Entscheidungsdatum
12.11.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W127 2161598-1/8E
W127 2161605-1/9E
W127 2161601-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , 2.) XXXX , geboren am XXXX , und 3.) XXXX , geboren am XXXX alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2017, Zlen. 1076127305-150780190, 1086393702-151307522 und 1086393604-151307557, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der minderjährige Erstbeschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 02.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Bei der Erstbefragung am 04.07.2015 gab der Erstbeschwerdeführer im Beisein eines Rechtsberaters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari im Wesentlichen an, er sei im Iran geboren und aufgewachsen und habe sich bis zu seiner Ausreise vor etwa eineinhalb Monaten dort aufgehalten. Aufgrund von Diskriminierung im Iran, mangelnder Ausbildungsmöglichkeiten und drohender Abschiebung nach Afghanistan habe er den Iran verlassen. In Afghanistan habe er niemanden und befürchte, von den Taliban getötet zu werden.
Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer, jüngere Brüder des Erstbeschwerdeführers, reisten in der Folge gemeinsam in die Republik Österreich ein und beantragten am 10.09.2015 ebenfalls internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragungen des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers gaben diese im Beisein eines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Farsi ebenfalls an, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein. Betreffend den Herkunftsstaat Afghanistan wurden keine Angaben zu Fluchtgründen oder Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr gemacht.
Am 09.11.2016 wurde der Erstbeschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Vertreterin sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Er machte Ausführungen zu schwierigen Lebensumständen im Iran und gab an, seine Eltern würden aus der afghanischen Provinz Maidan Wardak stammen. Sein Vater sei seit drei bis dreieinhalb Jahren verschollen, es könne sein, dass er von der iranischen Polizei nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Das Leben der Familie des Erstbeschwerdeführers sei danach immer schwieriger geworden. Er sei im Iran beleidigt und auch verletzt worden. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers habe befürchtet, dass die iranische Regierung ihn in den Krieg nach Syrien schicken würde. Sie hätten gemeinsam beschlossen, dass der Erstbeschwerdeführer nach Europa reisen solle. Die beiden Brüder des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer, seien ihm etwa eineinhalb Monate später gefolgt.
Zu den damaligen Ausreisegründen seiner Eltern aus Afghanistan gab der Erstbeschwerdeführer an, sein Vater hätte Probleme wegen eines Grundstücks gehabt. Ein Cousin seines Vaters habe dieses Grundstück für sich haben wollen und der Erstbeschwerdeführer glaube, dass seine Eltern auch bedroht worden seien. Ihre Verwandten hätten auch eine Verbindung zur Polizei gehabt. Darüber hinaus hätten sie Probleme mit Paschtunen gehabt und seien als Hazara unterdrückt worden; Hazara seien auch getötet worden. Bei einer Rückkehr würde auch der Erstbeschwerdeführer verfolgt werden. Auch durch "diese Feindschaft" würde er verfolgt werden. In Afghanistan sei Krieg und täglich würden Leute sterben.
Betreffend das Leben und die Integration des Erstbeschwerdeführers in Österreich wurden Empfehlungsschreiben, Schul- und Kursbestätigungen vorgelegt.
Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer wurden am 02.02.2017 im Beisein eines Vertreters, einer Vertrauensperson und eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen. Sie berichteten von Problemen im Iran und gaben als Grund für ihre Ausreise an, dass ihr älterer Bruder, der Erstbeschwerdeführer, in Österreich sei und sie hier studieren wollten.
In den Verfahren der drei Beschwerdeführer wurden jeweils Stellungnahmen zu den Länderberichten insbesondere unter Hinweis auf die Minderjährigkeit der Beschwerdeführer und deren Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur schiitischen Religionsgemeinschaft eingebracht.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Erstbeschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Zweit- und dem Drittbeschwerdeführer wurde jeweils gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurden den Beschwerdeführern jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Begründung hielt die belangte Behörde insbesondere fest, dass das Vorbringen zu einer Verfolgung der Eltern der Beschwerdeführer in Afghanistan durch einen Onkel nicht glaubwürdig und überdies auf die Beschwerdeführer nicht übertragbar sei. Die Gründe für eine Flucht aus dem Iran seien gegenständlich nicht asylrelevant und sei daraus keine Bedrohung in Afghanistan ableitbar. Weitere Ausreisegründe seien nicht hervorgekommen. Hinsichtlich des Zweit- und Drittbeschwerdeführers wurde festgehalten, dass keine eigenen Gründe für die Antragstellung angegeben worden seien und daher die Angaben des Erstbeschwerdeführers herangezogen würden; es liege ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor. Die Beschwerdeführer würden über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügen und aufgrund ihres Alters in eine wirtschaftlich oder finanziell ausweglose Lage geraten.
Hiegegen wurden Rechtsmittel eingebracht und die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils ausschließlich hinsichtlich des Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - insbesondere hinsichtlich unvollständiger Sachverhaltserhebung - und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Die minderjährigen Beschwerdeführer hätten bei einer Rückkehr nach Afghanistan begründete Furcht vor kinderspezifischer Verfolgung. Hinzu komme noch ihre Zugehörigkeit zur Minderheit der schiitischen Hazara und der Umstand, dass sie als im Iran und in Österreich sozialisierte Minderjährige aufgrund ihres westlichen Lebensstils, Erscheinungsbildes und ihrer westlichen Einstellung in Afghanistan unweigerlich Verfolgung zu befürchten hätten. Als alleinstehende Minderjährige seien die Beschwerdeführer extrem vulnerabel und wären der extrem kinderfeindlichen Situation in Afghanistan schutzlos ausgeliefert. Darüber hinaus hätten sie vorgebracht, dass ihre Familie wegen Grundstücksstreitigkeiten habe flüchten müssen und ihr Vater nach einer Abschiebung nach Afghanistan verschollen sei.
Insbesondere die Minderjährigkeit sei bei den Ermittlungen nicht hinreichend berücksichtigt worden. Nach auszugsweiser Zitierung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer würden "zahlreichen" Risikogruppen in Afghanistan angehören, wodurch eine Verfolgung objektiv wahrscheinlich und plausibel wäre. Das Kindeswohl sei unzureichend berücksichtigt worden, zumal die Beschwerdeführer durch die Trennung von ihrer Mutter psychisch extrem belastet seien. Durch die Abweisung des Antrages in Spruchpunkt I. sei eine Familienzusammenführung erst in drei Jahren möglich und gefährde dies die Entwicklung der Beschwerdeführer. Auch die Beweiswürdigung - insbesondere hinsichtlich der vorgelegten Länderberichte - sei mangelhaft, andernfalls hätte die belangte Behörde zur Feststellung gelangen müssen, dass die Beschwerdeführer wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Minderjährigen bzw. der westlich orientierten Personen, die nichts mit dem Alltag und den Traditionen im paschtunisch/sunnitisch dominierten Afghanistan anfangen können, sowie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara begründete Furcht vor Verfolgung haben müssen. Das Vorbringen zu den Grundstücksstreitigkeiten sei ebenfalls nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Beschwerdeführer hätten daher eine Kombination aus zahlreichen individuellen Verfolgungsgründen zu befürchten und sei ihnen Asyl zu gewähren.
Die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 16.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.07.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Die Beschwerdeführer wurden im Beisein einer Vertreterin, einer Vertrauensperson und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu den Fluchtgründen und zu ihrer Situation in Österreich befragt. Die Beschwerdeführervertreterin verwies auf das schriftlich erstattete Vorbringen vor dem Bundesamt und im Rahmen der Beschwerde. Für eine Stellungnahme zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten - Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Juni 2018 und "Country Guidance: Afghanistan" der EASO vom Juni 2018 - wurde eine Frist von 14 Tagen eingeräumt.
Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde insbesondere betreffend das Leben der Beschwerdeführer in Österreich jeweils ein Konvolut von Unterlagen - bestehend insbesondere aus Unterstützungsschreiben, Zeugnissen, Kursbestätigungen, Fotos sowie Unterlagen betreffend sportliche Aktivitäten - vorgelegt.
Mit Schreiben vom 31.07.2018 übermittelte die Beschwerdeführervertreterin eine Stellungnahme zu den Länderberichten. In den Ausführungen betreffend das Länderinformationsblatt wies die Vertreterin nach einer Zusammenfassung von für den gegenständlichen Fall relevanten Teilen des Länderberichtes darauf hin, dass alle drei Beschwerdeführer minderjährig seien, keine Anknüpfungspunkte in Afghanistan und ihr gesamtes Leben außerhalb des Herkunftsstaates verbracht hätten. Bei einer Rückkehr wären sie obdachlos und müssten in einem Waisenhaus Zuflucht finden, um nicht auf der Straße leben zu müssen. Die Lebensbedingungen in Waisenhäusern seien schlecht und gebe es zahlreiche Berichte über psychische, physische und sexuelle Misshandlungen. Kinder in Waisenhäusern würden oftmals auch Opfer von Menschenhandel. Unter Bezugnahme auf die in den UNHCR-Richtlinien genannten Risikoprofile wies die Vertreterin darauf hin, dass den Beschwerdeführern als alleinstehende Minderjährige ohne Anknüpfungspunkte in Afghanistan Zwangsrekrutierung, Diskriminierung bzw. Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur schiitischen Minderheit bzw. als "verwestlicht" wahrgenommene Rückkehrer sowie kinderspezifische Formen der Verfolgung drohen würden. Auch der aktuelle Bericht der EASO vom Juni 2018 bestätige diese Ausführungen.
In der Schlussfolgerung wurde auf das Erfordernis einer globalen Betrachtung der Risikofaktoren und die besondere Vulnerabilität von Minderjährigen hingewiesen. Die Beschwerdeführervertreterin verwies auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2016, Zl. 2015/19/0180, in dem festgehalten wurde, dass wenn neben einer Gefährdung eines minderjährigen Waisen ohne familiäre Bindung in Afghanistan noch eine Reihe von weiteren, das Verfolgungsrisiko erhöhenden Faktoren vorbracht würden, wie etwa die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara, zur schiitischen Glaubensrichtung sowie ein langjähriger Auslandsaufenthalt und eine deshalb bestehende Sprachbarriere, diese Umstände in ihrer Gesamtheit im Rahmen einer globalen Bewertung zu beurteilen wären, ohne einzelne Aspekte der Fluchtgeschichte ohne Rücksichtnahme auf andere Gesichtspunkte der Beurteilung zu Grunde zu legen. Die Beschwerdeführervertreterin verwies weiters auf ein Erkenntnis der Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.05.2018, GZ W164 2165796-1, das zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen sei, und folgerte schließlich, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihrer Eigenschaft als alleinstehende Minderjährige im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan dem Risiko kinderspezifischer Verfolgung ausgesetzt wären.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die minderjährigen Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennen sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Sie sind in das Bundesgebiet eingereist und haben am 04.07.2015 bzw. 10.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
Die drei Beschwerdeführer sind Brüder, im Iran geboren und aufgewachsen und haben dort bis zu ihrer Reise nach Österreich gelebt. Sie haben im Iran zumindest für kurze Zeit die Schule besucht und verfügen in der Sprache Dari jedenfalls über grundlegende Fähigkeiten im Lesen und Schreiben. Ihre Eltern stammen aus der afghanischen Provinz Maidan Wardak. Die Mutter und eine Schwester der Beschwerdeführer leben weiterhin im Iran, der Aufenthaltsort ihres Vaters kann nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführer haben sich noch nie in Afghanistan aufgehalten und haben dort auch keine Angehörigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan im Zusammenhang mit Grundstreitigkeiten ihres Vaters mit einem Verwandten Verfolgung droht. Auch eine konkrete Bedrohung durch Zwangsrekrutierung, Entführung oder sexuellen Missbrauch kann nicht festgestellt werden. Eine sonstige, den Beschwerdeführern individuell drohende Verfolgung, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
Ferner kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan aufgrund ihrer Religion- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit oder aufgrund ihres langjährigen Aufenthaltes im Iran bzw. in Österreich Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.
Zur allgemeinen Lage in Afghanistan und der Situation der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33,3 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.
Die schiitische Minderheit der Hazara besiedelt traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert, in der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern - gelegentlich kommt es dabei aber zu Auseinandersetzungen mit Paschtunen. Ungefähr seit dem Jahr 2016 wurden insbesondere von Taliban und dem IS vermehrt terroristische Angriffe auf schiitische kulturelle und religiöse Einrichtungen bzw. Veranstaltungen verübt, bei denen zahlreiche schiitische Muslime - überwiegend ethnische Hazara - verletzt oder getötet wurden.
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.
In der zentral gelegenen Provinz Wardak bzw. Maidan Wardak leben hauptsächlich ethnische Paschtunen, Tadschiken und Hazara. Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in mehreren Distrikten aktiv - vor allem entlang der Autobahn Kabul-Kandahar (Ring Road). In der Provinz Wardak werden auch militärische Operationen - einschließlich Luftangriffe - durchgeführt. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Die Situation der Kinder in Afghanistan hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben dennoch Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Teilweise fehlen auch Schulen in der Nähe des Wohnortes. In von den Taliban kontrollierten Gegenden sind gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder - insbesondere Mädchen - ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. Taliban und andere Extremisten bedrohen und greifen auch Lehrer an und setzen Schulen in Brand.
Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen.
Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Berichten zufolge arbeiten allerdings mindestens 15% der schulpflichtigen Kinder. Viele Familien sind auf die Einkünfte ihrer Kinder angewiesen, daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig.
Viele Kinder in Afghanistan sind unterernährt. Etwa 10% der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt. Im Jahr 2017 waren 30% aller zivilen Opfer Kinder. Die Hauptursachen sind Kollateralschäden bei Kämpfen am Boden, Sprengfallen und zurückgelassene Kampfmittel.
Die Lebensbedingungen für Kinder in Waisenhäusern sind schlecht, der Zugang zu fließendem Wasser, Heizung, Sanitäranlagen, Gesundheitsversorgung, Freizeiteinrichtungen und Bildung ist mangelhaft. Dem afghanischen Staat fehlen die Mittel, um alle Waisen zu unterstützten. Kinder aus Waisenhäusern berichteten von mentaler, physischer und sexueller Misshandlung und wurden manchmal Opfer von Menschenhandel. Kinder ohne unterstützendes Netzwerk, die nicht in Waisenhäusern unterkommen, sind meist auf sich gestellt.
Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Trotz einer internen Regel der Taliban, Kinder nicht zu rekrutieren, kommt es dennoch zur Rekrutierung und Indoktrinierung von Kindern. In Gebieten unter der Kontrolle des IS kommt es ebenfalls zu aktiver Rekrutierung von Kindern.
In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Mit Inkrafttreten des neuen afghanischen Strafgesetzbuches im Jahr 2018 wurde die Praxis des Bacha Bazi kriminalisiert. Den Tätern drohen bis zu sieben Jahre Haft. Jene, die mehrere Buben unter zwölf Jahren halten, müssen mit lebenslanger Haft rechnen. Üblicherweise sind die Buben zwischen zehn und 18 Jahre alt; viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben. Viele der Buben wurden entführt, manchmal werden sie auch von ihren Familien aufgrund von Armut an die Täter verkauft. Manche Betroffenen sind Waisenkinder und in manchen Fällen entschließen sich Buben, Bacha Bazi zu werden, um ihre Familien zu versorgen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Familienverhältnissen, Aufenthaltsorten und zum Alter der Beschwerdeführer beruhen auf den im Wesentlichen gleichbleibenden und übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführer im Rahmen der jeweiligen Asylverfahren.
Die Sprachkenntnisse in Dari und die Schulbildung der Beschwerdeführer im Iran ergeben sich insbesondere aus den diesbezüglichen Angaben bei der Erstbefragung sowie vor dem Bundesamt, genauere Feststellungen betreffend die Dauer des jeweiligen Schulbesuchs waren allerdings aufgrund abweichender Angaben nicht möglich.
Die Feststellungen zur Einreise und Antragstellung der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem Inhalt des jeweiligen Verwaltungsaktes und den damit in Einklang stehenden Vorbringen der Beschwerdeführer.
Zu den Feststellungen betreffend die Fluchtgründe der Beschwerdeführer ist Folgendes auszuführen:
Die minderjährigen Beschwerdeführer haben ihre Ausreise aus dem Iran und ihre Antragstellung in Österreich im Rahmen der Erstbefragung und teilweise auch in den Einvernahmen durch das Bundesamt insbesondere mit Problemen im Iran begründet. Mangels Relevanz für das vorliegende Verfahren braucht auf dieses Vorbringen nicht weiter eingegangen zu werden.
Hinsichtlich der vorgebrachten Grundstreitigkeiten des Vaters der Beschwerdeführer mit einem Cousin, die schließlich zum Ausreiseentschluss der Eltern der Beschwerdeführer geführt bzw. beigetragen haben sollen, ist festzuhalten, dass dieser Sachverhalt den Angaben des Erstbeschwerdeführers zufolge jedenfalls mehr als 15 Jahre zurückliegt, zumal der Erstbeschwerdeführer erst nach der Einreise in den Iran geboren wurde. Da die Beschwerdeführer darüber hinaus nie Kontakt zu diesem Cousin ihres Vaters hatten, sind aufgrund der - sehr vagen - Informationen über einen lange zurückliegenden Streit auch unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit der Beschwerdeführer keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine aktuelle Bedrohung bei einer Rückkehr nach Afghanistan erkennbar.
Auch für eine individuelle Bedrohung der Beschwerdeführer durch Zwangsrekrutierung, Entführung oder sexuellen Missbrauch bzw. im Zusammenhang mit sonstigen kinderspezifischen Gefahren sind keine konkreten Hinweise hervorgekommen.
Betreffend eine Bedrohung der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einer Rückkehr aus dem Ausland bzw. insbesondere aus dem "Westen" ist zunächst festzuhalten, dass die Beschwerdeführer nicht in einem "westlichen" Land, sondern im Iran geboren und aufgewachsen sind. Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind überdies keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass Rückkehrern aus dem "Westen" alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. auch Gutachten Dr. Rasuly 15.02.2017, W119 2142462-1, sowie UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 bzw. auch vom 30.08.2018, in denen darauf hingewiesen wird, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann). Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer sich zwar noch nie in Afghanistan aufgehalten haben, allerdings Dari - eine der Amtssprachen Afghanistans - sprechen und bei ihrer afghanischen Familie aufgewachsen sind.
Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung der Beschwerdeführer aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie ihrer Asylantragstellung beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung der Beschwerdeführer sind daher nicht hervorgekommen.
Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet. Ergänzend wurde insbesondere hinsichtlich der Feststellungen zur Situation von Kindern in Afghanistan auch der EASO Bericht "Country Guidance:
Afghanistan" vom Juni 2018 herangezogen.
Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte bzw. Folgeberichte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des European Asylum Support Office und des U.S. Department of State) versichert hat.
Die Vertreterin der Beschwerdeführer ist den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 31.07.2018 nicht konkret entgegengetreten, sondern hat vielmehr selbst aus diesen Berichten zitiert. Darüber hinaus wurde ergänzend auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 hingewiesen. Auch die darin enthaltenen Informationen sind allerdings nicht geeignet, die in den Feststellungen zur Situation in Afghanistan enthaltenen Kernaussagen zu widerlegen, sondern sind mit diesen in Einklang zu bringen. Zu den ins Treffen geführten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes ist darauf hinzuweisen, dass es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen handelt, denen abweichende Sachverhalte zugrunde liegen.
Soweit in den bei der belangten Behörde eingebrachten Stellungnahmen zu den den angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegten Länderberichten die Ausgewogenheit und Objektivität dieser Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017) in Zweifel gezogen wurde, ist festzuhalten, dass die Berichte in dem hier herangezogenen Länderinformationsblatt (vom Juni 2018) von zahlreichen verschiedenen angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten. Im Übrigen sind die von der Beschwerdeführervertreterin im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens ins Treffen geführten Länderberichten teilweise nicht mehr aktuell und ist ferner darauf hinzuweisen, dass gegenständlich auch der jüngste Bericht der EASO zu Afghanistan Berücksichtigung gefunden hat.
Auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen ist somit weder aufgrund des erstatteten Vorbringens noch sonst eine individuelle Bedrohung der Beschwerdeführer im Verfahren hervorgekommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).
Wie oben ausgeführt ist es den Beschwerdeführern nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Eine Prüfung des Zusammenhanges der vorgebrachten Bedrohung mit einem Konventionsgrund erübrigt sich daher und kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern diesbezüglich asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Soweit eine drohende Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Religionsgruppe der Schiiten behauptet wurde, ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich aus den Länderfeststellungen zu Afghanistan keine Hinweise für eine Gruppenverfolgung der Hazara bzw. Schiiten ergeben (vgl. auch EASO "Guidance note: Afghanistan" vom Juni 2018, S. 20), vielmehr hat sich deren Situation seit dem Ende der Talibanherrschaft deutlich verbessert, wenngleich es in den letzten Jahren vermehrt zu Anschlägen auf schiitische Einrichtungen und Veranstaltungen gekommen ist. In ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes wurde - teilweise auch nach Einholung länderkundiger Sachverständigengutachten - eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara verneint (vgl. Gutachten von Dr. Rasuly vom 15.02.2017, BVwG W119 2142462-1/10E). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in letzter Zeit keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan judiziert (vgl. etwa VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089-7). Schließlich verwies auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 05.07.2016 (29094/09, A.M. v. the Netherlands) auf die schlechte Situation für die Angehörigen der Hazara in Afghanistan, verneinte jedoch eine automatisch vorliegende Gefahr einer Verletzung des Artikels 3 EMRK bei einer Rückkehr allein auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe.
Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage der Hazara in Afghanistan ist auch unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit der Beschwerdeführer im Rahmen der Beurteilung der Intensität von Verfolgungshandlungen nicht zu erkennen, dass eine allenfalls zu erwartende Diskriminierung aufgrund der Religions- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit Asylrelevanz erreichen könnte. Überdies ist festzuhalten, dass der Westen der Provinz Wardak, aus der die Familie der Beschwerdeführer stammt, zum Kernland der traditionell von Hazara bewohnten Region in Zentralafghanistan zählt.
Aus den Länderberichten geht ferner hervor, dass in Afghanistan Zwangsrekrutierungen von Kindern - sowohl seitens der Taliban als auch des IS in von ihnen beherrschten Gebieten möglich sind. Es wird auch von Zwangsrekrutierungen von Kindern bzw. Jugendlichen durch - insbesondere irreguläre - Teile der Regierungsstreitkräfte berichtet. Daraus, aus sonstigen Länderberichten (vgl. etwa Landinfo, Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban, vom 29.06.2017 (BFA Arbeitsübersetzung): "Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet.") sowie aus dem notorischen Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes ist jedoch nicht abzuleiten, dass jedes Kind oder jeder Jugendliche bei einer Rückkehr - ohne Hinzutreten individueller, gefahrenerhöhender Umstände - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt wäre. Auch in den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, auf die in der Beschwerde verwiesen wurde, wird im Zusammenhang mit Zwangsrekrutierung darauf hingewiesen, dass bei Minderjährigen, die in bestimmten Gebieten leben, je nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann. Von einer Gruppenverfolgung aller Kinder, die den genannten Kategorien unterfallen, ist demzufolge nicht auszugehen.
Dies gilt auch für eine sonstige kinderspezifische Gefährdung der Beschwerdeführer. Bei Kindern mit bestimmten Profilen oder Kindern, die unter bestimmten Bedingungen leben, kann nach den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 (vgl. auch UNHCR Eligibility Guidelines vom 30.08.2018) je nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen. Für das Vorliegen solcher Umstände sind gegenständlich allerdings keine konkreten Hinweise hervorgekommen und wurden von den Beschwerdeführern auch nicht substantiiert vorgebracht.
Auch in der Gesamtbetrachtung ist unter Berücksichtigung der gegenständlich vorliegenden risikoerhöhenden Faktoren - insbesondere der Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara, zur schiitischen Glaubensrichtung sowie des Umstandes, dass die Beschwerdeführer im Iran aufgewachsen sind, sich noch nie in Afghanistan aufgehalten haben und dort über keine Angehörigen verfügen - nicht zu erkennen, dass den alleinstehenden minderjährigen Beschwerdeführern bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht, für die ein Konventionsgrund zumindest einen maßgeblichen Faktor darstellt:
Wie oben ausgeführt haben sich hinsichtlich der im vorliegenden Fall zu prüfenden Gefahren, die in hinreichendem Zusammenhang mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe stehen, keine konkreten Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung der Beschwerdeführer ergeben. Ausgehend von den Länderfeststellungen - insbesondere zur Lage der schiitischen Hazara sowie zu kinderspezifischen Gefahren - ist daher auch in Anbetracht der gegenständlich erhöhten Risiken nicht davon auszugehen, dass den Beschwerdeführern asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Eine mögliche Gefährdung der minderjährigen Beschwerdeführer insbesondere aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan bzw. durch das Fehlen einer Lebensgrundlage im Falle einer Rückkehr wurde bereits im Rahmen der Gewährung subsidiären Schutzes berücksichtigt.
Da sich weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung aus Konventionsgründen ergeben haben, ist kein unter
Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar und war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Glaubhaftmachung, mangelnde Asylrelevanz, Minderjährigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W127.2161598.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.01.2019