Entscheidungsdatum
22.10.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L526 2006834-2/6E
BESCHLUSS
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin gegen die Beschwerde von XXXX geb. 04.11.1985, Staatsangehörigkeit Armenien alias staatenlos, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Ralf Mössler, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 27.08.2018,XXXX beschlossen:
A.) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz "BF" genannt) ist Staatsangehöriger der Republik Armenien und stellte nach illegaler Einreise im Jahr 2013 zusammen mit seiner Familie einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit den im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wird gegen die BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1, 3 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).
3. Mit Schreiben vom 30.08.2018 erging das Ersuchen des BFA an die PI Attnang Puchheim, eine eigenhändige Zustellung des Bescheides, der Verfahrensanordnung Rechtsberatung, der Verfahrensanordnung Rückkehrberatung und der Information Ausreiseverpflichtung § 58 FPG an die im Schreiben genannten Empfänger, den BF sowie seine Ehegattin und seine Kinder durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 11 BFA-VG, vornehmen zu lassen.
4. Am 17.10.2018 erfolgte die eigenhändige Zustellung des Bescheides an den BF gegen dessen Unterschriftsleistung.
5. Bei der Aktprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht wurde festgestellt, dass sich keine Übernahmebestätigung hinsichtlich der Bescheidausfolgung an die Ehegattin sowie die Kinder des BF in den vorgelegten Akten befinden. Auf telefonische Anfrage der zuständigen Gerichtsabteilung vom 17.10.2018 bei der PI Attnang-Puchheim wurde mitgeteilt, dass das zustellende Organ lediglich einen circa 100 seitigen Bescheid des Ehegatten der BF4 zur Ausfolgung erhalten habe und diesen gegen Unterschriftsleistung auch tatsächlich ausgefolgt habe. Bescheide für die Ehefrau und die Kinder habe er nicht erhalten und diese daher auch nicht zustellen können.
6. Gegen den Bescheid des BF wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Für die Zustellung der Bescheide des BFA vom 27.08.2018, Zlen. 1XXXX1 an die Ehegattin und die Kinder des BF liegt kein Zustellnachweis vor.
Gemäß § 34 AsylG waren das Verfahren des BF und die Verfahren seiner Familienanghörigen als Familienverfahren zu führen gewesen. Im gegenständlichen Fall wurde jedoch lediglich gegenüber dem BF ein Bescheid erlassen. Um dem Grundsatz der Wahrung der Familieneinheit gerecht zu werden, war daher auch die Entscheidung des BF zu beheben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Die Frage der eigenen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG).
Zu A)
II.3.2. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
Im Anwendungsbereich des § 18 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 muss jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009, jeweils unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 18 Rz 8). Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sei. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, muss die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein (VwGH 28.06.2011, 2010/17/0176, 29.11.2011, 2010/10/0252). Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018; 31.10.2014, Ra 2014/08/0015; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).
Einer Erledigung fehlt die Bescheidqualität, wenn die Urschrift - bzw. der betreffende "Referatsbogen" - nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist (VwGH 15.10.2003, 2003/08/0062). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die den Parteien zugestellten Ausfertigungen die Originalunterschrift des Genehmigenden tragen und eine nicht unterschriebene Durchschrift im Akt verbleibt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/06/0022 unter Hinweis auf VwGH 20.06.1991, 91/19/0085).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (VwGH 20.12.2005, Zl. 2005/04/0063). Ist der Bescheid jedoch nicht rechtswirksam erlassen, so ist entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein dagegen erhobenes Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (VwGH 02.10.1997, Zl. 97/07/0082). Der Rechtsmittelinstanz ist es in diesen Fällen verwehrt, meritorisch über das Rechtsmittel abzusprechen.
Wird ein Bescheid nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht anfechtbar (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2. Teilband, RZ 8 zu § 62, S 781).
II.3.3.1. Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
Gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 idgF hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist; gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist
Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 idgF Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I 122/2009).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden
Aus der Wendung in § 34 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, Familienverfahren seien "unter einem" zu führen, ist abzuleiten, dass diese von derselben Behörde zu führen sind. Demgemäß gehen die Materialien zum AsylG 2005 davon aus, dass es das Ziel der Bestimmungen des § 34 AsylG sei, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, ohne ihnen ein Verfahren im Einzelfall zu verwehren. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, solle "dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden" (Erläuterungen zur RV, 952 BlgNR XXII. GP; vgl. zu § 10 Abs. 5 AsylG 1997 - bezogen auf die Frage der Zulassung - auch VwGH 18.10.2005, Zahl 2005/01/0402).
