TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/16 W186 2209251-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.11.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W186 2209251-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2018, Zl:

800967007-181037475 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein und stellte im Jahr 2010 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des AsylGH, welches am 21.02.2013 in Rechtskraft erwuchs, wurde die gegen die behördliche negative Entscheidung eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Seit damals besteht auch eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung.

1.2. In weiterer Folge wurde der BF im Jahr 2018 von einem Landesgericht zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. Grundlage dieser Verurteilungen waren Vermögensdelikte.

1.3. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und ist seit 29.08.2017 unbekannten Aufenthaltes gewesen. Er wurde am 31.08.2018 wegen des dringenden Verdachts gemäß § 130 StGB festgenommen und in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert.

1.4. Da der BF über keine Dokumente verfügt, wurde im Zuge der Untersuchungshaft ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gestartet und es war eine Vorführung vor die algerische Delegation am 06.11.2018 geplant.

1.5. Nach der Haftentlassung am 31.10.2018 wurden der BF mittels Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG festgenommen und in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

1.6. Im Zuge einer daran anschließenden Einvernahme wurde dem BF zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot und der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens und Sicherung der Abschiebung Parteigehör gewährt.

Die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"F: Warum sind Sie bis dato Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen?

A: Ich bin die letzten Jahre immer wieder ausgereist, auch nach Algerien.

F: Können Sie dies beweisen?

A: Ja ich habe in meinem Reisepass Ein- und Ausreisestempel von Algerien.

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

A: Mein Reisepass befindet sich bei meinem Bruder, wo sich dieser befindet weiß ich leider nicht. Er könnte in Italien oder auch in Algerien sein und ich habe seit drei Monaten nichts mehr von Ihm gehört.

F: Warum sind Sie seit 29.08.2017 unbekannten Aufenthaltes in Österreich?

A: Ich habe Österreich verlassen, war in Frankreich, Algerien, Italien und Deutschland. Ich bin ca. 2 Monate vor meiner Festnahme mit dem Flugzeug von Frankreich kommend nach Österreich eingereist. Dies kann ich jedoch nicht mehr beweisen. Ich bin nach Österreich zurückgekehrt, einen Grund kann ich jedoch nicht angeben. Ich habe bei einem Freund in Wien gewohnt, Adresse und Name des Freundes unbekannt.

F: Warum haben Sie sich behördlich nicht gemeldet?

A: Mein Freund wollte nicht, dass ich mich anmelde.

F: Warum begingen Sie die Straftaten?

A: Ich hatte kein Geld und beging deshalb die Diebstähle.

F: Wo hatten Sie vor nach Ihrer Haftentlassung Unterkunft zu beziehen?

A: Ich wäre nach Italien oder Spanien weitergereist. Nicht nach Frankreich oder Deutschland, dort wird dem Menschen nicht geholfen.

F: Ohne Reisedokument und ohne Barmittel?

A: Ja, ist ja kein Problem ich kann mich innerhalb Europa frei bewegen.

F: Wo befinden sich all Ihre Effekte?

A: Alles befindet sich hier im PAZ.

F: Wie haben Sie sich die letzten Monate vor Ihrer Festnahme den Aufenthalt im Bundesgebiet finanziert?

A: Grundsätzlich habe ich kein Geld und lebe von Freunden. Das Leben ist sehr schwer.

F: Wie viel Barmittel besitzen Sie zurzeit?

A: Ich habe keine Barmittel.

F: Sind Sie in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaates der Rückführungsrichtlinie einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

A: Nein, lediglich in Italien, aber dies ist schon einige Zeit her. Sonst habe ich immer illegal gearbeitet.

F: Leben von Ihnen Familienangehörige oder enge Freunde im Bundesgebiet oder einem anderen Mitgliedstaates der Rückführungsrichtlinie?

A: Nein, alle in Algerien.

F: Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen oder schwere Erkrankungen?

A: Nein, ich bin gesund.

F: Wann waren Sie das letzte Mal in Algerien?

A: 2017, dies kann ich jedoch zurzeit nicht beweisen.

F: Werden Sie in Ihrer Heimat strafrechtlich oder politisch verfolgt?

A: Nein

F: Wollen Sie einen Einblick in das Länderinformationsblatt für Algerien (Stand: 12.03.2018) werfen und eine Stellungnahme abgeben?

A: Nein

Zu meinen persönlichen Verhältnissen gebe ich an:

Ich bin ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich und der EU wohnen keine Familienangehörigen oder enge Freunde. Mein Vater ist verstorben, meine Mutter, mein Bruder und meine vier Schwestern wohnen in Algerien. Ich habe keine Dokumente bei mir und besitze auch keine Barmittel.

Entscheidung

Aufgrund Ihres Fehlverhaltens wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen, Ihnen keine die Frist für die freiwillige Ausreise erteilt und dem Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Des Weiteren besteht in Ihrem Fall akuter Sicherungsbedarf, da Sie bereits mehrere Male im Bundesgebiet untertauchten, nicht willens sind Ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen, Sie über keine Barmittel und keine Unterkunft verfügen und massiv straffällig wurden. Sie sind somit eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit und wird gegen Sie die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung und zur Sicherung des Verfahrens erlassen. Sie werden am 06.11.2018 der algerischen Delegation vorgeführt und nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates ehestmöglich nach Algerien abgeschoben.

F: Möchten Sie zur beabsichtigten Erlassung der Schubhaft sowie einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot Stellung nehmen?

A: Ich habe alles verstanden und will nichts mehr hinzufügen zurück.

Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass Ihre rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 120 Abs 1a FPG nach sich zieht. Ihre ha. getätigten Angaben werden hiermit auch zur Stellungnahme in einem Verwaltungsstrafverfahren vor der Landespolizeidirektion Wien, AFA 2 - Fremdenpolizei (1210 Wien, Hermann Bahr - Straße 3) herangezogen und es ergeht von dort diesbezüglich eine gesonderte Entscheidung.

Ende der Amtshandlung: 18:30 Uhr"

1.7. Mit Bescheid vom 31.10.2018 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahres zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass gegen den BF eine rechtskräftige Ausweisung vorliege, der BF jedoch seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen sei. Der BF verfüge über keine Dokumente.

Im Weiteren enthält der Bescheid die folgenden Feststellungen:

"Gegen Sie besteht seit 21.02.2013 eine rechtskräftige und durchführbare Ausweisung. Sie wurden bereits im Bundesgebiet massiv straffällig und stellen somit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Seitens der ho. Behörde ist davon auszugehen, dass Sie Untertauchen und Ihren illegalen Aufenthalt weiterhin hier im Verborgenen fortsetzen werden. Zudem ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot aufgrund Ihres strafrechtlichen Verhaltes geplant.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

• Sie befinden sich seit 21.02.2013 wissentlich illegal in Österreich bzw. im Schengen Raum auf.

• Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

• Sie gingen in Österreich noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

• Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie trotz aufrechter Ausweisung Ihrer Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen sind, untertauchten massiv straffällig wurden und auch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme faktenwidrige Behauptungen aufstellten, vor allem hinsichtlich Ihrer Unterkunftsnahme.

• Sie tauchten in Österreich unter indem Sie sich behördlich nicht meldeten und somit für ein fremdenrechtliches Verfahren nicht greifbar waren.

• Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

• Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich. Stattdessen tauchten Sie im Bundesgebiet unter, wurden straffällig und entzogen sich Ihrer Ausreiseverpflichtung.

• Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bis dato nicht den Schengen Raum verließen und massiv straffällig wurden. Hierfür wurden Sie von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten unbedingt und 10 Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt.

• Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

• Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

• Sie sind laut niederschriftlicher Einvernahme in Österreich nicht sozial integriert und verfügen weder über soziale noch familiäre oder berufliche Bindungen."

Die Behörde ging in weiterer Folge von bestehendem Sicherungsbedarf aus und beurteilte die Anhaltung in Schubhaft als verhältnismäßig. Das gelindere Mittel wurde nicht herangezogen, da der BF nach Ansicht der Behörde in diesem Falle seinen Aufenthalt im Verborgenen fortsetzen würde:

"Gegen Sie besteht seit 2013 eine rechtskräftige und durchführbare Ausweisung welcher Sie bis dato nicht nachgekommen sind. Zudem ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot aufgrund Ihres strafrechtlichen Verhaltens beabsichtigt. Sie sind seit 29.08.2017 im Bundesgebiet nicht mehr behördlich gemeldet und waren auch nicht Willens im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme Ihren tatsächlichen Aufenthaltsort preis zu geben. Somit ist der Behörde nicht bekannt wo Sie Unterkunft bezogen haben. Sie sind somit unterstandslos. Sie besitzen auch nicht ausreichend Barmittel und einem Dokument um Ihren illegalen Aufenthaltsort aus eigenem beenden zu können. Zudem wurden Sie massiv straffällig und von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt. Sie gaben auch an nach Ihrer Entlassung Österreich zu verlassen und sich illegal im Schengen Raum zu bewegen. Die Behörde muss somit davon ausgehen, dass Sie bei einem Verfahren auf freiem Fuß erneut untertauchen, Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen und wieder straffällig werden. Es besteht somit akute Fluchtgefahr und sind Sie eine Gefährdung für die öffentlich Ordnung und Sicherheit.

Algerien wurde am 18. Februar 2016 in die Liste der sicheren Drittstaaten aufgenommen. Die algerische Botschaft hat jüngst in zahlreichen Gesprächen mit dem Bundesministerium für Inneres zugesichert zur Rückübernahme algerischer Staatsbürger bereit zu sein und Heimreisezertifikate auszustellen. Zusätzlich hat auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Schritte bei der Zusammenarbeit mit der Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien im Bereich der Dokumentenbeschaffung gesetzt und laufend Gespräche geführt, sodass nunmehr eine kontinuierliche Zusammenarbeit gegeben ist und bereits einige positive Identifizierungen durch die algerische Botschaft erfolgt sind.

Zu diesem Zweck ist beabsichtigt, Sie der algerischen Delegation zur Feststellung Ihrer Identität vorzuführen. Die Vorführung ist für den 06.11.2018 geplant Aufgrund der vereinbarten Vorgehensweise mit der algerischen Botschaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Abschiebung Ihrer Person in Ihr Heimatland wahrscheinlich und keinesfalls aussichtslos.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, notwendig und erforderlich.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie reisten trotz einer durchführbaren Ausweisung nicht aus dem Schengen Raum aus bzw. können Sie diese nicht beweisen. Sie verfügen nicht über ausreichende Barmittel und einem Dokument, um Ihren unrechtmäßigen Aufenthalt aus eigenem zu beenden.

Sie sind behördlich nicht gemeldet und somit für das fremdenrechtliche Verfahren nicht greifbar. Laut Ihren Angaben lebten Sie bei einem Freund, können jedoch keine Adresse oder Namen angeben.

Zu Österreich bestehen keine beruflichen, sozialen oder familiären Bindungen. Ihre Familie lebt in Algerien. In Österreich haben Sie keine Angehörigen. Sie gehen keiner legalen Beschäftigung nach. Verfahrensrelevante Integration ist nicht erkennbar.

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind und massiv straffällig wurden.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Am 30.10.2018 wurden Sie vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zahl 506 HV 100/13b wegen § 127 StGB; § 129 Abs. 1 Z 1 StGB; § 127 StGB, § 15 StGB, § 130 Abs. 2 StGB, § 15 StGB; § 130 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten unbedingt und 10 Monaten bedingt, auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Sie können sich offensichtlich Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht finanzieren.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie tauchten bereits einmal im Bundesgebiet unter und wurden massiv straffällig. Des Weiteren verhielten Sie sich im Zuge des laufenden Verfahrens unkooperativ und stellten in Ihrer niederschriftlichen Einvernahme faktenwidrige Behauptungen auf. Die Behörde geht davon aus, dass bei Ihnen das gelindere Mittel nicht ausreichend ist, zumal Sie nicht bereit sind sich an die österreichischen Rechtsnormen zu halten.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie haben in Ihrer niederschriftlichen Einvernahme keine gegenteiligen Behauptungen gemacht. Sollten Sie ärztlicher Hilfe bedürfen, so kann Ihnen eine solche auch im Stande der Schubhaft gewährt werden.

Die Verhängung von Schubhaft erweist sich sohin auch aus diesem Grunde nicht a priori als unverhältnismäßig.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

1.9. Am 02.11.2018 langte die gegenständliche Schubhaftbeschwerde bei Gericht ein.

Die Beschwerde rügt im Wesentlichen:

" ... dass die Anordnung der Schubhaft nicht auf die

gesetzeskonforme Weise erfolgt sei] , fehlende Erforderlichkeit der Schubhaftverhängung:

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit jeder Freiheitsentziehung ist, dass diese auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgt (vgl Art 1 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit - PersFrBVG). § 76 Abs 4 FPG ordnet an, dass die Schubhaft dann nicht mit Mandatsbescheid zu erlassen ist, wenn sich der Fremde bei Einleitung des Verfahrens nicht bloß kurzfristig in Haft befindet, vgl die ErläutRV (BGBl I 2015/70, arg. "insbesondere"):

Die Verhängung einer Schubhaft im Wege eines Mandatsbescheids ist bei fehlender, aktueller Gefahr des Untertauchens unzulässig, wenn sich der Fremde bereits aus einem anderen Grund in Haft befindet und diese Anhaltung nicht bloß kurzfristig ist. In diesem Fall (insbesondere bei Strafhaft und Anschlussschubhaft) ist ein Ermittlungsverfahren samt Parteiengehör durchzuführen. Daher sind die entsprechenden Schritte (Einvernahme, Parteien ge hör, etc) dementsprechend rechtzeitig zu setzen (VwGH vom 27. 1. 2010, 2009/21/0009). Da die Annahme, dass Gefahr im Verzug vorliegt, eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde voraussetzt (VwGH vom 22. 3. 1988, 87/07/0108), ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung vorzu nehmen.

Der BF befand sich vom 31.08.2018 bis zum 31.10.2018 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Bei einem Zeitraum von 61 Tagen kann kein Zweifel bestehen, dass diese Haft "nicht bloß kurzfristig" war. Die Schubhaft wurde jedoch mit Mandatsbescheid angeordnet. Aus diesem Grund erweist sich die Anordnung der Schubhaft als rechtswidrig. Die Schubhaft wurde nicht auf die gesetzlich vorgesehene Weise angeordnet.

Zur Unverhältnismäßigkeit der Haft

Art 1 Abs 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG) sieht vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist, Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

Die Behörde hat vorliegend rechtswidrig ihre Pflicht verletzt, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert bzw. dass diese überhaupt unterbleiben kann.

Auch der VwGH geht davon aus, dass die Behörde nach dem Verhältnismäßigkeitsgebot verpflichtet ist, die Inschubnahme nur als "ultima ratio" anzuwenden und bei Möglichkeit abzuwenden:

Schubhaft darf stets nur "uitima ratio" sein (vgl. E 26. August 2010, 2010/21/0234). Daraus ergibt sich nicht nur die in § 80 Abs. 1 FrPolG 200S ausdrücklich festgehaltene behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, vielmehr ist daraus auch abzuleiten, dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig (vgl. E 27. Jänner 2011, 2008/21/0595). (Hier: Es ist kein Grund ersichtlich, der die Behörde daran gehindert hätte, die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht bereits während der andauernden Strafhaft des Fremden zu veranlassen, anstatt erst 22 Tage später (vgl. E 23. September 2010, 2009/21/0280).)" (VwGH 19.05.2011, 2008/21/0527)

Vor dem Hintergrund der angeführten Judikatur ist der Bescheid der Behörde rechtswidrig. Die Behörde hätte ihre Vorgangsweise vorliegend so einrichten müssen, dass die Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Die Behörde hat offenbar ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (in Folge: HR2) nicht rechtzeitig eingeleitet, um eine mögliche Schubhaft zu verhindern.

Zwar wurde der BF erst am 30.10.2018 strafrechtlich verurteilt, doch stützt sich die Rückkehrentscheidung der Behörde nicht bloß auf die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts in Folge einer strafrechtlichen Verurteilung. Im Bescheid des BFA vom 31.10.2018, zur Zahl 800967007/180840372, geht die Behörde davon aus, dass sich der BF seit 2013 rechtswidrig im Schengenraum aufhalte, über kein keine Barmittel verfüge und kein Reisedokument besitze (S. 13 des Bescheids, mit dem dir Rückkehrentscheidung erlassen wurde). Auch stellt sie fest, dass der Aufenthalt schon vor Tatbegehung rechtswidrig gewesen sei (S. 13 des Bescheids, mit dem dir Rückkehrentscheidung erlassen wurde). Der BF war bis zum 29.08.2017 behördlich gemeldet und hat die Behörde bis dahin keine Schritte unternommen eine Rückkehrentscheidung gegen ihn zu erlassen und ein Verfahren zur Erlangung eines HRZ einzuleiten, obwohl sie seinen Aufenthalt für rechtswidrig erachtete. Sie hat somit trotz beabsichtigter Abschiebung des BF ihre Vorgehensweise nicht so eingerichtet, dass eine Schubhaft überhaupt unterbleiben kann.

Hätte die Behörde rechtzeitig Vorkehrungen für die Überstellung des BF getroffen, hätte dieser nicht in Schubhaft genommen werden müssen. Die Schubhaftverhängung war daher unrechtmäßig."

1.0. Das BFA legte die Verwaltungsakten vor und beantragte unter Hinweis auf die Begründung im angefochtenen Mandatsbescheid die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Sachverhalt und zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist algerischer Staatsangehöriger und als solcher Fremder i.S.d. FPG.

1.2. Er stellte im Jahr 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Entscheidung vom 21.02.2013 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Es besteht gegen den BF eine durchsetzbare Ausweisung in Bezug auf Algerien.

1.3. Der BF wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Seit dem 2013 besteht gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare Ausweisung.

2.2. Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde seitens der Behörde eingeleitet und es ist von einer baldigen Effektuierbarkeit der Rückführung auszugehen.

2.3. Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF besteht seit 21.0302013 eine durchsetzbare Ausweisung nach Algerien. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen und hat sich einer Abschiebung bisher durch Untertauchen entzogen.

3.2. Der BF ist daher nicht rückkehrwillig.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Der BF verfügt im Inland über keine Angehörigen, keine nennenswerten Kontakte und hat im Verfahren keine wesentlichen Merkmale für seine Integration darlegen können.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine wesentlichen Deutschkenntnisse.

4.3. Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

4.4. Ein gesicherter Wohnsitz ist nicht vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten (Asyl- u. Fremdenakten) der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die bisherigen inländischen Vorstrafen ergeben sich aus einem im Akt erliegenden Auszug aus dem Strafregister.

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Das Vorliegen einer rk. Rückkehrentscheidung (=Ausweisung) ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).

Die Feststellung der Haftfähigkeit ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Ein entgegengesetztes Vorbringen gibt es nicht und war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.

2.3. Zum Sicherungsbedarf :

Die Feststellung zu 3.1. ergibt sich im Wesentlichen aus den diesbezüglichen Angaben im Akt hinsichtlich des Bestehens einer durchsetzbaren Ausweisung/Rückkehrentscheidung vom 21.02.2013, woran kein Zweifel besteht. Der BF gibt in der Einvernahme vor der Behörde zwar an, immer wieder ausgereist zu sein; er könne dies aber nicht beweisen. Er ist daher seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Sämtliche Feststellungen zu diesem Punkt basieren auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 15.06.2018. Hinsichtlich der Feststellung zu 4.3. wurden ergänzend Informationen aus dem Auszug der Anhaltedatei herangezogen, aus welchem sich ergibt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung in Haft über keine Geldmittel im Rahmen seiner Effekten verfügte. Hinsichtlich der Feststellung darüber, dass keine nennenswerten Kontakte im Inland bestehen (4.1.) darf ergänzend festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer im Verfahren bisher keine Angaben machte (bzw. die Nennung eines konkreten Namens und einer Adresse eines Bekannten verweigerte). In der Beschwerdeschrift finden sich über diesen Punkt keine Ausführungen, sodass von fehlender Integration ausgegangen werden musste.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aus. Gegen den BF wurde eine Ausweisung erlassen und er war für die Behörde nicht greifbar. Im Rahmen des Verfahrens konnte der BF eine Ausreise nach Algerien nicht nachweisen. Er hat sich daher jedenfalls illegal im Bundesgebiet aufgehalten und seine in treffende Rückkehrverpflichtung bis dato ignoriert. Es ist ihm daher vorzuwerfen, dass er seine Abschiebung bisher behinderte bzw. umgangen hat.

Das Gericht geht daher im vorliegenden Fall davon aus, dass der BF auch weiterhin nicht für die Behörde greifbar wäre und wie bereits zuvor seinen Aufenthalt im Verborgenen wählen würde. Sicherungsbedarf war daher gegeben.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer über keine nennenswerten Kontakte im Inland verfügt, die hier wesentlich ins Gewicht fallen. Dies gab der BF in der Einvernahme auch selbst nicht an und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerdeschrift nichts vorgebracht.

Dem gegenüber stellt sich dar, dass der BF (mehrfacher) Straftäter ist und daher diesbezüglich ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit besteht, den BF gesichert und verlässlich außer Landes zu bringen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auch gegen seine Rückreiseverpflichtung verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland herrschende Rechtssystem beabsichtigt. Das erkennende Gericht geht daher - wie oben angeführt - von einer Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine baldige Abschiebung durchführen zu können, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht gesichert, dass der Beschwerdeführer nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen würde. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist in Österreich nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit nicht gewillt in seine Heimat zurückzukehren und war es auch zum Entscheidungszeitpunkt nicht. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Behörde im gegenständlichen Fall die erforderliche Einzelfallprüfung durchgeführt hat. Die gewählte Verfahrensart ("Mandatsverfahren") kann - anders als die Beschwerde vermeint - diesen Umstand nicht entkräften. Die Behörde ist - wie im Bescheid ersichtlich - auf die Lebensumstände des BF eingegangenen; hat seine rechtliche Situation in Österreich, sein Verhalten im Bundesgebiet, ebenso wie seinen Bezug zu seinem Herkunftsland zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht.

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffene Feststellung und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen.

Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Fluchtgefahr, Haftstrafe, Rückkehrentscheidung,
Schubhaft, Sicherungsbedarf, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W186.2209251.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten