TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/26 L510 2118340-1

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Veröffentlicht am 26.11.2018
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Entscheidungsdatum

26.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L510 2118340-1/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 07.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2015, Zl: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 05.11.2014 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die bP stellte dar, sie sei Staatsangehöriger des Irak, Jeside und stamme aus Bagdad.

Anlässlich der Erstbefragungen durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.11.2014 gab die bP zum Fluchtgrund an, dass sie und ihre Familie aufgrund ihres Familiennamens, welcher eine religiöse Randgruppe darstelle, des Öfteren bedroht worden sei. Ihr Bruder sei entführt worden. Ihre Schwester sei erschossen worden. Ihr Haus sei bombardiert worden. Die Vorfälle seien zur Anzeige gebracht worden. Das Ganze könne mittels polizeilicher Bestätigungen und Fotos bewiesen werden. Die Unterlagen würden im Irak bei Freunden sein. Weiter Fluchtgründe habe sie nicht.

Die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 16.02.2015 gestaltete sich wie folgt:

"...F: Fühlen Sie sich heute psychisch und körperlich in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

A: Ja.

F: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

A: nein

... F: Sind Sie damit einverstanden, dass seitens des BFA eventuell Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden, wobei Ihre Anonymität gewahrt bleibt?

A: ja

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: ja

F: Wurden diese, so wie Sie es gesagt haben, korrekt protokolliert und rückübersetzt?

A: ja

F: Wie heißen Sie?

A: XXXX

F: Wann wurden Sie geboren und wo?

A: XXXX in Bagdad

F: Können Sie irgendwelche Beweismittel für Ihre Identität vorlegen?

A: Ich lege meinen irakischen Personalausweis vor. Dann lege ich noch meinen Staatsbürgerschaftsnachweis in Kopie vor, eine Meldekarte von meinem Vater (diese Karte wird von der Polizei ausgestellt und man bekommt sie dann, wenn man sich nichts zu Schulden kommen hat lassen) und eine Kopie einer Lebensmittelkarte.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: ich bin ursprünglich Jezide. Da ich aber in Bagdad geboren wurde und auch dort aufgewachsen bin und mich in die dortige Gesellschaft sehr gut integriert habe, fühle ich mich als Araber und würde mich auch so bezeichnen.

F: Welcher Religion gehören Sie an?

A: Ich bin Jezide.

F: Wie ist Ihr Familienstand und haben Sie Kinder?

A: Ich bin ledig und habe keine Kinder.

F: Wie lautet Ihre genaue Wohnadresse in Ihrer Heimat?

A: Bagdad,XXXX.

F: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel, die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

A: nein

F: Schildern Sie mir Ihre Lebensbedingungen in Ihrem Heimatland. Wo genau haben Sie bis zu Ihrer Flucht in Ihrem Heimatland gelebt, wie und mit wem?

A: ich habe mit meinen Eltern zusammengelebt. Das Haus, in dem wir lebten, gehörte meinem Großvater. Im Haus waren drei Wohneinheiten, eine davon hat unsere Familie bewohnt. Ich habe mich auf den zweiten Studienabschnitt vorbereitet, ich konnte diesen aber nicht mehr antreten aufgrund der Probleme. XXXX Ich habe aber gleichzeitig auch als Friseur gearbeitet. Ich habe nicht viel anderes gemacht. Nach meiner Arbeit in ich auf die Uni gegangen und umgekehrt. Nach der Vorlesung bin ich arbeiten gegangen.

Nachdem ich neben der Uni auch gearbeitet habe, bin ich finanziell gut über die Runden gekommen.

F: Wie groß ist Ihre Familie? (Eltern, Geschwister - Namen - wo leben sie genau, was arbeiten sie)

A: Meine Mutter ist leider schon im Jahr 2004 verstorben. Von ihr stammen ich und mein Bruder XXXX und meine beiden Schwestern XXXX. Mein Vater hat im Jahr 2007 wieder geheiratet und aus dieser Ehe stammen noch 2 Halbbrüder und eine Halbschwester.

XXXX sind bereits verheiratet und leben nicht mehr bei meinem Vater. Der Ehemann meiner Schwester XXXX heißt XXXX, beim Nachnamen bin ich mir nicht ganz sicher. Die anderen Familienmitglieder haben zu dem Zeitpunkt, als ich den Irak verlassen habe, noch bei meinem Vater gelebt. Was genau mit ihnen ist, kann ich nicht sagen, weil ich bereits seit 3 Monaten keinen Kontakt zu ihnen habe. Wo sich jetzt meine Familie aufhält, kann ich nicht sagen.

Mein Vater war Beamter beim XXXX. Er ist XXXX. Ich habe ja auch gearbeitet und somit mitgeholfen, die Familie zu erhalten.

F: Wann haben Sie Ihre Heimat endgültig verlassen?

A: Ich habe Anfang Oktober 2014 den Irak verlassen.

F: Sind Sie legal oder illegal ausgereist?

A: Ich habe im Jahr 2006/2007 einen Reisepass ausstellen lassen. Der Reisepass ist zwar kurz vor dem Ablaufen, aber mein Vater sagte ich sollte ihn trotzdem aufbehalten. Ich habe dann Anfang Oktober 2014 mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Irak über verschiedene Verkehrswege in Richtung Türkei verlassen. Es war eine sehr gefährliche Fahrt wegen den IS-Kämpfern, die überall im Norden des Irak sind. Es ist mir tatsächlich gelungen, mit dem Reisepass in die Türkei einzureisen.

F: Wo ist der Reisepass jetzt?

A: Der Schlepper hat mir den Reisepass abgenommen. Er hat versprochen, ihn mir wieder zurückzugeben, ich habe ihn aber nie mehr erhalten.

F: Haben Sie Ihr Heimatland früher schon einmal verlassen?

A: Ich war im Jahr 2007 als Tourist in Syrien für ca. 14 Tage. Ich hatte damals eine Teilprüfung meines Studiums erfolgreich abgelegt und wir wurden da von einer Firma eingeladen.

F: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?

A: nein

F: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

A: nein

F: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen?

A: nein

F: Sind Sie Mitglied einer Partei, parteiähnlichen oder terroristischen Organisation?

A: nein

F: Haben Sie in anderen Staaten um Asyl angesucht?

A: Nein.

F: Schildern Sie mir nun bitte ausführlich die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben.

A: Ich möchte ganz ehrlich mit Ihnen sein. Wir haben schon früher Probleme im Irak gehabt. Aber da ist es uns nicht viel anders ergangen als den anderen. Wir sind doch so an die 3 Mio im Irak gewesen. Wir konnten so einigermaßen leben wie andere Iraker auch. Ich habe studiert und habe eigentlich ein angenehmes Leben geführt. Aber wir haben dann irgendwann Probleme bekommen aufgrund unseres Nachnamens, weil dadurch ersichtlich ist, welcher Religionsgruppe wir zugehörig sind. Es hat dann im Irak angefangen mit den religiösen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Religionsgruppen. Man hat angefangen, uns Jeziden als Feinde der Muslime zu bezeichnen. Wir haben uns mit unseren Problemen an den Bezirksvorsteher gewandt. Dieser hat gemeint, da wir ehrbare Leute sind, könnten wir in dem Stadtviertel wohnen bleiben. Nach einer gewissen Zeit, wollte man uns aus dem Haus rausschmeißen und wir haben nicht gewusst, wo wir hingehen sollen. Wir haben nur noch Verwandte in Mossul. Ich hätte nur bei Freunden im gleichen Viertel bleiben können. Es sind immer mehr Probleme geworden. Sie haben auch dann angefangen, uns aufgrund der Art, wie wir uns kleiden, schlecht zu beurteilen. Meine Schwester XXXX trug natürlich kein Kopftuch. Sie wurde aufgrund dieser Tatsache, dass sie kein Kopftuch trug, getötet. Mein Vater hat große Angst um uns bekommen. Ich bin dann oft nicht mehr zur Uni gegangen, weil ich Angst hatte, dass mir was passiert. Es ist dann soweit gekommen, dass vor unserem Haus eine Autobombe gezündet wurde. Dann ist uns das Haus über dem Kopf zusammengestürzt. Aufgrund dessen mussten wir flüchten. Ich habe dann drei Monate meine Familie nicht gesehen und wusste nicht, was mit ihnen los ist. Ich habe dann Geld genommen und habe den Irak über den Norden verlasen. Ich wollte nie Teil dieser religiösen Streitigkeiten sein. Ich wollte einfach nur mein Studium fortführen, ein friedliches Leben führen und niemanden schaden. Wir haben auch überlegt, ob wir nicht zu unseren Verwandten nach Mossul gehen sollten. Wir haben sie angerufen. Aber auch dort waren bereits die Islamisten, so dass wir dort auch nicht aufgenommen werden konnten. Ich habe also niemanden mehr im Irak, wo ich hingehen könnte.

F: Können Sie mir den Beginn Ihrer Probleme genauer schildern: was ist damals konkret vorgefallen?

A: Meine Probleme haben ca. 2011/2012 begonnen. Wir haben einfach Angst gehabt, dass wir aufgrund unserer jesidischen Herkunft irgendwelche Zwangsmaßnahmen zu fürchten haben. Wir haben damals unsere Nachnamen nicht in die Papiere eintragen lassen, weil man aufgrund des Nachnamens erkennen könnte, dass man ein Jezide ist. Wir haben das damals dem zuständigen Beamten erklärt, er hat viel Mitleid mit uns gehabt. Er hatte erkannt, dass wir eine ehrbare Familie waren, deswegen hat er uns zugestanden, dass er unseren Nachnamen nicht in unsere persönlichen Papiere einträgt. Sonst hätten wir sicher mit diesen Papieren große Probleme bekommen. Ich habe dann aus lauter Angst auf der Uni 4 Prüfungen gar nicht mehr gemacht.

F: Sie sprechen immer von Problemen. Aber welche Probleme konkret haben Sie bekommen?

A: Das erste Problem war, dass wir durch unseren Nachnamen als Jeziden identifiziert werden konnten. Dadurch haben sie angefangen, uns als Feinde der Muslime zu bezeichnen.

F: Wer ist "sie"?

A: Es sind die Milizen. Es gibt im Irak viele verschiedene Milizen. Aber auch Terroristengruppen. Ich weiß nicht, welche Gruppe uns da bedroht hat. Aber sie haben uns Drohbriefe geschickt. Sie haben gesagt, wir sind die Feinde der Muslime. Aber dabei haben wir immer unser ganzes Leben lang friedlich mit den Muslimen zusammengelebt.

F: Waren die Briefe anonym oder wurden die Briefe unterschrieben?

A: Es waren Milizen, die diese Drohbriefe geschrieben haben. Die Briefe waren zwar nicht unterschrieben, aber sie haben in den Brief hinein eine Patrone hineingelegt und diesen Brief haben sie dann bei der Tür eingeworfen.

F: Wie viele Briefe haben Sie erhalten?

A: Nachdem wir den ersten Drohbrief erhalten, sind wir zur Polizei gegangen, und diese Drohung anzuzeigen. Damals hat man uns zugesichert, dass man uns schützen könnte. Dann ist es aber immer schlimmer geworden. Insgesamt haben wir zwei bis drei Briefe bekommen.

F: Haben Sie zwei oder drei Briefe erhalten?

A: Ich kann es deshalb nicht so genau sagen, weil mein Vater von einem Brief nur gesprochen hat, diesen einen Brief habe ich nicht gesehen.

F: Wie viele Briefe haben Sie gesehen?

A: Ich habe zwei Briefe selbst gesehen.

F: Was stand in den Briefen?

A: Sie kennen unseren Nachnamen, daher wissen sie, dass wir Jeziden sind. Sie wissen auch, dass wir Jeziden die Muslime angeblich entzweien wollen. Und deswegen soll Blut und Tod über uns gebracht werden. Sie meinten auch, dass sie uns schon finden und töten würden. Dass wir aus dem Haus verschwinden sollten, in dem wir lebten.

F: In welchen Abständen kamen die Briefe?

A: Es waren ca. 2 Monate Zeit zwischen dem Erhalt der beiden Briefe.

F: Was hat die Polizei zu ihrem Schutz unternommen?

A: Wir haben uns an den Bezirksvorsteher gewandt, der für die Sicherheit der Gegend zuständig ist. Aber er hat gesagt, dass wir ehrbare Leute sind und dass wir deshalb schützenswert sind. Er meinte, dass die Polizei uns schützen wird.

F: Hat die Polizei etwas getan?

A: Nein. Ich denke, dass die Anzeige das Ganze noch verschlimmert hat, da dann auch noch die Autobombe gezündet wurde.

F: Wann wurde die Bombe gezündet?

A: Ungefähr 20 - 21 Tage vor meiner Ausreise wurde die Bombe gezündet. Es gab dann keine Hoffnung mehr.

F: Beschreiben Sie mir, was dabei passierte?

A: Durch die Wucht der Explosion ist die Tür herausgeflogen, das Glas ist zerbrochen, der Fernseher ist kaputt gegangen. Meine kleine Schwester XXXX ist durch die Splitter verletzt worden. Wir mussten sie dann behandeln lassen. Ich habe große Angst gehabt und bin dann geflüchtet. Ich habe dann nicht mehr gewusst, was mit meiner Familie passiert ist. Es war sehr schrecklich.

F: Wer war an dem Tag der Explosion im Haus?

A: Wir waren alle im Haus anwesend. Es war an einem Freitag, da haben wir alle frei. Mein Vater und seine Ehefrau, zwei Schwestern, einer meiner Brüder und ich.

F: Was ist kurz nach der Explosion passiert?

A: Es kamen verschiedene Einsatzwagen von Polizei und Rettung. Ich habe dann meine Sachen gepackt, es war klar, dass wir nicht mehr in dem Haus bleiben konnten. Ich bin dann zu einem Freund gegangen, dem ich vertraute. Nach zwei oder drei Tagen wollte ich mich nach meiner Familie erkundigen, er meinte aber, ich sollte mich besser weiter bedeckt halten. Dann bin ich ca. 2 Wochen bei ihm geblieben. Danach hielt ich es nicht mehr aus, habe eine Reservierung gemacht, weil ich gemerkt habe, dass mich der Staat nicht schützen kann. Ich bin dann noch ein paar Tage bei ihm geblieben, bis ich dann endgültig das Land verlassen habe.

F: Haben Sie nie mehr versucht, Ihren Vater zu erreichen oder im Krankenhaus nachzufragen?

A: Als ich noch in Bagdad war, habe ich versucht, sie telefonisch zu erreichen. Aber sie haben wohl ihre Telefonnummern geändert, ich habe niemanden erreicht.

F: Wann ist Ihre Schwester XXXX getötet worden?

A: Ich kann mich nicht mehr an den Monat erinnern, aber es war im Jahr 2013.

F: Wo ist Ihre Schwester getötet worden?

A: Meine Schwester befand sich auf der Universität, dort wurde sie von einer Gruppe angesprochen, die sagten, sie wollten sie nach Hause bringen. Dann ist aber herausgekommen, dass XXXX nie zu Hause angekommen ist und dass sie von diesen Leuten entführt wurde. Sie ist verschwunden. Die Leute aber reden, dass sie getötet worden sei. Und ich bin mir auch sicher, dass sie getötet wurde.

F: Hat Ihre Familie irgendetwas unternommen, als Ihre Schwester auf einmal verschwunden war?

A: Der Ehemann meiner Schwester hat sich um diese Sache gekümmert. Er war bei der Polizei, bei den Krankenhäusern. Er hat überall nach ihr gefragt. Am Ende hat er immer nur gehört, dass sie entführt wurde. Auch er ist zum Schluss gekommen, dass sie getötet wurde.

F: Haben sich die Entführer jemals gemeldet?

A: nein

F: Ist sonst noch irgendetwas passiert?

A: Ich habe Ihnen alles gesagt. Ich kann aber nicht mehr in meine Heimat zurück, da ich dort getötet werden würde. Ich habe auch keine Verwandten, die mich schützen könnten oder zu denen ich gehen könnte.

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

A: ja

F: Möchten Sie die Feststellungen des BFA Ihr Heimatland betreffend von der anwesenden Dolmetscherin übersetzt bekommen bzw. diese in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von 2 Wochen dazu abgeben?

A: Nein, ich kenne die Situation in meiner Heimat. Ich verzichte auf die Erörterung dieser Feststellungen.

F: Was befürchten Sie im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

A: An aller erster Stelle fürchte ich mich davor, getötet zu werden. Ich bin mir ganz sicher, dass ich im Irak getötet werde. Darüber hinaus habe ich keine Zukunft im Irak, weil ich dort nicht arbeiten und auch nicht studieren kann, ich habe auch keine Verwandten mehr im Irak.

Fragen zur Situation des Asylwerbers in Österreich

F: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Ich lebe von der Grundversorgung.

F: Haben Sie familiäre Beziehungen in Österreich?

A: nein

F: Haben Sie freundschaftliche Beziehungen in Österreich?

A: nein

F: Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

A: nein

F: Haben Sie in Österreich Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert?

A: ich habe noch keinen Deutsch-Kurs absolviert, aber wir gehen in die Kirche und dort erhalten wir von einer Person freiwillig Deutsch-Unterricht.

F: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen in Österreich als Mitglied tätig?

A: nein

F: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

A: Ich versuche selbständig Deutsch zu lernen. Das ist meine Hauptbeschäftigung.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?

A: ja

F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

A: Ja."

2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA mit Bescheid vom 19.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Gem. § 8 Abs. 4 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.11.2016 erteilt.

3. Gegen Spruchpunkt I. des o. a. Bescheides wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde der bereits vorgebrachte Sachverhalt wiederholt und dargelegt, dass die bP Jeside sei und glaubwürdig dargelegt habe, dass sie verfolgt worden sei. Jesiden würden im Irak in Gesamtheit verfolgt sein. Zudem sei die bP auch individuell verfolgt. Es wurde das Ermittlungsverfahren des BFA moniert, so könne kein maßgeblicher Widerspruch darin erblickt werden, ob die Schwester der bP verschwunden oder tot sei.

4. Mit 20.10.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L510 neu zugewiesen.

5. Das BVwG führte am 07.11.2018 in Anwesenheit der bP eine mündliche Verhandlung in der Sache durch. Das BFA blieb entschuldigt fern. Zugleich mit der Ladung wurden der bP ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das BVwG in die Entscheidung ergänzend miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist bis 1 Woche vor dem Verhandlungstermin wurde dazu eingeräumt. Eine solche schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

6. Seitens des BFA wurde dem BVwG bekannt gegeben, dass die bP im Zuge ihrer Einvernahme vor dem BFA anlässlich der Überprüfung der Verlängerung ihres subsidiären Schutzes ausführte, dass sie entgegen ihrer bisherigen Behauptungen nicht Jeside, sondern Sunnite sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der bP:

Die genaue Identität der bP steht nicht fest. Soweit sie in diesem Verfahren namentlich erwähnt wird, handelt es sich um eine reine Verfahrensidentität. Die bP ist zu dem im Spruch bezeichneten Geburtsdatum geboren. Die bP ist Staatsangehöriger des Irak, mit muslimisch sunnitischem Glaubensbekenntnis und gehört der Volksgruppe der Araber an. Sie stammt aus Bagdad. Ihre Schwester lebt gemeinsam mit der Familie der Schwägerin der bP in Bagdad. Die andere Schwester ist verheirate und lebt in Dohuk.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Herkunftsstaat einer glaubhaften asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt war bzw. im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak ist geprägt von den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite. Resultat dieser Kämpfe ist die sukzessive Zurückdrängung des IS. Nach der vollständigen Befreiung der Stadt Mosul vom IS wird Ende 2017 von einer de facto Befreiung des Iraks vom IS gesprochen, wenngleich vereinzelt immer noch Anschläge des IS verzeichnet werden.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.

In den südirakischen Provinzen sowie im Großraum Bagdad sind vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen und Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich in erster Linie gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richtet, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Verstöße gegen die Menschenrechte sind auch außerhalb des vom IS beherrschten Gebietes verbreitet. Fälle von Folter werden ebenso verzeichnet wie Defizite im Justizsystem.

Irakische Sicherheitskräfte sind nicht landesweit in der Lage, den Schutz der Bürger generell sicherzustellen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen vereinzelt nicht über ausreichend qualifiziertes Personal. Es gibt Fälle in denen Gewalttaten straflos bleiben. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Bemühungen zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung. So etwa im Rahmen der Unterstützung des Iraks im Kampf gegen IS bildet Italien Polizeikräfte fort. Deutschland finanziert ein Vorhaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zur Förderung einer bürgernahen lokalen Polizei.

Die Schwäche der irakischen Sicherheitskräfte erlaubt es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den von Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl a-Haq und Kata'ib Hisbollah, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Mit dem am 26.11.2016 verabschiedeten Gesetz über die Volksmobilisierung wurde der Versuch unternommen, einen Teil der Milizangehörigen in Strukturen unter dem formalen Oberbefehl des Premierministers zu überführen und einen Teil unter Zahlung eines Existenzminimums zu demobilisieren. (Auswärtige Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand Dezember 2017).

2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der bP, der von ihr vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP, welche der Rechtsvertretung wie bereits ausgeführt übermittelt wurden.

2.1. Zur Person der bP:

Die personenbezogenen Feststellungen des BFA zur bP ergeben sich aus deren im Verfahren getätigten Angaben. Die bP legte im Verfahren einen irakischen Personalausweis im Original und einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis in Kopie vor. Im Zuge der Verhandlung wurden die Namen in diesen Dokumenten der bP übersetzt. Sowohl aus dem irakischen Personalausweis als auch aus dem irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis gehen die Namen XXXX hervor. Dies wurde auch durch die bP bestätigt. Sie führte aus, dass XXXX ihr persönlicher Name sei, XXXX stehe für den Vornamen des Vaters und XXXX für den Vornamen des Großvaters. Auf die Frage, dass der Name

XXXX nirgends aufscheint, führte die bP aus, dass die Familiennamen seit 2006 nicht mehr in die Ausweise eingetragen worden seien, wichtig seien nur der Vorname, der Vatersname und der Großvatersname. Aufgrund dieser Beweisergebnisse ergeben sich die o.

a. Feststellungen.

Die übrigen Feststellungen zu den personenbezogenen Daten der bP und ihrer Familienmitglieder ergeben sich aus den Angaben der bP im Zuge der mündlichen Verhandlung. Diese Angaben werden dem Verfahren zu Grunde gelegt, da Gegenteiliges nicht hervorkam.

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Im Verfahren ergaben sich erhebliche Widersprüche im Vorbringend er bP.

Die bP führte bei ihrer Erstbefragung zum Fluchtgrund aus, dass sie und ihre Familie aufgrund ihres Familiennamens, welcher eine religiöse Randgruppe darstelle, öfter bedroht worden seien. Ihr Bruder sei entführt worden. Ihre Schwester sei erschossen und das Haus bombardiert worden.

Bei der Einvernahme vor dem BFA legte die bP dar, dass sie Jeside sei. Ihre Probleme hätten ca. 2011/2012 begonnen. Durch ihren Namen hätten sie als Jesiden identifiziert werden können. Sie seien deshalb durch Milizen mit zwei Drohbriefen bedroht worden. Ihre Schwester XXXX sei getötet worden, da sie kein Kopftuch getragen habe. Vor ihrem Haus sei dann eine Autobombe gezündet worden. Ihnen sei das Haus über dem Kopf zusammen gebrochen.

An anderer Stelle der Einvernahme führte sie demgegenüber zu den Beschädigungen beim Haus an, dass nur die Tür herausgeflogen, Glas zerbrochen und der Fernseher kaputt gegangen sei. Ihre kleine Schwester sei durch die Splitter verletzt worden.

Zur Familie befragt gab die bP nunmehr u. a. an, dass ihre Schwester XXXX bereits verheiratet sei und nicht mehr bei ihrem Vater lebe. Auf konkrete Nachfrage gegen Ende der Einvernahme dahingehend, wann und wo ihre Schwester XXXX getötet worden sie, führte die bP aus, dass es 2013 gewesen sei. Anschließend äußerte sie, dass ihre Schwester XXXX von einer Gruppe entführt worden sei, als sie auf der Uni gewesen sei. Sie sei verschwunden. Die Leute hätten aber geredet, dass sie getötet worden sei. Der Ehemann seiner Schwester habe nur gehört, dass sie entführt worden sei. Er sei dann aber zu dem Schluss gekommen, dass sie getötet worden sei.

Somit sind auch diese Angaben völlig widersprüchlich, führte die bP ursprünglich doch aus, dass ihre Schwester XXXX getötet worden sei, da sie kein Kopftuch getragen habe. Vor dem BVwG äußerte sich die bP dahingehend, dass ihre Schwester nur vermisst sei, sie sei zur Arbeit gegangen und nicht mehr zurückgekehrt. Sie vermute, dass der Grund die Religion gewesen sei, aber dies sei nur eine Vermutung.

Vor dem BVwG gab die bP in der Verhandlung völlig divergierend zu ihrem bisherigen Vorbringen, dass sie Jeside sei, zu Protokoll, dass sie der Volksgruppe der Araber und der muslimisch sunnitischen Religionsgemeinschaft angehöre. Sie sei kein Jeside. Auch legte sie dies bereits bei ihrer Einvernahme vor dem BFA am 25.10.2018 dar.

Ebenso widersprüchlich brachte sie den Beginn ihrer angeblichen Probleme vor. Diese hätten 2014 begonnen, während sie vor dem BFA noch darlegte, dass ihre Probleme 2011/2012 begonnen hätten. Während die bP vor dem BFA angab, dass ihre Schwester 2013 getötet worden sei, änderte sie ihr Vorbringen vor dem BVwG dahingehend, dass diese im Juni, Juli oder August 2014 entführt worden sei.

Vor dem BFA legte die bP dar, dass zum Zeitpunkt der Explosion alle anwesend gewesen wären. Es sei ein Freitag gewesen und alle hätten frei gehabt. Ihre kleine Schwester sei durch Splitter verletzt worden. Vor dem BVwG führte sie demgegenüber aus, dass nur die Oma, ihre Stiefmutter und die zwei kleinen Halbbrüder anwesend gewesen wären. Alle seien verletzt worden. Ihre Oma habe schwere Knochenbrüche erlitten, die Kinder hätten Prellungen gehabt. Die Schwiegermutter habe sich die Schulter verletzt.

Seitens des BVwG ist dazu festzustellen, dass die bP in Kernpunkten ihres Fluchtvorbringens völlig widersprüchliche Angaben tätigte und sogar ihre Volkszugehörigkeit änderte, sodass sie persönlich als nicht glaubwürdig im Verfahren zu würdigen war. Das Fluchtvorbringen war somit unglaubhaft und nicht geeignet, der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt zu werden.

2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat stützen sich auf das Amtswissen des erkennenden Gerichtes und die als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignisse im Herkunftsstaat in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen und zu Gehör gebrachten länderkundlichen Informationsquellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind auch die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigte, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund, nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw. die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für die bP eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde. Die bP führte in der Verhandlung selbst aus, dass sie problemlos in Bagdad würde leben können, wenn es keine Bedrohungen durch Milizen gebe würde. Ihre Familie seien ehrbare Leute. Vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen, wonach das von der bP geschilderte Bedrohungsszenario nicht glaubhaft war, kann somit aufgrund der allgemeinen Lage selbst nach den Angaben der bP nicht von einer asylrelevanten Verfolgung ausgegangen werden.

Soweit die allgemeine Situation im Irak instabil sei, ist festzuhalten, dass damit kein in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählter Grund dargetan wird. Diese Umstände können im Bereich der Zuerkennung subsidiären Schutzes relevant sein und wurden auch seitens des BFA im Rahmen der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten berücksichtigt.

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens der bP keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sie bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status einer Asylberechtigten zu gewähren, die Entscheidung des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Drohungen, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, Miliz, mündliche
Verkündung, persönlicher Eindruck, schriftliche Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2118340.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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