin für das westlich der Bundesstraße Nr. 70 liegende Gebiet der KG Priel, das im Nordosten durch ein gemischtes Baugebiet mit der Eintragung 'X/96' und der Bundestraßenbezeichnung '70' (im Quadrat) und im Südosten durch eine Verkehrsfläche, die es von einem Leichtindustriegebiet, das direkt an der Bundesstraße Nr. 70 liegt, trennt, im Norden durch eine Verkehrsfläche, im Nordwesten durch ein mit einem orangen Farbton gekennzeichnetes Gebiet mit der nebenstehenden Bezeichnung 'II/00', im Westen durch eine Verkehrsfläche sowie im Süden durch eine Verkehrsfläche, die Richtung Südosten entlang eines strichlierten Linienzuges mit der Bezeichnung 'KFG' verläuft, weiters durch eine Verkehrsfläche, die unmittelbar östlich der Eintragung der Bezeichnung 'IV/93' in Richtung Nordosten und in weiterer Folge rechtwinkelig nach Südosten verläuft, begrenzt ist, die Widmung 'Bauland-Leichtindustriegebiet' ausgewiesen ist,

in eventu

4. insoweit, als darin für das westlich der Bundesstraße Nr. 70 liegende Gebiet der KG Priel, das im Nordosten durch ein gemischtes Baugebiet mit der Eintragung 'X/96' und der Bundestraßenbezeichnung '70' (im Quadrat), im Südosten durch die Bundesstraße Nr. 70, im Norden durch eine Verkehrsfläche, im Nordwesten durch ein mit einem orangen Farbton gekennzeichnetes Gebiet mit der nebenstehenden Bezeichnung 'II/00', im Westen durch eine Verkehrsfläche sowie im Süden durch eine Verkehrsfläche, die Richtung Südosten entlang eines strichlierten Linienzuges mit der Bezeichnung 'KFG' verläuft, weiters eine Verkehrsfläche, die unmittelbar östlich der Eintragung der Bezeichnung 'IV/93' in Richtung Nordosten und in weiterer Folge rechtwinkelig nach Südosten verläuft, begrenzt ist, die Widmung 'Bauland-Leichtindustriegebiet' ausgewiesen ist

in eventu

5. insoweit, als darin für die westlich der Bundesstraße Nr. 70 liegenden Grundstücke Nrn. 185/17, 185/18, 185/19 und 185/22 der KG Priel (das umfasst die nunmehrigen GsteNr. 185/18, 185/19, 185/22 und 185/34) die Widmung 'Bauland-Leichtindustriegebiet' ausgewiesen ist,

als gesetzwidrig aufzuheben."

3. Folgende Bedenken haben den Verwaltungsgerichtshof veranlasst, den Verordnungsprüfungsantrag zu stellen:

        "Die ... Widmung 'Bauland-Leichtindustriegebiet' ist im

Kärntner Gemeindeplanungsgesetz seit der Novelle LGBl. Nr. 105/1994

nicht mehr enthalten. ... Die Übergangsbestimmung des ArtII Abs2 der

Novelle LGBl. Nr. 105/1994 normiert, dass Festlegungen in bestehenden Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen, die den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht entsprechen, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, längstens bis zum 31. Dezember 1999 an die durch dieses Gesetz geänderte Rechtslage anzupassen sind. Wie sich aus den Übergangsbestimmungen weiter ergibt, wurde für die Widmungsart 'Bauland-Leichtindustriegebiet' keine gesonderte Regelung getroffen. Daraus folgt ..., dass die ... Verordnung mangels Anpassung an die geänderte Rechtslage bis zum 31. Dezember 1999 insofern gesetzwidrig geworden ist ...".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Beschwerde den Flächenwidmungsplan insoweit anzuwenden hat, als er die Widmung für jene Grundstücke festlegt, auf die sich die erteilte Baubewilligung bezieht.

2. Zum Anfechtungsumfang:

Da der Flächenwidmungsplan die Parzellennummern nicht erkennen lässt, hat der Verwaltungsgerichtshof - ausgehend von der Prämisse, dass die durch eine allfällige Aufhebung einer Verordnung herbeigeführte Rechtslage für Rechtsunterworfene eindeutig und unmittelbar feststellbar sein muss - die präjudiziellen Teile des Flächenwidmungsplanes unter Verwendung anderer im Plan enthaltener Ortsbezeichnungen und planerischer Abgrenzungen umschrieben. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof die im Plan dargestellten Flächen und Linienzüge zur Abgrenzung des betreffenden Gebietes herangezogen.

