TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 I403 2147844-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I403 2147844-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Irak, vertreten durch "Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2017, Zl. 1089765300/151483410, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 04.10.2015 stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, er sei in seiner Heimat Irak vom Militär angeschossen worden. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer gedroht worden, dass man ihn entführe, da er seinen Dienst beim Militär quittiert habe. Er sei Soldat gewesen.

Der Beschwerdeführer wurde am 30.09.2016 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er an, dass er im Irak als Rettungsfahrer gearbeitet habe. Im Februar 2015 sei er von den "Hashd al Shaabi", der Armee der Miliz "Asaeb ahl al haq", aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen, was er aber verweigert habe.

Mit Bescheid des BFA vom 30.01.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen den am 31.01.2017 zugestellten Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 14.02.2017 Beschwerde erhoben. Es wurde vorgebracht, das Ermittlungsverfahren sowie die Beweiswürdigung der belangten Behörde seien mangelhaft, und eine Rückkehr in den Irak seitens des Beschwerdeführers sei für diesen lebensgefährlich, da er von der schiitischen Miliz "Al Mehdi" gesucht und verfolgt werde. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz stattgegeben und das beantragte Asyl gewährt wird, in eventu dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak zuerkannt wird, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Durchführung des inhaltlichen Verfahrens an das Bundesasylamt zurückverweisen sowie die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet in den Irak für unzulässig erklären.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.02.2017 vorgelegt und der Gerichtsabteilung L514 der Kammer L zugewiesen. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 27.06.2018 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I403 der Kammer I neu zugewiesen und dieser am 04.07.2018 vorgelegt.

Am 04.10.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung und unter Heranziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache sein Fluchtvorbringen wiederholte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ohne entsprechendem Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit 22.09.2015 in Österreich auf. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist Staatsangehöriger des Irak.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsland in der Stadt Basra gelebt und als Rettungsfahrer gearbeitet. Er ist arbeitsfähig und leidet an keinen schweren gesundheitlichen Einschränkungen. Der Beschwerdeführer erlitt einige Jahre zuvor eine Schussverletzung im Bauchbereich. Den ärztlichen Befunden ist aber abgesehen von einer im Jahr 2016 diagnostizierten Gastritis keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat zwei Söhne sowie zwei Töchter, die in Basra leben. Auch sein Vater und seine fünf Brüder leben nach wie vor im Irak. Der Beschwerdeführer hat keine maßgeblichen privaten sowie keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich, abgesehen von einem Cousin, welcher als Asylwerber in XXXX lebt, zu welchem der Beschwerdeführer jedoch kaum Kontakt hat.

Die Beschwerdeführer, der sich seit 3 Jahren in Österreich aufhält, weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht auf.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten und bestreitet seinen Lebensunterhalt seit der Ankunft in Österreich über die Grundversorgung.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer von einer schiitischen Miliz rekrutiert wurde und aufgrund seiner Weigerung, für diese tätig zu werden, von dieser verfolgt wird.

Es sind keine Gründe ersichtlich, warum es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar wäre, in seine Heimatstadt Basra zurückzukehren. Er ist gesund und erwerbsfähig und hat Kontakt zu seiner in Basra lebenden Familie. Seine Brüder arbeiten als Polizeiangestellter, als Fahrer bzw. auf einer Baustelle. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Basra ist daher davon auszugehen, dass er aufgrund seiner familiären Verbindungen und seiner Berufserfahrung eine Anstellung finden wird.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zur Situation im Irak:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Stadt Mossul, Hauptstadt der Provinz Ninava, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah Al-Din im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF) und mit der Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah Al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul.

Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. So gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS besiegt sei.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in den Jahren 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Die mit der Regierung verbündeten Milizen "Popular Mobilisation Forces" (PMF) würden Basra als strategisch wichtige Region ansehen, da dort Wohlstand herrsche und man junge Schiiten für die Milizen rekrutieren könne. Die Milizen haben in Basra eine große Macht inne. Auch die früher mächtigen Clans hätten das Machtvakuum für sich genützt.

