TE Bvwg Beschluss 2018/11/15 W204 2163835-2

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Veröffentlicht am 15.11.2018
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Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W204 2163835-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2018, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.12.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe familiäre Probleme. Er habe mit zwei Mädchen Kontakt gehabt. Die Familien hätte das herausgefunden und gedroht, den BF zu töten. Er sei deswegen in den Iran geflüchtet, wo ihm die Abschiebung gedroht hätte.

I.3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gab der BF auf das Wesentliche zusammengefasst an, er habe außerehelichen Geschlechtsverkehr mit zwei Cousinen gehabt und sei deswegen von seinen Familienangehörigen mit dem Tod bedroht worden.

I.4. Mit Bescheid vom 19.06.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

I.5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, die mit Erkenntnis vom 17.07.2018 zu W187 2163835-1 als unbegründet abgewiesen wurde.

I.6. Am 31.10.2018 wurde über den BF die Schubhaft verhängt.

I.7. Am 06.11.2018 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

I.8. Am darauffolgenden Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, er halte seine bisherigen Gründe vollinhaltlich aufrecht. Seine neuen Gründe seien, dass er am 30.10.2018 mit der Mutter seiner am XXXX geborenen Tochter vorgehabt hätte, standesamtlich zu heiraten. Die geplante Eheschließung sei abgelehnt worden, weil er einen negativen Asylbescheid habe. Er stelle den Folgeantrag, um bei seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter in Österreich bleiben zu können.

I.9. Mit Verfahrensanordnung vom 09.11.2018 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

I.10. Am 12.11.2018 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und seiner Rechtsberaterin niederschriftlich einvernommen. Dort brachte der BF vor, seine Gründe aus dem Vorverfahren bestünden noch immer. Das Problem mit seinen Verwandten, die ihn umbringen wollten, sei sein einziges. Zudem seien die Sunniten gegen die Schiiten.

In der Folge wurde mittels mündlich verkündeten Bescheids, der im Protokoll beurkundet wurde, der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Begründend führte das BFA dazu aus, der BF, dessen Identität nicht feststehe, sei afghanischer Staatsangehöriger, jung gesund und in einem erwerbsfähigen Alter. Der BF habe trotz seines dreijährigen Aufenthalts in Österreich nicht versucht, sich zu integrieren und sei dreimal strafrechtlich verurteilt worden. Der BF habe sich im gegenständlichen Verfahren auf die Gründe aus dem Erstverfahren berufen und zusätzlich vorgebracht, eine Tochter in Österreich zu haben und bei dieser bleiben zu wollen. Da sich daraus kein neuer Sachverhalt ergebe, werde der Antrag des BF wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Es könne unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Ebenfalls könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 8 EMRK erkannt werden.

I.11. Am 14.11.2018 legte das BFA die Akten amtswegig zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des faktischen Abschiebeschutzes vor. Mit Schreiben vom 14.11.2018 wurde das Einlangen der Akten gemäß § 22 Abs. 10 BFA-VG bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den den BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Die Identität des BF kann nicht festgestellt werden, die im Spruch genannte ist lediglich seine Verfahrensidentität. Er ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Tadschiken und der schiitischen Glaubensrichtung an.

Der BF stellte am 09.12.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er von seinen Familienmitgliedern verfolgt werde, da er vorehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 19.06.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrug zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018 als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis gelangte am 19.07.2018 in den elektronischen Verfügungsbereich des Rechtsvertreters des BF.

Am 06.11.2018 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu führte er aus, die Gründe aus seinem Vorverfahren seien nach wie vor aufrecht. Außerdem habe er einmal nicht arbeiten dürfen, da er Schiit sei und die Sunniten gegen die Schiiten seien. Bei diesem Vorbringen handelt es sich um keinen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des ersten Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF, insbesondere in der Herkunftsprovinz des BF Herat, sind gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul oder Herat Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. In Afghanistan befinden sich Familienangehörige des BF.

Der BF betätigte sich während seines Aufenthalts nicht ehrenamtlich, war in keinem Verein tätig und ging keiner Beschäftigung nach. Der BF besuchte keine Deutschkurse und spricht nicht Deutsch. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF führt eine Beziehung mit einer afghanischen Staatsbürgerin, die in Österreich lebt und der subsidiärer Schutz gewährt wurde. Mit dieser hat er eine gemeinsame Tochter, die am XXXX geboren wurde.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX mit Urteil vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , zu XXXX wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung und des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit Beschluss vom XXXX des BG XXXX wurde die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des BG XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , zu XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit Beschluss vom XXXX des BG XXXX wurde die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des BG XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit Beschluss vom selben Tag wurde Bewährungshilfe angeordnet, die mit Beschluss vom XXXX aufgehoben wurde.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF wurden bereits vom BFA und vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz getroffen. Es haben sich daran im zweiten Verfahren keine Zweifel ergeben, zumal der BF diese Angaben anlässlich seiner Erstbefragung bestätigte (AS 3).

II.2.3. Die Feststellungen zum ersten Verfahren auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018.

II.2.4. Die Feststellung zur neuerlichen Antragstellung sowie die vom BF vorgebrachten Gründe beruhen ebenso auf dem unzweifelhaften Akteninhalt. Dass es sich dabei um keinen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des ersten Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz handelt, ergibt sich aus der Aussage des BF vor dem BFA (AS 195). Der BF nahm mit dieser Aussage offensichtlich Bezug auf einen Vorfall in Afghanistan, sodass sich dieser Vorfall bereits vor der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz ereignet haben muss. Da diesem Vorbringen die Rechtskraft des ersten Verfahrens entgegensteht (siehe dazu die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung), kann eine Beweiswürdigung dazu, ob diesem Vorbringen ein glaubhafter Kern zukommt, entfallen.

II.2.5. Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren dazu getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, gründen darauf, dass sich das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts auf das Länderinformationsmaterial vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018, stützt. Aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden aktuellen Herkunftsstaatsinformationen ergibt sich, dass sich die Lage, insbesondere in der Herkunftsprovinz des BF Herat, nicht maßgeblich verändert hat. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom Juli 2018 handelt es sich bei Herat um eine vergleichsweise sichere und über den dortigen Flughafen gut erreichbare Stadt. Eine Rückführung in diese Region war daher mit keiner ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden (S. 62). An diesen Feststellungen hat sich sowohl nach den dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden aktuellen Berichten als auch nach den Aussagen des BF seit Abschluss des Verfahrens nichts Entscheidungsmaßgebliches geändert.

II.2.6. Der BF ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er ist in der Lage für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, wie es ihm auch bereits vor seiner Ausreise sowohl im Iran als auch in Afghanistan möglich war. Dass sich Familienangehörige des BF in Afghanistan befinden, gab dieser selbst vor dem BFA an (AS 197, 201). Es kann daher, zumal sein Vorbringen, dass er von seiner Familie verfolgt werde, bereits rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt wurde, auch davon ausgegangen werden, dass dem BF in Afghanistan im Rahmen seines Familienverbandes jedenfalls zu Beginn durch seine in Afghanistan lebende Familie eine finanzielle und/oder organisatorische Unterstützung gewährt wird. Daraus folgt, dass beim BF bei einer Rückkehr in die Städte Kabul oder Herat nicht die Gefahr besteht, dass er in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation geraten würde. Außerdem kann der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in den genannten Städten das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende beziehungsweise wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderinformationen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte. Umso mehr gelten diese Überlegungen für Herat, wo von deutlich weniger Anschlägen berichtet wird und das über den Luftweg sicher erreichbar ist.

II.2.7. Die Feststellungen zur Lebenssituation des BF in Österreich, insbesondere dass er sich nicht ehrenamtlich betätigte, keiner Beschäftigung nachging, keine Deutschkurse besuchte und nicht Deutsch spricht, beruhen auf seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht im ersten Verfahren und dem BFA im Folgeverfahren (AS 199). Der BF legte auch keinerlei Dokumente vor, die derartige Engagements belegen würden.

Dass der BF gesund ist, konnte aufgrund seiner Haftfähigkeit und mangels anderer Angaben oder vorgelegten Dokumenten des BF festgestellt werden. Die Arbeitsfähigkeit folgt daher bereits aus dem Gesundheitszustand.

Die Feststellungen zur Beziehung des BF und seiner Tochter basieren auf den Angaben des BF selbst (AS 5). Auch im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom Juli 2018 wurde zudem bereits festgestellt, dass der BF eine Beziehung führt und seine Freundin schwanger ist.

II.2.8. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Nach § 12a Abs. 2 AsylG kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, wenn er einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat, wenn

"1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Ein Folgeantrag ist nach § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen."

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Der erste Antrag des BF wurde durch Hinterlegung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig. Bei seinem nunmehrigen zweiten Antrag handelt es sich daher um einen Folgeantrag.

II.3.2.2. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG (aufrechte Rückkehrentscheidung)

Mit Bescheid des BFA vom 19.06.2017, der durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vollinhaltlich bestätigt wurde, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen. Gegen den BF besteht damit eine aufrechte Rückkehrentscheidung, zumal 18 Monate nicht vergangen sind und der BF das Bundesgebiet nicht verlassen hat.

II.3.2.3. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG (res iudicata):

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

"Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Im gegenständlichen Verfahren hat der BF erklärt, dass er seine Gründe des ersten Verfahrens aufrechterhält. Er behauptet damit das Fortbestehen des bereits im ersten Verfahren erstatten Vorbringens. Dieses wurde bereits im ersten Verfahren rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt. Auch mit seinem neuen Vorbringen, er habe einmal nicht arbeiten dürfen, da er Schiit sei und die Sunniten gegen die Schiiten seien, macht der BF Tatsachen geltend, die bereits vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurden. Auch diesem Vorbringen steht daher die Rechtkraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684).

Der Folgeantrag des BF wird daher voraussichtlich zurückzuweisen sein, sodass auch § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG verwirklicht ist.

II.3.2.4. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG (Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK):

Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG 2005 in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren bzw. im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan im Sinne dieser Bestimmungen spricht:

Bei der Beurteilung betreffend einen drohenden Verstoß gegen Art. 2 oder 3 EMRK ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0482).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Die Außerlandesschaffung in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

Es sind keine erheblichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie etwa eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des BF wurde kein entsprechendes Vorbringen hierzu getätigt. Es sind im Verfahren somit keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass dem BF bei einer Rückkehr ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder die Todesstrafe droht. Vielmehr handelt es sich beim BF um einen gesunden, arbeitsfähigen, jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Insbesondere in Bezug auf seine Herkunftsprovinz Herat stellt sich auch die Sicherheitslage nicht derartig dar, dass dem BF bei einer Rückkehr dorthin eine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK droht, zumal dort auch nach wie vor Familienmitglieder des BF leben, die ihn unterstützen können.

Auch eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK liegt nicht vor beziehungsweise ist ein Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Die Beziehung des BF wurde bereits im Erkenntnis vom Juli 2018 berücksichtigt. Dabei kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben gerechtfertigt ist, weil der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt ist.

Aus Art 8 EMRK ist keine generelle Verpflichtung abzuleiten, dem Wunsch eines Fremden, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten, nachzukommen. Unter besonderen Umständen kann sich aus Art. 8 EMRK aber eine Verpflichtung des Staates ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in Art. 8 EMRK bildet (VfGH 11.06.2018, E 343/2018 ua.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (VfGH 12.10.2016, E 1349/2016 mN aus der Rsp des EGMR).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Aus folgenden Gründen handelt es sich nicht um einen unzulässigen Eingriff in das Familien- und Privatleben des BF:

Der BF befindet sich knappe drei Jahre im Bundesgebiet. Er zeigte während dieser Zeit keinerlei integrative Bemühungen. So besuchte er keinen Deutschkurs, betätigte sich nicht ehrenamtlich und verfügt über keinen großen österreichischen Freundeskreis. Zudem wird der Aufenthalt des BF seit Dezember 2015 dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bis Juli 2018 bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig und danach aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht rechtmäßig war. Dies musste dem BF bewusst gewesen sein, weswegen eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht schwer wiegen können.

Zudem wurde der BF mehrmals straffällig, wobei er jeweils (zumindest) Straftaten gegen fremdes Vermögen verübte. Die durch die Rückkehrentscheidung bewirkte Trennung des BF von seiner in Österreich lebenden Tochter und seiner Freundin ist daher im öffentlichen Interesse an der Verhinderung insbesondere der Eigentumskriminalität hinzunehmen (VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0050). Da der Mutter des Kindes im Übrigen auch nicht der Asylstatus zuerkannt wurde, ist nicht davon auszugehen, dass diese in Afghanistan eine asylrelevante Gefährdung vergegenwärtigt. Dem BF steht es damit insbesondere frei, den Kontakt mit der Mutter des Kindes und über diese auch mit seinem Kind aufrechtzuerhalten und zu pflegen.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK darstellt beziehungsweise ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt erscheint. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG sind daher gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG hat diese Entscheidung in Form eines Beschlusses und gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu ergehen.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, Glaubwürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W204.2163835.2.00

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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