Da sowohl die zur Abgrenzung des Anfechtungsumfanges herangezogenen Verkehrsflächen als auch der strichlierte Linienzug im Flächenwidmungsplan eindeutig erkennbar sind, ist der

1. Prüfungsantrag zulässig, zumal er die kleinste abgrenzbare Fläche darstellt, innerhalb derer die Grundstücke liegen, auf die sich die erteilte Baubewilligung bezieht.

3. Zu den inhaltlichen Bedenken:

3.1. Auch die inhaltlichen Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung treffen zu:

Der angefochtene Flächenwidmungsplan wurde vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Wolfsberg am 7. Dezember 1982 beschlossen. Gemäß §2 Abs2 des damals geltenden Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1982 (Ktn. GemeindeplanungsG), LGBl. 51, kamen als Baugebiete Dorfgebiete, Wohngebiete, Kurgebiete, gemischte Baugebiete, Geschäftsgebiete, Leichtindustriegebiete und Schwerindustriegebiete in Betracht. Gemäß §2 Abs8 leg.cit. waren als Leichtindustriegebiete jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Betriebsgebäude bestimmt waren, die zur Aufnahme von Betrieben dienten, durch welche die Umgebung nicht erheblich durch Lärm, Ruß, Geruch oder Erschütterung belästigt und nicht durch Explosivstoffe oder brennbare Flüssigkeiten gefährdet wurde, sowie für die dazugehörigen Geschäfts- und Verwaltungsgebäude und für landwirtschaftliche Produktionsstätten industrieller Prägung.

Mit dem Gesetz vom 13. Oktober 1994, LGBl. 105, mit dem das Ktn. GemeindeplanungsG geändert wird, wurde §2 Abs2 leg.cit. novelliert; als Baugebiete kamen nunmehr Dorfgebiete, Wohngebiete, Kurgebiete, Gewerbegebiete, Geschäftsgebiete, Industriegebiete und Sondergebiete in Betracht. Seit dieser Novelle ist die Widmungsart "Bauland-Leichtindustriegebiet" im Ktn. GemeindeplanungsG nicht mehr enthalten.

Art II der Novelle LGBl. 105/1994 (in der Fassung der Wiederverlautbarung des Ktn. GemeindeplanungsG, LGBl. 23/1995, nunmehr ArtIII) enthielt Übergangsbestimmungen und normierte in seinem Abs2:

"Festlegungen in bestehenden Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen, die den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht entsprechen, sind, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird, längstens bis zum 31. Dezember 1999 an die durch dieses Gesetz geänderte Rechtslage anzupassen."

In den Absätzen 3 bis 18 des ArtII ist keine Übergangsbestimmung hinsichtlich der Widmung "Bauland-Leichtindustriegebiet" vorgesehen. Die Festlegung der Widmung "Bauland-Leichtindustriegebiet" ist daher mit Ablauf des 31. Dezember 1999 gesetzwidrig geworden.

3.2. Während des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof beschloss der Gemeinderat der Stadtgemeinde Wolfsberg am 7. Dezember 2006 eine Änderung des Flächenwidmungsplanes, genehmigt mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. März 2007, Z3Ro-131-1/10-2007, kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung Nr. 12 vom 29. März 2007. Mit dieser Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde das vom Verwaltungsgerichtshof mit seinem 1. Aufhebungsantrag erfasste Gebiet zum Teil als

"Bauland-Gewerbegebiet" (52-E5/2006 betreffend ua. die Parzellen Nr. 185/18, 185/19, 185/22 und 185/34, KG Priel und 53-E5/2006 betreffend die Parzelle Nr. 185/27, KG Priel) und zum Teil als

"Grünland - für die Land- und Forstwirtschaft gewidmete Fläche" (55-E5/2006 betreffend eine Teilfläche im Ausmaß von 1.170 m² aus dem als Bauland-Leichtindustriegebiet gewidmeten Grundstück Nr. 185/27, KG Priel)

umgewidmet.

Da die Widmung "Bauland-Leichtindustriegebiet" für das vom Aufhebungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes erfasste Gebiet mit Ablauf des 29. März 2007 (vgl. §14 Ktn. GemeindeplanungsG, wonach der Flächenwidmungsplan mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung der Genehmigung in der Kärntner Landeszeitung wirksam wird) außer Kraft getreten ist, war auszusprechen, dass die angefochtenen Teile des Flächenwidmungsplanes 1982 gesetzwidrig waren.

4. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung ergibt sich aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Geltungsbereich(zeitlicher) eines Gesetzes, Übergangsbestimmung, Invalidation,Anpassungspflicht (des Normgebers), VfGH / Prüfungsumfang, VfGH /Präjudizialität, VfGH / Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:V110.2005

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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