Die PMF sieht Basra als strategisch wichtige Region an, da dort Wohlstand herrsche und junge Schiiten rekrutiert werden könnten. Zu den mächtigsten Milizen gehören Asa¿ib Ahl al-Haq und Saraya al-Salam. Diese Milizen verteidigen ihre Handlungsfreiheit gegenüber den irakischen Sicherheitskräften. Für Sunniten, Christen und Mandäer sollte ein vorhandenes Netzwerk eine Voraussetzung sein, um Basra als interne Fluchtalternative in Betracht zu ziehen. Zwischen den bewaffneten Stämmen finden gewalttätige Auseinandersetzungen statt. Die irakischen Streitkräfte würden Gefahr laufen, die Kontrolle in manchen Gebieten des Südiraks zu verlieren. Dann würden mächtige Clans, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, die Kontrolle übernehmen (Anfragebeantwortung des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation zum Irak:

Sicherheitslage in Basra vom 08.03.2018, a-10532-2).

Seit Wochen gibt es im schiitisch dominierten Basra Proteste. Die Demonstranten fordern Arbeitsplätze, sauberes Trinkwasser und eine sichere Stromversorgung. Dies ist aktuellen Medienberichten zu entnehmen, etwa der Deutschen Welle vom 07.09.2018 (https://www.dw.com/de/ausgangssperre-nach-gewalttätigen-protesten-in-basra/a-45405077).

Generell sehen die Milizen von Zwangsrekrutierungen ab, da sie ausreichend Zulauf haben. In vereinzelten Fällen wurde aber davon berichtet. Das Verlassen der Miliz könnte als Schande angesehen werden und schwerwiegende Konsequenzen haben.

Dem Länderinformationsblatt ist auch zu entnehmen, dass im Irak prinzipiell jedes Dokument käuflich zu erwerben ist, es ist schwer die Originalität eines Dokumentes festzustellen.

Zu den schiitischen Milizen wird im Länderinformationsblatt festgehalten:

Genese und Entwicklung seit 2014

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).

Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsident Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:

Dieses unterstand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Politikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe.

Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).

Die wichtigsten Milizen innerhalb der PMF

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Sie orientiert sich an der Tradition Khomeinis und der Staatsdoktrin Irans. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war. Mit der Namensänderung in Badr-Organisation wurde das Korps zum politischen Akteur. Als sich der Rat in "Irakischer Islamischer Hoher Rat" umbenannte und sich gleichzeitig vom Iran distanzierte, gelang es Badr, sich als wichtigster Verbündeter Irans im Irak zu etablieren und trennte sich 2009 schließlich vom Hohen Rat. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft des Milizenbündnisses. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und arbeitet mit Kata'ib Hizbullah zusammen. Unklar ist jedoch, ob die genannten Zahlen ausschließlich Kämpfer oder auch sonstiges Personal umfassen, denn die Badr-Organisation ist Miliz und politische Partei in einem. Badr war bisher an allen wichtigen militärischen Auseinandersetzungen in den Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Anbar und Ninewah beteiligt; ihr militärisches Hauptquartier befindet sich im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad. In Diyala verfügt Badr außerdem über ein Territorium, das sich zu einer eigenständigen Machtbasis im Sinne eines "Staates im Staate" ausbauen lässt (Süß 21.8.2017).

Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) entstanden im Zuge der Umbenennung des Badr-Korps in Badr-Organisation und bekämpften im Gegensatz zu diesem die US-Truppen. Sie wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten (Süß 21.8.2017).

Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa Sistanis auf Anweisung von Muqtada as-Sadr gegründet und sollten möglichst viele der Freiwilligen vereinigen. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).

Auch Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl az-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feld-kommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).

Überblick über die wichtigsten PMF:

Anm.: Die folgende Darstellung ist nicht als abschließende Liste aufzufassen. Die angegebenen regionalen Eingrenzungen stellen lediglich eine Momentaufnahme dar, sind laufenden Änderungen unterworfen und ebenfalls nicht als abschließend anzusehen.

 

Name *Gründung

Anführer und Gruppengröße

Verbindungen, Zusammenarbeit

Bekannte regionale Aktivität

1

Badr-Organisation *1983/84

Hadi al-Amiri 20.000 - 50.000

Kata'ib Hizbullah

stark in Kirkuk, Tuzkhurmato, Amerli, Salah ad-Din, Diyala; milit. Hauptquartier im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad

2

Kata'ib Hizbullah (, Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) *2007

Abu Mahdi al-Muhandis ca. 30.000

Badr, Kata'ib Sayyid Shuhada, Kata'ib al-Imam Ali, Haraqat al-Nujaba

vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv

3

Asa'ib Ahl al-Haqq Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) *2006

Qaiz al-Khaz'ali mind. 3.000

unbekannt

Einfluss in neun Provinzen, u.a. Bagdad, Siyala, Tuzkhurmato, Südirak; einflussreichste Gruppe in Basra, Najaf, Kerbela, Muthanna

4

Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) *2014

Muqtada as-Sadr mind. 50.000

unbekannt

Haupteinsatzgebiet im südlichen Zentrum des Irak

5

Kata'ib al-Imam Ali ( Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) *2014

Shibl az-Zaidi

Badr, Kata'ib Hizbullah

bedeutend um Tuzkhurmato

6

Saraya Tali'a al-Khorasani (Khorasan Brigade) *2013

Ali Yasiri mind. 3.000

unbekannt

Kommandozentrum in Qadir Kerem, aktiv in Kirkuk und Salah ad-Din

7

Kata'ib Sayyid ash-Shuhada (Bataillone der Märtyrer Sayyids, Martyrs of Sayyid Batallions) *2013

Hajj Abu Ala

Badr, Kata'ib Hizbullah, Asa'ib Ahl al-Haqq

Unterstützungsbasis vor allem im Südirak, aktiv in Salah ad-Din

8

Harakat (Hizbullah) an-Nujaba ( Bewegung der Edlen) *2013

Eqrem al-Qaibi

Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah

aktiv in Babel, Samarra und um Bagdad

9

Liwa Abu al-Fadel al-Abbas ( Abu Fadel Abbas Brigade) *2012

10.000

unbekannt

Kommandozentrum in Kerbela; aktiv in Bagdad und Umgebung sowie Salah ad-Din

10

Hizbullah al-Mujahidun f-il Iraq ( Kämpfer der Partei Gottes im Irak) *2014

Abbas al-Muhammadawi

unbekannt

unbekannt

11

Faylaq al-Wa'ad as-Sadiq ( Legion des wahren Versprechens)

Mohammad Hamza at-Tamimi

unbekannt

unbekannt

12

Kata'ib al-Imam al-Hussein ( Bataillone des Imam Hussein) *2014

unbekannt

unbekannt

aktiv in Salah ad-Din

13

Kata'ib al-Imam al-Gha'ib ( Bataillone des abwesenden Imam)

unbekannt

Splittergruppe von Kata'ib Hizbullah

aktiv in Falluja und Samarra

14

Kata'ib Ansar al-Hijja ( Bataillone der Unterstützer von al-Hijja)

Mohammad al-Qinani

Kata'ib Martyr Sadr

aktiv in Salah ad-Din und Anbar

15

Kata'ib al-Ghadab (Bataillone der Wut) *2014

Abu Fakkar ash-Shammari

unbekannt

aktiv in Bagdad, Tikrit und Samarra

16

Kata'ib Ruhallah ( Bataillone der Seele Allahs)

Abu Talib al-Mayahi

Kata'ib Ahrar al-Iraq

aktiv im Norden Bagdads und in Salah ad-Din

17

Kata'ib Ahrar al-Iraq ( Bataillone der freien Männer Iraks) *2014

Abbas al-Maliki

Kata'ib Ruhallah

unbekannt

18

Saraya Ansar al-Aqida ( Brigade der Unterstützer des Glaubensbekenntnisses) *2014

Jalal ad-Din Sagir

unbekannt

um Bagdad und Samarra, am aktivsten in Dhi Qar and Kerbela

19

Saraya al-Jihad ( Brigade des Heiligen Krieges) *2014

Hasan as-Sari

unbekannt

Kommandozentrum in Wasit

20

Liwa Youm al-Qaim ( Brigade des Tages des Auferstehenden)

unbekannt

Kata'ib al-Mawt al-Istishariyya

Bagdad

21

Liwa Dhu al-Fiqar (Zulfiqar-Brigade) *2013

Abu Shahad al-Juburi

unbekannt

Schutz eines Heiligen Schreins in Syrien

22

Liwa Assadullah al-Ghalip ( Brigade der erobernden Löwen Gottes)

Suhail al-Araji

unbekannt

aktiv in Wasit und Bagdad

23

Liwa al-Muntadar ( Brigade der Erwarteten)

Daghir al-Musavi

Kata'ib Sayyid al-Shuhada

Kommandozentrum in Basra

24

Liwa al-Youm al-Mau'ud ( Brigade des versprochenen Tages) *2008

unbekannt

Saraya as-Salam

unbekannt

 

Weitere Milizen: Harakat al-Abdal, Hizbollah as-Sairun, Hizbullah al-Abrar, Kata'ib ad-Difa al-Muqaddas/Quwwa Shaheed al-Sadr, Kata'ib al-Fatah al-Mobin, Kata'ib al-Shaheed al-Awal, Kata'ib al-Shaheed al-Awal: Quw w-al-Buraq, Kata'ib at-Tayyar ar-Risali, Liwa al-Imam al-Hasan al-Mujtaba, Liwa al-Imam al-Qaim, Liwa al-Qa'im, Liwa al-Qaria, Saraya Ashura, Liwa Ammar ibn Yasir, Liwa ash-Shabab ar-Risali, Liwa as-Sadeqeyn, Saraya az-Zahra.

 

 

 

(Süß 21.8.2017)

Führung und Rechtsstellung der PMF

Generell kann innerhalb der Volksmobilisierung eine Dominanz der älteren Milizen und ihrer Anführer Amiri, Muhandis und Khaz'ali ausgemacht werden. Die personelle Führung des Milizenbündnisses übernimmt dabei eine Trias: Anführer ist Abu Mahdi al-Muhandis, Kommandeur der Kata'ib Hizbullah und enger Verbündeter Badrs und der iranischen Revolutionsgarden. Als eigentlicher starker Mann hinter Muhandis gilt allerdings Hadi al-Amiri, Anführer der Badr-Organisation. Einfluss übt außerdem Qasim Suleimani aus, umstrittener Kommandeur der zu den iranischen Revolutionsgarden gehörigen Quds-Brigaden. Der Iran versorgt die irakischen Milizen mit Geld und Waffen und bildet ihre Kämpfer gemeinsam mit der libanesischen Hizbullah im Iran, im Irak und im Libanon aus. Viele der Milizen vertreten deshalb folgerichtig eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Irans orientiert. Der Iran nutzte die Gründung der Volksmobilisierung 2014 auf diese Weise dafür, ihren Einfluss im Irak erheblich zu steigern. Die größten Milizen innerhalb der Volksmobilisierung hängen dabei so stark vom Iran bzw. den iranischen Revolutionsgarden ab, dass sie als Instrument des Nachbarstaates bezeichnet werden können. Auch eine personelle Verbundenheit ist vorhanden: Muhandis und Amiri haben ihre engen Beziehungen zum Iran mehrmals selbst bestätigt. Allerdings gibt es neben besonders eng an den Iran angebundenen Milizen (Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah) auch solche, die zwar ressourcenmäßig vom Iran abhängig sind, aber eine gewisse Distanz zum Iran aufweisen (Saraya as-Salam).

Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die Volksmobilisierung dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Ministerpräsidenten als Oberkommandierendem unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

In der Tat scheint es sich so zu verhalten, dass innerhalb der PMF die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte sind (Posch 8.2017).

Konfessionelle Zusammensetzung der PMF

Der absolute Großteil der PMF- Milizen besteht aus Schiiten, es gibt jedoch durchaus auch Sunniten, Christen oder sogar Jesiden in den Reihen der schiitischen Milizen [abhängig von der jeweiligen Miliz], bzw. gibt es auch gemischte Milizen, oder auch eigene Sunniten- oder Christen-Milizen (Lattimer 26.4.2017; Al-Monitor 21.8.2017).

PMF-Milizen und organisierte Kriminalität

Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen - oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem Ölschmuggel im großen Stil, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker waren. So lassen sich politische Streitigkeiten innerhalb der schiitischen Milizen ebenso gut als Allokations- und Revierkämpfe von Mafiabanden interpretieren, die sich auch auf parlamentarischer Ebene wiederfinden (Posch 8.2017).

Quellen:

-

Al-Monitor (21.8.2017):Turkey fumes as Sinjar Yazidis declare 'democratic autonomy',

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/08/independence-iraqi-kurdistan-referendum-opposition.html#ixzz4qlVEYvfy, Zugriff 25.8.2017

-

Lattimer, Mark - Director of the Ceasefire Cetre for Civilian Rights (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

Posch, Walter (8.2017): Schiitische Milizen im Irak und in Syrien

-

Volksmobilisierungseinheiten und andere, per Email

-

Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31.pdf

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Darüber hinaus wurde am 04.10.2018 im Beisein des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten Reisepasses Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen hinsichtlich der Familiensituation und des Wohnortes des Beschwerdeführers im Irak gründen sich auf dessen diesbezüglich glaubhafte Angaben vor der belangten Behörde (Protokoll vom 30.09.2016) und in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift vom 04.10.2018). Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 03.07.2018. Seine Scheidung ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Scheidungsurkunde vom 15.03.2017.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers sowie den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Befunden des Landesklinikums XXXX vom Februar 2016. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Bauchbereich einige Jahre zuvor eine Schusswunde erlitten hatte, welche aus ärztlicher Sicht aber aktuell zu keinen besonderen Komplikationen führt (siehe Arztbrief vom 23.02.2016, in dem die Wunde als "bland" beschrieben wurde und festgestellt wurde, dass "kein Hinweis auf Herniation" vorliegt). Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, gelegentlich an Schmerzen zu leiden, die er mit Schmerztabletten behandeln würde. Aus einem Arztbrief vom 11.08.2016 ergibt sich die Diagnose einer Gastritis, die sonstigen Befunde waren unauffällig. Zur geplanten Coloskopie am 02.03.2016 erschien der Beschwerdeführer nicht. Eine wesentliche Gesundheitseinschränkung bzw. eine Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit ergibt sich daraus nicht.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte, auf das Wesentlichste zusammengefasst, vorgebracht, als Rettungsfahrer von einer schiitischen Miliz rekrutiert worden zu sein. Aufgrund seiner Weigerung, für die Miliz zu arbeiten, sei er gezwungen gewesen, das Land zu verlassen.

Das BFA kam zum Schluss, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist; dieser Feststellung muss sich das Bundesverwaltungsgericht aus den folgenden Erwägungen anschließen:

Der Beschwerdeführer stützt seine Verfolgung durch die schiitischen Milizen unter anderem darauf, dass er selbst Sunnit sei. Bereits dieser Punkt ist allerdings fraglich: Bei der Erstbefragung am 04.10.2015 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, Schiit zu sein und besserte dies auch nicht im Rahmen der Rückübersetzung aus. Bei dieser Einvernahme erklärte er auch noch nicht, von den Milizen bedroht zu werden, vielmehr sprach er davon, dass er Verfolgung aufgrund seiner Desertion vom Militär befürchten würde. Erst bei der Einvernahme durch das BFA am 30.09.2016 machte er eine Verfolgung durch die schiitischen Milizen geltend und gab an, Sunnit zu sein.

Die Abweichung von der Erstbefragung erklärte er folgendermaßen:

"Ich habe die Glaubenszugehörigkeit gewechselt. Das war 2004. In der Einvernahme habe ich das nicht gesagt." Seine Vorfahren seien Sunniten gewesen. Ganz anders dann wieder seine Aussagen in der mündlichen Verhandlung. Er und seine Brüder seien Sunniten, er habe dann nur gegenüber der Krankenhausleitung erklärt, Schiit zu sein, um eine Stelle zu erhalten. Auch in der mündlichen Verhandlung selbst verwickelte er sich in Widersprüche, wie der folgende Ausschnitt aus der Niederschrift vom 04.10.2018 zeigt:

"RI: Warum sollte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten