TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/19 W197 2207333-1

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Veröffentlicht am 19.10.2018
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Entscheidungsdatum

19.10.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W197 2207333-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. SAMSINGER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1089865807-180530098 über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , algerischer Staatsangehöriger, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist algerischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nunmehr fest. Der BF trat auf seiner Reise durch Europa unter verschiedenen Identitäten - Namen, Geburtsdaten und Nationalitäten auf.

1.2. Der BF reiste illegal in nachstehende Staaten ein und hielt sich dort rechtsgrundlos auf: Türkei, Bulgarien, Serbien, Kroatien, Italien, Schweiz, Frankreich, Deutschland und Österreich. Der BF reiste ins Bundesgebiet bereits 2015 ein und hielt sich hier im Verborgenen auf.

1.3. Der BF stellte in der Schweiz, Deutschland und Österreich Anträge auf internationalen Schutz. Er entzog sich dabei den Behörden und den Verfahren, indem er untertauchte und in das nächste Land weiterreiste.

1.4. Mit Bescheid der Behörde vom 05.05.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz als unbegründet abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde ebenso nicht erteilt wie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot von 8 Jahren erlassen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht erteilt und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.5. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 12.06.2018 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als das Einreiseverbot auf 10 Jahre erhöht wurde.

1.6. Der BF wurde in Österreich dreimal rechtskräftig strafrechtlich wegen Diebstahl, gewerbsmäßigem Diebstahl und Einbruchsdiebstahl sowie Körperverletzung, schwerer Körperverletzung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und Urkundenunterdrückung zu unbedingten Haftstrafen verurteilt. Der BF wurde unmittelbar nach seiner Einreise zum ersten Mal straffällig. Bestrafungen haben ihn nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden.

1.7. Über den BF wurde mit Bescheid der Behörde vom 12.06.2018 die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bescheid wurde dem BF nach Entlassung aus der Verwaltungshaft am 19.06.2018 eigenhändig zugestellt, der BF befindet sich seither in Schubhaft. Der Bescheid wurde vom BF nicht angefochten, er erwuchs in Rechtskraft.

1.8. Der BF ist im Bundesgebiet in keinem Bereich integriert ist mittel- und obdachlos und hat in der Vergangenheit seinen Unterhalt offensichtlich durch Straftaten gedeckt. Der BF will nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren.

1.9. Der BF hat versucht, sich durch einen in der Folge abgebrochenen Hungerstreik aus der Haft freizupressen. Er hat weiters versucht, ein Handy in die Haftanstalt einzuschmuggeln.

1.10. Im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF besteht akute Fluchtgefahr, mit der Anordnung eines gelinderen Mittels kann das Auslangen nicht gefunden werden.

1.11. Der BF ist haftfähig. Es sind keine Umstände hervorgekommen, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken. Solches wurde vom Fremden auch nicht, etwa in einer Schubhaftbeschwerde, geltend gemacht.

1.12. Der BF wurde am 14.06.2018 von der algerischen Vertretungsbehörde als Algerier identifiziert und ein Verfahren zu Ausstellung eines Heimreisezertifikats von Algerien eingeleitet. Die Behörde hat bei der algerischen Vertretungsbehörde am 03.10.2018 urgiert. Die Zusammenarbeit mit dieser ist konstruktiv, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die Ausstellung eines HRZ bezüglich des BF innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist nicht möglich sein sollte.

1.13. Die Behörde hat den Akt rechtzeitig vorgelegt und beantragt festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

1.14. Festgestellt wird, dass ein dringendes öffentliches Interesse besteht, rechtsgrundlos im Bundesgebiet aufhältige, straffällige Fremde außer Landes zu bringen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass der BF nicht nach Algerien zurückkehren möchte, nicht gewillt ist, sich Rechtsordnungen entsprechend zu verhalten. Er hat sich im In- wie im Ausland dem Verfahren durch Untertauchen entzogen und durch Verschleierung seiner Identität versucht, seine Abschiebung zu hintertreiben. Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass der BF in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich seiner Abschiebung zu entziehen.

2.3. Der BF ist nicht vertrauenswürdig. Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr und akutem Sicherungsbedarf hinsichtlich des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Die Schubhaft ist im Hinblick auf die Aussagen des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.

2.4. Da der BF als Algerier erkannt wurde und von den algerischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats eingeleitet wurde, ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die Behörde hat das Verfahren bislang rechtskonform geführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

3.4. Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus dem vergangenen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine hohe Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Der Beschwerdeführer hat keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig. Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, wie die politische Diskussion in der Bundesregierung und in der Öffentlichkeit aktuell zeigt, besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird, die Ausstellung eines HRZ durch die algerischen Behörden istnicht unmöglich und in vertretbarer Zeit zu erwarten.

3.5. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliches Interesse,
Schubhaft, strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W197.2207333.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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