TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/14 W113 2204527-1

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Veröffentlicht am 14.11.2018
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Entscheidungsdatum

14.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 Anh.1 Z9
UVP-G 2000 §19 Abs1
UVP-G 2000 §19 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs6
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W113 2204527-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID als Vorsitzende und die Richter Dr. Silvia KRASA und Mag. Gernot ECKHARDT als Beisitzer über die Beschwerde der Bürgerinitiative XXXX , vertreten durch XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25.07.2018, Zl. RU4-U864/036/2018, mit dem ein Antrag auf Feststellung der Parteistellung im UVP-Genehmigungsverfahren "B17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und Spruchpunkt A des Bescheides

wie folgt geändert:

"Der Bürgerinitiative " XXXX ", vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , kommt im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren zum Vorhaben "B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" Parteistellung zu."

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 04.04.2018, W113 2189055-1/5E, wurde die Niederösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) dazu verhalten, über einen Antrag der Bürgerinitiative XXXX , vertreten durch XXXX (im Folgenden Beschwerdeführerin), auf Zuerkennung der Parteistellung im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren zum Vorhaben "B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" vom 14.11.2017 erneut zu entscheiden, nachdem die belangte Behörde zuvor einen entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin mangels Antragslegitimation zurückgewiesen hatte.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der angeführte Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Parteistellung im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren zum Vorhaben "B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" abgewiesen bzw. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin im genannten Verfahren bloße Beteiligtenstellung zukommt.

Der Antrag auf Unterbrechung des Genehmigungsverfahrens bis zur meritorischen Entscheidung über den genannten Feststellungsantrag betreffend die Parteistellung wurde zurückgewiesen.

Begründend wurde im Kern ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin als Bürgerinitiative gemäß den Bestimmungen des UVP-G 2000 eine Beteiligtenstellung im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren betreffend das gegenständliche Vorhaben zukommt. Die Einräumung einer Parteistellung wäre auch im Einklang mit der europarechtlichen Judikatur nicht zwingend erforderlich, sondern habe der Gesetzgeber mit der entsprechenden Festlegung lediglich von seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht.

Zur Zurückweisung des Eventualantrags auf vorläufige Aufschiebung des Genehmigungsverfahrens führte die belangte Behörde aus, dass in Anbetracht der inhaltlichen Entscheidung über den Feststellungantrag in Spruchpunkt A) des angefochtenen Bescheides eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Ansinnen nicht mehr erforderlich wäre.

3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit 22.08.2018 eine Beschwerde, mit der sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Abänderung des angefochtenen Bescheides zu ihren Gunsten oder eventualiter Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung durch die belangte Behörde beantragte. Darüber hinaus regte die Beschwerdeführerin an, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob Art. 11 Abs. 1 UVP-RL dahingehend auszulegen sei, dass Bürgerinitiativen Teil der "betroffenen Öffentlichkeit" seien und daher in Bezug auf von der UVP-RL erfasste Vorhaben das Recht auf Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren hätten. Ferner regte die Beschwerdeführerin an, die Aufhebung der Wortfolge "ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2)" in § 19 Abs. 1 Z 6 sowie des gesamten § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Dazu führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, es sei zwar zutreffend, dass § 19 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 UVP-G 2000 der Annahme einer Parteistellung von Bürgerinitiativen ausdrücklich entgegenstehe; allerdings erhebe sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der dadurch bedingte Ausschluss von Bürgerinitiativen von einer Beteiligung am vereinfachten Verfahren als Partei verfassungs- und europarechtskonform sei.

