TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/22 W186 2209583-1

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Veröffentlicht am 22.11.2018
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Entscheidungsdatum

22.11.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W186 2209583-1/3E

W186 2209581-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE- Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2018, Zl. 1092236406-181077316 zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung, sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 12.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.11.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 12.11.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE- Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2018, Zl. 1092236809-181077529 zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung, sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 12.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.11.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 12.11.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (in Folge: BF) sind afghanische Staatsangehörige, reisten illegal in Österreich ein und stellten am 24.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des BVwG vom 08.01.2018 wurde die gegen die behördliche negative Entscheidung eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. Die BF reisten in weiterer Folge nach Deutschland und stellten dort einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Auf Grundlage der DublinIII-VO wurden die BF wiederum nach Österreich überstellt. Am 12.11.2018 wurden die BF von der deutschen an die österreichische Polizei übergeben; sie wurden festgenommen und am selben Tag polizeilich einvernommen.

3. Mit Bescheid vom 12.11.2018 wurde über die BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die BF - vermutlich afghanische Staatsangehörige - sich unrechtmäßig in Österreich aufhielten. Gegen sie bestünde eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und sie seien ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Durch ihr Verhalten hätten sie gezeigt, dass sie nicht gewillt seien, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen. In Österreich seien sie nicht beruflich und sozial verankert. Im Fall der BF ergebe sich ein Risiko des Untertauchens.

In rechtlicher Hinsicht fand die Behörde:

"Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende

Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

-

kein tatsächlich bestehendes Familienleben in Österreich

-

keine soziale oder berufliche Integration

-

Verfahrensentziehung

-

Verletzung der Mitwirkungspflicht

-

Verschleierung der Identität

-

die für eine Rückkehr in den Abschiebe- bzw. Heimatstaat fehlenden finanziellen Mittel

-

fehlender Wille in den Herkunftsstaat zurückzukehren

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch in Zukunft nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie haben während Ihres Aufenthaltes gegen das Fremdenpolizeiverstoßen und Ihre Mitwirkungspflicht auf das Gröbste verletzt. Sie haben die Frist für die freiwillige Ausreise fruchtlos verstreichen lassen und sind Ihrer Ausreiseverpflichtung in Ihren Herkunftsstaat nicht nachgekommen. Stattdessen haben Sie sich dem Verfahren in Österreich entzogen und versuchten in Anonymität in ein weiteres europäisches Land zu reisen. Auch haben Sie den österreichischen Behörden bisher kein echtes Reise- bzw. Identitätsdokument vorgelegt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Es konnten keine Umstände ausgemittelt werden, die für das gelindere Mittel sprechen würden. Durch Ihr bisheriges Verhalten sprechen zahlreiche Gründe gegen die Verhängung des gelinderen Mittels.

Sie haben sich als nicht vertrauenswürdige Person erwiesen und missachten die österreichische Rechtsordnung als Gast in diesem Land. Die Verhängung des gelinderen Mittels stellt keine geeignete Sicherungsmaßnahme für eine Verfahrenssicherung dar. Die Sicherung der Abschiebung durch die Verhängung der Schubhaft ist erforderlich, da Sie aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens keinerlei Kooperationswillen mit Behörden zeigen. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch in Zukunft nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiter aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Der ho. Behörde liegen keine medizinischen Befunde vor, welche auf eine lebensbedrohliche Krankheit hinweisen würden. Sie werden regelmäßig von einem Amtsarzt der LPD untersucht.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

4. Am 15.11.2018 langte die gegenständliche Schubhaftbeschwerde bei Gericht ein. Schubhaftbeschwerde bei Gericht ein.

Darin wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass die BF in Deutschland einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten; sie seien in weiterer Folge nach den Bestimmungen der DublinVO nach Österreich rücküberstellt worden. Der Asylantrag sei als Folgeantrag zu behandeln, der allerdings nicht im Stande der Schubhaft gestellt worden sie. Somit stütze sich der Bescheid auf eine falsche Rechtsgrundlage (§76 Abs 2 Z2 FPG) und sei auch inhaltlich rechtswidrig.

5. Das Bundesamt legte die Akten mit Beschwerdevorlage vom 16.11.2018 vor und erstattete dazu Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF reisten illegal in das Bundesgebiet ein, sind afghanische Staatsangehörige und als solche Fremde i.S.d. FPG.

Sie stellten am 24.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis vom 08.01.2018 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Es besteht eine Rückkehrentscheidung nach Afghanistan.

Weiters wird festgestellt:

Die BF haben nach ihrer Weiterreise nach Deutschland dort einen Asylfolgeantrag gestellt. Dieser Antrag ist nach wie vor "offen". Die BF sind "Antragsteller" iSd Art. 2 Buchst. B der AufnahmeRL.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die dazu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und den hg. Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A.I.) - Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft

1.1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, (Z 1) oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2).

1.2. Die BF sind Staatsangehörige von Afghanistan und nicht österreichische Staatsbürger. Sohin ist sie eine Fremde gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

1.3. Über die Beschwerdeführer wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG verhängt. Gegen die BF besteht eine Rückkehrentscheidung, die am 08.01.2018 in Rechtskraft trat.

Die BF haben im Deutschland einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.4. Die BF sind somit "Antragsteller" im Sinne der AufnahmeRL. Damit ist die Verhängung der Schubhaft nur unter eingeschränkten Umständen möglich, insbesondere dann, wenn der Aufenthalt des Antragstellers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Dass die der Fall sei, wurde nicht im Ansatz von der Behörde dargetan; es ergibt sich auch nicht aus dem vorliegenden Akt.

Der vorliegende Fall ist somit im Detail identisch mit jenem, der der Entscheidung des VwGH Ra 2018/21/0025-7 zu Grunde gelegen ist.

In diesem Fall hat der VwGH gefunden:

"Galt der Revisionswerber somit im Zeitpunkt seiner Rücküberstellung aus dem Vereinigten Königreich am 17. Jänner 2018 als Drittstaatsangehöriger, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden war, so war er "Antragsteller" im Sinne der Begriffsbestimmung des Art. 2 Buchst. b der Aufnahme-RL (Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung vom Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen [Neufassung]). Auf den Revisionswerber waren daher nach deren Art. 3 Abs. 1 die Bestimmungen der genannten Richtlinie anzuwenden, und zwar solange er als Antragsteller im Hoheitsgebiet verbleiben durfte.

Dem Revisionswerber kam gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 aufgrund seines Asylfolgeantrags ab dem Zeitpunkt seiner Wiedereinreise faktischer Abschiebeschutz zu, der in dieser Konstellation nach innerstaatlichem Recht nur gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen vom BFA mit Bescheid hätte aufgehoben werden können. Ein solcher Bescheid ist im gegenständlichen Fall bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nicht ergangen. Schon auf dieser Basis galt auch zu diesem Zeitpunkt für den Revisionswerber noch die Aufnahme-RL, sodass Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gegen ihn nicht in Betracht kam (siehe zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation VwGH 14.11.2017, Ra 2016/21/0219, unter Bezugnahme auf das grundlegende Erkenntnis VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, auf deren Entscheidungsgründe jeweils Ra 2018/21/0025-7 gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann; vgl. auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2018/21/0094)."

Aus diesem Grund (fehlender Schubhaftgrund; "Schubhaft nicht in Btracht gekommen") waren die jeweils angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

2. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung der BF in Schubhaft von 12.11.2018 bis 22.11.2018 für rechtswidrig zu erklären.

Zu Spruchpunkt A.II.) Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Aufgrund obiger Erwägungen - des Nichtvorliegens eines rechtmäßigen Schunbhaftgrundes - war die Schubhaft auch nicht fortzusetzen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt A.III. und IV. ) Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die BF vollständig obsiegte, stehen ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat daher den BF Kosten iHv jeweils € 737,60 zu ersetzten.

Zu Spruchpunkt B. ) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in Bezug auf die Kostenentscheidung war die Revision bezüglich der Spruchpunkt A.III. und IV. gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz, Folgeantrag, Kostenersatz,
Rechtswidrigkeit, Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W186.2209583.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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