Entscheidungsdatum
22.11.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W135 2207113-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz TROMPISCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Verein ChronischKrank, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 03.05.2018, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 05.09.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin brachte am 24.10.2017 beim Sozialministeriumservice, Landessstelle Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein. Dem Antrag schloss sie medizinische Beweismittel an.
Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt. Die Sachverständige gelangte in ihrem Gutachten vom 10.01.2018, nach vorheriger persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.01.2018, zu dem Ergebnis, dass ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. (festgestellte Funktionsbeeinträchtigungen: 1. Idiopathische Hypersomnie g.Z., 2. Chronisch atrophe Gastritis, Chronische Immunthyreoiditis, 3. Psoriasis vulgaris) vorliege, jedoch die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin (vermehrte Tagesmüdigkeit, verminderte Belastbarkeit sowie plötzliche massive Schwächen bedingt durch Idiopathische Hypersomnie) die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel medizinisch gesehen zuließen.
Am 15.03.2018 wurde der Behindertenpass aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses an die Beschwerdeführerin versandt.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 03.05.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens vom 10.01.2018 abgewiesen. Als Beilage zum Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten vom 10.01.2018 übermittelt.
Die Beschwerdeführerin erhob mit Schriftsatz vom 18.06.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.05.2018. In dieser wird im Wesentlichen ausgeführt, dass auf die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Symptome im gegenständlichen Gutachten nicht ausreichend eingegangen worden sei. Es handle sich dabei um plötzliches Einschlafen, in weiterer Folge auftretende Muskelschwäche bis zur Muskellähmung, welche sich oft erst nach Stunden wieder lösen würde, Nachlassen der Konzentration und die dadurch bedingte räumliche Orientierungslosigkeit. Eine Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln wäre daher zweifelsfrei nicht zumutbar. In der Beschwerde wird der Antrag auf Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens gestellt.
Die belangte Behörde befasste neuerlich die bereits beigezogene allgemeinärztliche Sachverständige mit dem Beschwerdevorbringen und erstattete diese am 04.09.2018 eine ärztliche Stellungnahme, in welcher sie im Wesentlichen ausführt wie folgt:
"...
Anzumerken sei, dass die myasthene Komponente, das bedeutet die Störung der neuromuskulären Reizübertragung, mit Hilfe der Neurophysiologie ausgeschlossen wurde, sodass die beschriebene Muskelschwäche bis hin zur Lähmung befundmäßig nicht untermauert werden konnte. Daher lag keine erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder das Ein- und Aussteigen möglich waren.
Ebenso lagen keine erhebliche Einschränkungen neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, oder eine hochgradige Beeinträchtigung der Sinnesorgane (Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit) vor, sodass auch die Orientierungsfähigkeit nicht beeinträchtigt war.
Seitens der psychischen Verfassung zeigte sie eine depressive Stimmungslage, ohne klaustro- oder soziophobe Komponenten.
Durch die idiopathische Hypersomnie mit der vermehrten Tagesschläfrigkeit bei nicht vermeidbarem Einschlafen kommt es zweifelsohne zu erheblichen Einschränkungen im sozialen Umfeld. Jedoch ist dies nicht ein schweres cerebrales Anfallsleiden mit plötzlichem Kontrollverlust sodass auch der sichere Transport gegeben ist."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.09.2018 wies die belangte Behörde die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 03.05.2018, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" abgewiesen worden war, ab. Begründend verwies die belangte Behörde auf die durchgeführte ärztliche Begutachtung vom 04.09.2018, wonach die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Der Beschwerdeführerin wurde gemeinsam mit der Beschwerdevorentscheidung sowohl das ärztliche Gutachten vom 10.01.2018 als auch die Stellungnahme vom 04.09.2018 übermittelt.
Mit Schreiben vom 24.09.2018 beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Vorlage der Beschwerde vom 18.06.2018 gegen den den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" im Behindertenpass abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 03.05.2018 an das Bundesverwaltungsgericht.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 08.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines gültigen Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende dauernde Funktionseinschränkungen, von voraussichtlich länger als sechsmonatiger Dauer, vor:
1. Idiopathische Hypersomnie g.Z.
2. Chronisch atrophe Gastritis
3. Chronische Immunthyreoiditis
4. Psoriasis vulgaris
Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin trotz der festgestellten Funktionseinschränkungen eine kurze Wegstrecke zurücklegen kann. Das Ein- und Aussteigen in und aus einem öffentlichen Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin möglich. Das Überwinden von Niveauunterschieden und Anhalten im öffentlichen Verkehrsmittel ist möglich. Die Orientierungsfähigkeit der Beschwerdeführerin im öffentlichen Raum ist ausreichend vorhanden.
Die idiophatische Hypersomnie bewirkt keine Einschränkung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren oder oberen Extremitäten vor. Die Kraft der unteren Extremitäten ist seitengleich normal. Die Sensibilität ist ungestört.
Seitens der psychischen Verfassung zeigt sich eine depressive Stimmungslage, ohne klaustro- oder soziophobische Komponenten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen beruhen auf dem von der belangten Behörde veranlassten und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 10.01.2018, welches nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.01.2018 erstellt wurde, sowie der nach Beschwerdeerhebung erstellten sachverständigen Stellungnahme vom 04.09.2018 derselben medizinischen Sachverständigen. Das Gutachten vom 10.01.2018 beinhaltet einen ausführlichen Untersuchungsbefund, der mit der gutachterlichen Beurteilung übereinstimmt. Dabei wurden die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde von der Sachverständigen berücksichtigt und sind in die Beurteilung hinsichtlich der Frage, der Auswirkungen auf die öffentlichen Verkehrsmittel miteingeflossen. Von der Sachverständigen wird sowohl in ihrem Gutachten vom 10.01.2018 als auch in ihrer Stellungnahme vom 04.09.2018 in Bezug auf das Beschwerdevorbringen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen.
Hinsichtlich der nach Art und Schwere festgestellten Gesundheitsschädigungen ergaben sich nach dem Gutachten zufolge keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Einschränkungen von Funktionen der unteren Extremitäten. Dabei handelt es sich vorwiegend um das Hauptleiden der Idiophatischen Hypersomnie der Beschwerdeführerin. In diesem Zusammenhang beschreibt die Sachverständige nachvollziehbar, dass die Schlafstörung zu erheblichen Einschränkungen im Alltagsleben und im sozialen Umfeld führt, jedoch eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden kann und auch das Ein- und Aussteigen, das Anhalten und ein sicherer Transport gewährleistet sind. Ein schweres cerebrales Anfallsleiden mit plötzlichem Kontrollverlust ist bei der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht gegeben.
Eine myasthene Komponente, was die Störung der neuromuskulären Reizübertragung bedeuten würde, wurde mit Hilfe der Neurophysiologie ausgeschlossen, sodass eine Muskelschwäche bis hin zur Lähmung befundmäßig nicht untermauert werden kann. Damit spricht die Sachverständige den von der Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag vorgelegten Befund des XXXX , Abteilung Neurologie, vom 08.05.2017 an, welchem zu entnehmen ist, dass "bei zuletzt auch angegebener Schwäche in den Beinen und teilweise verwaschener Sprache eine myasthene Problematik mit Hilfe der Neurophysiologie ausgeschlossen" wurde.
Die dahingehenden Ausführengen in der Beschwerde, die Beschwerdeführerin leide an Muskelschwäche bis hin zur Muskellähmung, lassen sich damit aufgrund der gegenteiligen Befundlage gerade nicht objektivieren.
Für das Vorliegen einer räumlichen Orientierungslosigkeit fehlt es ebenfalls an entsprechenden Befunden, welche eine solche bestätigen würden. Die Sachverständige beschreibt dazu in ihrer Stellungnahme vom 04.09.2018, dass keine erheblichen Einschränkungen neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder eine hochgradige Beeinträchtigung der Sinnesorgane vorliegen und damit die Orientierungsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist.
Die Beschwerdeführerin ist dem eingeholten Sachverständigengutachten und der ergänzenden Stellungnahme auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten, steht es ihr doch, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen insgesamt keine Zweifel an der Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Richtigkeit des vorliegenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens sowie der aufgrund der Einwendungen in der Beschwerde erstatteten Stellungnahme der allgemeinmedizinischen Sachverständigen. Es findet auch keinen Anlass zur Annahme, dass die sachverständigen Aussagen mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch stehen. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde sowie der Vorlageantrag sind rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A)
Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des behinderten Menschen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.
Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.
Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, erlassen.
Der für die hier begehrte Zusatzeintragung relevante § 1 Abs. 4 Z 3 der zitierten Verordnung idF BGBl. II Nr. 263/2016 hat folgenden Wortlaut:
"§ 1. ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls
einzutragen: 1. ... 2. ...
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen."
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
"§ 1 Abs. 2 Z 3:
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
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schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
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nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
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vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
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laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
-
Kleinwuchs,
-
gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
-
bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, mwN.).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschweren. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Von einer "kurzen Wegstrecke" geht der Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse bei einer durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis 400 m aus (VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden und einen ausführlichen Untersuchungsbefund beinhaltenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 10.01.2018 samt ergänzender Stellungnahme vom 04.09.2018 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr unzweifelhaft vorliegenden dauernden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin sind ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien und sie hat im Rahmen der Beschwerde auch keine Unterlagen vorgelegt, die Hinweise auf ein zusätzliches Dauerleiden oder aber auf eine wesentliche Änderung gegenüber den bereits im Verfahren vor der belangten Behörde berücksichtigten Leiden ergeben würden.
Betreffend den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie, ist festzuhalten, dass § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen die Beiziehung von Ärzten eines bestimmten Fachbereiches nicht zwingend anordnet (vgl. VwGH 17.08.2016, Ra 2016/11/0095). Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an. Dieses Erfordernis ist im gegenständlichen Fall erfüllt, die Einholung weiterer Sachverständigengutachten ist wegen Entscheidungsreife der Sache daher nicht erforderlich.
Da aus den dargelegten Gründen die Voraussetzungen für die gegenständliche Zusatzeintragung nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen au fdie Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens vom 10.01.2018 als auch der das Gutachten ergänzende Stellungnahme vom 04.09.2018 geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall hängt der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis von Gutachten von medizinischen Sachverständigen ab und hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet, dass sie dem - bereits vorliegenden - von der Behörde eingeholten Gutachten, mit einem von ihr selbst eingeholten Gutachten entgegengetreten sei (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Betreffend die Frage, ab wann die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gerechtfertigt ist, konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ohnehin klare Rechtslage des BBG bzw. der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen. Dass bei der Beurteilung dieser Frage ein medizinischer Sachverständiger beizuziehen ist, gründet auf der - an entsprechender Stelle angeführten - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W135.2207113.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019