Entscheidungsdatum
05.11.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L512 2204851-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. der islamischen Republik Pakistan alias Somalia, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Georg BÜRSTMAYR, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 24.07.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben
und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), wurde am 03.03.2017 von Schweden nach Österreich überstellt, nachdem am 21.11.2016 Schweden ein Konsultationsverfahren mit Österreich gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates durchgeführt wurde. Österreich hat einer Übernahme zugestimmt, da der BF mit einem Visum, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft XXXX, in den Schengenraum eingereist ist. Laut diesem Visum bzw. dem vorgelegten Reisepass hat der BF die pakistanische Staatsbürgerschaft.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 06.03.2017 Folgendes vor:
Er sei somalischer Staatsbürger, sei verheiratet, Sunnit, gehöre dem Clan der XXXX an und habe zuletzt als Hilfsarbeiter in XXXX gearbeitet.
Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, er sei in Somalia geboren und habe sich dort bis zu XXXX aufgehalten. Wegen dem Krieg wären seine Familie und der BF im XXXX nach XXXX geflüchtet. Dort wären sie 8 Monate geblieben. Danach im Jahr XXXX wären sie in den Jemen gereist. Dort habe er seine Frau im Jahr XXXX geheiratet. Im Jahr XXXX habe es dort einen Krieg zwischen der Regierung und den Schiiten gegeben, wobei viele Asylwerber, wie der BF, umgebracht worden wären. Es wäre unmöglich gewesen nach Somalia zu gehen, weil sie dort in der Minderheit wären und die Mehrheit dort Wahhabiten (Terroristen) seien. Deshalb wären sie nach XXXX gereist. Dort hätten sie als Haushaltsangestellte gearbeitet. Ihre wahre Identität hätten sie verheimlicht. Sie seien dort schlecht behandelt worden. Als diese erfuhren, dass sie Schiiten sind, hätten sie versucht, sie nach Somalia abzuschieben [Aktenseite (AS) 3 ff.].
Vor der belangten Behörde wurde der BF am 01.02.2018 sowie am 27.03.2018 befragt. Er machte umfassende Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seiner Rückkehr. Der BF legte zahlreiche Unterlagen, wie einen somalischen Reisepass, eine ID - Card vor.
I.2. Der Antrag auf internationalen Schutz der BF wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. (Spruchpunkt IV). Es wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt V.).
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
I.4. Mit Schreiben vom 02.10.2018 langten beim erkennenden Gericht weitere Urkunden bzw. Beweismittel ein.
I.5. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhalts der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Das oa. Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG)
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.
Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:
Der BF gab in seinem Asylverfahren an, er habe die somalische Staatsbürgerschaft. Er sei kein pakistanischer Staatsbürger.
Zuallererst ist darauf zu verweisen, dass sich die belangte Behörde zwar im Rahmen der Glaubwürdigkeitsprüfung umfassend mit den vorgelegten Beweismitteln des BF zu seiner Staatsbürgerschaft befasst hat, jedoch konnte aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass der BF die pakistanische Staatsbürgerschaft hat.
Unter anderem wurde für die Annahme, dass der BF die pakistanische Staatsbürgerschaft innehat, die Vorlage eines pakistanischen Reisepasses, angeführt. Die belangte Behörde führte in diesem Kontext aus, dass im Rahmen der Prüfung des Visa-Antrages des BF und der Visa Ausstellung der Reisepass des BF von der Österreichischen Botschaft XXXX auf Echtheit überprüft und für echt befunden wurde. Diesbezüglich ist anzumerken, dass im konkreten Fall weder aus den übermittelten Unterlagen der Österreichischen Botschaft XXXX oder anderwertig hervorgeht, ob es tatsächlich zu einer Echtheitsüberprüfung des Reisedokumentes gekommen ist bzw. inwiefern es zu einer Echtheitsüberprüfung des Reisedokumentes (Ablauf der Echtheitsüberprüfung, wer hat diese, wann und wie vorgenommen, etc.) gekommen ist.
Die belangte Behörde hätte - sollte es sich tatsächlich um einen echten pakistanischen Reisepass handeln - Feststellungen darüber treffen müssen, inwiefern die Passbehörden in Pakistan den Zugang zu gefälschten Reisepässen verhindern bzw. inwiefern eine Möglichkeit gegeben ist, echte Reisepässe mit falschem Inhalt zu erlangen. So ist gerichtsbekannt, dass insofern die Fälschung von Reisepässen erschwert wurde, da ein zentrales Passregister unter Erfassung einzelner Biometrie-Merkmale aufgebaut wurde. In diesem Zusammenhang muss erhoben werden, ob es sich bei dem vorgelegten Reisepass des BF um ein Reisedokument mit Biometrie- Merkmalen handelt oder eben nicht. Weiters müsste erhoben werden, ob ohne Angaben persönlicher Daten des BF eine Überprüfung stattfinden kann, wem der Reisepass mit der darin befindlichen Passnummer gehört und ob es sich hierbei tatsächlich um den BF handelt, der pakistanischer Staatsbürger ist.
Die belangte Behörde hätte weiters - wenn nicht zweifelsfrei Feststellungen über die Staatsangehörigkeit des BF treffen werde hätten können - Unterlagen aus Schweden anfordern müssen. Ist doch davon auszugehen, dass der BF zu seinen persönlichen Verhältnissen, somit auch über seine Staatsbürgerschaft, in Schweden befragt wurde.
Im gegenständlichen Fall ist das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde im Ergebnis derart mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche bzw. kann auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht der Sachverhalt nicht zweifelsfrei erhoben werden. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten Mängeln behaftet.
Letztlich wird die belangte Behörde jenen Sachverhalt, welcher unter den von ihr anzuwendenden Rechtsnormen zu subsumieren ist, zu ermitteln und dem BF zur Kenntnis zu bringen haben. Sie hat auch die Urkunden- und Beweismittelvorlage vom 02.10.2018 zu berücksichtigen. Dann wird sie über die noch abzusprechenden Rechtsfragen entscheiden können.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das ho. Gericht legt in seinen Ausführungen in Bezug auf die angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse bzw. der Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs 3 VwGVG die bereits beschriebenen Tatbestandsmerkmale im Lichte der ebenfalls zitierten aktuellen Rechtsprechung des VwGH aus.
Schlagworte
Bescheinigungsmittel, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L512.2204851.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019