TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/2 L519 2179241-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L519 2179241-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost, vom 23.10.2018, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA.

Irak, vertreten durch RA. Dr. ZANGER, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. 1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ist eine weibliche Staatsangehörige des Irak. Sie brachte nach legaler Einreise beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA bezeichnet) am 17.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

1.1.1.Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. einem Organwalter des BFA brachte die BF im Wesentlichen vor, dass sie im Irak von schiitischen Milizen mit dem Tod bedroht worden sei, da sie aus Tikrit stamme. Sie sei Aktivistin einer Frauenbewegung gewesen, welche heimlich eine Zeitung finanziert und herausgegeben habe. Sie werde von den schiitischen Milizen verfolgt, da sie beim TV-Sender AL HURIA gearbeitet habe. Weil sie eine aus Tikrit stammende Sunnitin sei, habe man sie entlassen. Sie sei auch öfter wegen ihrer Kleidung und weil sie kein Kopftuch trug angesprochen worden. Sie sei auch in ihrem Fahrzeug beschossen worden. Sie habe dann einen irakisch-stämmigen Amerikaner geheiratet, der von ihr verlangt habe, sie solle ihn vergewaltigen. Dann sei die BF ausgereist.

1.2. Der Antrag der BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BFA vom 6.10.2017 gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gem. § 57 AsylG wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in den Irak gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

1.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF zu ihrem Ausreisegrund als unglaubwürdig:

1.3. Nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10.8.2018, G305 2179241-1, die Beschwerde gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z.3 und 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet ab. Damit begann für die BF die gesetzte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise zu laufen.

1.4. Über den von der BF beim VwGH gestellten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer außerordentlichen Revision wurde bislang nicht entschieden.

1.5. Am 12.10.2018 wurde die BF aufgrund eines bestehenden Festnahmeauftrages des BFA vom 11.10.2018 festgenommen. Die für den selben Tag geplante Abschiebung in den Irak wurde von der BF vereitelt.

1.6. Mit Bescheid des BFA vom 13.10.2018 wurde über die BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 23.10.2018, Zl. W137 2207751-1, gem. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft ab 13.10.2018 für zulässig erklärt. Gem. § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

1.7. Am 16.10.2018 stellte die BF erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zusammengefasst wurde von der BF vorgebracht, dass sie in Österreich seit März 2017 bei einer Organisation namens XXXX arbeite. Jeder Mitarbeiter dieser Organisation würde im Irak verfolgt, da sich die Organisation gegen die irakische Regierung wende. Die irakische Botschaft könne bestätigen, dass die BF auf einer schwarzen Liste stehe und ihr Leben bei ihrer Ankunft im Irak sofort in Gefahr wäre. 4 in den Irak zurückgekehrte Kämpferinnen für Frauenrechte seien im September 2018 getötet worden. Eine davon, weil sie kein Kopftuch trug und sich offen kleidete. Darüber habe auch eine österreichische Zeitung berichtet. Der Mann der BF sei im Innenministerium beschäftigt und habe mit den Milizen zusammengearbeitet. Auch aus diesem Grund sei die BF ausgereist. Er habe gedroht, den Namen der BF an den Flughafen weiterzugeben, damit sie die Milizen bei ihrer Einreise sofort töten würden.

1.7.1. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse wurde der BF mit Schreiben des BFA vom 18.10.2018 gem. § 29 Abs. 3 Z.4 und 6 AsylG die Absicht des BFA, ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, mitgeteilt.

1.8. Mit mündlich verkündetem und niederschriftlich beurkundetem Mandatsbescheid des BFA vom 23.10.2018, Zl. 1133946708-161555 EAST Ost wurde gem. § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 2 AVG festgestellt, dass der faktische Abschiebeschutz gem. § 12 AsylG gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wird.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus:

Die BF berufe sich im ggst, Verfahren auf einen Sachverhalt, welcher bereits Gegenstand des Erstverfahrens war. Diesbezüglich habe am 16.7.2018 beim BVwG eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die BF habe im ggst. Verfahren keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht, welcher nach Rechtskraft des Erstverfahrens am 10.8.2018 neu entstanden wäre. Der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt sei unverändert, weshalb entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vorliege.

Dem nunmehrigen Vorbringen stünden keine anderslautenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegen. Daraus ergebe sich kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt. Die von der BF nunmehr vorgebrachten Gründe stellen keinen geänderten Sachverhalt dar, dem Entscheidungs- bzw. Asylrelevanz zukommt.

Die BF hat am 12.10.2018 die Abschiebung in den Irak vereitelt und in der Folge einen neuen Antrag gestellt um das Verfahren zu verzögern.

Durch den Grundsatz "ne bis in idem" solle jedoch gerade eine nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen Sache, abgesehen von den Fällen der §§ 68 Abs. 2 und 4, 69 und 71 AVG, nicht erfolgen. Ein willentlicher Austausch des zugrundeliegenden Sachverhaltssubstrates könne - ohne tatsächliche neu entstandene Fakten - nicht zu einer behördlichen Verpflichtung zu nochmaliger Abhandlung des Verfahrens führen, da es diesfalls in der Ingerenz eines BF läge, neue inhaltliche Auseinandersetzungen mit bereits abgehandelten Verfahren zu erzwingen. Bereits im vorangegangenen Rechtsgang sei keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention festgestellt worden.

Dem nunmehrigen Vorbringen stünden keine anderslautenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegen. Daraus ergebe sich kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt. Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb die BF nicht in ihr Heimatland zurückkehren könne, erfüllen keinen geänderten Sachverhalt, dem Entscheidungs- bzw. Asylrelevanz zukommt.

Anzumerken sei noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes lediglich eine Prognoseentscheidung ist und diese aufgrund des Vorbringens der BF eine voraussichtliche Zurückweisung bedingt, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes erkennbar ist, zumal Folgeanträge, wie sich aus den Anmerkungen zum FRÄG ergibt, oftmals in rechtsmissbräuchlicher Weise gestellt werden, um die Effektuierung der Asylentscheidung zu verzögern bzw. zu verhindern.

Die Lage im Herkunftsstaat sei in Hinblick auf das individuelle Vorbringen der BF seit der Entscheidung über den Erstantrag unverändert. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens am 10.8.2018 nicht geändert.

Die BF brachte nunmehr vor, sie sei seit 24.7.2017 Mitglied einer Organisation irakischer Migranten in Österreich. Aufgrund ihres Berufes als Journalistin habe sie einige Veröffentlichungen auf der Plattform der Organisation getätigt. Der Präsident der Organisation habe der BF gegenüber bestätigt, dass im Fall einer Rückkehr Lebensgefahr bestehe.

Dazu werde angemerkt, dass die BF bei der mündlichen Verhandlung beim BVwG ihre Mitgliedschaft in diesem Verein nicht angab, obwohl sie danach gefragt wurde. Angemerkt werde weiter, dass die BF die Drohungen an ihre Mutter durch den Vater ihres Sohnes bei der mündlichen Verhandlung mit keinem Wort erwähnte. Sie gab an, dass ihr Sohn im Irak leben würde. Die BF brachte somit keinen Sachverhalt vor, welcher nach Rechtskraft ihres Erstverfahrens am 12.8.2018 neu entstanden ist. Weiter habe sie im nunmehrigen Verfahren auch keine Beweismittel vorgelegt, die zu einem abweichenden Verfahrensergebnis führen könnten.

Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu Spruchteil A)

2.2. Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben..

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht."

2.2.2. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes " betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

2.3. Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine Ausweisung, ist notwendiges Tatbestandselement des §12a Abs. 2 Asylgesetz 2005. Die BF brachte am 17.11.2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid des BFA vom 6.10.2017 gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gem. § 57 AsylG wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in den Irak gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 10.8.2018, G305 2179241-1 in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. Rechtskraft trat am 10.8.2018 ein.

Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich - wie das BFA bereits zutreffend feststellte - kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Auch die Ländersituation ist im Wesentlichen, jedenfalls hinsichtlich der Herkunftsregion der BF, gleichgeblieben. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen der BF, wonach eine Verschlechterung der Lage eingetreten wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass ihr Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass mangels Glaubwürdigkeit auch der erste Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen wurde.

Soweit die BF nunmehr eine Mitgliedschaft bei einer Organisation regierungskritischer Auslandsiraker seit März 2017 ins Treffen führt, ist dieser Umstand von der Rechtskraft des 1. Asylverfahrens erfasst, wo die BF eine derartige Mitgliedschaft oder gar Aktivitäten innerhalb dieser Organisation mit keinem Wort erwähnte, obwohl sie sogar dezidiert nach V Vereinsmitgliedschaften gefragt wurde.

Soweit die BF angab, ihre Mutter sei vom Ehemann der BF, einem Milizmitglied, bedroht worden, ist festzustellen, dass es auch dafür keine wie auch immer gearteten Beweise gibt. Im Übrigen wurde das Vorbringen der BF, von Milizen verfolgt zu werden, bereits im ersten Asylverfahren als nicht glaubhaft erachtet worden, sodass die nunmehr darauf aufbauende Bedrohung der Mutter der BF schon aus diesem Grund nicht glaubhaft sein kann.

Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf. Bereits im letzten Verfahren haben BFA und BVwG ausgesprochen, dass die BF bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für sie als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Auch im aktuellen Verfahren vor dem BFA ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung der BF in ihren Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht. Gegenteiliges ergibt sich auch bei Berücksichtigung der ständigen Judikatur nicht.

Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG durch das BFA ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; der BF wurde auch das Parteiengehör eingeräumt.

Dem BFA ist beizupflichten, wenn es feststellte, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben der BF in Österreich feststellbar ist und auch der Gesundheitszustand der BF nicht dazu Anlass gibt, zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

Da insgesamt die Voraussetzung des § 12 a Abs. 2 Asylgesetz 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 12.01.2015 rechtmäßig.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens, bzw. zur Bindungswirkung bereits rechtskräftig vorliegender Entscheidungen abgeht. Ebenso löst das ho. Gericht die Frage, ob eine Verhandlung stattzufinden hatte im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur.

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ins Leben gerufen wurden, bzw. sich die asyl- und fremdenrechtliche Diktion, sowie Zuständigkeiten zum Teil änderte, und das Asyl- und Fremdenrecht eine verfahrensrechtliche Neuordnung erfuhr kann ebenfalls kein unter Art. 133 Abs. 4 zu subsumierender Sachverhalt hergeleitet werden, zumal sich am substantiellen Inhalt der anzuwendenden Normen keine relevante Änderung ergab. Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auf die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen (z. B. in Bezug auf § 18 BFA-VG auf § 38 AsylG aF).

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz, Folgeantrag, Glaubwürdigkeit, Identität
der Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L519.2179241.2.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten