TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/22 W240 2177255-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2018
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Entscheidungsdatum

22.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2177255-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Eritrea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1155146405/170659891, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.08.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Eritrea, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 04.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 05.06.2017 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zu seiner Person angab, er habe ein Jahr in XXXX ein College bzw. eine Militärschule besucht. Berufsausbildung habe er keine. Zuletzt habe er bis XXXX 2015 als Soldat gearbeitet. Seine Eltern, seine Ehefrau, seine Tochter und sein Sohn sowie seine Schwester und sein Bruder würden im Herkunftsland leben. Zudem habe er einen Bruder in Kanada und einen in Uganda. Eine Schwester sei in Norwegen aufhältig. Zuletzt habe er in XXXX gewohnt. Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass es kein Ende des Militärdienstes gebe. Man müsse ewig Soldat bleiben und jedes Jahr aufgrund eines jeden Fehlers für eine gewisse Zeit ins Gefängnis. Diese Strafen seien immer höher geworden. Er sei sogar nach seiner Hochzeit im Gefängnis gewesen, da er zu spät in den Dienst gekommen sei. Im Gefängnis werde man geschlagen und gefoltert. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, lebenslang in ein Gefängnis auf eine Insel zu kommen. Menschen seien wertlos, man werde getötet und gefoltert.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 07.09.2017 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich. Der Beschwerdeführer gab zu seinem Ausreisegrund im Wesentlichen wie folgt an:

"(...)

LA: Nennen Sie bitte nochmals Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihre Staatsangehörigkeit.

VP: Ich heiße XXXX und ich wurde am XXXX geboren. Ich wurde in XXXX geboren und ich bin Staatsangehöriger von Eritrea.

Anmerkung: Aufgrund einer fehlenden Unterschrift wird eine neue Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt.

Befragt, woher ich mein Geburtsdatum weiß, gebe ich an, dass ich die Geburtsurkunde hier habe.

Anmerkung: Eine Kopie der Geburtsurkunde wird vorgelegt und zum Akt genommen. Schulzeugnisse in Kopie, Zertifikate und eine Bestätigung über die Eheschließung in Kopie werden vorgelegt und zum Akt genommen.

(...)

LA: Wo befinden sich die entsprechenden Originale der Kopien?

VP: Sie sind bei meiner Frau. Sie lebt in Uganda.

Befragt, ob es mir möglich wäre, die Originale zu organisieren, gebe ich an, dass meine Frau dort befragt wird und sie benötigt die Originale dort. Wenn es nötig ist, dann bringe ich sie schon.

LA: Wo wuchsen Sie auf?

VP: In XXXX .

(...)

LA: Sind Sie im Besitz von weiteren Dokumenten, die Ihre Identität bestätigen (Reisepass, Führerschein)?

VP: Ich hatte nie einen Reisepass. Den Führerschein habe ich mit.

Anmerkung: Der Führerschein wird zum Akt genommen.

LA: Welche Dokumente haben Sie in Eritrea zusätzlich je besessen?

VP: Ich hatte nichts mehr.

LA: Warum haben Sie den Personalausweis nicht schon bei der Erstbefragung vom 05.06.2017 vorgelegt?

VP: Ich hatte ihn nicht.

Nachgefragt gebe ich an, dass er in Uganda war.

Nachgefragt gebe ich an, dass eine Frau aus der Schweiz als Touristin nach Uganda gereist ist. Mein Bruder hat ihr den Personalausweis gegeben und sie hat ihn mir dann nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz geschickt. Sie ist mit mir verwandt.

Nachgefragt gebe ich an, dass sie väterlicherseits weitschichtig mit mir verwandt ist. Sie ist die Tochter der Cousine meines Vaters.

Befragt zu Verwandten in Österreich gebe ich an, dass ich keine habe.

LA: Welche Schulbildung haben Sie?

VP: Ich besuchte die Grundschule, die High School und ich machte ein Diplom in Buchhaltung, in Maschinschreiben. Ich absolvierte eine Feuerwehrausbildung und ich habe auch als Feuerwehrmann gearbeitet.

Befragt, von wann bis wann ich die Schule besuchte, gebe ich an, dass, als ich 7 Jahre alt war, ich in die erste Klasse kam.

Anmerkung: VP notiert die Jahreszahlen auf einem Blatt Papier.

VP: 1992 bis 1999 besuchte ich die Grundschule. Von 2000 bis 2005 besuchte ich die High School. 2006 machte ich die Matura in XXXX .

Befragt, wo ich die Schule besuchte, gebe ich an, dass ich bis auf XXXX die Schule in XXXX besuchte.

Befragt zum Namen der High School gebe ich an, dass der Name XXXX (Rotes Meer) geheißen hat.

LA: Welcher Volks- und Glaubensgruppe gehören Sie an?

VP: Ich bin christlich-orthodox und ich gehöre der Volksgruppe der XXXX an.

LA: Wie haben Sie in Ihrem Heimatland Ihren Lebensunterhalt bestritten?

