TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/31 W126 2141125-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2018
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Entscheidungsdatum

31.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W126 2141125-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2016, Zl. 107631507-15078796, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.08.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 03.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, in der Provinz Panjshir geboren und in seinem ersten oder zweiten Lebensjahr in den Iran gezogen zu sein. Im Iran habe er zehn Jahre die Grundschule besucht. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass die Lage im Iran für afghanische Flüchtlinge sehr schlecht sei.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als BFA bezeichnet) am 19.10.2016 legte der Beschwerdeführer diverse Dokumente von seiner Familie, welche sich derzeit in der Türkei befinde, vor und gab an, dass er in Afghanistan keine Verwandten habe. Er habe mehrmals pro Woche Kontakt zu seiner Familie. In der Herkunftsprovinz habe die Familie im Haus seines Onkels gelebt. Auch dieser Onkel befinde sich zurzeit in der Türkei. Seine Eltern seien 1999 wegen des Krieges und der Taliban in den Iran gegangen. Der Beschwerdeführer sei damals fünf Jahre alt gewesen. Im Iran habe der Beschwerdeführer als Maler gearbeitet. Der Vater des Beschwerdeführers habe viele Probleme mit den Taliban und eine Feindschaft in Afghanistan gehabt, weshalb der Beschwerdeführer nicht nach Afghanistan zurückgehen könne. Es habe einen Streit mit dem Cousin seines Vaters gegeben, weil der Vater des Beschwerdeführers einen Teil eines Grundstückes für sich beanspruchen habe wollen. Der Beschwerdeführer habe von seinem Cousin erfahren, dass der Cousin seines Vaters ihn auf "Facebook" gefunden habe. Der Cousin des Beschwerdeführers lebe ebenso wie der Cousin seines Vaters in Kabul. Die beiden würden sich gelegentlich treffen. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil der Cousin seines Vaters ihn überall - auch in Mazar-e Sharif - finden könne.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen, darunter eine Bestätigung in türkischer Sprache, Schriftstücke von UNHCR, Kopien von Ausweisen in türkischer Sprache von XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , ein vom Stadtamt Bremen ausgestellter Ausweis von XXXX betreffend die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) sowie ein unleserliches Schriftstück und ein Schreiben vor. Laut Übersetzung des Schreibens handelt es sich dabei um eine Bestätigung, dass wegen eines Konflikts auf einem Stück ererbten Land im Jahr 1998 XXXX im Augenbereich und an der Hand schwer verletzt worden sei. Diese Person habe sich wegen des Unfalls rächen wollen und sei sehr mächtig und reich. Wegen dieser Feindschaft habe ein beständiges Risiko für XXXX und seine Familie bestanden. Dieser sei gezwungen worden, seine Stadt und Land im Jahr 1999 zu verlassen und sei in den Iran ausgewandert.

2. Mit angefochtenem Bescheid vom 08.11.2016 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 09.11.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang. Zusammengefasst wird darin dargelegt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan fürchten müsse, dass er von der Familie seines Großonkels verfolgt werden würde, da es zwischen dieser und seiner Familie eine Familienfehde gebe. Geltend gemacht wurde zudem die fehlende Aktualität der Länderberichte, weshalb diverse Medienberichte zu Afghanistan und Auszüge aus den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 wiedergegeben wurden.

4. Am 01.08.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter und eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Verhandlung eine Besitzurkunde und die bereits im Akt befindliche Anzeigebestätigung sowie einen Reiseausweis seines in Deutschland lebenden Bruders vor und gab zusammengefasst an, dass das Grundstück in Afghanistan sein Erbe sei. Sein Vater sei der Meinung, dass das Grundstück ihm gehöre und dessen Cousin meine, dass es ihm gehören würde. Deswegen sei es zum Streit gekommen. Sein Vater habe dem Beschwerdeführer einen Brief geschickt, welchen der Beschwerdeführer nicht gut lesen könne. Der Brief sei vor 15 bis 20 Jahren in Dari geschrieben worden. In der vorgelegten Anzeigebestätigung werde bestätigt, dass es 1998/1999 zu einem Streit zwischen seinem Vater und dem Cousin seines Vaters gekommen sei. Dabei habe der Cousin seines Vaters Verletzungen am Auge und am Arm erlitten, weshalb sein Vater mit seiner Familie Afghanistan verlassen habe und in den Iran geflüchtet sei. Das Grundstück liege in der Provinz Panjshir. Derzeit sei das Grundstück im Besitz der Familie des Cousins des Vaters des Beschwerdeführers. Die Familie des Beschwerdeführers sei, nachdem die Probleme entstanden sei, für ein Jahr nach Kabul gezogen. Von dort sei seine Familie weiter in den Iran gegangen.

