Entscheidungsdatum
15.11.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2174349-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 04.04.2017, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 10.07.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 14.03.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 19.03.2017, wird nach Begutachtung der BF festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen. Begründend dafür wurde ausgeführt, dass keine der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen und den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zulassen würden.
3. Mit Bescheid vom 04.04.2017 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 19.03.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, würden die Voraussetzungen derzeit nicht vorliegen, und sei der Antrag daher abzuweisen gewesen.
Unter "Anmerkung" wurde darauf hingewiesen:
"(...) Da die Voraussetzungen daher fehlen, ist die Ausstellung eines Parkausweises nicht möglich."
4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die BF innerhalb offener Frist per E-Mail vom 16.05.2017 Beschwerde. Sie verwies auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ersuchte um die beantragte Zusatzeintragung.
5. In einer von der belangten Behörde eingeholten sachverständigen "Stellungnahme" von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeine Medizin, vom 06.07.2017 wurde Folgendes ausgeführt:
"(...) Neuer psychiatrischer Befund von 3/17: rezidiv. Depression, agitiert, Z.n. MI 01/10, Cervicalsyndrom, gen. Angststörung, Migräne mit Aura, Mb. Bechterew Psych. Status: Stimmung gedrückt, besorgt, erhöhte Anspannung und vegetative Reizsymptomatik, psychomotorisch unruhig, keine Denkstörungen, keine psychischen Symptome. Konzentrationsleistung leicht vermindert, übrige kognitive und mnestische Funktionen unauffällig. Der neue vorgelegte Befund vom Psychiater legt keine Begründung nahe, warum aufgrund psychischer Probleme eine Benutzung von ÖV nicht möglich sein sollte. Die weiteren angeführten Gründe seitens der Klientin, wie Panikattacken (kein Aufscheinen im neuen psychiatrischen Befund), erhöhte Infektanfälligkeit wegen Bechterew-Medikation in der kalten Jahreszeit (keine dauernde Symptomatik), immer wieder Einsacken im linken Knie (keine neurologische Ursache, sondern wegen Schmerzen), rezidivierende Kreislaufprobleme (behandelbar). Da die angeführten Gründe keine dauernde Beeinträchtigung darstellen, sondern im Intervall auftreten, ist eine selbstständige Benutzung ohne Hilfen gefahrlos möglich und somit zumutbar."
6. Mit Bescheid vom 10.07.2017 wurde die Beschwerde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung abgewiesen und festgestellt, dass nach Begutachtung der BF durch den Ärztlichen Dienst der belangten Behörde und Abgabe einer ärztlichen Stellungnahme vom 06.07.2017 die Voraussetzungen für die Aufnahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.
7. Gegen diesen Bescheid wurde bei der belangten Behörde mit E-Mail vom 26.07.2017 ein Vorlageantrag eingebracht.
8. Am 23.10.2017 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
9. Mit Schreiben des BVwG vom 27.11.2017, Zl. G304 2174349-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.
Mit Schreiben des BVwG vom selben Tag wurde des Weiteren die BF aufgefordert, sich am 22.01.2018, um 14:30 Uhr bei Dr. XXXX an einem genannten Ort zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
10. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 22.01.2018 wurde auf Grund der am 22.01.2018 erfolgten Begutachtung der BF folgende Stellungnahme abgegeben:
"Aufgrund der heutigen Untersuchung, der Anamnese und der Unterlagen inklusive neurologischen Fachbefund sind meines Erachtens die Migräne als auch die Depression aufgrund in erster Linie der chronischen Schmerzen zu würdigen und entsprechend zu nennen. Bezüglich der Benutzungsfähigkeit öffentlicher Verkehrsmittel muss gesagt werden, dass von interner Seite keine relevanten Funktionseinschränkungen bestehen, auch von orthopädischer Seite sind keine schwerwiegenden Funktionseinschränkungen gegeben, sodass eine ausreichende Wegstrecke sowie Niveauunterschiede und auch der sichere Transport anzunehmen sind. Des Weiteren kann aufgrund der angegebenen Depression und Angststörung keine nachhaltige Funktionseinschränkung objektiviert werden, welche ÖV unzumutbar rechtfertigen würde."
11. Mit Verfügung des BVwG vom 01.02.2018, Zl. G304 2174349-1/4Z, der BF zugestellt am 12.02.2018, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 22.01.2018 seitens des BVwG übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
12. Am 09.02.2018 langte beim BVwG ein Schreiben der BF ein, in dem auf ihre Krankheiten verwiesen und vorgebracht wurde, dass es seit dem Sommer 2016 keine schmerzfreien Tage mehr gebe und ihre Schmerzmedikation nur bei extremen Schmerzen Linderung bringe.
13. Am 11.07.2018 teilte die BF dem BVwG per E-Mail mit, dass sie auch an einer 2003 diagnostizierten "Kyphose und Skoliose" leide, diese Leiden sich zusätzlich gravierend auf ihre Gesundheit auswirken würden, und sie sich nicht daran erinnere, diese Leiden bei ihrer sachverständigen Begutachtung mitgeteilt zu haben.
14. Mit Schreiben des BVwG vom 18.09.2018, der BF zugestellt am 10.10.2018, wurde der BF das im Zuge ihres Verfahrens betreffend Neufestsetzung ihres Grades der Behinderung, Zahl G304 2170990-1, eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, vom 20.08.2018 mit der Feststellung eines GdB von 50 v.H. und der Schlussziehung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorgehalten und der BF zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dazu Stellung zu nehmen.
15. Am 25.10.2018 langte beim BVwG eine Stellungnahme der BF zum ihr vorgehaltenen Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX vom 20.08.2018 ein, worin die BF auf ihre Krankheiten und die dem BVwG bereits mit E-Mail von Juli 2018 mitgeteilten Leiden "Kyphose" und "Skoliose" Bezug nahm.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betreffenden Gerichtsaktes des BVwG, ergänzt um das Sachverständigengutachten von 20.08.2018 aus dem Gerichtsakt des BVwG betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung, Zahl G304 2170990-1.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 22.01.2018 schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf.
Es wurde im Gutachten auf die Art der Leiden und deren Ausmaß unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde und der von der BF vorgebrachten Beschwerden ausführlich eingegangen.
Der gutachterlichen Beurteilung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden, konnte die BF im Rahmen des Parteiengehörs nicht substantiiert entgegentreten, weder mit Schreiben von Februar 2018, in dem sie auf ihre Krankheiten und darauf hinwies, dass ihre Schmerzmedikation nur bei extremen Schmerzen Linderung bringe, noch mit ihrem darauf folgenden Schreiben von Juli 2018, in dem sie dem BVwG auch ihre bereits 2003 diagnostizierten Leiden "Kyphose" und "Skoliose" mitteilte, noch mit ihrem Schreiben von Oktober 2018, in dem sie wiederholt auf ihre Krankheiten und ihre im Juli 2018 dem BVwG mitgeteilten Leiden "Kyphose" und "Skoliose" verwies.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zum Beschwerdegegenstand:
Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde nach der Rechtslage ab 01.01.2014 frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).
Abweichend davon beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 46 BBG zwölf Wochen.
Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Die belangte Behörde hat nach Einbringung eines Rechtsmittels ihren Ausgangsbescheid vom 04.04.2017 durch die Beschwerdevorentscheidung vom 10.07.2017 ersetzt.
Wann die am 10.07.2017 ausgefertigte Beschwerdevorentscheidung der BF zugestellt wurde, ist aus dem Akt nicht ersichtlich. Gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) gilt eine Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt, demzufolge im gegenständlichen Fall unter Annahme des Ausfertigungsdatums als Datum der Übergabe an das Zustellorgan die Beschwerdevorentscheidung am 13.07.2017 als zugestellt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerdevorentscheidung vom 10.07.2017 nach Erhebung einer Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid vom 04.04.2017 mit E-Mail vom 16.05.2017 jedenfalls fristgerecht innerhalb von 12 Wochen nach § 46 Abs. 2 BBG erlassen.
Nach Erlassung der Beschwerdevorentscheidung am 13.07.2017 wurde der Vorlageantrag mit E-Mail vom 26.07.2018 ebenfalls fristgerecht bei der belangten Behörde eingebracht.
Aus der Entstehung der den Vorlageantrag regelnden Gesetzesbestimmung des § 15 VwGVG und den Gesetzesmaterialien ist zu schließen, dass nach Stellung eines Vorlageantrages die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft tritt (vgl. dazu etwa Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 15 Rz 9). Die Beschwerdevorentscheidung bildet vielmehr den Beschwerdegegenstand und ersetzt den ursprünglichen Bescheid zur Gänze (vgl. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025).
3.3. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
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erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
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eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten Dr. XXXX vom 22.01.2018 erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Die BF konnte diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs nicht substantiiert entgegentreten.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass bei der BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, nicht vorliegen. Es konnten keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde die Einschätzung, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben ist, unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 22.01.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.5. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2174349.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019