VP: Ich arbeitete mit meinem Vater.

Nachgefragt gebe ich an, dass mein Vater eine Bäckerei hatte und er hatte auch eine Schlosserei. Es war wie ein Bauhaus.

Befragt, seit wann ich bei meinem Vater arbeitete, gebe ich an, dass ich meistens im Bauhaus meines Vaters arbeitete und dass ich, als ich anfing, noch sehr klein war. Das war 1997. Ich habe zuerst nur geschaut und habe nicht gleich angefangen zu arbeiten.

Befragt wie viel Geld mir monatlich zur Verfügung stand, gebe ich an, dass ich 3.000,- Nakfa (entspricht gem. XE Converter EUR 163,62) hatte.

LA: Wie ist Ihr Familienstand?

VP: Ich bin verheiratet.

LA: Wie erfolgte die Eheschließung?

VP: Wir heirateten standesamtlich und traditionell.

Befragt zu meiner Ehefrau gebe ich an, dass sie XXXX wurde sie geboren.

LA: Welche Staatsbürgerschaft besitzt Frau XXXX ?

VP: Sie ist auch eritreische Staatsbürgerin.

Befragt, wann und wo die Eheschließung stattfand gebe ich an, dass sie am XXXX stattfand und zwar in XXXX .

Befragt, wann und wo ich Frau XXXX kennenlernte, gebe ich an, dass ich sie am 17.07.2007 kennenlernte, in XXXX , XXXX , wo ich gearbeitet habe.

Befragt zu Kindern gebe ich an, dass ich zwei Kinder habe.

(...)

Beide wurden in XXXX geboren.

Nachgefragt gebe ich an, dass meine Frau die Mutter der Kinder ist.

Befragt, wo sich Frau XXXX und die Kinder aufhalten, gebe ich an, dass sie in XXXX , in Uganda sind.

Nachgefragt gebe ich an, dass mein Bruder in der Nähe ist, aber sie ist mit den Kindern alleine dort.

LA: Wo haben Sie nach der Eheschließung mit Frau XXXX gewohnt? Nennen Sie bitte die konkrete Adresse.

VP: In XXXX , im Viertel XXXX .

Nachgefragt gebe ich an, dass XXXX die Straße war.

LA: Wo lebt die Familie von Frau XXXX ?

VP: In XXXX , in XXXX .

LA: Stehen Sie mit Frau XXXX in Kontakt?

VP: Ja, via WhatsApp.

Nachgefragt gebe ich an, dass es ihr gut geht, aber sie vermissen mich.

LA: Wie alt waren Sie zum Zeitpunkt der Eheschließung?

VP: Ich war 27 Jahre alt.

Befragt, wie alt meine Frau war, gebe ich an, dass sie 26 Jahre alt war.

LA: An welcher Adresse haben Sie zuletzt vor Ihrer Ausreise gelebt?

VP: In XXXX , XXXX .

LA: Mit wem haben Sie dort zusammen in einem Haushalt gewohnt?

VP: Mit meiner Frau und mit meinen Kindern. Mit meinem Sohn war meine Frau noch schwanger.

LA: Bis wann waren Sie an dieser Adresse aufhältig?

VP: Bis 28.02.2015.

LA: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

VP: Am 28.02.2015.

Befragt, wo ich bis zu meiner Einreise in Österreich lebte, gebe ich an, dass ich 9 Monate in Äthiopien war. Dann bin ich durch Kenia. Dann bin ich nach Uganda. In Uganda war ich ein Jahr und drei Monate. Von Uganda bin ich dann in die Türkei. In der Türkei war ich eine Woche, dann bin ich nach Griechenland. Ca. drei Wochen war ich dort. Dann weiß ich nicht, durch welche Länder ich reiste, bis ich nach Österreich gekommen bin.

LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grundstücke etc.?

VP: Mein Vater hat eine Bäckerei und er besitzt eine Wohnung. Die Schlosserei war nicht in seinem Besitz, er hat sie gemietet.

LA: Was waren Ihre Gründe für die Ausreise aus Ihrem Heimatland?

VP: Der ewige Militärdienst. Ich habe neun Jahre gedient. Da ich lange dort war, kam ich selten zu meiner Familie. Ich wurde bestraft, ich kam ins Gefängnis und ich kann nicht frei leben. Ich kann mein Leben nicht so führen, wie ich es gerne wünsche. Ich kam nur für den Urlaub nach Hause. Es gibt im Jahr zwei Monate neues Training für das Militär. Es ist wie eine Reserve. Es wird dadurch alles aufgefrischt. Ich bin es einfach nur müde. Wenn ich dort nicht hingehe, werden sie das Geschäft meines Vaters zusperren. In der Nacht muss man auch Wache schieben. Wir sind zwar verheiratet, aber das Familienleben führe ich nicht, so wie ich will. Man kann nur Kinder bekommen, bevor man stirbt.

Schließlich wollten sie mich weit an die Grenze zum Sudan verlegen, also weit von meiner Familie weg. Ich war in XXXX und ich habe mit den anderen gestritten und sie haben, weil ich zurückgeredet habe, mich einen Monat ins Gefängnis gesteckt. Ich sagte, dass wenn sie mich verlegen würden, ich das nicht machen werde, da ich Familie habe. Sie sagten: "Warum gründest du auch eine Familie, wenn du vom Militär noch nicht frei bist?" Dann habe ich mich entscheiden, weil die Regierung nie von uns genug hat, zu fliehen. Ich war acht Jahre beim Militär und ich sagte, dass ich 8 Jahre der Regierung gediente habe. Das müsste doch genug sein, denn mit Korruption oder wenn sie andere Leute kennen, gehen sie nach zwei Jahren frei. Die Kinder der Chefs, die in der Regierung sind, zahlen nichts.

Befragt gebe ich an, dass ich im Falle einer etwaigen Rückkehr befürchte, dass ich im Gefängnis lande. Ich bin illegal ausgereist. Es gibt ein sehr schreckliches Gefängnis auf einer Insel und dort werde ich dann sterben.

LA: Bitte nennen Sie die Namen jener Insel und des darauf befindlichen Gefängnisses.

VP: XXXX ist der Name der Insel und das Gefängnis ist unterirdisch. XXXX ist der Name des Gefängnisses. Ein weiteres Gefängnis ist XXXX

.

LA: In welcher Einheit haben zuletzt Sie gedient?

VP: Ich war Wachmann in XXXX .

Nachgefragt zu meiner Einheit gebe ich an, dass ich in der XXXX war.

LA: Wo genau war diese XXXX stationiert?

VP: In XXXX , in XXXX und in XXXX .

Befragt zu einer Adresse gebe ich an, dass ich keine angeben kann.

Befragt, was oder wen ich bewachte, gebe ich an, dass ich mit einem Gewehr das Büro und die Zentrale bewachte. In XXXX bewacht man die Grenze. Auch an der Grenze zum Sudan muss man die Gegner bewachen. Manchmal kommen sie in zivil.

LA: Seit wann dienten Sie beim Militär?

VP: Seit 2005.

Nachgefragt seit wann genau, gebe ich an, dass ich seit XXXX diente. Damals war ich in XXXX und dort war ich ein Jahr im Training. Direkt danach bin ich nach XXXX gegangen.

Nachgefragt gebe ich an, dass ich dort ein Jahr blieb.

Befragt, wie viel freie Zeit ich als Wachmann im Jahr hatte, gebe ich an, dass es einen Monat Freizeit gab. Mehr nicht.

Befragt zu einem Militärbuch, gebe ich an, dass ich keines habe. Es war kein Buch, auch kein Ausweis. Es gab nur ein kleines Papier, das wir nicht nehmen durften. Das blieb beim Militär und nur, wenn man freikam, bekam man auch einen Ausweis. Das kleine Papier wird jeden

2. Monat verlängert.

LA: Haben Sie einen Beleg, dass Sie für das Militär dienten?

VP: Nein, ich habe nichts. Es gibt nur ein Foto, das zeigt, dass wir in XXXX waren. Wir durften auch nichts fotografieren. Hätten sie das gesehen, wären wir ins Gefängnis gekommen.

LA: Wie haben Sie sich im Zuge einer Kontrolle durch Regierungsbeamte ausgewiesen?

VP: Wir haben extra etwas bekommen. Wenn man sich von seinem Ort fortbewegte, bekam man einen Zettel, auf dem geschrieben stand, wohin man sich bewegt und in welchem Zeitraum. Wenn ich zum Beispiel von XXXX nach XXXX für zwei Wochen zu meiner Familie ging und dann einen Tag zu spät zurück kam, war ich für 6 Monate im Gefängnis.

(...)

LA: Bitte schildern Sie Ihre Laufbahn beim Militär mit Angabe der Funktion, des Dienstgrades, Aussehen der Uniform und des Abzeichens?

VP: Zuerst 2005 gab es dann das Training und die Uniform war so bräunlich. Nach den sechs Monaten Training kam ich in die Schule. Die Uniform bestand aus einem weißen Hemd und einer grünen Hose. Nach der Schule bekam man wieder die Uniform und dann wurde ich nach XXXX für ein Jahr verlegt. Ich war Soldat. Bei der Grenzüberwachung war ich tätig und je nach Jahreszeit habe ich auch auf dem Feld gearbeitet. Ich schnitt Getreide oder sammelte Holz.

Ich habe dann die Feuerauswehrbildung für sechs Monate in XXXX gemacht. Das entscheiden die Noten in XXXX , was man danach macht. Man wird dann verteilt.

Nach der Feuerwehrausbildung in XXXX kam ich wieder nach XXXX zurück. Dann war ich oft in XXXX , in XXXX und in XXXX . Dort mussten wir eine Wand für den Staudamm errichten.

Befragt zum Gewässer gebe ich an, dass der Fluss XXXX heißt. Ich war ca. ein Jahr dort.

Ich bin zwischen XXXX , XXXX und XXXX herumgefahren.

Befragt, wann ich nach XXXX zurückging, gebe ich an, dass ich nicht fix in XXXX war. Ich bin auch wieder nach XXXX und XXXX zurückgekehrt.

Von 2014 bis 2015 war ich ca. acht Monate in XXXX als Wachmann tätig.

LA: Wie soll Ihrer Meinung nach das Militär auf Disziplinlosigkeit reagieren?

VP: Überhaupt das ganze System ist Bestrafung. Wenn man dann 14 Tage weggeht und dann kann man zum Beispiel wegen der Straße oder wegen der Sonne nicht rechtzeitig zurückkommen. Strafe soll schon sein, aber nicht jedes Mal, wenn man zum Beispiel wegen einer Krankheit zu spät kommt.

LA: Kennen Sie andere Länder, in denen es einen verpflichtenden Militärdienst gibt?

VP: Ich weiß, dass es das gibt. Ein Jahr oder ein Jahr und acht Monate ist in anderen Ländern Pflicht. Aber die müssen dann nicht das ganze Leben dienen, wie in Eritrea.

LA: Wann genau wurden Sie verhaftet?

VP: XXXX .

LA: Von wem wurden Sie 2014 verhaftet?

VP: Von der Behörde, weil ich mich weigerte mich nach XXXX verlegen zu lassen.

Befragt zu einem genauen Datum gebe ich an, dass es im August war. Genaueres Datum kann ich Ihnen keines angeben.

Befragt zu einer schriftlichen Aufforderung für die Verlegung gebe ich an, dass man einen Zettel bekommt und man wird aufgefordert das zu unterschreiben und sie nehmen es dann wieder an sich. Kein Dokument geht raus.

Befragt zu einem Haftbefehl gebe ich an, dass es gleich passierte. Sowie ich mich weigerte, kam ein Soldat und hat mich ins Gefängnis gebracht.

LA: Warum hat man Sie nicht einfach verlegt?

VP: Sie haben Recht. Ich hatte Argumente und der Vorgesetzte war nicht streng. Ich sagte ihm, dass ich lange genug gedient habe und ich eine Familie habe, deswegen wurde ich ins Gefängnis geschickt und bin nicht gleich verlegt worden. Es war ein Zufall, dass man mich gleich in das Gefängnis schickte, denn sie dachten, dass sobald ich aus dem Gefängnis herauskomme, ich ohne meine Zustimmung dorthin geschickt werde, wohin sie mich bringen wollen.

LA: Haben Sie versucht sich, wie vorhin geschildert, frei zu kaufen?

VP: Ich habe es schon versucht. Sie nahmen das Geld, aber es nützte nichts.

Befragt, welche Summe ich bezahlte, gebe ich an, dass sie 50.000, bis 200.000,- Nakfa haben wollten, aber ich habe nur 50.000,-

umsonst bezahlt

LA: Ihre Reise hat mehr als 200.000,- Nakfa gekostet. Was sagen Sie dazu? Geld hatten Sie offensichtlich genug zur Verfügung?

VP: Auch die Söhne der Chefs fliehen. Man ist immer Reservist.

LA: In welchem Gefängnis waren Sie 2014?

VP: Das heißt auch XXXX .

Befragt, wie lange ich im Gefängnis war, gebe ich an, dass ich 45 Tage im Gefängnis war. Einen Monat und zwei Wochen.

LA: Von wann bis wann waren Sie im Gefängnis?

VP: Das Datum weiß ich nicht, aber es war im August.

Befragt, ob es im Gefängnis zu besonderen Vorkommnissen gekommen ist, gebe ich an, dass es in XXXX nicht so viel Bestrafung gab. Essen und Trinken waren reduziert. Es gab nur Brot und ein Glas Wasser.

Befragt, ob ich Besuch von meiner Familie hatte, gebe ich an, dass das nicht erlaubt ist. Sie wussten aber, wo ich war.

LA: Wann wurden Sie freigelassen?

VP: Nach 45 Tagen. Genaues Datum weiß ich nicht.

LA: Wie erfolgte die Freilassung?

VP: Die Behörde hat mich freigelassen und ich musste in XXXX als Wachmann weiterarbeiten, bis es zu einer Entscheidung bezüglich der Verlegung kommt.

LA: Haben Sie Entlassungspapiere?

VP: Nein.

LA: Wie lange arbeiteten Sie nach der Entlassung noch als Wachmann?

VP: Ca. fünf Monate.

LA: Was genau passierte nach den fünf Monaten, sodass Sie Ihre Heimat verließen?

VP: Ich dachte während der fünf Monate immer nur daran, wohin sie mich bringen werden und was sie mit mir machen werden. Ich hatte einfach Stress. Ich hatte einen langen, langen Dienst hinter mir und entschloss mich, zu fliehen.

Befragt, ob ich versuchte, regulär meinen Dienst zu beenden, gebe ich an, dass ich es versuchte. Ich arbeitete diszipliniert, aber es ging nicht. Ich bezahlte auch Geld.

LA: Was zahlte Ihnen die Regierung monatlich für Ihre Arbeit?

VP: Als ich als Feuerwehrmann am XXXX arbeitete, verdiente ich 400,-

Nakfa. In XXXX und anderswo bekam ich 45,- Nakfa plus Nächtigung und Essen.

LA: Warum verließen Sie, nach relativ langen Aufenthalten, Äthiopien und Uganda?

VP: Ich habe versucht von Äthiopien aus nach Amerika zu fliehen, aber es gelang mir nicht und ich bin dann nach Uganda. In Uganda wohnte ich bei meinem Bruder und habe dann versucht, von Uganda wegzukommen.

LA: Warum wollten Sie von Äthiopien und Uganda weg?

VP: Mein Plan war, nach Europa zu gelangen. Es war kein Plan, in Äthiopien oder Uganda zu leben.

LA: Reiste Ihre Familie gemeinsam mit Ihnen aus?

VP: Ich reiste alleine aus. Die Familie war zuhause. Im Juli 2017 sind sie nach Uganda gekommen.

(...)"

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Dokumenten, u.a. seinen Führerschein, seine Geburtsurkunde sowie seine Heiratsurkunde und einen Militärausweis, vor.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 20.10.2017, Zl. 1155146405/170659891, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Eritrea abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Eritrea zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Eritrea getroffen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund einer Verfolgung oder einer Furcht vor solcher verlassen habe. Seine Ausführungen in Bezug auf seinen Militärdienst und seine Gefängnisaufenthalte, die zur Flucht aus Eritrea geführt hätten, haben nicht glaubhaft festgestellt werden können. Eine Gefährdung im Falle der Rückkehr nach Eritrea habe nicht festgestellt werden können. Eine Rückkehr in seine Heimat sei zumutbar.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus seiner Heimat flüchten habe müssen, da der Militärdienst kein Ende habe. Er sei oftmals von unbegrenzter Dauer, und von menschenrechtswidrigen Übergriffen der Offiziere gekennzeichnet. Sowohl wegen dieser Probleme und auch wegen der Gefahr, jedes Jahr wegen jedes Fehlers ins Gefängnis gebracht zu werden, und Folter ausgesetzt zu sein, habe der Beschwerdeführer flüchten müssen. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass ihm eine regimefeindliche Haltung unterstellt werde. Die Vorwürfe der belangten Behörde hätten keinen erkennbaren Begründungswert, unverständlich sei die Behauptung, der Beschwerdeführer hätte keine ausreichend detaillierten Angaben zu den fluchtauslösenden Ereignissen gemacht, da er genaue Angaben getätigt habe. Die Bemerkung des BFA, der Beschwerdeführer hätte einer Bestrafung entgehen können, wenn er sich richtig verhalten hätte, widerspreche den Länderberichten. Strafen würden beim eritreischen Militär willkürlich verhängt werden. Unter Verweis auf die Länderberichte und ausgewählte Artikel wurde festgehalten, die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers sei ebenso falsch wie die Bewertung der Gefährdung der der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre und, ob er in Eritrea eine akzeptable Existenz führen könne. Für den Fall einer Abschiebung bestehe die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der ausgesprochen schlechten Menschenrechtslage in Eritrea.

Am 20.03.2018 und am 26.06.2018 langten Unterstützungsschreiben ein.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 30.08.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Vertreter des MigrantInnenvereins St. Marx, einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde insbesondere zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft, der Lage in Eritrea und zu seiner Integration befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Eritrea sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend ein Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 25.02.2018 und USDOS US Department of State- Country Report on Human Rights Practices 2017 - Eritrea, 20.04.2018 zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

In der am 14.09.2018 eingelangten Stellungnahme wurde im Wesentlichen auf die bereits in der Beschwerde zitierten Artikel verwiesen und ausgeführt, dass die Verfolgung, die der Beschwerdeführer in Falle einer Abschiebung ausgesetzt wäre, aus den Länderberichten deutlich ersichtlich sei. Der Beschwerdeführer, der auch allgemein mit dem repressiven politischen System Eritreas und dem Mangel an Freiheit unzufrieden gewesen sei, habe aus Eritrea flüchten müssen, weil er sich mit dem unbegrenzten, und von menschenrechtswidrigen Übergriffen der Offiziere gekennzeichneten Militärdienst nicht mehr abfinden habe könne, und bereits massiven Verfolgungshandlungen der eritreischen Regierung gerade aus diesen Gründen ausgesetzt gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Eritrea, Zugehöriger der Volksgruppe der XXXX und bekennt sich zum christlich-orthodoxen Glauben. Er stammt aus XXXX , wo er geboren wurde und bei seinen Eltern und Geschwistern aufwuchs. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines Sohnes. Seine Frau und seine Kinder leben zurzeit in XXXX , Uganda.

Im Jahr 2015 verließ der Beschwerdeführer Eritrea und reiste über Äthiopien nach Uganda, wo er sich fünfzehn Monate lang aufhielt. Schließlich reiste er über die Türkei, Griechenland und Schweiz schlepperunterstützt nach Deutschland. Nach illegaler Einreise in Österreich stellte er am 04.06.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Abschluss der elften Klasse wurde der Beschwerdeführer zum Militärdienst einberufen und zum Militärstützpunkt XXXX beordert. Er arbeitete im Zuge seiner Militärtätigkeit unter anderem als Feuerwehrmann auf einem XXXX , zuletzt hat er als Wache ein Behördengebäude des Militärs in XXXX bewacht. Im Zuge seines Militärdienstes war der Beschwerdeführer oftmals einer erniedrigenden Behandlung sowie harten Strafen ausgesetzt und wurde auch für kleine Verfehlungen mehrmals inhaftiert. Nachdem er rund neun Jahre beim Militär gedient hatte, wiederholt inhaftiert und bestraft worden war und kein Zeitpunkt für eine Entlassung bzw. eine Beendigung des Militärdienstes vorherzusehen war, desertierte der Beschwerdeführer vom eritreischen Militär, insbesondere aufgrund der wiederholten Bestrafungen und Inhaftierungen.

Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Eritrea aufgrund seiner Desertion vom eritreischen Militär mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit eine hinreichend intensive Verfolgung von Seiten des eritreischen Staates zu erwarten hat. Aufgrund kleinerer Fehlverhalten war er bereits wiederholt inhaftiert und wird dem Beschwerdeführer deshalb und insbesondere wegen seiner Desertion eine gegen das eritreische Regime gerichtete, politische Gesinnung jedenfalls unterstellt. Eine neuerliche Inhaftierung in Verbindung mit unmenschlicher Behandlung bis hin zur Folter ist auch vor dem Hintergrund der oben angeführten Länderfeststellungen (vgl. hierzu insbesondere die Abschnitte "Wehrdienst und Rekrutierungen" sowie "Haftbedingungen") hinreichend wahrscheinlich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kommt dem Beschwerdeführer nicht zu.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht straffällig geworden.

Zur verfahrensrelevanten Situation in Eritrea:

Politische Lage

Eritrea ist nach dem Südsudan das zweitjüngste und eines der ärmsten Länder Afrikas. Das Land löste sich nach einem Referendum von Äthiopien und wurde 1993 ein eigener Staat (AA 21.11.2016).

Eritrea ist ein in sechs Provinzen aufgeteilter Zentralstaat. Die Verfassung von 1997 ist nie in Kraft getreten (AA 10.2016a). Alle wesentlichen Entscheidungen werden vom Präsidenten getroffen. Es gibt keine Gewaltenteilung (AA 10.2016a). Das Übergangsparlament besteht aus 150 Abgeordneten, von denen 75 dem Zentralrat der Staatspartei PFDJ (People's Front for Democracy and Justice) angehören. Weitere 60 Abgeordnete sind ausgewählte Vertreter der Provinzen und 15 Sitze entfallen auf die Vertreter der Auslandseritreer. Das Parlament trat zuletzt 2001 zusammen, nur auf Anforderung des Präsidenten. Es ist damit faktisch inaktiv (AA 10.2016a).

Seit der Unabhängigkeit sind weder Präsidentschafts- noch Parlamentswahlen durchgeführt worden. De facto handelt es sich in Eritrea um eine Einparteiendiktatur. Die Regierungspartei PFDJ ging 1994 aus der Befreiungsbewegung "Eritrean People's Liberation Front" (EPLF) hervor. Sie stellt den Staats- und Regierungschef Isaias Afewerki sowie die gesamte weitere politische Führung des Landes. Andere politische Parteien sind verboten (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Lage in Eritrea wird seit Jahren in erster Linie durch den ungelösten Grenzkonflikt mit Äthiopien bestimmt. Folgen sind unter anderem die weitgehende Militarisierung der Gesellschaft und ein Zurückdrängen der Privatwirtschaft durch staatlich gelenkte Wirtschaftsunternehmen (AA 10.2016a; vgl. AA 21.11.2016). Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien (Mai 1998 bis Juni 2000) ist der demokratische Prozess in Eritrea zum Stillstand gekommen. Präsident Isaias Afewerki regiert das Land unter Hinweis auf den ungelösten Grenzkonflikt ohne demokratische Kontrolle, gestützt auf die Sicherheitsbehörden und den Apparat der einzigen zugelassenen Partei PFDJ. Das Friedensabkommen von Algier vom 12.12.2000 beendete zwar den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien, die Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern bestehen allerdings unvermindert fort (AA 21.11.2016). Für seine repressiven innenpolitischen Maßnahmen greift Präsident Isaias auf eine "weder Krieg noch Frieden" Politik zurück (HRW 12.1.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2016a): Eritrea, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Eritrea/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.1.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Eritrea, http://www.ecoi.net/local_link/334689/476442_de.html, Zugriff 1.2.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Eritrea,

http://www.ecoi.net/local_link/322451/461928_de.html, Zugriff 30.1.2017

Sicherheitslage

Das deutsche Auswärtige Amt warnt eigene Bürger vor Reisen in die Grenzgebiete zu Äthiopien und Dschibuti (AA 31.1.2017). Die Beziehungen zu Äthiopien bleiben trotz des Friedensabkommens vom 12.12.2000 weiter angespannt (EDA 6.2.2017; vgl. AA 21.11.2016) und haben seit 2012 mehrfach zu bewaffneten Zusammenstößen an der gemeinsamen Grenze geführt (AA 21.11.2016). Am 12. Juni 2016 kam es in der eritreisch-äthiopischen Grenzregion zu schweren Kämpfen (DS 8.6.2016; vgl. BAMF 13.6.2016). Es ist nicht klar warum die Kämpfe ausgebrochen sind, jedoch befinden sich die Länder in einem "weder Krieg noch Frieden" Zustand. Im Zuge der Feierlichkeiten zur 25jährigen Unabhängigkeit beschuldigte der eritreische Präsident Isaias Afwerki Äthiopien, der Souveränität Eritreas feindlich gegenüber zu stehen. Der äthiopische Premierminister, Hailemariam Desalegn, hatte angekündigt, dass Äthiopien bereit sei, mit militärischen Maßnahmen auf eritreische Provokationen zu reagieren (BBC 13.6.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (31.1.2017): Eritrea, Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/sid_747C556AEA6A72286098D233576D91C2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/EritreaSicherheit_node.html, Zugriff 31.1.2017

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.6.2016):

Briefing Notes,

http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1465826992_1-deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-13-06-2016-deutsch.pdf, Zugriff 2.1.2017

-

BBC News (13.6.2016): Ethiopia and Eritrea blame each other for border clash,

http://www.bbc.com/news/world-africa-36515503, Zugriff 2.1.2017

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DS - der Standard (8.6.2016): UN-Bericht dokumentiert Kriegsverbrechen in Eritrea,

http://derstandard.at/2000038459447/UNO-Bericht-dokumentiert-schreckliche-Verbrechen-in-Eritrea, Zugriff 15.7.2016

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (27.1.2017): Reisehinweise Eritrea, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/eritrea/reisehinweise-fuereritrea.html, Zugriff 6.2.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt keine Gewaltenteilung. Die Justiz ist als Teil des Justizministeriums von diesem abhängig, es gibt Sondergerichte (AA 10.2016a). Die Reform der Justiz geht schleppend voran. Die EU unterstützt die Professionalisierung von "community courts". Die Justiz ist zwar formal unabhängig, tatsächlich aber vor Einmischungen durch die Exekutive nicht geschützt. Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren Militär- und Sondergerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor denen keine Rechtsanwälte zugelassen sind und auch für die Ahndung von Korruptionsfällen und von Kapitaldelikten zuständig sind. Eine Berufung gegen deren Urteile ist nicht möglich. In Verfahren vor diesen Gerichten gibt es keine öffentliche Verhandlung, keinen anwaltlichen Beistand und keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen (AA 21.11.2016).

Anfang 2015 wurde ein neues Strafgesetzbuch und eine neue Zivil- und Strafprozessordnung vorgelegt, die die alten noch geltenden äthiopischen Gesetzbücher ablösten. Es gibt keine Beschränkung des Strafmaßes, obwohl die Todesstrafe tatsächlich nicht ausgesprochen oder zumindest nicht vollstreckt zu werden scheint. Eine Strafverfolgung aus politischen Gründen ist nicht auszuschließen. Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich. Umgekehrt werden Häftlinge auch ohne Angabe von Gründen freigelassen (AA 21.11.2016). Rechtsstaatlichkeit und Justiz bleiben schwach und sind somit anfällig dafür, durch informelle und außergerichtliche Formen von Justiz umgangen zu werden (FCO 21.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.2016a): Eritrea, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Eritrea/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.1.2017

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea

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FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.4.2016): Human Rights and Democracy Report 2015 - Chapter IV: Human Rights Priority Countries - Eritrea,

http://www.ecoi.net/local_link/322986/462477_de.html, Zugriff 6.2.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit verantwortlich und die Armee für die äußere Sicherheit. Doch die Regierung setzt manchmal die Streitkräfte, die Reserve, demobilisierte Soldaten oder Miliz dazu ein, um innere und äußere Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Agenten des Nationalen Sicherheitsbüros, das dem Präsidentenbüro unterstellt ist, sind für die Verhaftung von Personen verantwortlich, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Streitkräfte haben die Befugnis, Zivilisten anzuhalten und zu verhaften. Generell spielt die Polizei in Fällen der nationalen Sicherheit keine Rolle. Dabei ist bei Sicherheitskräften Straflosigkeit die Norm. Es gibt keine bekannten internen oder externen Mechanismen, um Vergehen von Sicherheitskräften zu untersuchen (USDOS 13.4.2016).

Militär, Polizei und Sicherheitsdienste üben eine fast vollständige Kontrolle über das politische und gesellschaftliche Leben aus. Sie verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 21.11.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Eritrea,

http://www.ecoi.net/local_link/322451/461928_de.html, Zugriff 27.1.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Das geltende Strafgesetzbuch verbietet Folter (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Trotzdem wird Folter gegenüber Gefangenen, insbesondere während der Befragung, angewandt. Auch sollen Deserteure, Wehrdienstflüchtige und Wehrdienstverweigerer verschiedener religiöser Gruppen, insbesondere Anhänger der Zeugen Jehovas, physisch und psychisch misshandelt werden. Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Anwendung von Folter zu Sanktionen geführt hätte (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Gefangene, darunter auch Minderjährige, werden unter schlechten Bedingungen in unterirdischen Zellen oder in Schiffscontainern eingesperrt. Sie erhalten weder ausreichend Nahrung noch sauberes Trinkwasser. Schlafgelegenheiten und der Zugang zu sanitären Einrichtungen und Tageslicht sind unzureichend. In einigen Fällen kamen diese Haftbedingungen Folter gleich (AI 24.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Eritrea, http://www.ecoi.net/local_link/319675/458842_de.html, Zugriff 27.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Eritrea,

http://www.ecoi.net/local_link/322451/461928_de.html, Zugriff 27.1.2017

Korruption

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International nimmt Eritrea 2016 den 164. von 176 Plätzen ein (TI 2016). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption von Beamten vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht effektiv um, und korrupte Praktiken bleiben häufig ungestraft, auch wenn die Regierung Berichten zufolge einige Staatsbedienstete wegen Korruption entlassen hat (USDOS 13.4.2016). Ein Spezialgericht wurde 1996 als vorläufige Maßnahme vom Büro des Präsidenten mithilfe von Geheimdienst, Armee und Polizei geführt, um Korruption zu bekämpfen. Dennoch ist diese in allen Bereichen zu finden (EASO 11.6.2015).

Korruption gibt es auch im Bereich von Justiz und Polizei. Um deren Dienste in Anspruch zu nehmen, werden manchmal Schmiergelder gezahlt. Die Polizei setzt auch für Freunde und Familie gelegentlich ihren Einfluss bei Entlassung aus dem Gefängnis ein. Die Polizei fordert angeblich Schmiergelder, damit Gefangene freikommen (USDOS 13.4.2016). Aufgrund von mangelnden Kapazitäten und Korruption in der eritreischen Armee ist es in den letzten Jahren deutlich einfacher geworden, die Grenze illegal zu überqueren (EASO 11.6.2015).

Obwohl sie in Eritrea weniger allgegenwärtig als in anderen Ländern der Region ist, gibt es Anzeichen dafür, dass die Korruption auf dem Vormarsch ist - vor allem in den Bereichen Schmuggel und Migration (USDOS 5.7.2016).

Quellen:

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EASO - European Asylum Support Office (11.6.2015): Eritrea Länderfokus,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1440743642_2015-06-11-easo-eritrea-de.pdf, Zugriff 30.1.2017

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TI - Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 30.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Eritrea,

http://www.ecoi.net/local_link/322451/461928_de.html, Zugriff 30.1.2017

-

USDOS - US Department of State (5.7.2016): Investment Climate Statements for 2016 - Eritrea,

http://www.ecoi.net/local_link/332411/473836_de.html, Zugriff 30.1.2017

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Regierung hat eine feindliche Einstellung gegenüber der Zivilgesellschaft, NGOs dürfen nur bei humanitären Hilfsmaßnahmen tätig werden (FH 27.1.2016). Den wenigen Organisationen der Zivilgesellschaft fehlt es an Kapazitäten (USDOS 13.4.2016). Infolge der Repressionspolitik der eritreischen Regierung gibt es keine nationalen Menschenrechtsorganisationen (AA 21.11.2016). Diese sind in Eritrea nicht zulässig (HRW 12.1.2017). Ausländische NGOs sind einer rigiden Gesetzgebung unterworfen, tätig sind Finnish Church Aid (FCA), Norwegian Refugee Council (NRC), die irische NGO Vita und einige deutsche medizinische Hilfsorganisationen. Sie achten aber auf ein gutes Verhältnis zur Regierung und bewahren ein niedriges Erscheinungsbild (AA 21.11.2016). Andere internationale Hilfsorganisationen, wie z.B. UNDP, FAO, IKRK, UNICEF und UNHCR, sind in Eritrea im Rahmen der engen, von der Regierung gesetzten Grenzen aktiv (Repatriierung bzw. Betreuung von Flüchtlingen, humanitäre Hilfsprogramme) (AA 21.11.2016).

Die eritreische Regierung kontrolliert Operationen der Vereinten Nationen und verhindert, dass Mitarbeiter die Hauptstadt Asmara verlassen (FH 27.1.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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