TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/19 W178 2201238-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2018
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Entscheidungsdatum

19.11.2018

Norm

AuslBG §18 Abs12
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W178 2201238-1/4E

W178 2201244-1/4E

W178 2201245-1/4E

W178 2201246-1/4E

W178 2201247-1/4E

W178 2201248-1/4E

W178 2201249-1/4E

W178 2201250-1/4E

W178 2201252-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Maria PARZER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Stefan EBNER und Mag. Peter SCHNÖLLER und als Beisitzer über die Beschwerden des Unternehmens XXXX , vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz RA GmbH, gegen die Bescheide des AMS, Wien Esteplatz vom 19.03.2018, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.06.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG Folge

gegeben und die angefochtenen Entscheidungen behoben.

B) ) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensverlauf

1. Das AMS Wien Esteplatz hat mit Bescheiden vom 19. März 2018 in neun Fällen aufgrund der Meldung der XXXX (Auftraggeberin, kurz AG) gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG über die Entsendung von ausländischen Arbeitskräften nach Österreich zur Prüfung der EU Konformität der Entsendung im Sinne des § 18 Abs. 12 AuslBG, die von der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung, kurz ZKO, übermittelt worden waren, festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Entsendung nach § 18 Abs. 12 AuslBG nicht vorliegen. Die Entsendung der ausländischen Arbeitskräfte zum genannten Unternehmen wurde untersagt.

Zur Begründung wurde angeführt, dass die Entsendung der Mitarbeiter für Kabelverlegungsarbeiten in 1220 Wien, Kaisermühlentunnel, in der Zeit vom 7.2.2018 bis 19.3.2018 angezeigt worden sei. Mit Parteigehör vom 28.2.2018 sei das Unternehmen XXXX (eingetragener Kaufmann), kurz Auftragnehmerin, AN, in 47228 Duisburg aufgefordert worden, zur inhaltlichen Prüfung des angezeigten Sachverhaltes Unterlagen nachzureichen und eine Stellungnahme abgegeben. Aus dem Auftragsschreiben zwischen der AG und AN gehe hervor, dass die einzuziehenden Kabel und die dafür erforderlichen Materialien von der Firma XXXX (AG) zur Verfügung gestellt werden. Das Wesen der Entsendung liege in der Herstellung eines eigenen Werks, welches sich zudem von den Dienstleistungen des Werkbestellers unterscheidet, durch die entsandten Arbeitnehmer sowie die Erbringung von Arbeitsleistungen vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmens. Nach den evidenten Fakten sollen die Drittstaatsangehörigen mit den erforderlichen Materialien der Firma XXXX (AG) als Kabelverleger arbeiten. Sie stellten in Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung kein eigenes Werk her und arbeiteten nicht mit Material des Werkunternehmers. Beide, sowohl der österreichische Auftraggeber als auch das ausländische entsendende-Unternehmen, verfügten über die Gewerbeberechtigung Elektrotechniker.

2. Gegen diese Bescheide wurde jeweils von der XXXX . Beschwerde erhoben. Darin wird zur Begründung vorgebracht, dass zwischen ihr und der XXXX ein Werkvertrag über das Verlegen einer konkreten Menge an konkret bezeichneten Kabel vereinbart worden sei und daher ein eigenes Werk vorliege. Die XXXX verfüge weder über die notwendige Ausrüstung noch über das Know-how, um Kabel fachgerecht verlegen zu können. Sie stelle daher ein von der Dienstleistung der XXXX unterscheidbares Werk her, die Arbeitnehmer arbeiteten an diesem unterscheidbaren Werk mit. Eine spezialisierte Kabelverlegung wie die hier gegenständliche sei nur unter Einsatz besonderer Maschinen möglich; neben dem Standardequipment für Kabelverlegung verfüge sie daher über Spezialausrüstungen, ohne die die Kabel nicht verlegt werden können. Die XXXX verfüge nicht über dieses Equipment. Die Arbeitnehmer arbeiteten daher überwiegend mit den Materialien des Werkunternehmers. Die Gewerbeberechtigung der Bf sei auf das Verlegen von Kabeln im Hochbau beschränkt, die Gewerbeberechtigungen der Bf entspreche daher nicht jener der AG.

Das AMS habe anhand der vorliegenden Urkunden unrichtige Tatsachenfeststellungen getroffen. Das AMS schließe aus den vorhandenen Urkunden unrichtigerweise, dass eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Dabei lasse das AMS offenkundig das Erkenntnis des VwGH vom 22.8.2017 zu RA 2017/11/0068 außeracht. Darin habe der VwGH erkannt, dass bei der Prüfung, ob im Rahmen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes Arbeitskräfteüberlassung nach § 4 AÜG vorliege, eine Gesamtbetrachtung im Lichte der Rechtsprechung des EuGHs vorzunehmen sei, unter Hinweis auf den wesentlichen Inhalt des Erkenntnisses. Tatsächlich lägen bei der Prüfung des Sachverhaltes nach der genannten Judikatur die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Entsendung und nicht einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung vor. Es sei ein gewährleistungstauglicher Erfolg vereinbart worden, die Zahl der jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer sei festgesetzt worden, die Erteilung der genauen und individuellen Weisungen, die die Arbeitnehmer für die Ausführung ihrer Tätigkeit erhalten, obliege der Bf, der auch die fachliche Aufsicht obliege.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 8.6.2018 hat das AMS die Beschwerden zu allen 9 Arbeitnehmern abgewiesen. Zur Begründung wurde vorgebracht, dass aus den Unterlagen hervorgehe, dass die einzuziehenden Kabel und die dafür erforderlichen Materialien von der XXXX als Auftraggeberin an die Beschwerdeführerin als Auftragnehmerin zur Verfügung gestellt würden und auch die Gewährleistung für die Materialien beim Auftraggeber verbleibe. Die neun Drittstaatsangehörigen würden daher nicht mit den Materialien der Beschwerdeführerin arbeiten. Damit lägen die Voraussetzungen des § 18 AuslBG zur Ausstellung der beantragten EU-Entsendebestätigungen für die neun Drittstaatsangehörigen nicht vor. Zudem komme die Erteilung der EU Entsendebestätigungen nicht mehr in Betracht, da die Entsendung über den Zeitraum vom 07.02.2018 bis 19.03.2018 hätte erfolgen sollen.

4. Seitens der Beschwerdeführerin wurde je ein Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

1. Feststellungen:

Der Bf ist ein spezialisiertes Unternehmen für Kabelverlegung. Auf der Homepage https:// XXXX .de/leistungen (Auszug) gibt man an:

"Wir sind für unsere Kunden aus Industrie & Gewerbe deutschlandweit und bei Bedarf auch europaweit im Einsatz. Wir ziehen bauseits bereitgestellte Kabel jeglicher Art auf unterschiedlichen Arten wie z. B. Kabelbahn, Steigetrasse, Rohr, Gräben und weiteren Verlegearten.

Qualifizierte Mitarbeiter: Unsere Mitarbeiter sind nach SCC 016/ 017 /18 zertifiziert und nach G25 und G41 untersucht. In jedem unserer eingespielten Einsatzteams haben wir mindestens einen Ersthelfer. Unser Kooperationspartner für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsfachkraft) steht uns mit Sicherheitsschulungen sowie beratend zur Seite.

Technische Ausrüstung

Neben dem Standardequipment für Kabelverlegung investieren wir stetig in neue Ausrüstungen. Zu unseren Spezialausrüstungen gehören u. a....."

Zwischen dem Beschwerdeführer, d.i dem entsendenden Betrieb XXXX (Bf) und der XXXX GmbH als Dienstleistungsempfängerin wurde eine Rahmenbestellung für die Lieferung und Montage von Kabeln im Kaisermühlendamm laut Verhandlungsprotokoll vom 02.10.2017 vereinbart. Im genannten Verhandlungsprotokoll ist Auftragnehmer (AN) der Bf, Auftraggeber die XXXX XXXX , Kunde der Auftraggeberin ist die Autobahnen-und Schnellstraßen-Finanzierungs- AG, kurz XXXX , in Wien. Im Verhandlungsprotokoll wird der Leistungsumfang, der im Wesentlichen die Montage der Kabelzüge (Pkt.1 beinhaltet, genau definiert.

Es war ein Gesamtpreis vereinbart (Festpreis), vgl. Pkt.3., erster Absatz des Protokolls Die Gewährleistung für die sach- und fachgerechte Ausführung und insbesondere dafür, dass diese Leistungen den vertraglich bedungenen Eigenschaften, dem Stand der Technik und der anzuwendenden Normen entsprechen, lag beim Bf. Die förmliche Übernahme erfolgte durch den AG nach Fertigstellung der Gesamtleistung und Übermittlung der Dokumentation. Mit der förmlichen Übernahme ging die Gefahr und das Eigentum auf den AG über, vgl. Punkt 7 des Protokolls

Es wurde ein Fertigstellungstermin vereinbart, dessen Nichterreichen Pönalzahlungen nach sich gezogen hätten, vgl. Pkt.5.1

Die Beschäftigten des Bf arbeiten unter dessen Weisungsbefugnis, vgl. dazu auch Pkt. 3 2.Absatz. Sie unterlagen der Fachaufsicht durch den Bf. Der Bf und die AG haben im Vertrag u.a. die Einhaltung der einschlägigen lohn- und sozialrechtlichen Bestimmungen festlegt.

Unter Punkt 13 des Protokolls wird festgestellt, dass die Kabel von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellt werden, nur für dieses Material liegt die Gewährleistung bei der AG. Diese stellt alle erforderlichen Werkzeuge und Maschinen für die Ausführung der Arbeitsleistung zur Verfügung.

Die eingesetzten Beschäftigten (die entsandten Dienstnehmer) waren zum Teil türkische, zum Teil syrische Staatsangehörige (Drittstaatsangehörige). Sie waren am Betriebssitz des Beschwerdeführers in Deutschland ordnungsgemäß zur Sozialversicherung gemeldet. (unstrittig) und verfügen dort über eine Beschäftigungsbewilligung.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des AMS, einschließlich des Parteienvorbringens, insbesondere stützen sich die Feststellungen auf das Protokoll vom 02.10.2017, die Bestellung vom 05.10.2017 und die Beauftragung vom 05.12.2017.

Hinzugezogen wurde auch der Internetauftritt des Bf, https:// XXXX .de.

Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass die lohn- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen eingehalten wurden und die Genannten in Deutschland rechtmäßig beschäftigt waren; auch für das Gericht ergeben sich keine Indizien, die Zweifel daran aufkommen lassen.

Die Feststellung, dass die Weisungen an die Beschäftigten vom Bf (AN) erteilt wurden, lässt sich neben dem Beschwerdevorbringen auch aus der Tatsache ableiten, dass das Werk in quantitativer und qualitativer Hinsicht festgelegt war, der Bf für eine Fertigstellung zum vereinbarten Termin in der vereinbarten Qualität zu sorgen hatte und daher Zugriff auf die Arbeitsleistung der Dienstnehmer haben musste.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gegenständlich liegt gemäß § 6 BVwGG iVm § 20g AuslBG Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

3.1

3.1.1 § 18. AuslBG:

Abs 1: Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, bedürfen, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

......

Abs 12: Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind,

2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Abs. 3 bis 6, § 4 Abs. 2 bis 5 und § 5 des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG), BGBl. Nr. 44/2016, im Fall der Überlassung gemäß § 10 AÜG, § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und 5 und § 6 LSD-BG sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden und

3. im Fall der Überlassung kein Untersagungsgrund gemäß § 18 Abs. 1 AÜG vorliegt.

Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen (Zentrale Koordinationsstelle) hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter oder überlassener Ausländer gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber oder Beschäftiger, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung oder Überlassung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG sowie sonstiger Pflichten nach dem AÜG, darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden.

3.1.2 Die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (im Folgenden kurz: Richtlinie 96/71) lautet auszugsweise:

Artikel 1

Anwendungsbereich

(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

a) einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für

b) einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder

c) als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer

zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

3.2 Zur Frage der Beschwer:

Da die Beschäftigung gemäß § 18 Abs 12 letzter Satz AuslBG nur bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden darf, liegt es im rechtlichen Interesse des Bf, dass festgestellt werde, ob die Voraussetzungen für eine EU-Entsendebestätigungen vorlagen.

3.3 In der Sache:

Der Wortlaut und die sich aus der Regierungsvorlage ergebenden Motive der Gesetzwerdung des § 18 Abs. 12 AuslBG idgF BGBl I Nr. 78/2007 zeigen, dass mit diesem die Regelungen für die Entsendung ausländischer Arbeitskräfte durch Unternehmen aus EWR-Mitgliedstaaten nunmehr vollständig an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden sollten (RV 215 Blg. Nr XXIII. GP, S 5), vgl. VwGH Ra 2017/09 vom 12.09.2017/0023.

Im Sinne der autonomen Interpretation des EU-Rechts (vgl. zitierte Richtlinie) ist auf die Judikatur des EuGH Bedacht zu nehmen.

Von der Richtlinie 96/71/EG erfasst ist sowohl (Art. 1 Abs. 3 lit. a) die grenzüberschreitende Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen, um einen von diesem Unternehmen eingegangenen Werkvertrag zu erfüllen, als auch (Art. 1 Abs. 3 lit. c) - insoweit im Einklang mit dem AÜG die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung, nämlich die grenzüberschreitende Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen zum Zwecke (lediglich) der Überlassung an ein anderes (den Arbeitnehmer verwendendes) Unternehmen (vgl. auch Erk vom 6. November 2012, 2012/09/0130, und vom 19. März 2014, 2013/09/0159).

Aus dem Urteil des EuGH vom 18. Juni 2015 Martin Meat, C-586/13, ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist und die in § 17 Abs. 2 AÜG genannte Meldepflicht nach sich zieht, aus unionsrechtlicher Sicht "jeder Anhaltspunkt" zu berücksichtigen ist und somit unter mehreren Gesichtspunkten (nach dem "wahren wirtschaftlichen Gehalt"; vgl. das E vom 6. November 2012, 2012/09/0130 mit Bezugnahme auf das dem Urteil "Martin Meat" vorausgegangene Urteil des EuGH "Vicoplus", C-307/09 bis C-309/09) zu prüfen ist (vgl. zur "Gesamtbeurteilung aller Umstände" auch Art. 4 Abs. 1 der RL 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, samt dortigem fünften Erwägungsgrund). Im Speziellen sind dabei entsprechend dem Urteil "Martin Meat" die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt, ob also der für einen Werkvertrag essenzielle "gewährleistungstaugliche" Erfolg vereinbart wurde, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten, von entscheidender Bedeutung.

Selbst im Falle der Verneinung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung ist eine Meldepflicht für die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern unionsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen (Hinweis Urteil des EuGH in der Rs Santos Palhota, C-515/08, in welchem dieser die Unionsrechtskonformität der Meldepflicht einer grenzüberschreitenden Entsendung - und zwar ohne nach der Entsendungsart iSd Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 96/71/EG zu differenzieren - nicht grundsätzlich in Frage gestellt hat)Zitatende

3.4 Im konkreten Fall:

Beide Unternehmen (das entsendende und die in diesem Mitgliedstaat tätige Dienstleistungsempfängerin) haben ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU. Die Richtlinie ist auch auf Drittstaatsangehörige wie die hier entsandten syrischen und türkischen Beschäftigten anzuwenden.

Unter Anwendung dieser Kriterien ergibt sich im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des oben festgestellten Sachverhaltes Folgendes:

3.4.1 Die Voraussetzung, dass für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen (hier Bf) und dem jeweiligen Arbeitnehmer besteht, ist im vorliegenden Fall unstrittig gegeben.

3.4.2 Zur Abgrenzung Entsendung und Arbeitskräfteüberlassung:

Eine Entsendung liegt vor, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine befristete Dauer in einem anderen Staat Arbeitsleistungen für ihren Arbeitgeber erbringen

Die belangte Behörde behauptet, es läge bei Beurteilung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes des Vertrages Arbeitskräfteüberlassung vor und es könne daher keine Entsendebestätigung ausgestellt werden. Sie stützt diese Meinung vor allem auf die Tatsache, dass die Kabel, d. i. ein Teil des Materials von der AG zur Verfügung gestellt werden und für die Kabel die Gewährleistung die AG trifft.

Dem ist zu entgegnen, dass nach der Judikatur in Martin Meat die Frage der Betriebsmittel keine zentrale bei der Beurteilung, ob Arbeitskräfteüberlassung vorliegt, ist.

Es sei nur erwähnt, dass die sonstigen wesentlichen Betriebsmittel für die Kabelverlegung (Spezialmaschinen), vom Bf bereitgestellt wurden, es sollte somit also im Wesentlichen mit den Betriebsmitteln des Entsendeunternehmens gearbeitet werden.

3.4.3 Entsprechend dem Urteil "Martin Meat" sind die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt, ob also der für einen Werkvertrag essenzielle "gewährleistungstaugliche" Erfolg vereinbart wurde, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten, von entscheidender Bedeutung.

3.4.4 Die Vergütung hängt von der sachgerechten Ausführung der Arbeiten ab, die Gewährleistung für das Gesamtwerk trifft den Bf, nur für das von AG zur Verfügung gestellte Material (Kabel) hat -wie oben erwähnt - der AG auch die Gewährleistung zu tragen.

3.4.5 Die Anzahl der eingesetzten Arbeitskräfte hat der Bf zu bestimmen, diese arbeiteten unter der Weisungsbefugnis des Bf;

Beaufsichtigung und Leitung der Beschäftigten erfolgte durch den Bf;

Dass ein Werk vereinbart war zeigt sich darin, dass für die Erfüllung des Vertrags eine Leistungsfrist (mit Pönalzahlungsvereinbarung) vereinbart war.

3.4.6 Bei der nach der Judikatur gebotenen Gesamtbeurteilung ist somit festzustellen, dass die relevanten Merkmale der Entsendung vorhanden sind.

Bei der Gesamtbetrachtung der Merkmale ist somit von einer Entsendung im Sinne der Richtlinie und des AuslBG auszugehen.

3.4 7 Eine Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers im Rahmen einer Entsendung zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung in Österreich durch ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums ist gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG nur dann ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung zulässig, wenn die in Z 1 und 2 leg.cit. genannten Kriterien erfüllt sind.

Es ist daher zu prüfen, ob Hindernisse für die Erteilung der Bestätigung nach § 18 Abs. 12 Z 1, Z. 2 AuslBG vorliegen.

Dafür hat sich nach dem Sachverhalt kein Anhaltspunkt ergeben. Auch die belangte Behörde hat in diese Richtung kein Vorbringen erstattet.

Es wäre somit eine die EU-Entsendebestätigung nach § 18 Abs 12 AuslBG auszustellen gewesen.

Nach § 18 Abs. 12 vorletzter Satz AuslBG ist als Normadressaten auch der inländische Auftraggeber (vgl. B 19. März 2014, Ro 2014/09/0031).

4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht zudem von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde zwar beantrag, jedoch konnte ohne Durchführung entschieden werden, weil der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt war.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zur Frage der Entsendung bzw. Arbeitskräfteüberlassung gibt es hinreichende Judikatur des VwGH wie des EuGH; dieses Erkenntnis entspricht dieser Judikatur.

Schlagworte

Arbeitskräfteüberlassung, Betriebsmittel, EU-Entsendebestätigung,
Gesamtbetrachtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W178.2201238.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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