Auf verfassungsrechtlicher Ebene sei vor allem zu prüfen, ob die einfachgesetzliche Vorenthaltung der Parteistellung gegenüber Bürgerinitiativen im vereinfachten Verfahren dem Diskriminierungsverbot des Gleichheitssatzes gemäß Art. 7 B-VG (und Art. 2 StGG) widerspreche. Die Bürgerinitiative sei im vorliegenden Fall Grundrechtsträgerin. Nach dem Diskriminierungsverbot müssten vergleichbare Sachverhalte rechtlich gleich geregelt werden. Auch wenn im vereinfachten Verfahren zu genehmigende Vorhaben weniger invasiv seien, käme z.B. Nachbarn in beiden Verfahren Parteistellung zu. Insbesondere vermöge allein das Argument, dass eine Parteistellung einer Bürgerinitiative im vereinfachten Verfahren unionsrechtlich nicht geboten sei (was von der Beschwerdeführerin im Übrigen bezweifelt werde), nach dem Grundsatz der "doppelten Bindung" eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Die Beteiligung von Bürgerinitiativen führe auch nicht zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung.

Weiters verstoße der angefochtene Bescheid gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UVP-RL hätte die Bürgerinitiative als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit das Recht auf Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren, welcher Umstand die Parteistellung voraussetze. Zwar kenne die UVP-RL den Begriff der Bürgerinitiative nicht, allerdings erfülle diese alle wesentlichen Merkmale eines Mitglieds der betroffenen Öffentlichkeit und müsse daher die gleichen Rechte wie deren übrige Mitglieder genießen. Von einem diesbezüglichen mitgliedstaatlichen Spielraum sei angesichts des Postulats des "weiten Zugangs zu Gerichten" nicht auszugehen. Der angefochtene Bescheid verstoße somit in jedem Fall gegen Art. 11 Abs. 1 UVP-RL, der unmittelbar anwendbar sei.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerde wurde innerhalb von 4 Wochen nach Bescheiderlassung und somit rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebracht.

Die Beschwerdeführerin konstituierte sich als Bürgerinitiative und nimmt am derzeit anhängigen vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren als Beteiligte teil (am 17. und 18.10.2018 fand die mündliche Verhandlung statt, an der auch die Beschwerdeführerin teilnahm; vgl. VH-Schrift http://noe.gv.at/noe/Umweltschutz/U_864_VHS.pdf, abgerufen am 29.10.2018).

Die Beschwerdeführerin stellte im laufenden UVP-Genehmigungsverfahren den Antrag, "... die NÖ Landesregierung möge das Bestehen unserer Parteistellung im Genehmigungsverfahren über das Vorhaben "B 17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost Teil 2" nach dem UVP-G 2000 mit Bescheid feststellen."

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und der Beschwerde und erwiesen sich als unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeines und Zuständigkeit

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG iVm § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senate.

3.2. Zu Spruchpunkt A) des angefochtenen Bescheides

Das Bundesgesetz über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000), BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. I Nr. 111/2017, (UVP-G 2000) lautet auszugsweise:

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

[...]

6. Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2) und

[...]

(2) Im vereinfachten Verfahren können Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4 als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht am Verfahren teilnehmen.

[...]"

Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) idgF lautet:

"Artikel 11

(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verletzt werden können.

(4) Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden."

Gemäß Art. 1 Abs. 2 UVP-RL gelten folgende Begriffsbestimmungen:

"[...]

d) "Öffentlichkeit": eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

e) "betroffene Öffentlichkeit": die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.

[...]"

Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus (Aarhus-Konvention) lautet auszugsweise:

"Artikel 9

Zugang zu Gerichten

[...]

(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

(a) die ein ausreichendes Interesse haben und

(b) eine Rechtsverletzung geltend machen,

sofern das Verwaltungsverfahrensrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensmäßige Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und - sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 - sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen."

Gemäß UVP-Feststellungsbescheid der belangten Behörde vom 08.10.2009 erfüllt das Vorhaben "B 17 Wiener Neustadt Umfahrung Ost, Teil 2" den Tatbestand der Z 9 lit. f Anhang 1 des UVP-G 2000 und ist daher ein UVP-Genehmigungsverfahren im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Der UVP-Feststellungsbescheid kann der Beschwerdeführerin aber nicht entgegengehalten werden, da sie nicht Partei des zu Grunde liegenden Feststellungsverfahrens war (vgl. VwGH 22.06.2015, 2015/04/0002, zur Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden gegenüber Nachbarn; Bußjäger/Lampert, Bürgerinitiativen im UVP-Verfahren, S. 75 f).

§ 19 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 UVP-G 2000 stellt klar, dass einer Bürgerinitiative im vereinfachten Verfahren (Vorhaben nach Anhang 1 Spalte 2 und 3 UVP-G 2000) nicht Partei-, sondern Beteiligtenstellung mit dem Recht auf Akteneinsicht zukommt. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist sowohl der Umstand, dass die Bürgerinitiative ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist und als solche anerkannt wird, als auch der Umstand, dass sie als Beteiligte am Verfahren teilnehmen kann, unbestritten.

Die Beschwerdeführerin begehrte mit dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Antrag sinngemäß die Feststellung, dass sie im UVP-Genehmigungsverfahren eine Partei- und nicht bloß Beteiligtenstellung genießt. Sie bedient sich dabei des Einwandes, die vorliegende Bestimmung über die Einräumung der Beteiligtenstellung sei unvereinbar mit dem Unionsrecht. Sie schlägt damit in die Kerbe eines Teils der Lehre, die aus diesem Grund vorschlägt, die Regelung im vereinfachten Verfahren unangewendet zu lassen (Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP-G³, § 19 Rz 99; Bachl, Die (betroffene) Öffentlichkeit im UVP-Verfahren, S. 324 ff; aA Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON, § 19 Rz 177; Bußjäger/Lampert, Bürgerinitiativen im UVP-Verfahren, S. 79 ff).

Diesem Einwand kommt eine Berechtigung zu und war er geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Dies mit folgender Begründung:

Das BVwG beurteilte die Regelung in einer Entscheidung als unionsrechtskonform und wurde diese Entscheidung kürzlich durch den VwGH wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben (vgl. VwGH 27.09.2018, Ro 2015/06/0008-7; BVwG 21.04.2015, W193 2012935-1, Stadttunnel Feldkirch I).

Der VwGH führte in der zitierten Entscheidung zusammengefasst aus, dass die in Rede stehende nationale Regelung des § 19 UVP-G 2000 in Umsetzung der RL 97/11/EG ergangen ist und somit die nunmehr geltende UVP-RL anwendbar ist. Für die Durchführung eines UVP-Genehmigungsverfahrens ist somit Art. 11 UVP-RL einschlägig, der in weiten Teilen Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention übernimmt und daher im Lichte der Ziele dieses Übereinkommens auszulegen ist. Er führte weiter aus:

"[...]

Gemäß Art. 11 Abs. 1 und 3 UVP-RL sowie Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention ist für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit bei ausreichendem Interesse oder Geltendmachung einer Rechtsverletzung eine Anfechtungsmöglichkeit aufgrund materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Rechtswidrigkeit umweltbezogener Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der UVP-Richtlinie bzw. des Art. 6 der Konvention vorzusehen. Mit dem Verweis auf Art. 6 leg. cit. ist klargestellt, dass die Verpflichtung, einen weiten Zugang zu Gericht (Art. 9 Abs. 2 zweiter Unterabs. leg. cit.) zu gewähren, für Vorhaben gilt, die entweder in Anhang I der Aarhus-Konvention angeführt sind oder eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können (EuGH 20.12.2017, C-664, Protect Rn. 64).

UVP-Verfahren stellen grundsätzlich umweltbezogene Entscheidungsverfahren in diesem Sinn dar. Daher müssen sowohl das "ordentliche" Genehmigungsverfahren als auch das vereinfachte Genehmigungsverfahren (§ 3 Abs. 1 UVP-G 2000) diesen unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen, [...]

[...]

So ergibt sich aus den Rn. 61ff (insbesondere aus Rn. 68) des Urteils in der Rechtssache Protect, dass gemäß Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention in den unter Art. 6 Abs. 1 lit. a oder lit. b leg. cit. fallenden Verfahren Umweltorganisationen nicht nur das Recht zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen die Verwaltungsentscheidungen (der Zugang zu Gericht) gewährleistet sein muss, sondern dass ihnen auch ein Recht auf Beteiligung - als Partei des Verfahrens - an einem solchen Verfahren einzuräumen ist (vgl. dazu auch VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055).

[...]

Demnach ist eine Bürgerinitiative, sofern sie die verfahrensrechtlichen Anforderungen des nationalen Gesetzgebers erfüllt, als Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne Art. 1 Abs. 2 lit. e UVP-RL anzusehen. Nach der oben dargestellten Judikatur des EuGH kommt ihr daher in Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 2 iVm Art. 6 Aarhus-Konvention ein Recht auf Beteiligung als Partei zu, unabhängig davon, ob ein solches Verfahren innerstaatlich als "ordentliches" Genehmigungsverfahren oder als vereinfachtes Verfahren ausgestaltet ist.

Damit erweist sich jedoch der in § 19 UVP-G 2000 vorgesehene Ausschluss der Parteistellung von Bürgerinitiativen in vereinfachten Verfahren als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.

Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu (unmittelbar anwendbarem) Unionsrecht steht, wird nur in jenem Ausmaß verdrängt, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (vgl. VwGH 10.2.2016, 2015/15/0001, mwN). Daraus ergibt sich, dass die Formulierung in § 19 Abs. 1 Z 6 UVP-G 2000 "ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2)", § 19 Abs. 2 leg. cit. als Ganzes und die Formulierung in § 19 Abs. 4 "oder als Beteiligte (Abs. 2)" unangewendet zu bleiben haben.

[...]"

Der Bürgerinitiative " XXXX ", die sich ordnungsgemäß als solche konstituierte (vgl. Feststellungen dazu und Bescheid S. 4), kommt somit unter Außerachtlassung der Wortfolge "ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs. 2)" in § 19 Abs. 1 Z 6 UVP-G 2000, § 19 Abs. 2 UVP-G 2000 und der Wortfolge "oder als Beteiligte (Abs. 2)" in § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 Parteistellung im vereinfachten Genehmigungsverfahren "Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2" zu.

Auf den Einwand der Verfassungswidrigkeit der bloßen Beteiligtenstellung iSd § 19 UVP-G 2000 braucht vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht mehr eingegangen zu werden. Die Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu initiieren, wird vom BVwG aus den genannten Gründen ebenso nicht aufgegriffen.

3.3. Zu Spruchpunkt B) des angefochtenen Bescheides

Rechtsrichtig erwies sich die Zurückweisung des Antrags auf Unterbrechung des UVP-Genehmigungsverfahrens, da eine inhaltliche Entscheidung durch die belangte Behörde erfolgte. Im Übrigen blieb dieser Spruchpunkt unangefochten.

3.4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte iSd § 24 VwGVG entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR grundsätzlich keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen (vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie aus der jüngeren Vergangenheit VwGH 29.06.2017, Ra 2017/04/0040).

Der VwGH hat zwar in Zusammenhang mit einem UVP-Verfahren erst kürzlich festgehalten, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen gehabt hat. Bei sachverhaltsbezogenem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien sei ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen; dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden sei (vgl. VwGH 24.01.2017, Ra 2015/05/0035). Im vorliegenden Fall steht der Sachverhalt aber fest und wurde von keiner Partei bestritten.

3.5. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die vorliegende Entscheidung hängt zwar von der Lösung einer Rechtsfrage insofern ab, als zu beurteilen war, ob einer Bürgerinitiative im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 Abs. 2 UVP-G 2000 eine Partei- und nicht bloß eine Beteiligtenstellung zukommt. Diese Rechtsfrage wurde durch den VwGH aber mit seiner Entscheidung vom 27.09.2018, Ro 2015/06/0008-7, einer Klärung zugeführt.

Schlagworte

Aarhus - Konvention, Bescheidabänderung, Beteiligte,
Bürgerinitiative, Feststellungsantrag, Feststellungsbescheid,
Feststellungsverfahren, Genehmigungsverfahren, Parteistellung,
Umweltverträglichkeitsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W113.2204527.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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