Der Sohn seiner Tante väterlicherseits lebe derzeit in Kabul und führe einen Internet-Club, in dem es Internet-Konsolen, Computer und Spiele gebe. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers befinden sich in der Türkei. Einer seiner Brüder habe einen dreijährigen Aufenthalt in Deutschland erhalten und wolle dort gerne eine Ausbildung beginnen.

Der Beschwerdeführer habe im Iran als Maler gearbeitet. Die Familie des Beschwerdeführers habe den Iran verlassen, weil sie keinen Aufenthaltstitel gehabt und im Iran zu einer religiösen Minderheit gehört hätten. Sein Vater und seine Schwester würden an einer Herzerkrankung leiden, weshalb beide nicht arbeiten könnten. Es arbeite lediglich sein jüngerer Bruder.

In Österreich mache der Beschwerdeführer täglich eine Stunde Sport und bereite sich nach dem Frühstück auf den Deutschkurs vor, welchen er fünf Mal in der Woche für je zwei Stunden besuche. Danach lerne er ein bis zwei Stunden Deutsch und gehe schwimmen. Er könne mit seinen Deutschkenntnissen den Alltag selbst bewältigen und benötige keinen Dolmetscher bei Behördenwegen oder Arztbesuchen. Er habe Freunde in Österreich.

Der Beschwerdeführer könne nicht nach Afghanistan gehen, weil er circa fünf Jahre alt gewesen sei, als seine Familie Afghanistan verlassen habe. Er kenne sich in Afghanistan nicht aus und habe niemanden, zu dem er gehen könne. Außerdem sei sein Leben wegen der Feindschaft seiner Familie in Gefahr. Der Cousin seines Vaters sei in Panjshir und Kabul sehr mächtig und sei in der Lage, den Beschwerdeführer überall zu finden. Er sei ein dschihadistischer Kommandant der Dschamiat-i Islami und habe während des Krieges für diese Partei gearbeitet. Er habe während des Krieges 50 Personen befehligt und aktiv am Krieg teilgenommen. Er besitze ein Haus in Kabul und ein Haus in Panjshir und sei manchmal in Panjshir und manchmal in Kabul. Der Cousin seines Vaters sei bei dem Streit vor über 20 Jahren auf einem Auge blind geworden und am Arm verletzt worden, weshalb er sich an der gesamten Familie des Beschwerdeführers rächen wolle. Seine Verletzungen habe der Vater des Beschwerdeführers diesem mit Holz zugefügt, weil es keine Waffen gegeben habe. Den konkreten Auslöser für diesen Streit wisse der Beschwerdeführer nicht. Das Grundstück habe dem Großvater seines Vaters gehört, welcher das Grundstück dem Großvater des Beschwerdeführers vererbt habe. Der Cousin des Vaters des Beschwerdeführers habe dieses aber für sich beansprucht. Es habe daraufhin eine Teilung gegeben, aber der Beschwerdeführer wisse nichts Genaues darüber. Am Tag des Streites oder am nächsten Tag sei die Familie des Beschwerdeführers nach Kabul gegangen und habe sich ein Jahr lang bei einem Freund seines Vaters versteckt aufgehalten. Sein Vater habe nicht in Kabul bleiben können, weil er verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer wisse nicht, weshalb seine Familie nicht früher aus Afghanistan ausgereist sei.

Der Beschwerdeführer habe Freunde in Afghanistan, welche er im Iran kennen gelernt habe. Diese würden in Baghlan, Kapisa und Kabul leben und seien Studenten. Seine Freunde in Kabul würden auf staatlichen Universitäten Medizin und IT studieren und einer würde ein Militär-Studium machen.

Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan könne er keine Unterstützung erwarten. Er habe keine nahen Familienangehörigen in Afghanistan und wisse nicht, wo er leben solle. Seine Familienangehörigen in der Türkei würden ihn auch nicht unterstützen können, weil sie keine Arbeit hätten und selber unterstützt werden würden. Er kenne sich in Kabul nicht aus und glaube nicht, dass er in Kabul eine Arbeit finden könnte, weil er mit der afghanischen Kultur nicht vertraut sei und er dort nicht gelebt habe. Die iranische Kultur sei anders als die afghanische. Er sei zwar im afghanischen Familienverband aufgewachsen und habe afghanische Freunde, aber die Gesellschaft und Kultur vom Iran habe einen Einfluss gehabt.

Im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht berichtigte der Beschwerdeführer einige seiner Angaben aus der Niederschrift seiner Befragung am 19.10.2016, insbesondere die Angabe bezüglich der Taliban. Er führte dazu an, dass seine Eltern Afghanistan nicht wegen Problemen mit den Taliban verlassen hätten.

Der Beschwerdeführer würde gerne in Österreich als Verkäufer oder in einer Bäckerei arbeiten. Er habe bisher zum Beispiel in der Nachbarschaft geholfen, indem er den Rasen gemäht oder den Zaun gestrichen habe. Er habe seine österreichischen Freunde in einem Sprachcafé, das er jeden Mittwoch besuche, kennengelernt.

Im Rahmen der Verhandlung legte der Beschwerdeführer ein Zertifikat über die bestandene Prüfung ÖSD Zertifikat A1 vom 19.12.2016, eine Bestätigung der Caritas vom 24.07.2018 über den Besuch des Deutschkurses auf dem Niveau A2 seit 15.02.2018, in welcher auf das große Interesse des Beschwerdeführers an der deutschen Grammatik sowie seinen guten Lernerfolg und großen Eifer hingewiesen wird, eine Bestätigung über den Besuch des VOBIS-Sprachcafés seit Februar 2018 sowie eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds vom 07.05.2017 vor.

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den in der Verhandlung eingebrachten Länderberichten vom 06.08.2018 wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Familienfeindschaft wiederholt und geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit keiner Unterstützung rechnen könne. Aus den Ausführungen in den Richtlinien des UNCHR vom 19.04.2016 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer auch nach Jahren der Abwesenheit aufgrund der Ungreifbarkeit seines Vaters von Seiten seines Großonkels verfolgt werden würde. Zur fehlenden Schutzfähigkeit des Staates wurde auf den Artikel von Friederike STAHLMANN "Bedrohungen im sozialen Alltag Afghanistans: Der fehlende Schutz bei Verfolgung und Gewalt durch private Akteure" sowie auf die Stellungnahme von Amnesty International vom 05.02.2018 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden, wonach die afghanischen Sicherheitskräfte nur unzureichend in der Lage seien, die Zivilbevölkerung vor den vielfachen Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, zu schützen. Dem Beschwerdeführer sei aber zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, weil die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif unzureichend sei. Das Länderinformationsblatt bilde die verschlechterte Sicherheits- und Versorgungslage nur unzureichend ab, da die Berichte bzw. Quellen zum Teil veraltet und nicht ausgewogen seien. Zudem kämen gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 23.07.2003 nur Orte als interne Fluchtalternative in Frage, die dauerhaft Sicherheit bieten würden. Die in der Stellungnahme eingebrachten Länderberichte würden belegen, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan wie auch in den Großstädten zuletzt so verschlechtert habe, dass diese nicht ausreichend sicher seien. Laut Anfragebeantwortung von Amnesty International in der Stellungnahme vom 05.02.2018 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden könne kein Teil Afghanistans als sicher gelten und herrsche landesweit ein unberechenbarer bewaffneter Konflikt. In einem aktuellen Gutachten von Friederike STAHLMANN vom 28.03.2018 werde ausgeführt, dass die Gefahr, allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, im gesamten Staatsgebiet bestehe und diese Bedrohung besonders für Personen anzunehmen sei, die nach längerer Abwesenheit aus dem Ausland nach Afghanistan zurückkehren, weil sie die aktuellen örtlichen Gegebenheiten nicht kennen (können) und ihnen lokale Vernetzung fehlen würde. Auch die EASO-Berichte von August und Dezember 2017 würden den Trend der weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage auch in den afghanischen Großstädten bestätigen. Es bestehe in den afghanischen Großstädten keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, da die Aufnahmeressourcen der Städte erschöpft seien und der Beschwerdeführer infolge besonderer Vulnerabilitäten keinen Zugang zu grundlegender Infrastruktur wie Wohnraum, Erwerbsmöglichkeit oder medizinischer Versorgung hätte, weshalb er von unzumutbaren Härten betroffen wäre. Aus dem EASO-Bericht ergebe sich unter anderem die allgemein sehr angespannte Arbeitsmarktsituation. Im Artikel "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung" von Friederike STAHLMANN werde ausgeführt, dass die wenigsten Rückkehrenden in die Orte zurückkehren können, aus denen ihre Familien stammen und welche sie häufig vor Jahrzenten verlassen hätten und dass unter den Rückkehrenden jene gefährdet seien, die keine verlässliche Unterstützung durch bestehende soziale Netzwerke hätten. Zudem sei die staatliche Kontrolle in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht wirksam. Eine Neuansiedlung in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat sei im Lichte der UNHCR-Richtlinien nicht zumutbar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslime. Der Beschwerdeführer spricht Dari und ein wenig Paschtu und kann Dari lesen und schreiben.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Panjshir geboren. Im Alter von circa vier Jahren verließ er gemeinsam mit seiner Familie die Heimatprovinz und lebte ein Jahr lang in Kabul bei einem Freund des Vaters des Beschwerdeführers, bevor die Familie im Jahr 1999 in den Iran ausreiste. Dort besuchte der Beschwerdeführer circa zehn Jahre die Grundschule und arbeitete danach als Maler.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Die Eltern, ein Bruder und die drei Schwestern des Beschwerdeführers leben derzeit in einer Mietwohnung in der Türkei. Der Vater und eine Schwester des Beschwerdeführers leiden an einer Herzerkrankung, weshalb diese nicht arbeiten können. Sein jüngerer Bruder arbeitet in der Handy-Reparatur. Der zweite Bruder des Beschwerdeführers lebt in Deutschland und hat dort ein Aufenthaltsrecht bis 24.01.2020. Dieser arbeitet nicht und möchte eine Ausbildung machen. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.

1.2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan:

Weder der Beschwerdeführer noch ein Familienmitglied war in Afghanistan Bedrohungen oder Übergriffen durch die Taliban ausgesetzt. Im Falle einer Rückkehr drohen ihm als Person in Afghanistan weder Probleme mit den Taliban noch droht ihm sonst eine Verfolgung. Der Vater des Beschwerdeführers war 1998 in der Herkunftsprovinz Panjshir in eine Grundstückstreitigkeit mit seinem Cousin verwickelt. Eine konkrete aktuelle Bedrohungssituation des Beschwerdeführers durch den Cousin seines Vaters wird nicht festgestellt.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz Panjshir ist individuell nicht zumutbar.

Eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ist möglich und zumutbar. Er kann die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der Beschwerdeführer ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen und hat afghanische Freunde in Kabul, Baghlan und Kapisa, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und in Afghanistan gesprochenen Sprachen (Dari und Paschtu) vertraut ist. Im Iran hat er eine zehnjährige schulische Ausbildung erhalten und als Maler gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat im Kleinkindalter gemeinsam mit seiner Familie ein Jahr in Kabul gelebt. In Kabul lebt und arbeitet der Sohn seiner Tante väterlicherseits sowie drei Freunde des Beschwerdeführers, welche in Kabul studieren. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinem Cousin und kennt seine Adresse. In Mazar-e Sharif und Herat verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte. Angesichts seines guten Gesundheitszustandes und seiner Arbeitsfähigkeit könnte sich der Beschwerdeführer in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Kabul oder Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Asylantragstellung am 03.07.2015 in Österreich. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Der Beschwerdeführer hat die Prüfung ÖSD Zertifikat A1 am 19.12.2016 gut bestanden, am Werte- und Orientierungskurs am 07.04.2017 teilgenommen und besucht seit Februar 2018 den Deutschkurs der Caritas auf dem Niveau A2 und das VOBIS Sprachcafé im Ausmaß von zwei Unterrichtseinheiten pro Woche.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich ehrenamtlich in seiner Nachbarschaft gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zur im konkreten Fall maßgeblichen Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage:

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul:

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul:

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage:

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh:

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat:

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat:

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

Panjshir

Die Provinz Panjshir liegt 120 km von der Provinz Kabul entfernt. Bekannt als eine gebirgige Region, liegt sie zwischen den südöstlichen und den südlichen Bereichen des Hindukush Gebirges (Pajhwok o.D.). Die Provinz grenzt im Norden an Baghlan und Takhar, im Osten an Badakhshan und Nuristan, im Süden an Laghman und Kapisa und im Westen an Parwan (NPS o.D.). Panjshir besteht aus den folgenden Distrikten: Bazarak, Paryan, Khenji/Hes-e-Awal, Dara/Abshar Khenj/Hes-e-Awal, Rokah/Rukha, Anabah/Onaba/Anawa, Shota/Shutul. Die Provinzhauptstadt ist Bazarak (Pajhwok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 158.548 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Tadschiken, Hazara, Nuristanistämme und Paschai (NPS o.D.).

Panjshir ist der Geburtsort von Ahmad Shah Massoud, dem ermordeten Mujahid und Anführer der ehemaligen afghanischen Nordallianz (TET 1.9.2016) und von Mohammad Qasim Fahim, einem ehemaligen Mujahidin-Kämpfer und Vizepräsidenten Afghanistans (MF 10.3.2018); vgl. Tolonews 9.3.2018). Das Grab von Ahmad Shah Massoud befindet sich in dieser Provinz (Pajhwok 1.1.2016). Die Provinz ist seit den 90ern zuerst eine Hochburg des Widerstandes gegen die Sowjetunion und dann gegen die Taliban gewesen (NYT 13.1.2014; vgl. Khaama Press 2.5.2014, RNW o.D.).

Die Provinz ist reich an Edelsteinen, insbesondere Smaragden. Obwohl ein Bergbau-Programm implementiert worden ist, konnte in diesem Bereich wenig Fortschritt erreicht werden. Die meisten Edelsteine werden illegal und ungeschliffen in andere Länder exportiert. Die Infrastruktur ist limitiert: Dem Großteil der Provinz mangelt es an Elektrizität und Warmwasser; vor kurzem konnte das 3G-Mobilfunknetz in einigen Teilen der Provinz eingerichtet werden (Fox News 23.5.2017).

Panjshir erstreckt sich "entlang einer Straße nordöstlich von Kabul über Bagram" (Fox News 23.5.2017). Die Strecke von Kabul nach Bazarak ist asphaltiert und die Entfernung zwischen den beiden Städten beträgt 150 Km (TS 4.3.2015). Im Jahr 2014 wurde die Parandi-Talstraße, eine 9,4 km lange Route zwischen Bazarak und Dorana, renoviert (TWB 2.1.2018).

Als "relativ stabile" Provinz, dient Panjshir als Ausflugsziel bzw. Zufluchtsort für Leute, die Ruhe vor den Kämpfen und Spannungen suchen, die die meisten anderen Provinzen durchdringen. (Fox News 23.5.2017). Manchmal kommen an den Wochenenden die Bewohner/innen Kabuls nach Panjshir um zu picknicken. Panjshir möchte sich zu einer touristischen Region entwickeln (RNW o.D.). So fand in Panjshir im April 2017 ein Skiwettbewerb statt, an dem auch Skifahrer/innen aus Kabul und Bamyan teilnahmen (Tolonews 8.4.2017). Einheimische wünschen sich mehr Besucher, in der Hoffnung, dass dies dem Arbeitsmarkt und den Einkommen zugutekäme (Fox News 23.5.2017).

In der Provinz wurde ein Programm des Bildungsministeriums zur Förderung des Schulwesens implementiert (Reliefweb 18.2.2018).

Im Jahr 2017 zählte Panjshir zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurde in der Provinz 1 sicherheitsrelevanter Vorfall registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Panjshir keine zivilen Opfer registriert (UNAMA 2.2018).

Panjshir gilt gemeinsam mit anderen Provinzen wie Bamyan, Daikundi sowie der Stadt Mazar-e-Sharif als weniger gefährlich im Vergleich zu anderen Teilen des Landes (DW 14.3.2017; TNA 11.10.2017, TL 30.5.2017). Gemäß einer Quelle wird Panjshir als die letzte, große unumstrittene regierungsfreundliche Hochburg Afghanistans betrachtet (BF 28.10.2017).

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzuneh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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