Die Bestimmungen des AsylG 2005 über das Familienverfahren im Inland knüpfen im Wesentlichen an die Vorgängerbestimmungen im AsylG 1997, wie sie durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl I 2003/101, geschaffen wurden, an. Zu diesen Bestimmungen im AsylG 1997 hat der VwGH bereits ausgeführt, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist, um einen gleichförmigen Verfahrensausgang sicherzustellen (vgl dazu VwGH 28. 10. 2009, 2007/01/0532 bis 0535, mwN). Dies trifft auch auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 zu. Die (mit § 10 Abs 5 AsylG 1997 nahezu wortgleiche) Bestimmung des § 34 Abs 4 AsylG 2005, wonach alle Familienangehörigen entweder den gleichen Schutzumfang erhalten oder alle Anträge "als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen" sind, ist daher dahingehend zu verstehen, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Gleichförmigkeit des Familienverfahrens, das letztlich der Verfahrensbeschleunigung und somit der Verfahrensökonomie dient (vgl VfGH 3. 9. 2009, U 804/09), wird dabei nicht nur durch § 34 Abs 4 AsylG 2005, sondern auch durch die (mit § 32 Abs 7 AsylG 1997 im Wesentlichen übereinstimmende) Bestimmung des § 36 Abs 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebracht, wonach selbst bei nur einer Berufung eines betroffenen Familienmitglieds diese auch als Berufung gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen gilt und keine dieser Entscheidungen dann der Rechtskraft zugänglich ist (vgl zum Ganzen die insoweit auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 übertragbaren Ausführungen in VwGH 28. 10. 2009, 2007/01/0532 bis 0535; s. weiters Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 497 f). In diesem Sinne hat der VwGH zu § 34 Abs 4 AsylG 2005 - in Fortsetzung der Judikatur zum AsylG 1997 - bereits erkannt, dass bei Aufhebung (nur) eines Bescheides eines Familienangehörigen dies (infolge der ex tunc-Wirkung einer Aufhebung nach § 42 Abs 3 VwGG) auch auf die Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt (vgl VwGH 26. 6. 2007, 2007/20/0281).
Nach den Erläuterungen (zur Einführung des Familienverfahrens mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003) sollen Familienverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkannt und geführt werden. Daher hat die Behörde, sobald ein Familienangehöriger im Sinn des § 1 Z. 6 AsylG einen Asylantrag im Sinn des § 3 AsylG oder einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes im Sinn des § 10 AsylG stellt, jedenfalls die Bestimmungen über das Familienverfahren anzuwenden
(VwGH vom 28.10.2009, Zl. . 2007/01/0532).
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 18.09.2015, E 1174/2014-18, unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, festgehalten:
"Vor allem aber hat das Bundesverwaltungsgericht nicht erkannt, dass das Verfahren des Beschwerdeführers ab dem Zeitpunkt des Asylantrages des Vaters des Beschwerdeführers, dessen Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht abgeschlossen gewesen ist, gemäß § 34 AsylG 2005 zwingend gemeinsam mit dem des Vaters (und dessen weiteren Kindern und seiner nunmehrigen Ehefrau) als Familienverfahren durchzuführen war (vgl. etwa auch VwGH 9.4.2008, 2008/19/0205). Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher den bei ihm angefochtenen Bescheid des BAA im Spruchpunkt der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten aufzuheben und die Durchführung eines Familienverfahrens mit der Familie des Vaters anzuordnen gehabt".
II.3.3.2. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesverwaltungsgericht nicht in der Lage, die Verfahren über die Anträge der betroffenen Familienangehörigen gemäß § 34 Abs. 4 iVm Abs. 5 AsylG 2005 unter einem zu führen. Hinsichtlich der Ehegattin des BF und seiner Kinder liegt kein Bescheid vor und ist das Verfahren damit nach wie vor bei der belangten Behörde anhängig. Über den Bescheid betreffend den BF alleine kann ohne Entscheidung betreffend seine Ehegattin und die gemeinsamen Kinder nicht entschieden werden.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt in seiner oben zitierten Entscheidung vom 18.09.2015, E 1174/2014, (unter Hinweis auf VwGH 09.04.2008, 2008/19/0205) die Bedeutung des § 34 AsylG 2005 betont und ausgesprochen, dass es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist, über einen Familienangehörigen zu entscheiden, solange ein anderer Familienangehöriger noch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig ist. Ab dem Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages sind die Verfahren gemäß § 34 AsylG 2005 zwingend gemeinsam zu führen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, dass jeder Antrag eines Familienangehörigen gesondert zu prüfen und über jeden mit gesondertem Bescheid abzusprechen ist (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005). Unabhängig von der konkreten Formulierung ist jeder Antrag eines Familienangehörigen überdies in erster Linie auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet und sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063).
