Entscheidungsdatum
13.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W233 2169180-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Tadschikistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1097140602-151889874 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.07.2018 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Tadschikistan, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Rahmen seiner Erstbefragung vor der Landespolizeidirektion Wien im Wesentlichen damit, dass er von der Regierung bedroht werde. Es habe in seinem Land ein Treffen gegeben und seien alle, die an diesem Treffen teilgenommen hätten, von der Polizei mitgenommen worden. Auch als er in Russland gewesen sei, sei er von der russischen Polizei oder dem KGB in Zivil überfallen worden, weshalb er auch aus Russland hätte fliehen müssen.
1.2. Am 14.03.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe für die "Gruppe 24" CDs kopiert und verteilt, auf denen Reden des Gründers dieser Gruppe zu sehen gewesen wären. Als Mitglied dieser "Gruppe 24" habe er auch für den Radiosender " XXXX " gearbeitet. Er habe im Jahr 2015 in Wien an einer Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude teilgenommen. Konkreter Auslöser für das Verlassen seines Herkunftsstaates sei das Scheitern einer geplanten Kundgebung am 10.10.2014 gewesen.
1.3. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tadschikistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt IV.).
1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 18.08.2017 fristgerecht Beschwerde, in welcher er sein Vorbringen zu seinem Fluchtgrund erneuerte. Weiters gab der Beschwerdeführer an, die Polizei frage regelmäßig bei seiner Familie in Tadschikistan nach, wo dieser sich aufhalte und ob er zu Hause sei. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits von der Polizei mitgenommen und einer Befragung unterzogen worden.
1.5. Zur Ermittlung des gegenständlichen Sachverhaltes wurde für den 20.06.2018 eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, in welcher der Beschwerdeführer um einen Dolmetscher für die Sprache Tadschikisch oder Farsi ersuchte. In weiterer Folge wurde die Einvernahme zum Zwecke der Ladung eines Dolmetschers für die Sprache Tadschikisch vertagt.
1.6. Am 17.07.2018 fand erneut eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer sowie ein Zeuge einvernommen wurden. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entschuldigte sich mit Schreiben vom 25.06.2018 für die mündliche Beschwerdeverhandlung und beantragte schriftlich die Abweisung der Beschwerde. In der Verhandlung wurden die persönlichen Umstände und Fluchtgründe des Beschwerdeführers erläutert und die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut aus Informationen über das politische System in Tadschikistan und die Situation der Oppositionsbewegung "Gruppe 24" in englischer Sprache vor. Er brachte vor, dass die bloße Tatsache des Vorwurfes, dass eine Person mit der "Gruppe 24" in Verbindung steht, ausreiche, dass diesen Personen unverhältnismäßig hohe Freiheitsstrafen drohen würden.
1.7. Am 31.07.2018 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.
1.8. Der Beschwerdeführer legte im Verfahren folgende Dokumente/Unterlagen vor:
* Tadschikischer Führerschein (AS 95 ff);
* div. Fotos (AS 99 ff);
* Zwei Schreiben der "Gruppe 24", datiert mit 11.10.2016 und 13.03.2017 (AS 109);
* Zeugnis der Gemeinde XXXX vom 05.06.2018;
* ÖSD Zertifikat A1;
* Deutschpass der VHS XXXX .
2. Feststellungen:
Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und eines Zeugen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2018; durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers, beinhaltend die Erstbefragung vom 29.11.2015, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.03.2017, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017; durch Einsichtnahme in die vorgelegten Dokumente, Urkunden und Stellungnahmen des Beschwerdeführers und seiner Vertretung sowie durch Einsichtnahme in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist ein männlicher Staatsangehöriger Tadschikistans, der sich zum muslimischen Glauben bekennt und neben seiner Muttersprache Tadschikisch auf Russisch spricht. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise in der Stadt XXXX . Er besuchte dort die Schule und begann ein Studium, welches er jedoch nicht abschloss. Er war in einem Supermarkt tätig und hat diesen auch als Geschäftsführer geführt.
Der Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern, Brüdern und mit seiner damaligen Ehefrau auf einem Grundstück. Seine Eltern und zwei Brüder sind weiterhin dort wohnhaft. Eine Schwester ist verheiratet und lebt nicht mehr bei der Familie. Mit ihr steht der Beschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt. Im Herkunftsstaat leben darüber hinaus noch weitere Verwandte (Onkeln, Tanten) des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
2.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005, durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer übt in Österreich keine berufliche Tätigkeit aus, ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er engagiert sich ehrenamtlich im Rahmen der "Gemeinnützigen Beschäftigung für Asylwerber" für die Gemeinde XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über ein ÖSD-Zertifikat der Stufe A1.
Der Beschwerdeführer unterhält in Österreich soziale Kontakte ua. auch zu seiner Verlobten, mit der er jedoch nicht in gemeinsamen Haushalt wohnt. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine weiteren familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich. Somit kann nicht festgestellt werden, dass mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in sein von Art. 8 EMRK geschütztes Recht unzulässigerweise eingegriffen würde.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tadschikistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt wäre.
Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machten, dass er in Tadschikistan wegen seiner von ihm behaupteten politischen Tätigkeit für die in seinem Herkunftsstaat verbotene Oppositionsbewegung "Gruppe 24" und wegen seiner in Österreich für die "Gruppe 24" gesetzten exilpolitischen Aktivitäten, einer Bedrohung oder Verfolgung durch die tadschikischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre.
2.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Nicht festgestellt werden kann weiters, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tadschikistan in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.
Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
2.5. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen konnte nicht festgestellt werden.
2.6. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:
(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Tadschikistan, Stand 05.06.2018; gekürzt und bereinigt):
2.6.1. Politische Lage
Die Republik Tadschikistan hatte laut offizieller Statistik 2016 8,74 Millionen Einwohner, was ein Wachstum von ca. 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausmachte (TAJSTAT 23.5.2018). Unter dem herrschenden präsidentiellen System wird das Land seit 1994 von Emomali Rachmon (Rakhmon) streng geführt (BBC 22.4.2018). Der Einfluss des Parlaments insgesamt ist gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten, seinen engsten Vertrauten und der Präsidialverwaltung konzentriert (AA 20.10.2017). Tadschikistan befindet sich in einer starken Abhängigkeit von Russland, sowohl ökonomisch als auch in Hinblick auf den Umgang mit Sicherheitsfragen, wie den Kampf gegen Drogenschmuggel und dem radikalen Islam (BBC 22.4.2018).
Nach der Unabhängigkeit von der UdSSR am 9. September 1991 wuchsen die Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabiev und oppositionellen Gruppen. In diesem Konflikt entluden sich politischen, religiösen und regionale Gegensätze. Im Zuge der gewaltsamen Eskalation 1992 verlor Nabiev seine Macht. Nach einer kurzen Übergangszeit wurde Emomali Rahmon zuerst Vorsitzender des Obersten Sowjets Tadschikistans (1992), später Staatspräsident (1994). Innertadschikische Gespräche unter russischer und iranischer Vermittlung führten am 17.09.1994 zu einem Waffenstillstand (Dokument von Teheran). Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des 'Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan' durch Präsident Rahmon und Oppositionsführer Nuri am 27.06.1997 in Moskau beendet. Zum Vorsitzenden der mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen beauftragten Nationalen Versöhnungskommission (NVK) wurde der 2006 verstorbene UTO-Chef Nuri gewählt. Zu den wichtigsten Ergebnissen der NVK-Tätigkeit zählen die Rückführung der Mehrzahl aller tadschikischen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Afghanistan, der Austausch der Kriegsgefangenen und eine Amnestie für bürgerkriegsbedingte Straftaten. Der Opposition wurde eine 30-Prozent-Quote an hohen Regierungsämtern eingeräumt. Nach Aufhebung des Verbots der Parteien und politischen Gruppierungen der UTO am 12.08.1999 konnten sich diese und andere Parteien registrieren und am politischen Leben teilnehmen (AA 3.2018a).
Die Republik Tadschikistan ist von ihrer 1994 angenommenen Verfassung vordergründig ein eng an westlichen Vorbildern und Werten orientiertes Staatswesen - mit Gewaltenteilung, Parlament, Mehrparteiensystem und freien Wahlen, mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit. Lediglich die starke, überwiegend in den Händen des Präsidenten konzentrierte Exekutive sticht bei den Bestimmungen der Verfassung ins Auge (GIZ 3.2018a).
Tadschikistan hat ein Zweikammer-Parlament mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Die 34 Mitglieder der Nationalversammlung (Majlisi Milli), das Oberhaus, werden indirekt bestimmt: 25 durch lokale Körperschaften und acht durch den Präsidenten. Die Versammlung der Repräsentanten (Majlisi Namoyandagon), das Unterhaus, wird direkt gewählt, wobei 41 Mitglieder durch absolute Mehrheit in Einer-Wahlkreisen und 22 proportional unter Erreichen einer Fünf-Prozent-Hürde bestimmt werden (IFES 2016, vgl. AA 3.2018a).
Der Staatspräsident wird alle sieben Jahre gewählt. Der gegenwärtige Präsident, Emomali Rachmon, wurde infolge einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2003, die eine zweimalige Wiederwahl ermöglicht, im November 2013 wiedergewählt (IFES 2016, vgl. GIZ 3.2018a). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef. Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Familienangehörigen (sieben Töchter und zwei Söhne, sowie deren Ehepartner) und engen Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rachmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleinigen Stabilitätsgarant und Friedensstifter (bpb 11.2.2018).
Ende Dezember 2015 unterzeichnete Präsident Rachmon ein Gesetz, das ihn zum Führer der Nation auf Lebenszeit erhebt. Beide Parlamentskammern hatten zuvor das Gesetz ohne Gegenstimmen gebilligt (UB 29.1.2016). Das Gesetz verleiht Rachmon und seinen Verwandten überdies lebenslange Immunität. Im Jänner 2016 wurde eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht und das Mindestalter für das Präsidentenamt von 35 auf 30 Jahre herabsetzt. So wäre Rachmons ältester Sohn Rustam Emomali in der Lage bei der Präsidentenwahl 2020 zu kandidieren, er wäre dann 33 Jahre alt (RFE/RL 10.2.2016). Zu diesem Gesetz wurde am 22. Mai 2016 eine Volksabstimmung durchgeführt und 95 % der Wahlberechtigten stimmten für die Annahme des Gesetzes (Guardian 23.5.2016).
Bei den Parlamentswahlen vom 1.3.2015 gewann die regierende Volksdemokratische Partei Tadschikistans (PDPT) 51 der 63 zu vergebenden Sitze. Die OSZE bemängelte die Restriktionen hinsichtlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie den Zugang zu den Medien während des Wahlkampfes. Die Chancengleichheit im Wahlkampf wurde nicht gewährleistet. Der Wahlgang inklusive die Auszählung war von zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet (OSCE 15.5.2015).
Während eines Auslandsaufenthalts im Juni 2015 verkündete der Vorsitzende der "Islamische Wiedergeburt" (PIW), Muhiddin Kabiri, nicht mehr nach Tadschikistan zurückzukehren. Kabiri befürchtete, verhaftet zu werden und befindet sich seither im Exil. Nach blutigen Unruhen wurde Ende September 2015 die PIW als letzte Oppositionspartei verboten und als terroristische Vereinigung eingestuft (bpb 11.2.2018, vgl. Standard 29.9.2015). Somit verlor Tadschikistan die letzte echte Oppositionspartei. Bis 2015 war Tadschikistan das einzige postsowjetische Land Zentralasiens mit einer legal agierenden "islamischen" Partei. Die derzeit fünf im Parlament vertretenen Parteien wahren nach außen hin den Schein einer funktionierenden Demokratie im De-facto-Einparteienstaat (bpb 11.2.2018). Es herrscht derzeit ein repressives Klima, das vor oppositionellem Handeln abschrecken soll (AA 20.10.2017), die Regierung unterbindet weiterhin politischen Pluralismus (USDOS 20.4.2018).
2.6.2. Sicherheitslage
Als mit dem Zerfall der Sowjetunion Subventionen aus Moskau ausblieben und Tadschikistan "unfreiwillig" die Unabhängigkeit erhielt, entwickelte sich rasch ein Konflikt um die politische und wirtschaftliche Macht entlang regionaler und ideologischer Linien. Die trennenden Gruppenloyalitäten und Solidaritäten haben durch den Bürgerkrieg zusätzlichen Auftrieb erhalten und sich weiter verfestigt. Als Sieger aus diesen Machtkämpfen ging die "Kulober" Fraktion hervor. 1994 wurde Emomali Rachmon als Repräsentant dieser Fraktion zum Präsidenten gewählt (bpb 11.2.2018).
Die Sicherheitsprobleme der jüngsten Jahre waren heimischer Natur, trotz des Versuches seitens der Regierung diese als aus dem Ausland herrührend darzustellen. Die Sicherheitslage in Afghanistan und im Nahen Osten hat wenig Wirkung auf die innere Stabilität Tadschikistans, trotz der Behauptungen der Regierung, dutzende Terroranschläge aus dem Lager der ausländischen Opposition verhindert zu haben. Die Sicherheitskräfte unterdrücken weiterhin alle Dissidentenbewegungen in den periphären Regionen des Rasht-Tales und Gorno-Badachschan (BTI 2018).
Es gibt keine bedeutenden und nachhaltig operierenden Aufständischengruppierungen oder gewalttätige Gruppierungen, die den Staat in den territorialen Enklaven herausfordern. Obwohl die Behörden häufig auf eine Bedrohung durch radikal-islamistische Gruppierungen oder den IS hinweisen, hat sich diese Bedrohung bisher noch nicht manifestiert und scheint auch weitgehend übertrieben (BTI 2018).
Gewalttätige Vorfälle mit Oppositionellen gab es 2009 und 2011 in Rasht und 2012 und 2014 in Gorno-Badachschan (ICG 9.10.2017). Im Herbst 2015 kamen bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche, der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda, wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet (bpb 11.2.2018; vgl. BTI 2018) Bei der in diesem Zusammenhang durchgeführten Anti-Terror-Aktion wurden rund 40 Menschen getötet und etwa 140 festgenommen (Standard 29.9.2015).
Die Regierung konzentriert sich auf die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und beobachtet die mögliche Rückkehr tadschikischer Kämpfer aus dem Ausland. Gemäß Open-Source-Berichten haben sich ca. 1.000 Tadschiken dem IS und andere terroristische Gruppen in Irak und Syrien angeschlossen. Die potentielle Gefahr durch die Instabilität in Nordafghanistan ist der Regierung bewusst und aus Besorgnis, dass terroristische Gruppen aus Afghanistan die durchlässige Grenze nach Tadschikistan überqueren könnten, hat die Regierung die Militär- und Polizeipräsenz verstärkt und führt taktische Operationen durch. Die Regierung hat dafür Unterstützung von den USA und deren Partnern erbeten (USDOS 19.7.2017).
An der Grenze zu Afghanistan kommt es vereinzelt zu Schusswechseln zwischen afghanischen Drogenschmugglern und Angehörigen der tadschikischen Grenztruppen und der Drogenkontrollbehörde (AA 3.4.2018b; vgl. ICG 9.10.2017), insbesondere in Gorno-Badachschan. Bei Vorfällen im Jahr 2017 wurden einige Menschen verletzt (GOV.UK 13.3.2018). Diese Vorfälle stellen i.d.R. keine gezielten Angriffe auf das Territorium oder die Institutionen Tadschikistans dar. Die Afghanischen Taliban haben kein territoriales Interesse außerhalb der Grenzen Afghanistans (ICG 9.10.2017).
Die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgisistan ist umstritten (GOV.UK 13.3.2018). Nur etwa 50 Prozent der etwa 970 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Staaten sind eindeutig festgelegt (KAS 1.2014; vgl. TA+ 4.4.2018). Seit Anfang 2014 ist es im Grenzgebiet zwischen Tadschikistan und Kirgisistan wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen teilweise mit Todesopfern gekommen (AA 3.4.2018b). Insbesondere in der Nähe der Enklave Vorukh kommt es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen lokalem Ausmaßes (GOV.UK 13.3.2018).
2.6.3. Rechtsschutz/Justizwesen
Obgleich das Gesetz eine unabhängige Gerichtsbarkeit vorsieht, übt die Exekutive Druck auf Staatsanwälte, Verteidiger und Richter aus. Korruption und Ineffizienz stellen erhebliche Probleme dar (USDOS 20.4.2018, vgl. BTI 2018). Der Staatspräsident kontrolliert die Justiz durch sein verfassungsmäßiges Prärogativ und kann Richter und den Generalstaatsanwalt ernennen oder entlassen. Die Gerichte werden zudem durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst. Die Staatsanwaltschaft rangiert über den Gerichten, was den Einfluss und die politische Macht betrifft. In politisch heiklen Fällen urteilen die Richter gemäß den Anweisungen mächtiger Offizieller aus der Präsidialverwaltung oder dem Sicherheitsdienst (BTI 2018). Niedrige Gehälter für Richter und Staatsanwälte führen dazu, dass Bestechung weit verbreitet ist (USDOS 20.4.2018).
Für Angeklagte gilt in der Praxis nicht die Unschuldsvermutung, denn die Gerichte befinden fast alle Angeklagten für schuldig. Im Allgemeinen erlauben die Gerichte den Angeklagten zeitgerecht einen Anwalt zu konsultieren, doch wird ihnen das Recht auf einen Verteidiger während der Untersuchungshaft bzw. der Zeit der Ermittlungen oft vorenthalten, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Angeklagte und Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass die Regierung manchmal einen Pflichtverteidiger ernennt, um zu verhindern, dass der Angeklagte einen Rechtsbeistand nach eigener freier Wahl bekommt. Angeklagte und Verteidiger haben das Recht, alle behördlichen Beweismittel einzusehen und die Zeugen damit zu konfrontieren bzw. diese zu befragen. Die Gerichte verleihen jedoch den Aussagen der Staatsanwaltschaft weit mehr Bedeutung als jenen der Verteidigung. Obschon alle Prozesse öffentlich sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit von Geheimprozessen vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen ist. Vertretern der Zivilgesellschaft wird der Zugang zu Gerichtsprozessen gegen hochrangige Persönlichkeiten verwehrt, weil diese Prozesse durch die Regierung als geheim eingestuft werden (USDOS 25.6.2015).
Aufgrund der starken Einflussnahme der Politik auf die Justiz, den geheimen und intransparenten Verfahren gegen politische Gegner und der sehr selektiven Justiz, stufte Freedom House 2017 die Bewertung Tadschikistans in Bezug auf die Unabhängigkeit und das Funktionieren der Justiz auf 7,0 herab (2014: 6,25; 2015: 6,50; 2016: 6,75; 2017:
7,0; 2018: 7,0). Auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 11.4.2018).
Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. De-facto wird der Rechtsschutz für politische Straftäter dadurch eingeschränkt, dass ihre Prozesse hinter verschlossenen Türen stattfinden und Rechtsanwälte wegen der ihnen selbst drohenden Gefahren immer weniger bereit sind, politisch heikle Fälle zu übernehmen (AA 20.10.2017). Seit 2014 wurden sieben Menschenrechtsanwälte verhaftet und zwei von ihnen, die Mitglieder der "Gruppe 24" verteidigten, in nicht öffentlichen Verfahren zu 21 bzw. 23 Jahren Haft verurteilt (FH 11.4.2018).
2.6.4. Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei. Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Die Generalstaatsanwaltschaft beaufsichtigt die strafrechtlichen Untersuchungen der zuständigen Behörden. Es kommt zu beträchtlichen Überlappungen bei der Zuständigkeit. Die Gesetzesvollzugsbehörden fügen sich jedoch dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit. Die Vollzugsbehörden sind in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht effizient, da kriminelle Banden über Beziehungen zu hohen Regierungskreisen und Sicherheitsbehörden verfügen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017).
Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (BTI 2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 20.4.2018).
2.6.5. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet Folter. Trotz der Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2012, als Folter in Übereinkunft mit dem internationalen Recht definiert wurde, gibt es Fälle von Gewalt, Folter und anderen Zwängen, um bei Verhören Geständnisse zu erpressen (USDOS 20.4.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor, aber auch in den Streitkräften entsprechend sowjetischer Tradition. Sie reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017). Seit 2012 wurden die Strafen für Folter verschärft und seither wurden auch einzelne Fälle vor Gericht gebracht und abgeurteilt (AA 3.2018a); die Täter kamen aber häufig in den Genuss von raschen Amnestien (AA 20.10.2017).
Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 3.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.4.2018).
Die NGO "Koalition gegen Folter" berichtet für das Jahr 2016 von Verbesserungen im Kampf gegen die Folter in Tadschikistan (CaT 2017). Für das Jahr 2016 wurden 57 Fälle dokumentiert (AA 20.10.2017; vgl. CaT 2017), die vermutlich nicht die Gesamtheit aller Fälle erfassen (AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 wurden fünf Armeemitglieder wegen unmenschlicher Behandlung verurteilt, erstmals erhielt ein Bürger eine offizielle Entschuldigung wegen Polizeigewalt und 25 Personen erhielten psychosoziale Hilfe (davon zehn Folteropfer und 15 Angehörige) (CaT 2017).
2.6.6. Korruption
Auf allen Regierungsebenen sind Korruption und Nepotismus weit verbreitet (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018), Korruption ist Teil des Alltagslebens in Tadschikistan. Eine kleine Gruppe von Familien, die dem Präsidenten nahe steht, dominieren Politik, Wirtschaft, den Binnenmarkt und den Außenhandel (FH 11.4.2018).
Der Präsident hat viele seiner Familienmitglieder auf lukrative Staatsposten gehievt und hochrangige Beamte verbessern ihre Position, indem sie in die Familie Rahmon einheiraten (FH 11.4.2018). 2015 ernannte Präsident Rachmon seinen Sohn Rustam Emomali zum Chef der Behörde für Finanzkontrolle und Anti-Korruptions-Maßnahmen (BTI 2018; vgl. FH 11.4.2018) und im Jänner 2017 wurde Rustam Emomali Bürgermeister von Duschanbe (FH 11.4.2018).
Das Gesetz sieht Sanktionen nach dem Strafrecht für korrupte Beamte vor, doch setzt die Regierung dieses Gesetz nicht effektiv um. Beamte sind häufig in korrupte Praktiken verwickelt und kommen ungestraft davon. Korruption ist insbesondere im Bildungsministerium und bei der Polizei verbreitet. Für die Zulassung zu den prestigeträchtigsten Hochschulen des Landes müssen Studenten beträchtliche Schmiergelder zahlen. Verkehrspolizisten behalten Strafzahlungen für Übertretungen ein. Dies ist u.a. eine Folge der niedrigen Gehälter und des Umstandes, dass, um in den Dienst der Verkehrspolizei aufgenommen zu werden, selbst vorab Bestechungsgelder abverlangt werden. Das Innenministerium und das Büro des Generalstaatsanwalts sind für die Verfolgung und Verhaftung korrupter Beamter verantwortlich. Die Regierung gestand Probleme mit der Korruption ein und unternahm einige Schritte, um diese zu bekämpfen, unter anderem wurden niederrangige Beamte vor Gericht gestellt (USDOS 20.4.2018).
In den letzten Jahren wurde seitens der Tadschikischen Regierung zumindest formal einiges gegen Korruption unternommen; angemahnte Veränderungen an der Gesetzeslage wurden durchgeführt. Valide Hinweise auf eine grundlegende Veränderung der Situation liegen aber nicht vor (GIZ 3.2018). Extreme Korruption und Machtmissbrauch sind ein Teil vom politischen System, obwohl der Präsident mehrfach angekündigt hat, die Anti-Korruptionsmaßnahmen zu verstärken. Öffentlichkeitswirksame Verfolgungen von Korruption betreffen fast ausschließlich niedere Ränge der Staatsverwaltung, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der Landwirtschaft. Hochrangige Amtsinhaber, die kaum je bestraft werden, üben oft auch eine Rolle in der Wirtschaft aus oder verfügen über umfassende Besitztümer. Wirtschaftliche Aktivität hochrangiger Beamter oder Politiker wird in der Regel toleriert, solange sie nicht aus anderen Gründen in Ungnade fallen (BTI 2018).
Im April 2017 wurden 17 Mitarbeiter der Behörde für Finanzkontrolle und Anti-Korruptions-Maßnahmen, darunter der stellvertretende Leiter, wegen Korruption verhaftet und in Folge zu Gefängnisstrafen zwischen sieben und 15 Jahren verurteilt. Im Oktober 2017 wurde ein leitender Beamter vom Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Handel wegen des Verdachts der Bestechungsannahme verhaftet (FH 11.4.2018).
Nach neueren Schätzungen des IWF belief sich 2012 das Volumen der Schattenwirtschaft auf rund 30 Prozent des BIP, also etwa zwei Mrd. US-Dollar; allerdings war dann für 2013 schon wieder von über 50% die Rede. Bei der Bewertung des Risikos von Geldwäsche durch den Basel AML Index für 2017 ist Tadschikistan auf Platz 4, also mit an der Spitze unter den dort gelisteten 146 Ländern zu finden (GIZ 3.2018). Transparency International listet Tadschikistan im Corruption Perceptions Index 2017 auf Platz 161 von 180 Ländern, die 2017 erreichten 21 Punkte stellen eine Verschlechterung von vier Punkten gegenüber dem Jahr zuvor dar (TI 21.2.2018).
2.6.7. Wehrdienst und Rekrutierungen
Im Alter von 18-27 Jahren muss der Wehrdienst abgeleistet werden. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt zwei Jahre (CIA 1.5.2018). Da sich wegen der schlechten Bedingungen beim Militärdienst aber viele junge Männer der Wehrpflicht zu entziehen versuchen, gibt es im Frühjahr und Herbst jeden Jahres Kampagnen. Bei Nicht-Erfüllung der Quoten können junge Männer unter Beteiligung des Militärs von der Straße weg zwangsrekrutiert werden (AA 20.10.2017; vgl. FH 11.4.2018; vgl. IWPR 7.7.2016). Es gibt Berichte, dass Rekrutierungsbehörden Jugendliche unter 18 Jahren zur Ableistung des Wehrdienstes von öffentlichen Orten entführten, um lokale Rekrutierungsquoten zu erfüllen. Der stellvertretende Minister Azim Ibrokhim gab 2017 bekannt, dass landesweit 51 Militärkommissare nach Anschuldigungen der Gewaltanwendung (sog. "Oblava") bei der Rekrutierungskampagne im Herbst 2016 suspendiert wurden (USDOS 20.4.2018).
Von der Einberufung zum Wehrdienst werden Bürger befreit, die aus gesundheitlichen Gründen als nicht oder eingeschränkt tauglich für den Wehrdienst gelten; den Wehrdienst in einem anderen Staat abgeleistet haben; den akademischen Titel Kandidat oder Doktor der Wissenschaften tragen. Eine Person mit einer nicht getilgten oder gelöschten Vorstrafe wegen einer schweren Straftat oder besonders schweren Verbrechens kann nicht zum Wehrdienst einberufen werden. Ein Recht auf die Befreiung von der Einberufung zur Wehrpflicht besitzen Bürger, deren leiblicher Vater (leibliche Mutter) oder Bruder (Schwester) während des Ableistens des Wehrdienstes nach Einberufung, oder als Freiwilliger im Rang eines Unteroffiziers, Fähnrichs oder Offiziers oder während militärischer Versammlungen ums Leben gekommen ist; die in der Familie der einzige (adoptierte) Sohn sind (ACCORD 13.1.2015) oder die mindestens zwei Kinder haben (TA+ 21.11.2016).
Trotz der Wehrpflicht wird die Armee von jungen Männern gemieden, indem sie als Arbeitsmigranten das Land verlassen, Bestechungsgelder zahlen oder durch Beginn eines Hochschulstudiums ein Aufschub erwirkt wird (IWPR 7.7.2016; vgl. AA 20.10.2017). Freikauf vom Wehrdienst durch Bestechung ist weit verbreitet, die Kosten liegen bei ca. 800 USD (AA 20.10.2018).
Misshandlungen durch ältere Soldaten sind häufig, insbesondere im Zuge von Initiationsriten ("Dedowschina") (IWPR 7.7.2016; vgl. FH 11.4.2018), wobei es jedes Jahr auch zu mehreren Todesfällen kommt (FH 11.4.2018). In den letzten Jahren hat die Regierung Schritte unternommen, diese Praktiken zu unterbinden und dafür verantwortliche Personen zu verfolgen. Im März 2017 wurde ein Offizier des Grenzschutzes zu neun Jahren Haft verurteilt, nachdem einer seiner Rekruten in Folge von Missbrauch und Erpressung Suizid beging (FH 11.4.2018).
Gemäß dem Gesetz "Über die allgemeine Wehrpflicht und Wehrdienst" hat jeder Wehrpflichtige ein Recht auf alternativen Wehrdienst. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der diesen regelt und u.a. die Verweigerung des Wehrdienstes aus Glaubens- und Gewissensgründen vorsieht, liegt dem Parlament bereits seit längerem vor, wurde aber bislang noch nicht verabschiedet. In der Praxis gibt es daher bislang keine Möglichkeit, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Sanktionen für Wehrdienstverweigerung sind Geld- bzw. Haftstrafen. Fahnenflucht wird mit Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren bestraft (AA 20.10.2017) und es sind Fälle dokumentiert, in denen Deserteure zu Haftstrafen verurteilt wurden (ACCORD 13.1.2015).
2.6.8. Allgemeine Menschenrechtslage
Sämtliche Bürgerrechte sind im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards in der nationalen Gesetzgebung verankert. Allerdings werden in der Praxis die Bürgerrechte regelmäßig verletzt. Willkürliche Festnahmen, lange Untersuchungshaft, Folter und Missbrauch sind systematisch. Folter und Todesfälle während der Gefängnishaft kommen weiterhin vor. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind wegen der Überbelegung, den unhygienischen Zuständen und dem hohen Niveau an Tuberkulose und HIV/AIDS lebensbedrohlich. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Speziell religiöse Gruppen, die nicht der von der Regierung propagierten Interpretation des Islam folgen, sind Zielscheiben (BTI 2018).
Die Situation der Menschenrechte verschlechterte sich 2017 weiter, als die Behörden die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, friedliche politische Oppositionsarbeit, freie Berufsausübung und die Religionsfreiheit unterbanden (HRW 18.1.2018, AI 22.2.2018). Dutzende Mitglieder und Sympathisanten illegaler Oppositionsgruppen wie die Partei der Islamischen Wiedergeburt und die Gruppe 24 berichten, dass als Vergeltung für oppositionelle Aktivitäten im Ausland in Tadschikistan zurückgebliebene Familienmitglieder von den Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen geschlagen wurden, in einzelnen Fällen auch ältere Personen und Kinder. Die örtlichen Behörden stigmatisierten Verwandte öffentlich als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.2.2018).
Unabhängige Rechtsanwälte stehen zunehmend im Visier der Regierung. So wurden einige Verteidiger von Angeklagten der Islamischen Wiedergeburt-Partei selbst angeklagt (IWPR 21.1.2016). Strafverteidiger, die politisch heikle Fälle übernahmen, werden im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung belästigt, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Menschenrechtsanwälte sind von willkürlichen Verhaftungen, politischen Strafverfolgungen und strengen Gefängnisstrafen betroffen; viele von ihnen haben aus Sicherheitsgründen das Land verlassen (AI 22.2.2018)
USDOS gibt als schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungen an:
Folter und Missbrauch von Häftlingen, willkürliche Verhaftungen - auch von Familienmitgliedern, schlechte Haftbedingungen, politisch motivierte Verfolgungen von Menschenrechtsanwälten, Einschränkungen der Freiheiten in Bezug auf Meinung, Presse, Information und Vereinigung, schlechte Religionsfreiheit, Einschränkung der politischen Partizipation, Nepotismus und Korruption, Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung, und Zwangsarbeit. Es gibt nur wenige Strafverfahren von Regierungsbediensteten wegen Menschenrechtsverletzungen. Beamte in den Sicherheitsdiensten und in anderen Regierungsorganisationen genießen Straffreiheit (USDOS 20.4.2018).
Freedom House stufte Tadschikistan Anfang 2016 hinsichtlich der politischen Rechte von sechs auf sieben herab. Das Land wird als nicht frei bezeichnet mit einem Trend zum Schlechteren (FH 2016), der Wert blieb auch 2017 auf Stufe 7; auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 2017).
Im Oktober 2017 hielten die Europäische Union und Tadschikistan einen Menschenrechtsdialog ab. Die Teilnehmer stimmten überein, dass es gute Fortschritte im Bereich der Frauenrechte, insbesondere bei der Prävention häuslicher Gewalt, gemacht wurde. Gute Fortschritte machte die Tadschikische Regierung bei der Vorbeugung von Folter und Misshandlungen. Jedoch bleiben Defizite bestehen und die EU benannte dabei bestimmte Fälle von Folter in der Armee, in Untersuchungshaft und im Strafvollzug. Die EU erwartet von den tadschikischen Behörden, sicherzustellen, dass kein Druck auf Familienmitglieder von Oppositionellen, auch jenen, die im Ausland leben, ausgeübt wird (EU 13.10.2017).
Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Somit wurde es für Bürger schwieriger, ihr Recht durchzusetzen (AI 22.2.2018).
2.6.9. Meinungs- und Pressefreiheit
Die Meinungs- und Pressefreiheit ist in der Verfassung festgelegt und Zensur ist verboten (FH 11.4.2018), jedoch wird die gesetzlich gewährleistete Meinungs- und Pressefreiheit in der Praxis durch die Regierung eingeschränkt (USDOS 20.4.2018, vgl. FH 11.4.2018). Die Redefreiheit wird weiterhin durch Festnahmen, Verfolgung, schwere Strafen, die Verabschiedung strenger und überzogener Gesetze und die erzwungene Schließung von Medienunternehmen eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Auf die Beleidigung des Präsidenten folgen bis zu fünf Jahre Haft (USDOS 20.4.2018, vgl. FH 11.4.2018). Trotz beträchtlichen und wiederholten Drucks seitens der Regierung sind unabhängige Medien aktiv. Obwohl einige Printmedien politische Kommentare abgeben und kritisches, investigatives Material über die Regierung veröffentlichen, können gewisse Themen nicht behandelt werden, wie z.B. eine nachteilige Berichterstattung über den Präsidenten und dessen Familie sowie Fragen nach finanziellen Unregelmäßigkeiten bei jenen, die dem Präsidenten nahestehen oder Themen, die die verbotene Partei der Islamischen Wiedergeburt betreffen (USDOS 20.4.2018).
Die Pressefreiheit bleibt ernsthaft eingeschränkt und der Zugang zu Informationen wird zunehmend durch die Behörden kontrolliert. Journalisten sind mit Einschüchterungen und Schikanen konfrontiert Dutzende Journalisten sahen sich 2017 zum Verlassen des Landes aus Furcht vor Konsequenzen ihrer kritischen Berichterstattung gezwungen (AI 22.2.2018).
Unabhängige Medien werden nur solange toleriert, wie sie das Regime nicht allzu sehr herausfordern (BTI 2018). Aus Sorge vor persönlich negativen Konsequenzen üben Journalisten Selbstzensur; die Besitzer von Massenmedien müssen auch an nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen einer kritischen Berichterstattung denken (AA 20.10.2017; vgl BTI 2018). Unabhängige Zeitungen gibt es nur wenige und sie sind i.d.R. nur im städtischen Raum erhältlich (BTI 2018).
Im Juni 2015 wurden Vorschriften eingeführt, wonach die Medien verpflichtet sind, bei offiziellen Anlässen ausschließlich jene Informationen zu verwenden, welche durch die staatliche Nachrichtenagentur "Khovar" bereitgestellt werden und alle öffentlichen Stellen dürfen Nachrichten nur über die staatliche Nachrichtenagentur verbreiten (Diplomat 20.7.2015).
Sperren von wichtigen Webseiten, unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung, stehen an der Tagesordnung (RF 2018), dies betrifft auch jene von BBC, CNN und Ferghana.ru. Im Mai 2017 hoben die Behörden Sperren von Internetseiten wie Facebook, Vkontakte und YouTube auf (AI 22.2.2018).
2018 rangierte Tadschikistan im Worldwide Press Freedom Index, wie bereits 2017, auf Platz 149 von 179 Ländern (RF 2018.).
2.6.10. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Das von der Verfassung vorgesehene Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis von der Regierung eingeschränkt. Die Regierung verlangt von Einzelpersonen die Einholung einer Erlaubnis zur Abhaltung öffentlicher Demonstrationen (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018). Es wurde berichtet, dass Einzelpersonen, die die Abhaltung eines friedlichen Protests erwägen, davon Abstand nehmen, weil sie Repressionen fürchten (USDOS 20.4.2018). Die Genehmigung für Demonstrationen ist bei der Lokalregierung einzuholen, die praktisch in allen Fällen eine solche verweigert, wodurch Versammlungen illegal werden (BTI 2018). Trotzdem kommt es zu Demonstrationen, wobei die Behörden diese nicht gewaltsam niederschmettern, sondern versuchen den Demonstranten entgegenzukommen (BTI 2016).
Die Verfassung schützt die Vereinigungsfreiheit, doch wird diese in der Praxis eingeschränkt. Das Gesetz gewährt das Recht, freie Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten. Es verlangt jedoch die Registrierung. Das Gesetz sieht auch vor, dass gewerkschaftliche Aktivitäten frei von Einmischung bleiben, außer in Fällen, die durch das Gesetz spezifiziert werden. Das Gesetz definiert jedoch nicht jene Fälle, in denen die gewerkschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt sind. Zwar besteht das Streikrecht, doch verlangt das Gesetz, dass Versammlungen und andere Aktionen zuvor genehmigt werden müssen, wodurch Zusammenkünfte und Demonstrationen eingeschränkt werden. Die Regierung gebraucht informelle Mittel, um ihren Einfluss auf die Gewerkschaften geltend zu machen. Dazu gehört auch die Einflussnahme auf die Wahl der Gewerkschaftsführer. Die Föderation der Gewerkschaften Tadschikistans vertritt nicht effektiv die Arbeitnehmerinteressen. Es gibt Berichte, wonach die Regierung manche Bürger gezwungen hat, den staatstreuen Gewerkschaften beizutreten, bzw. die Gründung unabhängiger Gewerkschaften verhindert hat (USDOS 20.4.2018).
Opposition
Die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition sind in den letzten Jahren massiv eingeschränkt worden. Gleichzeitig ist es schwierig, die Agenden der Oppositionsakteure nachzuvollziehen und zu bewerten. Auch ihre Verbindungen untereinander oder zu ausländischen Staaten und Organisationen sind schwer einzuschätzen. Exilpolitischen Oppositionsakteuren kommt eine wachsende Bedeutung zu. Die wichtigste Oppositionspartei, die Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (PIW), wurde im September 2015 nach Einschätzung der meisten unabhängigen Beobachter unter Vorwänden - als terroristische Organisation verboten. Dies gilt auch für die außerparlamentarische Oppositionsbewegung "Gruppe 24", deren Gründer unter ungeklärten Umständen im türkischen Exil gewaltsam ums Leben kam. Die Sozialdemokratische Partei Tadschikistan (SDPT), die zweite, sehr viel unbedeutendere Oppositionspartei, ist weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Staatlich tolerierte politische Opposition ist nur noch in den zunehmend vorsichtiger agierenden Organisationen der Zivilgesellschaft existent (AA 20.10.2017).
Dutzende Mitglieder und Aktivisten verbotener Oppositionsgruppen und ihre Familien fanden Schutz im Ausland, doch sie berichten, dass als Vergeltung für ihre politischen Aktivitäten im Ausland, beispielsweise die Abhaltung friedlicher Proteste bei internationalen Kongressen, ihre zurückgebliebenen Familienmitglieder, darunter ältere Personen und Kinder, von der Polizei und örtlichen Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen auch geschlagen wurden. Örtliche Behörden stigmatisieren öffentlich Verwandte als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Dutzende Familienmitglieder von Exilaktivisten wurden 2017 aufgrund falscher oder aufgeblasener Anschuldigungen in Haft genommen (USDOS 20.4.2018). Im Juni 2017 drückte der UNO-Sonderberichterstatter David Kaye Besorgnis über die Unterdrückung der Opposition aus, insbesondere über die inhaftierten Mitglieder der PIW. Kaye forderte die Regierung auf, alle unrechtmäßig inhaftierten politischen Aktivisten, Anwälte und Journalisten freizulassen (HRW 18.1.2018).
Am 1. März 2015 fanden die letzten Parlamentswahlen statt, und wie in den Jahren zuvor waren bereits im Vorfeld Maßnahmen zu erkennen, die mögliche Wahlerfolge der Opposition verhindern sollten. Im Bericht der Wahlbeobachter ist diesbezüglich von "Schikanen und Behinderungen einiger Oppositionsparteien" die Rede. Entsprechend fiel das Ergebnis der Wahlen aus, die laut OSZE unter viel schlechteren Bedingungen als die vorangehenden verlaufen sind. Die PIW und die Kommunistische Partei schafften mit 2,3 Prozent bzw. 1,5 Prozent der Stimmen nicht mehr den Sprung ins Parlament, in dem sich nunmehr lediglich Abgeordnete der präsidialen Volksdemokraten (65,2 Prozent) und einiger ihnen nahestehender Splitterparteien finden (GIZ 3.2018). Bereits im Vorfeld der Parlamentswahlen ordnete die Regierung an, dass die Imame in den staatlich registrierten Moscheen in ihren Predigten dazu aufriefen, die PIW, die als "Partei des Krieges" tituliert wurde, nicht zu wählen (ICG 11.1.2016).
Bei den Parlamentswahlen im März 2015, die von internationalen Beobachtern erneut als "nicht frei und undemokratisch" bezeichnet wurden, verlor die Partei der Islamischen Wiedergeburt auch ihre letzten beiden Sitze. Damit war der letzte Kanal für den offiziellen Dialog zwischen Regierung und Opposition geschlossen. Gleichzeitig wurde der Druck auf die Mitglieder der PIW erhöht. Bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe [am 4. September 2015; vgl. Telegraph 4.9.2015] kamen acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche (der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda) wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet. Die Regierung beschuldigte daraufhin den im Ausland befindlichen Vorsitzenden der PIW, Muhiddin Kabiri, Drahtzieher der "Unruhen" gewesen zu sein. Dieser bestritt alle Vorwürfe, die ihn und seine Partei mit den Ereignissen im September in Verbindung bringen. Die Regierung blieb jedoch bei ihrer Darstellung. Ende September erfolgte das Verbot der PIW und ihre Einstufung als terroristische Vereinigung. (bpb 11.2.2018). Die PIW hatte zu diesem Zeitpunkt 40.000 Mitglieder (Standard 29.9.2015).
Im Februar 2016 begannen erste Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der PIW. Die Anklage lautete: "Teilnahme an einem versuchten Staatsstreich". Insgesamt sollten 199 vor Gericht gestellt werden (EN 10.2.2016). Im Juni 2016 erhielten zwei stellvertretende Vorsitzende der PIW lebenslange Haftstrafen und andere Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen zwei und 25 Jahren (USOSCE 9.6.2016).
Eine wichtige Exilorganisation ist die "Gruppe 24". Sie wurde 2012 von Umarali Quvvatov, einem Geschäftsmann, der einst mit dem Schwiegersohn des Staatspräsidenten zusammenarbeitete, gegründet. Als 2014 die Gruppe 24 aus dem Exil zu einer Demonstration in Duschanbe aufrief, kam es zum Verbot der Gruppe als "extremistische Organisation". Die Regierung warf Quvvatov vor, zur Gewalt und Umsturz aufzurufen. Infolge wurden Sympathisanten der Gruppe 24 massenhaft verhaftet. Deren exilierte Anhänger in Russland verschwanden entweder spurlos oder wurden festgenommen und - in manchen Fällen trotz russischer Staatsbürgerschaft - an die tadschikischen Behörden ausgeliefert. Anfang März 2015 wurde Quvvatov im Istanbuler Exil auf offener Straße ermordet. Anhänger der Gruppe 24 wurden zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt (ENet 27.2.2016). Im März 2015 wurde Sharofiddin Gadoev, der im spanischen Exil lebt, zu Quvvatovs Nachfolger als Vorsitzender (RFE/RL 12.3.2015) und am 31.1.2016 Suhrob Zafar zum Vorsitzenden der Gruppe 24 gewählt (G24 30.12.2016). Im März 2018 wurde Suhrob Zafar, der aktuelle Vorsitzende der Gruppe 24, und ein weiterer leitender Funktionär, Nasimjon Sharipov, auf Antrag der Republik Tadschikistan mit dem Wunsch nach Auslieferung in Istanbul verhaftet (HRW 13.4.2018; vgl. G24 19.3.2018). Am 30.5.2018 meldete die Gruppe 24 auf ihrer Webseite, dass Nasimjon Sharipov am 29.5.2018 nach 70 Tagen in Gewahrsam von den türkischen Behörden freigelassen wurde. Suhrob Zafar befände sich noch immer in Gewahrsam der türkischen Behörden (G24 30.5.2018).
2.6.11. Haftbedingungen
Die Regierung betreibt zehn Gefängnisse, davon ein Gefängnis für Frauen, und zwölf Untersuchungshaftzentren. Die exakten Zustände in den Gefängnissen sind nicht bekannt, aber gemäß den Angaben von ehemaligen Inhaftierten sind die Bedingungen schlecht und lebensbedrohend. Die Gefängnisse sind überfüllt und die hygienischen Bedingungen sind schlecht (USDOS 20.4.2018); mangelhafte Ernährung und Tuberkulose-Ansteckungsgefahr stellen weitere Probleme dar (EDA 6.3.2017), die Infektionsrate mit HIV ist hoch und der Zugang zu medizinischer Versorgung ist mangelhaft (USDOS 20.4.2018). Folter und andere Misshandlungen sind in Gefängnissen an der Tagesordnung (FH 11.4.2018). Es liegen Berichte darüber vor, dass die Haftbedingungen für politische Straftäter noch schlechter sind als für "normale" Strafgefangene, vor allem zu Beginn der Haftzeit (AA 20.10.2017).
Tadschikistan hat bislang nicht das "Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" (OPCAT) unterzeichnet. (UNTC 27.5.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor und reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017).
Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 3.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.4.2018).
In regelmäßigen Abständen kommt es zu Amnestien, die z. T. der Entlastung der Strafanstalten dienen, vermutlich auch zur Generierung von Einkommen für die Verantwortlichen (AA 20.10.2017; vgl. EIU 13.9.2018); viele Familien zahlen Bestechungsgelder, um ihre inhaftierten Mitglieder auf die Amestieliste zu setzen (EIU 13.9.2016). Zur 15. Massenamnestie vom August 2016 wurde, ebenso wie zur vorherigen Amnestie 2014, ca. 10.000 Personen die Haftstrafe erlassen oder verkürzt (EIU 13.9.2016).
Von Amnestien profitieren primär unpolitische Gefangene. Gelegentlich werden aber auch andere "Straftäter" amnestiert, wie einer der Rechtsanwälte des ehemaligen Innenministers Zaid Saidov. Er war unter Vorwänden zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden; seine Haftstrafe wurde inzwischen auf knapp vier Jahre verkürzt (AA 20.10.2017).
2.6.12. Todesstrafe
Tadschikistan hat die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe kraft Gesetz mit Rückwirkung zum 30. April 2004 ausgesetzt. 2003 wurde für Frauen die Todesstrafe gänzlich abgeschafft (AA 20.10.2017; vgl. GIZ 3.2018a ).
Die Todesstrafe gilt für schweren Mord, Terrorakte mit Todesfolge, Vergewaltigung von Minderjährigen unter 14 Jahren, Genozid und Biozid. Verhängte Todesstrafen vor Inkrafttreten des Moratoriums wurden in eine 25-jährige Gefängnisstrafe umgewandelt, für neuere Fälle, die ansonsten mit der Todesstrafe geahndet würden, gilt eine langjährige bis lebenslange Haft (OSCE/ODHIR 2014, vgl. CLS 4.4.2011)
2.6.13. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert Bewegungsfreiheit; in der Praxis kommt es jedoch zu einigen Einschränkungen durch die Regierung. Die Regierung verbietet Ausländern, mit Ausnahme von Diplomaten und internationalen Helfern, das Reisen innerhalb einer 15-Meilen-Zone entlang der Grenze zu China und Afghanistan in der Region Khatlon und GBAO, es sei denn, sie besitzen dazu eine Erlaubnis vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten (USDOS 20.4.2018). Flüchtlingen aus Afghanistan ist eine Wohnsitznahme in größeren Städten untersagt (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017).
Einschränkungen der Bewegungsfreiheit bestehen in den unmittelbaren Grenzregionen zu Afghanistan, Kirgisistan und Usbekistan auch aufgrund markierter und nicht markierter Minenfelder (EDA 1.5.2018).
2.6.14. Arbeitsmigranten, Exilanten und Flüchtlinge
Am Höhepunkt im Jahr 2013 befanden sich ca. 1,3 Millionen Arbeitsmigranten aus Tadschikistan in der Russischen Föderation, die 4,2 Milliarden USD an Rücküberweisungen nach Tadschikistan leisteten (OSW 25.4.2017), das waren über 40 Prozent des tadschikischen BIP (WB o.D.). Die Zahl der Arbeitsmigranten aus Tadschikistan in der Russischen Föderation ist bis 2016 auf 879.000, die Rücküberweisungen durch tadschikische Arbeitsmigranten sind bis 2016 auf 1,9 Milliarden USD (OSW 25.4.2017) bzw. ca. 27 Prozent des tadschikischen BIP zurückgegangen (WB o.D.).
Die Russische Föderation nutzt rechtliche und administrative Instrumente, darunter die Vergabe von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, Drohungen mit Abschiebungen und soziale Faktoren - eine Abneigung der russischen Gesellschaft gegen zentralasiatische Migranten - um Arbeitsmigranten unter Druck zu setzen (OSW 25.4.2017). Nach mehrfachen Änderungen des Einwanderungsgesetzes in die Russische Föderation ist es nun schwieriger, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und für das Jahr 2017 drohte ca. 90.000 Tadschiken die Ausweisung (DND 18.7.2017). Gemäß inoffizieller Quellen waren im Jahr 2016 ca. 400.000 Tadschiken mit einem Wiedereinr