TE Bvwg Beschluss 2018/11/23 W107 2135375-2

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Veröffentlicht am 23.11.2018
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Entscheidungsdatum

23.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W107 2135375-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER in Vertretung der Richterin Dr. Sibyll Andrea BÖCK gemäß § 10 Abs. 3 der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes 2018 im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2018, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX auch XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , StA.

Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der von der gegenständlichen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes Betroffene (im Folgenden: Betroffener) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.09.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe des Namens XXXX und des Geburtsdatums XXXX .

Diesen begründete der Betroffene damit, dass seine Mutter vor fünfundzwanzig Jahren seinen Vater ohne Erlaubnis ihrer Eltern geheiratet habe. Aus diesem Grund hätten sie ihre Eltern umbringen wollen, weshalb die Familie bis 2008 in den Iran geflüchtet sei. Etwa ein Jahr lang nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan habe es keine Probleme gegeben. Anschließend seien sie jedoch von Verwandten mütterlicherseits geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Daraufhin habe die Familie beschlossen, dem Betroffenen zur Flucht zu verhelfen.

2. Dieser (erste) Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.08.2016, Zl. XXXX , sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Betroffenen nicht erteilt. Gegen den Betroffenen wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 28.06.2018, GZ W253 2135375-1, als unbegründet abgewiesen. Die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde am 06.08.2018 per ERV zugestellt. Die dagegen erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.09.2018 zurückgewiesen.

4. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 12.10.2018 wurde über den Betroffenen die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

5. Am 22.10.2018 stellte der Betroffene aus dem Stande der Schubhaft heraus einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Hierzu am 23.10.2018 durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt gab er im Wesentlichen an, dass er nicht nach Afghanistan zurückkönne, weil er dort Probleme habe. Er wolle in Österreich leben. Sein Großvater mütterlicherseits sei Kommandant der Taliban und von Anfang an gegen die Heirat der Eltern gewesen. Letzte Woche habe ihm seine Mutter über das Telefon erzählt, dass ihre Feinde wieder auf ihr Haus geschossen hätten, weil sie geglaubt hätten, dass der Betroffene zurück sei. Zudem sei die Lage in Afghanistan sehr schlecht.

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 24.10.2018 wurde dem Betroffenen mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Folgeantrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

6. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 30.10.2018 brachte der Betroffene vor, er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil ihn sein Großvater mütterlicherseits umbringen würde. Die Probleme mit seinem Großvater bestünden seit der Heirat seiner Eltern, da der Großvater gegen diese Ehe gewesen sei. Die Mutter des Betroffenen sei von zu Hause weggelaufen und habe den Vater des Betroffenen geheiratet. Diese Schande könne der Großvater nicht verzeihen. Über konkrete Nachfrage erklärte der Betroffene, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht seien. Neu dazu gekommen sei, dass sich die Lage verschärft habe und sein Vater vor vier oder fünf Tagen von den Feinden auf Seiten seines Großvaters angeschossen worden sei.

Der Betroffenen verzichtete auf die Übersetzung der aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan durch den anwesenden Dolmetscher.

Im Anschluss an diese Einvernahme hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Betroffenen gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem Bescheid vom 30.10.2018 auf. Dies wurde im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 30.10.2018 dokumentiert.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert habe. Der Betroffene habe ergänzende Fluchtgründe vorgebracht, die sich auf sein Vorbringen im Erstverfahren beziehen würden. Seine Fluchtgründe hätten bereits bei der Erstantragstellung bestanden. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei daher voraussichtlich zurückzuweisen. Auch die allgemeine Lage in Afghanistan habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Selbiges gelte für die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen.

Der Betroffene erklärte, dass er gegen diese Entscheidung Beschwerde einbringen wolle. Das BFA protokollierte sodann, dass die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem BVwG zur Überprüfung übermittelt würden, was als Beschwerde gelte.

7. Am 05.11.2018 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein, worüber das BFA noch am selben Tag verständigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Betroffene ist Staatsbürger von Afghanistan. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und verfügt über einen bis 07.06.2019 gültigen Reisepass. Seine Identität ( XXXX , geb. XXXX ) steht fest. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Betroffene stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 02.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete diesen damit, dass seine Eltern vor fünfundzwanzig Jahren ohne Erlaubnis des Großvaters mütterlicherseits geheiratet hätten. Aus diesem Grund hätten sie ihre Eltern umbringen wollen. Auch der Betroffene sei aus diesem Grund bedroht.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.06.2018 rechtskräftig abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung betreffend den Herkunftsstaat Afghanistan verbunden. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und durchsetzbar. Der Beschwerdeführer hat dieses Verfahren unter einer falschen Identität geführt.

Am 22.10.2018 stellte der Betroffene aus dem Stande der Schubhaft heraus einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Diesen begründete er zum einen mit der schlechten Lage in Afghanistan und zum anderen damit, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch immer aufrecht seien. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil ihn sein Großvater mütterlicherseits nach wie vor aufgrund der Heirat seiner Eltern umbringen wolle.

Der Betroffene hat in Österreich keine Familienangehörigen oder eine familienähnliche Lebensgemeinschaft. Der Betroffenen bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der Betroffene leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den Betroffenen sowie durch Einsicht in den hg. Gerichtsakt, GZ W137 2209651-1, (betreffend die Beschwerde des Betroffenen gegen die Anordnung der Schubhaft vom 12.10.2018).

Die Feststellungen zur Person des Betroffenen gründen auf den Angaben des Betroffenen in den Verfahren über seinen ersten und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Beim Betroffenen wurde am 03.10.2018 ein gültiger afghanischer Reisepass sichergestellt, dessen Echtheit von der afghanischen Botschaft bestätigt wurde. Die falsche Identität im Asylverfahren ergibt sich aus den in diesem Reisepass verzeichneten Daten.

Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Erledigung sowie zum damaligen Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem hg. Gerichtsakt zum ersten Asylverfahren, GZ W253 2135375-1.

Die Rechtskraft des mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG vom 28.06.2018, GZ W253 2135375-1, mit welchem die Beschwerde gegen die Abweisung des (ersten) Antrags auf internationalen Schutz vom 02.09.2015 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde, ergibt sich daraus, dass dieses im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung als erlassen gilt, die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses am 06.08.2018 zugestellt wurde und die dagegen erhobene Revision mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.09.2018 zurückgewiesen wurde. Das Protokoll über die erfolgte Zustellung durch ERV liegt im Akt W253 2135375-1 auf.

Die Feststellungen zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensakts des BFA.

Dass es sich bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Behauptungen und vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Betroffenen im Verfahren. Dieser gab vor dem BFA zudem selbst an, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht seien. Zusammengefasst ergibt sich beim Betroffenen im zweiten Asylverfahren das Bild, dass dieser schlicht nicht gewillt ist, Österreich zu verlassen und nach Afghanistan zurückzukehren.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Der Betroffene gab bereits im Erstverfahren zu Protokoll, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Dass sich daran seit Abschluss des Erstverfahrens etwas geändert hätte, wurde weder behauptet noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Hinweise auf das Bestehen eines Familienlebens sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen gründet auf dessen eigenen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA am 30.10.2018. Dieser gab hier zu Protokoll, weder in ärztlicher Behandlung zu stehen noch Medikamente zu nehmen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Betroffenen, die einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen könnte, sind weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren hervorgekommen.

Dass die allgemeine Situation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens (28.06.2018) im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Afghanistan für den Betroffenen nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie im Erkenntnis des BVwG enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan. Das Erkenntnis des BVwG, mit welchem die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 29.08.2016 abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, datiert auf den 28.06.2018. Der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde am 30.10.2018 - sohin bloß vier Monate nach rechtskräftiger Beendigung des ersten Asylverfahrens - erlassen. Die letzten Anschläge in Afghanistan veranlassten eine Aktualisierung der Berichte dahingehend, ergeben jedoch keine wesentliche Lageänderung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018 zu G 186/2018 ua. wurden verwaltungsgerichtliche Normanfechtungsanträge zur Überprüfung von ua. § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie gegen § 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 abgewiesen, im Übrigen wurden die Anträge zurückgewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt A): Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

...

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG lautet:

"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:

Das Verfahren über den ersten Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 02.09.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 29.08.2016 und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das BVwG am 28.06.2018 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 22.10.2018 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Der Bescheid vom 29.08.2016 ist mit mündlicher Verkündung des abweisenden Erkenntnisses des BVwG vom 28.06.2018 in Rechtskraft erwachsen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG des BFA vom 29.08.2016 wurde somit ebenfalls am 28.06.2018 rechtskräftig. Laut seinen eigenen Angaben vor dem BFA war der Betroffene seit seinem ersten Asylverfahren durchgehend in Österreich aufhältig und hat daher seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.

Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der zweite Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom 22.10.2018 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine entscheidungswesentliche Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage. Die behauptete Angst des Betroffenen vor der Rache seines Großvaters infolge der (verbotenen) Heirat seiner Eltern war bereits Gegenstand des ersten, rechtskräftig abgeschlossenen, Asylverfahrens. Bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen handelt es sich insgesamt nicht um einen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz am 28.06.2018 verwirklicht wurde. Aus den Länderberichten ergibt sich zudem, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Betroffenen keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid vom 29.08.2016 bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 28.06.2018 eingetreten ist. Eine Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Betroffenen zu keiner Zeit vorgebracht. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass der Betroffene bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den Betroffenen im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

Es sind auch keine erheblichen in der Person des Betroffenen liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Betroffene gab in diesem Zusammenhang selbst an, gesund zu sein.

Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Betroffenen ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Betroffene hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Betroffene bereits im ersten Asylverfahren angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts der vergleichsweise kurzen Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, der seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unrechtmäßig ist, nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 30.10.2018 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 30.10.2018 schriftlich festgehalten hat, dass der Betroffene gegen den mündlich verkündeten Bescheid vom 30.10.2018 Beschwerde erheben wolle, ist auszuführen, dass bereits die Vorlage der Akten gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gilt und eine gesonderte Beschwerde aus Eigenem gegen den Bescheid, mit dem der faktische Abschiebeschutz aberkannt wurde, nicht zulässig ist (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 21; vgl. dazu VfSlg. 19.215/2017).

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W107.2135375.2.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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