Gerade bei Familienmitgliedern überschneiden sich die Fluchtgründe für gewöhnlich. Auch im gegenständlichen Fall wird daher das Vorbringen aller Familienmitglieder nur in einer Zusammenschau beurteilt werden können.
Schon nach Maßgabe dieser Kriterien gelangt das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung des oben dargestellten Verfahrensablaufs zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wahrung der Familieneinheit im Asylverfahren der Bescheid der BF zu beheben ist, da hinsichtlich seiner Familienmitglieder kein Bescheid erlassen wurde.
II.3.4. Zusätzlich wird auf Folgendes hingewiesen:
II.3.4.1. In seiner Entscheidung vom 26.06.2014 zu Zl. 2014/03/0063 formulierte der VwGH die maßgeblichen Kriterien für die Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG, wo er u.a. ausführte:
"Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte - auch zur Vermeidung von "Kassationskaskaden" - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Ausgehend davon wurde, wie aus den Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013 (vgl RV 2009 BlgNR XXII. GP, Seite 7) ersichtlich, die Regelung des § 28 VwGVG 2014 getroffen. Daraus ergibt sich, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht nur die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz erfolgte, sondern damit auch ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte festgelegt wurde.
Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."
II.3.4.2. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2014, Zl. L5122006834-1, worin dargelegt wurde, dass das BFA dem BF im fortgesetzten Verfahren unter Gewährung des Parteiengehörs die relevanten Passagen der Staatsbürgerschaftsgesetze der Republik Armenien und der Russischen Föderation zur Kenntnis zu bringen, die Thematik der Staatsangehörigkeit zu hinterfragen, sich im Detail mit den Fluchtgründen des BF, dessen Gesundheitszustand und die verfügbaren sozialen Netzwerke auseinanderzusetzen haben und eine vollständige Glaubwürdigkeitsprüfung vorzunehmen haben wird, nicht bzw. in unzureichender Weise nachgekommen wurde, zumal lediglich ein Sprachanalyse-Bericht eingeholt wurde, welcher zum Thema der Staatsangehörigkeit bzw. der angeblichen Staatenlosigkeit des BF und seiner Familie keine Auskunft gibt, der BF entgegen der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinem Gesundheitszustand und den im Heimatland verbliebenen sozialen Netzen befragt worden ist.
Zudem ist darauf aufmerksam zu machen, dass der BF in seiner Beschwerdeschrift unter anderem schwere verfahrensrechtliche Mängel rügt, indem unter anderem vorgebracht wird, das BFA hätte eine Vertrauensperson ohne taugliche Begründung nicht zugelassen, es sei nie über die Fluchtgründe der Kinder gefragt worden, es seien entgegen der festgehaltenen Protokollierungen Aussagen tatsächlich anders getätigt worden und die Länderfeststellungen nicht zur Kenntnis gebracht worden.
Dazu ist für die erkennende Richterin auch nicht nachvollziehbar, weshalb für die Einvernahme entgegen der Ergebnisse der Sprachanalyse, wonach Armenisch die Muttersprache des BF ist, dieser unter Beiziehung eines russischen Dolmetschers einvernommen wurde.
Ferner fällt auf, dass sich das BFA in der Begründung zu Spruchpunkt V lediglich auf Ziffer 4 bezieht, im Spruch jedoch auch andere gesetzliche Grundlagen anführt. Dass der BF keine Fluchtgründe vorgebracht hat, kann schon deshalb nicht nachvollzogen werden, da er vom BFA entgegen den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes auch gar nicht im Detail zu seinen Fluchtgründen befragt worden ist.
Erst entsprechende Ermittlungen und darauf aufbauende Feststellungen können zu einer nachvollziehbaren Würdigung führen.
Die belangte Behörde wird bei der nunmehr zu erfolgenden Bescheiderlassung die Ausführungen des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2015, Zl. L5122006834, zu beachten und ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren zu führen haben.
Die Verfahren der Familienmitglieder des BF sind nach wie vor beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig und wird durch die Zurückweisung auch das Verfahren des BF wiederum dort anhängig und wird der BF nochmals einzuvernehmen sein. Vor einer Bescheiderlassung hat das BFA den BF nochmals einzuvernehmen und sich mit dem Vorbringen in der Beschwerde, den zwischenzeitig abgegebenen Stellungnahmen und Dokumenten als Teil des Vorbringens im Verfahren auseinanderzusetzen und gegebenenfalls entsprechende, geeignete Ermittlungen hierzu durchzuführen und diese bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
II.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zurückweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 AVG.
Schlagworte
Familieneinheit, Familienverfahren, KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L526.2006834.2.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019