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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des A K, vertreten durch Dr. Günther Steiner, Rechtsanwalt in Wien VIII, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Juli 1998, Zl. MA 65-11/7/98, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/11/0033, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 1996, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für zwei Wochen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Grund hiefür war, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage von der Annahme ihrer Bindung an das rechtskräftige Straferkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. September 1996 auch in Ansehung des Ausmaßes der vom Beschwerdeführer am 20. Juni 1995 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen war und deshalb eine Begründung betreffend das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung für entbehrlich erachtet hatte. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 3 KFG 1967 neuerlich die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B für zwei Wochen (ab Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides vom 3. Oktober 1996) ausgesprochen.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den Ausspruch des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides vom 3. Oktober 1996 betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung für rechtswidrig. Da seit der Tat vom 20. Juni 1995 bereits mehr als 15 Monate vergangen seien und er sich in dieser Zeit nichts habe zu Schulden kommen lassen, was seine Verkehrsunzuverlässigkeit begründen könnte, sei die Entziehung der Lenkerberechtigung keinesfalls im Sinne des § 64 Abs. 2 AVG wegen Gefahr im Verzug dringend geboten gewesen.
Dieses Vorbringen richtet sich der Sache nach gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid in der Sache selbst abschließend entschieden, indem sie den erstinstanzlichen Entziehungsausspruch wie auch den Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG bestätigte. Es ist nicht ersichtlich, dass dadurch Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden wären. Er selbst behauptet nicht (und auch aus der Aktenlage ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür), dass die Entziehung der Lenkerberechtigung mit Wirkung bereits ab Erlassung des erstinstanzlichen statt erst ab Erlassung des angefochtenen Bescheides für ihn nachteiliger war. Im Übrigen hätte die belangte Behörde diese Tatsache nicht mehr aus der Welt schaffen können. Eine Aufhebung des unterinstanzlichen Ausspruches nach § 64 Abs. 2 AVG und die Entziehung der Lenkerberechtigung nunmehr mit Wirkung ab Erlassung des angefochtenen Bescheides hätte für den Beschwerdeführer im Ergebnis die Entziehung der Lenkerberechtigung in der Dauer von insgesamt vier Wochen bedeutet.
In der Sache selbst ging die belangte Behörde von der Annahme aus, der Beschwerdeführer habe am 20. Juni 1995 mit einem Motorrad die im Ortsgebiet von Wien zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mehr als 40 km/h überschritten (laut Anzeige vom 20. Juni 1995: "96 km/h - Toleranz einkalkuliert"), was mit einem Lasermessgerät festgestellt worden sei, und dadurch eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 gesetzt. Dass eine Fehlmessung unterlaufen sei, wie der Beschwerdeführer behaupte, sei nicht anzunehmen. Dies sei von den als Zeugen vernommenen Meldungslegern glaubhaft ausgeschlossen worden.
Die vom Beschwerdeführer erblickten vermeintlichen Widersprüche bzw. Unklarheiten hinsichtlich des Endes der Eichfrist (31. Dezember 1995 oder 31. Dezember 1997) können an der Tatsache nichts ändern, dass angesichts der laut Eichschein (AS 55) am 22. Dezember 1994 vorgenommenen Eichung des gegenständlichen Lasergerätes am 20. Juni 1995 jedenfalls ein geeichtes Messgerät zur Feststellung der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Geschwindigkeit verwendet wurde.
Das Vorbringen, die belangte Behörde habe seine Einwände und Beweisanträge begründungslos übergangen, führt die Beschwerde allerdings zum Erfolg. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid ausdrücklich beantragt, den wegen des selben Vorfalles gegen ihn geführten Verwaltungsstrafakt beizuschaffen und den dort unerledigt gebliebenen Beweisanträgen nachzukommen. Es handelt sich dabei um die Anträge auf Vornahme eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen und Beischaffung der Ampelphasenpläne der betreffenden Kreuzungen zum Beweis dafür, dass - unter Berücksichtigung des üblichen Verkehrsaufkommens und der näher angeführten örtlichen Gegebenheiten - die Anzeige betreffend das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Fehlmessung beruhen müsse. Weiters hatte er beantragt, ein Gutachten eines technischen Amtssachverständigen zur Frage des Beweiswertes einer Messung der Geschwindigkeit vom beleuchteten Scheinwerfer des Motorrades einzuholen; eine solche Messung verstoße gegen Punkt 2.8 der Verwendungsbestimmungen des Lasermessgerätes. Außerdem liege ein Verstoß gegen Punkt 2.3 der besagten Verwendungsrichtlinien vor, wonach eine Messung von der Schulter eines zweiten Beamten ("Schulterstütze") nicht zulässig sei. Schließlich wäre - neben der Berücksichtigung der "Verkehrsfehlergrenze" von 3 km/h - zur Berücksichtigung auch des "systematischen Winkelfehlers" der Messwinkel anzugeben und ein entsprechender Abzug von der gemessenen Geschwindigkeit vorzunehmen gewesen. Alle diese Anträge und Einwände wurden im angefochtenen Bescheid begründungslos übergangen. Es ist daher nicht erkennbar, aus welchen Überlegungen die belangte Behörde annahm, die Beweisanträge und Einwände als nicht relevant übergehen zu können. Dieser Begründungsmangel hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Begründungsmangels zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. August 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110224.X00Im RIS seit
19.03.2001