TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/21 W247 2110422-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.11.2018

Norm

BFA-VG §7 Abs1 Z1
Dublin III-VO Art.28
FPG §76 Abs1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs4
VwGVG §40 Abs5

Spruch

W247 2110422-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. am XXXX alias XXXX, StA. Algerien, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 08.07.2015, Zl. XXXX, sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft von 08.07.2015 bis 17.07.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF. iVm § 76 Abs. 1 FPG iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Schubhaftbescheid vom 08.07.2015 ersatzlos aufgehoben. Unter einem wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 08.07.2015 bis 17.07.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Dem Antrag auf (unentgeltliche) Beigabe eines Verfahrenshilfverteidigers wird gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG nicht Folge geleistet.

III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in der Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Vorverfahren:

1.1 Der Beschwerdeführer (Folgend: BF) reiste unrechtmäßig in Bundesgebiet ein und stellte am 16.03.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Herkunftsstaat an, er hätte dort kaum arbeiten dürfen und wäre oft grundlos für einige Tage inhaftiert worden.

1.2. Der BF wurde am 08.04.2015 wegen des Verdachtes der Begehung einer strafbaren Handlung festgenommen und befand sich aufgrund eines Beschlusses des Landesgerichts Wiener Neustadt mit der Geschäftszahl XXXX vom 09.04.2015 bis 18.05.2015 in Untersuchungshaft.

1.3. Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18.05.2015 unter der Geschäftszahl XXXX wurde der BF wegen des Verbrechens nach den §§ 127; 129 Z 1; 229 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei ein Teil des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe, nämlich im Ausmaß von 14 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Am 08.07.2015 wurde der BF aus der Freiheitstrafe entlassen.

1.4. Mit Bescheid vom 30.06.2015, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurück, erachtete Ungarn für die Prüfung seines Asylantrages für zuständig und erklärte seine Abschiebung nach Ungarn für zulässig. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Bescheid vom 05.10.2015, GZ: XXXX, statt und behob den Bescheid.

1.5. Am 12.01.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme durch die belangte Behörde. Hierbei revidierte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen zu den Fluchtgründen und gab an seinen Herkunftsstaat lediglich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Im Falle einer Rückkehr befürchte er jedoch aufgrund seiner in Österreich begangenen Straftaten eine Inhaftierung.

1.6. Mit dem Bescheid vom 19.01.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Des Weiteren verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.) und stellte fest, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 08.04.2015 verloren hat (Spruchpunkt VII). Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

1.7. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.03.2017, GZ. XXXX, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. Zum gegenständlichen Verfahren:

2.1. Der BF wurde - aufgrund eines Festnahmeauftrages vom 06.07.2015 gemäß §§ 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG - am 08.07.2015 zwecks Vorführung zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RG Niederösterreich, von der Polizei festgenommen und am selben Tag zur möglichen Schubhaftverhängung niederschriftlich einvernommen.

2.2. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 08.07.2015 wurde dem BF der Verfahrensgegenstand erläutert, worauf dieser ankündigte in Hungerstreik zu gehen. Über seinen Asylantrag sei negativ entschieden worden, es liege eine rechtskräftige und durchsetzbare Außerlandesbringung vor. Befragt nach Identitätsdokumenten gab der BF an, dass sich diese in Algerien befänden. Der BF wolle in Österreich bleiben und arbeiten. Er hätte nur in Ungarn bereits Kontakt zu Polizei wegen Asyl gehabt und sei ca. ein Monat in Ungarn gewesen. Weder habe der BF in Österreich Familienangehörige, noch irgendwelche Anknüpfungspunkte zu Österreich, etwa in Arbeit oder Ausbildung. Er habe weder Bargeld noch Bankomat- oder Kreditkarten. Weder sei er amtlich gemeldet, noch habe er in Österreich eine Wohnung. Sein Heimatland habe der BF 2009 verlassen. Der BF willige in keine Abschiebung ein und würde sich dieser mit Hungerstreik widersetzen. Zu seinem Gesundheitszustand gab der BF an eine psychische Erkrankung zu haben und dagegen Medikamente einzunehmen (Revotril), er sei aber weder in Österreich noch in Ungarn in einem Krankenhaus oder einer sonstigen medizinischen Behandlung gewesen.

2.3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, vom BF persönlich übernommen am 08.07.2015, wurde über ihn gemäß Art. 28 der Verordnung (EU) 604/2013 iVm. § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG iVm. Bundesgesetzblatt Nr. 143/2015 vom 28.05.2015 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet (Spruchpunkt I.) und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

2.4. Gegen den oben im Spruch bezeichneten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 10.07.2015 binnen offener Frist Beschwerde und bekämpfte ausdrücklich die Schubhaftanordnung, sowie die Anhaltung in Schubhaft. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schubhaft unverhältnismäßig sei, da durch das bisherige Verhalten des BF nicht auf eine erhebliche Fluchtgefahr geschlossen werden könne, auch hätte der Gesundheitszustand des BF und die daraus folgende Frage der Haftfähigkeit des BF im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung einfließen müssen. Auch wurde unter anderem die Mangelhaftigkeit des Spruches, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die Verhängung der Schubhaft nicht mittels Mandatsbescheid kritisiert. Schließlich wurde angeführt, dass § 9a Abs. 4 FPG-DV gesetzwidrig sei, weil "Fluchtgefahr" kein Tatbestandsmerkmal des § 76 Abs. 1 FPG sei, womit der Inhalt des § 9a Abs. 4 FPG-DV nicht durch Gesetz vorbestimmt sei und daher gegen das Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz verstoße. Zudem wurde ausgeführt, dass Art. 2 lit. n Dublin III-VO objektiv gesetzlich festgelegte Kriterien einer Fluchtgefahr erfordere und diesem Erfordernis mit der Festlegung durch Verordnung eines Bundesministers nicht genüge getan werde, weil der Begriff "gesetzlich" zweifellos auf die Regelung durch ein Gesetzgebungsorgan abstelle. Verwiesen wurde dazu auf VwGH 19.02.2015, Ro 2014/21/0075 und 24.03.2015, Ro 2014/21/0080.

Beantragt wurde a) festzustellen, dass der gegenständlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt, in eventu der gegenständlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, b) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; c) den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte; d) im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen; e) dem Beschwerdeführer unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben und f) dem Beschwerdeführer Aufwendungen gemäß der Aufwandersatzverordnung zu ersetzen; g) den BF von der Eingabegebühr zu befreien und h) dem BF etwaige Dolmetschkosten zu ersetzen und im Falle des Obsiegens der Behörde den BF vom Ersatz des Aufwandersatzes zu befreien; i) in eventu die ordentliche Revision zuzulassen.

2.5. Am 10.07.2015 erfolgte seitens LPD-PAZ Hernalser Gürtel - den BF betreffend - eine Hunger-/Durststreik-Meldung.

2.6. Mit Schreiben vom 13.07.2015, hg auch am 13.07.2015 eingelangt, erfolgte durch die belangte Behörde die Beschwerdevorlage und zugleich erfolgte die Aktenvorlage und die belangte Behörde beantragte, den Bescheid des BFA zu bestätigen und des Weiteren gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen.

2.7. Mit elektronischem Schreiben der belangten Behörde vom 17.07.2015 wurde das erkennende Gericht informiert, dass der BF am 17.07.2015 aus gesundheitlichen Gründen aus der Schubhaft entlassen wurde.

3. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 19.09.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der GA W190 abgenommen und mit 29.09.2017 der GA W247 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

2.1. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-VG (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:

(1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

2.2. Der mit "Schubhaft" übertitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;

2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

(7) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012).

2.3. Der mit "Haft" übertitelte Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.

2.4. Mit BGBl. II Nr. 143/ 2015 vom 28.05.2015 wurde die Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005

(Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung- FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 497/2013, wie folgt geändert:

1. § 9a Abs. 4 lautet:

"(4) Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr im Sinne des § 76 FPG liegen vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 31, zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes."

2. Dem § 21 wird nach Abs. 8 folgender Abs. 9 angefügt:

"(9) § 9a Abs. 4 in der Fassung der Verordnung der Bundesministerin für Inneres BGBl. II Nr. 143/2015, tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. § 9a Abs. 4 tritt mit Ablauf des 19. Juli 2015 außer Kraft."

Zu A) Zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum 08.07.2015 bis 17.07.2015:

2.5. Der Art. 28 der am 19.07.2013 in Kraft getretenen und seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.

2.6. Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO "das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.

2.7. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffern 2 und 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Gleiche Überlegungen hätten auch für den Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 1 FPG Gültigkeit (siehe VwGH vom 24.03.2015, Ro 2014/21/0080). Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0028-3, erneut auf diese Problematik hingewiesen und eine Inschubhaftnahme bzw. Anhaltung auf Basis des § 76 Abs. 1 FPG in der seinerzeitigen (zum Zeitpunkt der gegenständlichen Schubhaftverhängung gültigen) Fassung als rechtswidrig qualifiziert.

2.8. Mit der am 29.05.2015 in Kraft getretenen Novellierung der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz (FPG-DVO) versuchte das Bundesministerium für Inneres diesen Zustand (bis zum Inkrafttreten einer FPG-Novelle im Juli 2015) zu sanieren. Mit Erkenntnis vom 13.06.2016, V152/2015 ua, bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzeskonformität dieser Verordnung.

2.9. In Erledigung einer Revision vom 11.06.2015 führte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108 - unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 15.03.2017, C-528/15 - aus, dass die Festlegung von Kriterien zur Annahme einer Fluchtgefahr durch ein Gesetz im formellen Sinn hätte erfolgen müssen. Aufgrund dessen sei unter Berücksichtigung der in Punkt 2.7. angeführten Entscheidung vom 19.02.2015 auch die FPG-DVO nicht geeignet (gewesen), Schubhaften im Anwendungsbereich der Dublin III-VO zu ermöglichen.

2.10. Da das FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer Fluchtgefahr verfügte, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Dementsprechend ist auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen. Auf weitere Punkte der Beschwerde muss daher nicht näher eingegangen werden.

3. Zur unentgeltlichen Beigabe eines Verfahrenshelfers

3.1. Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers damit, dass § 40 VwGVG vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogen worden sei, weil Bedenken bestünden, ob § 40 VwGVG dem Art. 6 EMRK entspreche. Das Schubhaftverfahren falle zwar nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK, aber in den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta. Art. 47 GRC habe dieselbe Tragweite wie Art. 6 Abs. 1 EMRK, weshalb der Äquivalenzgrundsatz zu berücksichtigen sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich Anspruch auf Beigabe eines Rechtsberaters gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG. Die Rechtsberatung sei nicht mit der Verfahrenshilfe gleichwertig, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsberatung lediglich über die ihn betreffende rechtliche Situation aufgeklärt werde, ihm aber kein Rechtsvertreter vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben werde. Dadurch sei der Beschwerdeführer auf die Beiziehung eines gewillkürten Vertreters angewiesen gewesen. Für gewillkürte Vertreter gebe es keine qualitativen Mindeststandards und kein Anforderungsprofil, wie etwa im Hinblick auf die Rechtsberatung (§ 48 BFA-VG) oder Rechtanwälte (§ 1 RAO). Der rechtsunkundige Beschwerdeführer sei mangels Deutschkenntnissen und auf Grund der rechtlichen Komplexität des Falles nicht in der Lage, im Verfahren selbst Schriftsätze abzufassen, den Akteninhalt zu erfassen oder sich selbst in der Verhandlung zu vertreten. Auf Grund seiner finanziellen Situation sei er nicht in der Lage, ohne Beeinträchtigung seines Lebensunterhalts die Mittel für eine rechtsfreundliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt aufzubringen, die Eingabegebühr zu entrichten oder der Behörde im Falle des Obsiegens den Aufwand zu ersetzen.

3.2. Insbesondere durch die Zuordnung der Bestimmung betreffend Verfahrenshilfeverteidiger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum

3. Hauptstück - Besondere Bestimmungen, 2. Abschnitt - Verfahren in Verwaltungsstrafen des VwGVG, und die Verwendung der Begriffe "Beschuldigter" und "Strafsache" in § 40 VwGVG, bringt der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe nur für das verwaltungsgerichtliche Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist (idS auch VfGH 09.12.2014, E 599/2014).

Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG zur Vertretung von Interessen im Beschwerdeverfahren betreffend einen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft kam mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (s. VfGH 17.09.2015, E 1343-1345/2015).

3.3. Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn dieser Antrag bereits von einem Bevollmächtigten des Beschuldigten gestellt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Es würde daher den Sinn der oben wiedergegebenen Bestimmung gänzlich unterlaufen, wenn ein Bevollmächtigter für seinen Mandanten einen Verfahrenshelfer beantragen kann. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher ein bereits (aufrecht) vertretener Beschwerdeführer jedenfalls nicht legitimiert, einen Verfahrenshelfer zu beantragen, weshalb dem diesbezüglichen Antrag nicht Folge zu geben ist. Im Übrigen ist nicht schlüssig, wieso der Vertreter im gegenständlichen Verfahren - der zunächst als amtswegiger Rechtsberater im Schubhaft-Beschwerdeverfahren bestellt worden ist und in dieser Funktion regelmäßig tätig ist - offenbar davon ausgeht, für die Vertretung in solchen Verfahren nicht hinreichend kompetent zu sein. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wieso die Abfassung einer Beschwerde für einen Beschwerdeführer in Asyl- oder Schubhaftverfahren nur durch einen gewillkürten Vertreter erfolgen können sollte, zumal dies durchaus im Aufgabenbereich eines amtlich bestellten Rechtsberaters liegt.

Festzuhalten ist allerdings, dass die vorliegende Vertretungsvollmacht auch eine Inkassovollmacht umfasst, die in dieser Form dem Vertreter nicht erteilt werden könnte, wäre er im gegenständlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsberater tätig.

3.4. Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Erkenntnis vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, aus, dass in Anbetracht des dem Unionsrecht zukommenden Vorrangs die verfassungsrechtliche Immunisierung des § 40 VwGVG vor dem Hintergrund des Art. 47 Abs. 3 GRC irrelevant sei. Im Übrigen sei aber ohnehin davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenshilfe gegebenenfalls, wenn keine geeignete innerstaatliche Anspruchsgrundlage existiere, direkt auf Basis von Art. 47 Abs. 3 GRC zu gewähren sei. Für die Auslegung und Anwendung der Grundrechtecharta sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes maßgebend. Dieser berücksichtige wiederum die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Auch die Erläuterungen zu Art. 47 Abs. 3 GRC würden ausdrücklich auf das Judikat des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, verweisen, wonach Prozesskostenhilfe zu gewähren sei, wenn mangels einer solchen Hilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet sei. Es gebe auch ein Prozesskostenhilfesystem für die beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Rechtssachen. Für das Verständnis von Art. 47 Abs. 3 GRC sei damit die in diesem Urteil, mit dem eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK konstatiert wurde, weil mangels Beigabe eines Rechtsanwalts kein wirksames Recht auf Zugang zum zuständigen Gericht gegeben war, angestellten Überlegungen maßgeblich. Dabei sei bedeutsam, dass die Beschwerdeführerin des vom EGMR entschiedenen Falles ihr Recht vor dem zuständigen Gericht auch persönlich geltend machen habe können. Das habe jedoch nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ihrem Anspruch auf Zugang zum Gericht nicht genügt; in Anbetracht der in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht gegebenen Schwierigkeiten des Verfahrens vor dem zuständigen Gericht und der besonders in Ehestreitigkeiten - diese seien dem zu beurteilenden Fall zu Grunde gelegen - möglichen emotionalen Spannungen sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, ohne anwaltlichen Beistand ihre Rechte wirksam wahrzunehmen; allerdings folge aus der Verpflichtung, Zugang zum Gericht zu gewährleisten, nicht zwangsläufig die generelle Verpflichtung der Vertragsstaaten, in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Verfahrenshilfe zu gewähren. Es stehe jedem Staat frei, in welcher Weise er seine Verpflichtung erfülle, dem Einzelnen wirksamen Zugang zu den Zivilgerichten zu verschaffen; die Gewährung von Prozesskostenhilfe sei nur eine von denkbaren Möglichkeiten. Eine Vereinfachung des Verfahrens stelle eine weitere Möglichkeit dar, denn nicht in allen Fällen sei es dem Einzelnen unzumutbar, seinen Fall persönlich, ohne Hilfe eines Anwalts, dem Gericht vorzutragen. Daran habe der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil 22.12.2010, Rs C-279/09, Fall DEB Deutsche Energiehandles- und Beratungsgesellschaft mbH, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwalts umfassen könne, einzelfallbezogen nach Maßgabe insbesondere folgender Kriterien zu erfolgen habe: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen.

In der weiteren Folge verneinte der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob § 52 Abs. 1 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 einen ausreichenden Komplementärmechanismus darstellte, der die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe entbehrlich machte, weil eine Vertretung des Fremden in einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dieser Rechtslage nur gesichert war, wenn eine Rückkehrentscheidung Beschwerdegegenstand war, nicht aber im Falle der Schubhaft. Dies decke sich mit Art. 9 Abs. 6 und 7 RL 2013/33/EU, wonach es der Beigabe eines Rechtsanwaltes nicht bedürfe, es aber vorzusehen sei, dass der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen könne, und zwar dergestalt, dass zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden zu erfolgen habe. Diese Garantien entsprächen nach aktueller Sichtweise typischerweise dem, was einem Schubhäftling zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne der hier fraglichen Chartabestimmung anzugedeihen lassen sei. Dem entspreche § 52 Abs. 2 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 nicht, weil eine Vertretung des Fremden in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Schubhaftsachen nicht zum Aufgabenkreis eines Rechtsberaters zähle.

Mit dem FRÄG 2015 wurde (in Umsetzung des Art. 9 RL 2013/33/EU [RV 582 BlgNR 25. GP 10]) in § 52 Abs. 2 BFA-VG folgender Satz eingefügt: "In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen."

Hiezu führen die Materialien aus: "Die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird um die Möglichkeit der Vertretung in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. gegen eine Entziehung oder Beschränkung der Grundversorgung und um die Verhandlungsteilnahme in einem Beschwerdeverfahren wegen eines Antrages auf internationalen Schutz und über die Anordnung von Schubhaft erweitert. [...] Art. 9 Neufassung der Aufnahmerichtlinie umfasst außerdem, dass der Rechtsberater auf Ersuchen auch bei der mündlichen Verhandlung betreffend die Schubhaft teilzunehmen hat. Ein Einschreiten des Rechtsberaters setzt jeweils das Einverständnis des Fremden voraus."

Wenn auch § 52 Abs. 2 BFA-VG nur von "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung spricht, kann diese Bestimmung vor dem Hintergrund der Materialien (RV 582 BlgNR 25. GP 10) in richtlinienkonformer Interpretation (VfSlg. 14.889/1997) nur so verstanden werden, dass damit die von Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU geforderte "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung "im Namen des Antragstellers" angeordnet ist. Die von der Richtlinie ebenfalls geforderte Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente ist von der Unterstützung des Beschwerdeführers bei der Beschwerdeeinbringung und im Beschwerdeverfahren im Sinne des ersten Satzes umfasst.

Auf Grund der Umsetzung des Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU liegt nunmehr ein wirksamer Komplimentärmechanismus iSd Erkenntnisses VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, vor.

3.5. Es bestehen auch keine Bedenken gegen § 52 Abs. 2 BFA-VG im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr wegen der Verwendung der Begriffe "Vertretung" durch den Rechtsberater in den Fällen des zweiten Satzes einerseits und die "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung in den Fällen des vierten Satzes andererseits:

Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Schubhaftverfahren die Sicherstellung dafür, dass "der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen kann. Die Rechtsberatung und -vertretung umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden." Ebenso verlangt Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU betreffend Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz die Sicherstellung dafür, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und - vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers."

Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Verfahren betreffend die Grundversorgung hingegen, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch genommen werden kann, soweit dies zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist. Dies umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Vertretung vor den Justizbehörden im Namen des Antragstellers." Der im Zeitpunkt der Erlassung des § 52 BFA-VG idF BGBl. I 87/2012 in Geltung gestanden habende Art. 13 Abs. 4 RL 2008/115/EG verlangte "rechtliche Beratung, rechtliche Vertretung und - wenn nötig - Sprachbeistand" im Hinblick auf Rückkehrentscheidungen und verwies auf Art. 15 Abs. 3-6 RL 2005/85/EG; die RL 2005/85/EG wurde durch Art. 53 RL 2013/32/EU aufgehoben, laut Anhang III RL 2013/32/EU entspricht Art. 15 Abs. 1 RL 2005/85/EG Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU.

Die Verwendung der Begriffe "Teilnahme" einerseits und "Vertretung" andererseits resultiert folglich aus der unterschiedlichen Textierung der durch § 52 Abs. 2 BFA-VG umgesetzten Richtlinien.

3.6. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass der Unionsrechtssetzer den Begriffen "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers" einerseits und "Vertretung" andererseits einen anderen Bedeutungsgehalt zugemessen hätte: So verlangt der in der deutschen Sprachfassung die Teilnahme des Rechtsberaters an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernde Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU "que les États membres veillent à ce que les demandeurs aient accès à l'assistance juridique et à la représentation gratuites. Ceci comprend, au moins, la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur" ebenso wie Art. 26 Abs. 2 derselben Richtlinie, der betreffend die Grundversorgung in der deutschen Sprachfassung die "Vertretung" durch den Rechtsberater verlangt ("Les États membres veillent à ce que l'assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées à la demande, dans la mesure où cette aide est nécessaire pour garantir un accès effectif à la justice. Cette aide comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur").

Gleiches gilt für den in der deutschen Fassung wiederum die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernden Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU, der ebenso verlangt, dass "Les États membres veillent à ce que l'assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées sur demande dans le cadre des procédures de recours visées au chapitre V. Ceci comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant une juridiction de première instance au nom du demendeur." Im Gegensatz zur deutschen Sprachfassung unterscheidet die französische somit nicht zwischen "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers" und "Verhandlung", sondern bezeichnet beides als "participation à l'audience".

Gleiches gilt für die englische Sprachfassung, die ebenfalls gleichlautend verlangt, dass "Member States shall ensure that applicants have access to free legal assistance and representation. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU), "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is made available on request in so far as such aid is necessary to ensure effective access to justice. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU) und "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is granted in request in the appeal procedures provided by Chaper V. It shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 20 Abs. 1 RL 2013/33/EU).

Vor diesem Hintergrund kann dem Unionsrechtssetzer nicht zu gesonnen werden, er habe in Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU, Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU und Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU nicht den gleichen Gewährleistungsumfang vorgesehen.

Auf Grund der Materialien, die nur ausführen, dass durch § 52 Abs. 2 BFA-VG die betreffenden Richtlinienbestimmungen umgesetzt werden sollen, kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung der Begriffe "Vertretung" einerseits und "Teilnahme" (an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers) andererseits im Rahmen der unionsrechtlichen Ermächtigung in den Fällen des zweiten Satzes im Gegensatz zu den Fällen des vierten Satzes einen über die vom Unionsrecht statuierten Mindesterfordernisse hinausgehenden Gewährleistungsumfang vorsehen wollte. Eine derartige Interpretation würde vielmehr dem Gesetz einen im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr verfassungswidrigen Inhalt unterstellen.

3.7. Im Sinne des Urteils des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, lag somit im Falle des Beschwerdeführers, dem ein Rechtsberater beigegeben war, der für ihn die Beschwerde einbrachte, der auf sein Ersuchen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen gehabt hätte, und dem er zudem Vertretungsvollmacht erteilte, kein Fall vor, indem mangels der unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet ist.

Daher liegen auch die Voraussetzungen für die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe nach Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU oder Art. 47 Abs. 3 GRC nicht vor.

3.8. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass dem zu dieser Frage ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, im Übrigen nicht zu entnehmen ist, dass § 40 Abs. 5 VwGVG im gegenständlichen Fällen nicht anwendbar wäre oder nicht in dieser Form interpretiert werden dürfte.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

4.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

4.2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

4.3. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass die belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Der Behörde gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz. Der Beschwerdeführer ist auf Grund der Rechtswidrigkeit der Schubhaftanordnung und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb er Anspruch auf Kostenersatz (soweit beantragt und im Umfang der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen) hat. Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.

6. Eingabegebühr

Der Beschwerdeführer stellt zudem den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr.

Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten